Aktuelle Dermatologie 2016; 42(07): 286-301
DOI: 10.1055/s-0042-107056
Fort- und Weiterbildung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diagnostik und histologische Besonderheiten der kutanen Vaskulitiden/Vaskulopathien – Teil 1

Clinical Diagnostic and Histomorphology of Cutaneous Vasculitis/Vasculopathy – Part I
C. S. L. Müller
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
,
T. Vogt
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
,
C. Pföhler
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Cornelia S. L. Müller
Universitätsklinikum des Saarlandes
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Kirrbergerstraße
66421 Homburg/Saar

Publication History

Publication Date:
11 July 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Vaskulitiden der Haut treten im dermatologischen Patientengut häufig auf und führen immer wieder zu Konsultationen auch aus benachbarten Fachdisziplinen, wie Rheumatologie und Pädiatrie. Die unscharfe Definition einer Vaskulitis sowie vielfältige klinische Verläufe der kutanen Vaskulitiden (mit benignen, selbstlimitierenden Erkrankungen eines einzelnen Organs bis zu Multisystembeteiligungen mit schweren Verläufen und fatalem Ausgang) kennzeichnen die Thematik der Vaskulitiden. Überlappungen hin zu Systemvaskulitiden mit Beteiligung mittelgroßer bis großer Gefäße erfordern eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den entsprechenden Disziplinen und den Allgemeinpathologen. Der folgende Artikel fasst die aktualisierte Klassifikation der kutanen Vaskulitiden zusammen, erläutert wichtige histologische Befunde sowie charakterisierende klinische Merkmale. Im ersten Teil dieser Weiterbildungsreihe werden die verschiedenen Entitäten der leukozytoklastischen und nodulären Vaskulitis, die Livedovaskulopathie, Urtikariavaskulitis, Embolia cutis medicamentosa, septische Vaskulitiden und auch Thrombophlebitiden sowie Pseudovaskulitiden vorgestellt.


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Abstract

Vasculitis of the skin is frequently found in dermatologic patients and requires interdisciplinary teamwork with other areas of expertise such as rheumatology or pediatrics. The vague definition of a vasculitis together with a multiplicity of clinical courses reaching from benign, self-limiting disease involving only a single organ to a disease involving multiple organs that leads to dramatic courses with fatal outcome are characteristic for the topic “vasculitis”. Vasculitis of the skin overlapping to systemic vasculitis with involvement of medium-sized to large vessels requires a close interdisciplinary teamwork with other disciplines and pathologists. This article sums up the current classification of cutaneous vasculitis and illustrates important histological and characteristic clinical features. The first part of this training course portrays the following entities: leucocytoclastic and nodular vasculitis, livedovasculopathy, urticariavasculitis, embolia cutis medicamentosa, septic vasculitis, thrombophlebitis and pseudovasculitis.


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Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrages

  • ist Ihnen die Klassifikation der kutanen Vaskulitiden/Vaskulopathien bekannt.

  • kennen Sie klinisch relevante histopathologische Besonderheiten der verschiedenen Vaskulitiden/Vaskulopathien.

  • kennen Sie die klinischen und histologischen Differenzialdiagnosen der Vaskulitiden.

  • sind Ihnen die Anforderungen an die Hautbiopsie bei Vaskulitiden bewusst.


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Einleitung

Vaskulitiden der Haut treten im dermatologischen Patientengut häufig auf und führen immer wieder zu Konsultationen auch aus benachbarten Fachdisziplinen, wie Rheumatologie und Pädiatrie. Die unscharfe Definition einer Vaskulitis sowie vielfältige klinische Verläufe der kutanen Vaskulitiden – mit benignen, selbstlimitierenden Erkrankungen eines einzelnen Organs bis zu Multisystembeteiligungen mit schweren Verläufen und fatalem Ausgang – kennzeichnen die Thematik der Vaskulitiden.

