Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76(06): 634
DOI: 10.1055/s-0042-106438
Aktuell referiert
Geburtshilfe
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geburtseinleitung bei älteren Schwangeren?

Walker KF et al.
Randomized trial of labor induction in women 35 years of age or older.

N Engl J Med 2016;
374: 813-822
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
27. Juni 2016 (online)

 

    Hintergrund: Der Anteil Schwangerer > 35 Jahre nimmt in den westlichen Industriestaaten seit einiger Zeit zu. Bei älteren Erstgebärenden besteht ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und perinatale Sterblichkeit bzw. Totgeburten. Aus letzterem Grund tendieren manche Geburtshelfer dazu, bei diesen Frauen die Geburt kurz vor dem Termin einzuleiten. Andererseits bestehen bei diesem Vorgehen Bedenken, dass es wegen Komplikationen wie Nabelschnurvorfall oder uteriner Hyperstimulation zu einer vermehrten Notwendigkeit von Kaiserschnitten kommen könnte. Ob diese Bedenken berechtig sind, untersuchten Walker und Kollegen.

    Walker KF et al. Randomized trial of labor induction in women 35 years of age or older. N Engl J Med 2016; 374: 813–822

    Methoden: In die multizentrische randomisierte Studie wurden zwischen August 2012 und März 2015 in 38 britischen Zentren 619 erstgebärende Schwangere ab dem 35. Lebensjahr (zum errechneten Geburtstermin) aufgenommen. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip einer von 2 Gruppen zugewiesen:

    • Einleitung der Geburt zwischen Woche 39 + 0 und 39 + 6 (n = 305) oder

    • zuwartendes Verhalten bis zum Einsetzen spontaner Wehen (außer wenn aus anderen Gründen eine Einleitung oder Sectio caesarea notwendig wurde; n = 314).

    Der primäre Endpunkt war die Kaiserschnittrate, sekundäre Endpunkte umfassten sonstige Arten der Entbindung (spontan vaginal, instrumentell vaginal), intra- und postpartale Komplikationen bei der Mutter, Anteil von Totgeburten, Geburtsgewicht des Kindes, Verlegung auf eine Neugeborenen-Intensivstation (neonatal intensive care unit; NICU) sowie neonatale Traumata und neonatale Hypoxie.

    Ergebnisse: In der Intention-to-treat-Analyse zeigten sich vergleichbare Raten von Schnittentbindungen (32% nach Einleitung, 33% bei zuwartendem Verhalten). Dieses Ergebnis blieb auch unverändert, wenn die Frauen nach ihrem Lebensalter stratifiziert wurden (35–37, 38–39 Jahre, ≥ 40 Jahre). Ähnliches galt für instrumentell assistierte vaginale Geburten (38% nach Einleitung, 33% bei zuwartendem Verhalten). Mütterliche oder kindliche Todesfälle traten nicht auf, und Komplikationen waren zwischen den Gruppen gleich verteilt. Ebenso zeigten sich keine Unterschiede mit der Zufriedenheit bei der Geburt bei einer Befragung der Frauen 4 Wochen nach der Entbindung.

    Folgerung: Bei Schwangeren ab dem 35. Lebensjahr erhöht eine Einleitung der Geburt ab Woche 39 + 0 nicht das Risiko eines Kaiserschnitts, fassen die Autoren zusammen, und zumindest kurzfristig ergaben sich auch keine Hinweise auf ungünstige Outcomes bei den Neugeborenen. Walker et al. betonen ausdrücklich, dass ihre Studie nicht gepowert war, um eventuelle Unterschiede in der Rate von Totgeburten zwischen den beiden Vorgehensweisen zu erfassen – für dieses insgesamt doch sehr seltene Outcome müssten weit mehr Teilnehmerinnen rekrutiert werden. Geburtshelfer, die eine Einleitung erwägen, müssen aber nicht damit rechnen, dass sie damit das Risiko für eine nicht geplante Sectio erhöhen.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


    #