Überlappungen hin zu Systemvaskulitiden mit Beteiligung mittelgroßer bis großer Gefäße erfordern eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den entsprechenden Disziplinen und den Allgemeinpathologen.

Von einer systemischen Vaskulitis sollte grundsätzlich nur gesprochen werden, wenn in der Tat auch viszerale Organe betroffen sind. Allein das begleitende Auftreten einer systemischen Inflammation, wie z. B. Fieber oder reaktive Arthralgien, rechtfertigen noch nicht die Diagnose einer Systemvaskulitis. Die Vaskulitiden werden je nach Fachdisziplin, Schule und persönlichem Ermessen in verschiedene Systeme klassifiziert:

  • Klassifikation nach der Größe des betroffenen Gefäßes

  • Klassifikation nach der Ausdehnung in der Dermis und/oder Subkutis

  • Klassifikation nach Art und Zusammensetzung des entzündlichen Infiltrates und dominierenden Entzündungszelltyps

Ein histopathologisch basierter ausgezeichneter Diagnose-Algorithmus einschließlich kritischer Diskussion der rezenten Literatur zu den Vaskulitiden wurde von G. Ratzinger und Kollegen gegeben [1]. Während die Vaskulitis per definitionem eine Entzündung der Gefäße ist, welche distinkte morphologische Kriterien erfüllen muss, ist der Begriff der Vaskulopathie historischerweise für Gefäßerkrankungen mit partieller oder totaler Okklusion des Gefäßlumens ohne einen primär zugrundeliegenden entzündlichen Prozess reserviert bzw. umfasst der Begriff der Vaskulopathie umfänglich alle Krankheiten der Blutgefäße (einschließlich entzündlicher, neoplastischer und genetischer Verursachung). Abgegrenzt werden muss der Begriff der Koagulopathie, der Gefäßerkrankungen mit partiellem oder vollständigem Verschluss des Gefäßlumens durch Thromben oder Emboli infolge Hyperkoagulabilität bezeichnet [1]. Eine Unterscheidung dieser Begriffe ist in erster Linie von therapeutischer Konsequenz, da Koagulopathien naturgemäß einer anderen Therapie bedürfen als primär entzündliche Gefäßwanderkrankungen mit/ohne Lumenverschluss oder infektiöse Vaskulitiden.

Allerdings berücksichtigt diese Unterscheidung in Vaskulitis, Vaskulopathie und Koagulopathie nicht die Tatsache, dass auch sekundär bei initial nicht-inflammatorischen Vaskulopathien entzündliche Veränderungen auftreten können und somit alle 3 Prozesse ineinander übergehen können [1]. Die Diagnose einer Vaskulitis wird üblicherweise auf Basis der Histologie ([Tab. 2]) einschließlich der direkten Immunfluoreszenz und im Kontext der charakteristischen klinischen Befunde gestellt, wobei im Allgemeinen gilt, dass nur die wenigsten Vaskulitiden pathognomonische klinische, radiologische oder laborchemische Charakteristika zeigen [2] [3] [4].

Abhängig von der Größe des jeweilig betroffenen Gefäßes, manifestiert sich die Erkrankung in distinkter Weise an der Haut. Daher erscheint die Zugrundelegung der Größe der Gefäße, wie in der Chapel-Hill-Konsensuskonferenz 2012 (CHCC 2012) festgelegt, als grundsätzlich hilfreich. Diese bildet die aktuelle Grundlage der Einteilung der Vaskulitiden und unterscheidet in Groß- und Kleingefäßvaskulitiden sowie Vaskulitiden mittelgroßer Gefäße. Daneben werden Vaskulitiden variabler Gefäßgrößen von Vaskulitiden einzelner solitärer Organe abgegrenzt ([Tab. 1]). Ätiomorphologischen sowie spezifischen dermatologischen Aspekten wird die Chapel-Hill-Nomenklatur aus dem Jahre 2012 jedoch leider nicht gerecht. Eine Ergänzung der CHCC 2012 um einen dermatologisch relevanten Anhang ist derzeit in Arbeit [5] [6].

Tab. 1

Einteilung der Vaskulitiden (modifiziert nach der revidierten International Chapel-Hill-Konsensuskonferenz-2012-Nomenklatur).

Betroffenes Gefäßsystem

Vertreter

Für die Dermatopathologie relevante Besonderheiten

Großgefäßvaskulitiden

Riesenzellarteriitis

Es können auch kleine Arterien betroffen sein (Arteriitis temporalis, Ziliararterien des Auges).

Takayasu-Arteriitis

Vaskulitiden mittelgroßer Gefäße

Polyarteriitis nodosa

Kawasaki-Erkrankung

Kleingefäßvaskulitiden

ANCA-assoziierte Vaskulitis

  • Wegener-Granulomatose

  • Churg-Strauss-Syndrom

  • Mikroskopische Polyangitis

Immunkomplex-Kleingefäßvaskulitis

  • IgA-Vaskulitis (Purpura Schönlein-Henoch)

  • Kryoglobulinämische Vaskulitis

  • Hypokomplementämische Urtikariavaskulitis

Vaskulitis variabler Gefäßgrößen

Behçet-Erkrankung

Cogan’s Syndrom

Vaskulitis einzelner Organe

Primäre Angiitis des ZNS

Kutane leukozytoklastische Vaskulitis

andere

Vaskulitis bei systemischen Erkrankungen

Rheumatoide Arthritis

Lupusvaskulitis

Sarkoidale Vaskulitis

andere

Vaskulitis mit wahrscheinlicher Ätiologie

Hepatitis-assoziierte Vaskulitis

Lues-assoziierte Vaskulitis

andere

Tab. 2

Allgemeine morphologische Diagnosekriterien der Vaskulitis [9].

Akute Veränderungen im Rahmen einer Vaskulitis

Merkmale, suggestiv für das Vorliegen einer Vaskulitis

Zeichen der chronischen bzw. in Abheilung befindlichen Vaskulitis

Merkmale, die auf eine assoziierte/zugrundeliegende Systemerkrankungen schließen lassen

  • angiozentrische und/oder angioinvasive entzündliche Infiltrate

  • Destruktion der Gefäßwand durch das Entzündungsinfiltrat

  • intramurale und/oder intraluminale Fibrindepositionen (sog. „fibrinoide Nekrose“)

  • in größeren dermal-subkutan lokalisierten Gefäßen Infiltration der Gefäßwand durch Entzündungszellen

  • Erythrozytenextravasation/Hämorrhagie

  • perivaskulärer Kernstaub, sog. Leukozytoklasie

  • Endothelzellschwellung/-Nekrose

  • Nekrosen der ekkrinen Drüsenepithelien

  • Ulzeration

  • Nekrose/Infarzierung

  • perivaskuläre zwiebelschalenartige Fibrose bzw. Fibrosierung der Gefäßwände

  • luminale Obliterationen

  • Verlust der Lamina elastica interna in größeren und mittelgroßen Gefäßen assoziiert mit Fibroplasie

  • reaktive Angioendotheliomatose

  • Neovaskularisation der Adventitia

  • lamelläre oder storiforme Fibrose

  • Gewebsneutrophilie

  • Gewebseosinophilie

  • Palisadengranulome/neutrophile Granulome

  • Zeichen der Interfacedermatitis

  • pustulöse Bilder mit Neutrophilenabszessen

Zusammenfassend existieren aktuell hervorragende Klassifikationssysteme für die verschiedenen Vaskulitiden, welche überwiegend histomorphologisch basiert sind (siehe Chapel-Hill-Konsensuskonferez 2012 und auch das „Vaskulitis-Rad“ der Kollegen G. Ratzinger et al.) [1] [6]. Leider sind diese histologisch basierten Klassifikationen von geringer Bedeutung für den klinischen Alltag [7]. Ganz besonders in der klinischen Dermatologie werden weiter historisch begründete, überwiegend deskriptive Diagnoseentitäten gelebt, die sich nicht in die derzeit gängigen Klassifikationen einordnen lassen, aber im klinischen Alltag sehr gut definiert und daher weiter von hohem diagnostisch-therapeutischem Nutzen sind.

Daher dienen nach wie vor die korrekte histologische Beschreibung und Diagnose einschließlich der supplementären Verfahren wie Immunfluoreszenz und gelegentlich Immunhistochemie der abschließenden klassifikatorischen Einordnung der Vaskulitiden in das System der CHCC 2012.
Somit sollte es in den meisten Fällen möglich sein, durch die akkurate Anwendung der klinischen und histologischen Kriterien die Vaskulitis stimmig einzuordnen und klinische und histologische Differenzialdiagnosen i. S. sog. Vaskulitis-Simulatoren auszuschließen [8].


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Histologische Aspekte

Da die histologische Befundung in der Diagnosestellung eine eminent wichtige Rolle einnimmt, ist es die primäre Aufgabe des klinisch tägigen Kollegen, die Grundsätze zu kennen und zu befolgen, die an die Biopsie mit der Fragestellung einer kutanen Vaskulitis zu stellen sind. Die Haut ist im Gegensatz zu anderen Organen, die von einer Vaskulitis betroffen sein können, jederzeit gut einsehbar und diagnostisch zugänglich.

Um die Lage und Größe der betroffenen Gefäße korrekt einordnen zu können, sind zunächst ausreichend große und tiefe Biopsien (bevorzugt Exzisionsbiopsien bzw. größere Stanzbiopsien) erforderlich. Dies ist die unbedingte Anforderung an den klinischen Behandler.

Shavebiopsien sind nicht geeignet, die Diagnose einer Vaskulitis zu stellen.

Daneben ist die Lokalisation der Biopsie sowie der Zeitpunkt der Biopsie von entscheidender Wichtigkeit: Es sollten Biopsien aus frischen Läsionen entnommen werden, welche nicht älter als 24 h sind und keine sekundären Veränderungen aufweisen (Kratzer, Ulzerationen oder Krusten). Fast alle Biopsien weisen Immunkomplexe und/oder Komplementfaktoren nur innerhalb der ersten 48 h nach Entstehen der Hautläsion auf; dies ist im Rahmen der Biopsieentnahme für die direkte Immunfluoreszenz zu beachten [2] [3] [8] [9] [10] [11] [12] [13].

Daneben sollte es selbstverständlich sein, klinisch-additive Angaben über Art und Ausmaß der Hautläsionen, Begleiterkrankungen, Allgemeinzustand oder evtl. eine vorhandene B-Symptomatik zu machen, da diese dem Histologen bei der abschließenden Einordnung der feingeweblichen Befunde in eine diagnostische Schublade helfen können.

Unbenommen bleibt jedoch die Anforderung der klinisch-pathologischen Korrelation an den Kliniker, alle Befunde abschließend zusammenzuführen, um die korrekte klinische Diagnose zu stellen und dem Patienten damit die bestmögliche Therapie zukommen lassen zu können.

Die charakteristischen morphologischen Befunde, die eine Vaskulitis definieren, sind in [Tab. 2] aufgeführt.

Grundlage des vorliegenden Artikels sind die für den klinisch tätigen Dermatologen relevanten Formen der kutanen Vaskulitis. Die Einteilung nach der betroffenen Gefäßgröße soll der Praktikabilität halber nicht Gegenstand dieser Arbeit sein.


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Primäre Vaskulitiden

Leukozytoklastische Vaskulitis (LCV)

Synonyme: kutane leukozytoklastische Angiitis, Hypersensitivitätsvaskulitis/-angiitis, allergische Vaskulitis, nekrotisierende Vaskulitis, Immunkomplexvaskulitis

Bei der LCV handelt es sich um die häufigste Vaskulitis der Haut. Im Sinne der CHCC 2012 zur Nomenklatur der Vaskulitiden zählt sie zu den Single-Organ-Vaskulitiden und betrifft meist die kleinkalibrigen Gefäße. Es handelt sich in der überwiegenden Zahl der Fälle um Immunkomplexvaskulitiden mit vaskulären Ablagerungen von IgA, IgM und gelegentlich auch IgG.

Die Tatsache, dass insbesondere die LCV neben der Haut immer auch Gefäße anderer Organe betreffen kann und morphologisches Substrat auch anderer Vaskulitiden darstellt, wird durch die genannte Definition nicht berücksichtigt.

Es handelt sich daher bei der rein kutanen Form der LCV ohne Systembeteiligung um eine Ausschlussdiagnose, die erst nach mehrfachem Ausschluss einer Organbeteiligung gestellt werden kann (Ausschluss einer renalen Beteiligung durch sorgfältige Analyse des Urinstatus und Sonografie, Beachtung neurologischer Symptome, Hals-Nasen-Ohren-ärztliche und ophthalmologische Vorstellung sowie eine Basis-Labordiagnostik) ([Tab. 3]).

Tab. 3

Grunddiagnostik in Anlehnung an [13].

Parameter

Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), C-Reaktives Protein (CRP)

Differenzialblutbild

Transaminasen

Gerinnungsparameter (Quick, PTT)

Urinstatus mit Sediment (mind. 3-mal)

Hämokkult (mind. 3-mal)

Abstriche von Pharynx und Tonsille

Unter mehrfachem Ausschluss wird in der Regel die mindestens 3-malige Wiederholung von Urin- und Stuhldiagnostik verstanden [13]. Da der Ausschluss eines diskreten Befalls kleiner Organgefäße subtil und daher schwierig sein kann, muss die entsprechende Diagnostik penibel und wiederholt durchgeführt werden ([Tab. 3]). Eine ausführliche Übersicht über die notwendige Diagnostik sowie ggf. erweiterte Diagnostik bei klinischen Zeichen einer Vaskulitis sind in der Arbeit von Sunderkötter et al. aus dem Jahre 2004 sehr übersichtlich dargestellt [13].

Klinisches Bild

Die klinische Präsentation ist in der Tat abhängig vom betroffenen Gefäß und seinem Kaliber:

Bei Befall kleinkalibriger Gefäße, z. B. postkapillärer Venolen im subpapillären Gefäßplexus, kommt es zur Ausbildung papulöser, scharf begrenzter Effloreszenzen, welche durch Erythrozytenaustritte purpuriform erscheinen ([Abb. 1]). Dies ist als sog. palpable Purpura sicht- und tastbar. Klinische Differenzialdiagnosen der palpablen Purpura umfassen neben der LCV auch Systemvaskulitiden ([Tab. 4]). Die Läsionen der LCV breiten sich hierbei von distal nach proximal aufsteigend aus [13].

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Abb. 1 Charakteristisches klinisches Erscheinungsbild einer leukozytoklastischen Vaskulitis mit einer palpablen Purpura an den Beinen beiderseits.
Tab. 4

Ursachen einer palpablen Purpura (modifiziert nach Fritsch P. Dermatologie Venerologie. Springer Lehrbuch. Edition 2, 2004 ).

Kutane nekrotisierende Vaskulitis

Purpura Schoenlein-Henoch

Vaskulitis bei Sjögren-Syndrom/essenzieller Kryoglobulinämie/Kollagenosen/Myelom

Als Hautzeichen bei Wegener-Granulomatose/mikroskopischer Polyangitis/Churg-Strauss-Syndrom

Sind mittelgroße Gefäße des subkutanen Gefäßplexus (Arteriolen, kleinkalibrige Venen und Arterien) betroffen, bildet sich klinisch ein Knoten aus, der nach thrombotischer Gefäßverlegung auch nekrotisieren und ulzerieren kann ([Abb. 2]) [13].

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Abb. 2 Ulzerierende Knoten im Rahmen einer schweren leukozytoklastischen Vaskulitis.

Leitsymptom der LCV sind in der Mehrzahl der Fälle eine palpable Purpura, teils auch Blasen, Ulzerationen und Nekrosen an den bilateralen Unterschenkel-Streckseiten. Die Hautläsionen steigen typischerweise von distal nach proximal auf. Gelegentlich werden auch sterile Pusteln beobachtet.

Aufgrund von Stasephänomenen sind v. a. die Unterschenkel betroffen sowie auch Areale, die durch Kleidungsstücke oder Verbände gestaut oder irritiert werden. Schwere Verläufe einer LCV sind durch eine Ausbreitung der Hautläsionen auf andere, proximal gelegene Körperteile gekennzeichnet. Die Wahrscheinlichkeit einer Systembeteiligung im Rahmen der LCV steigt deutlich, sobald die Hautläsionen oberhalb der Gürtellinie auftreten [13]. Abhängig vom Ausmaß der Organbeteiligung können dann auch ein reduzierter Allgemeinzustand und Fieber auftreten. Hämaturie und/oder Proteinurie, Sehstörungen und gastrointestinale Symptome treten auf, wenn die vaskulitischen Veränderungen auch an den renalen, intestinalen Gefäßen sowie an den Augen auftreten.

Glasspateltest:
Als Ausdruck der Erythrozytenextravasation infolge der Gefäßwandentzündung mit im Gewebe liegenden Erythrozyten lassen sich die klinisch sichtbaren Rötungen mit dem Glasspatel nicht wegdrücken.

Sunderkötter et al. haben 2004 eine Klassifikation der LCV in 3 Subgruppen vorgeschlagen [13]:

  1. Systemische (ANCA-assoziierte) Vaskulitiden

  2. Immunkomplexvaskulitiden

  3. Komplexe Formen/Sonderformen

Eine rein auf der klinischen Präsentation an der Haut beruhende Differenzierung in isoliert kutane oder systemische Vaskulitiden (sowie welches Immunglobulin typischerweise abgelagert wurde) ist nicht möglich.


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Klinische Sonderformen und immunfluoreszenz-optische Befunde

Abhängig von den nachweisbaren Immunkomplexablagerungen werden diverse klinische Varianten der LCV unterschieden, welche in charakteristischen Lebensaltern, bei diversen Begleiterkrankungen sowie an typischen Lokalisationen beobachtet werden.

Hierbei handelt es sich in erster Linie um folgende Entitäten:

  • Purpura Schönlein-Henoch von Kindern und Erwachsenen

  • IgA-assoziierte leukozytoklastische Vaskulitis

  • nicht-IgA-assoziierte leukozytoklastische Vaskulitis

  • normo- und hypokomplementämische urtikarielle Vaskulitis/Urtikariavaskulitis

  • Vaskulitis im Rahmen einer Kryoglobulinämie Typ II/III

Bei der Purpura Schönlein-Henoch handelt es sich um eine palpable Purpura an den unteren Extremitäten und am Gesäß von Kindern, welche in Assoziation mit Arthritiden, Angina abdominalis und Hämaturie/Proteinurie einhergeht. Die Erkrankung ist meist selbstlimitierend und von harmloser Natur und ist in der Mehrzahl der Fälle mit vorausgehenden bakteriellen oder viralen Infektionen assoziiert. Im Unterschied dazu zeigt die Purpura Schönlein-Henoch des Erwachsenen einen meist schwereren klinischen Verlauf mit fast genereller systemischer Beteiligung. Sowohl das Risiko einer Nierenbeteiligung mit Entwicklung einer konsekutiven chronischen Niereninsuffizienz als auch das Tumorrisiko (Lunge und Magen-Darm-Trakt) ist bei Erwachsenen mit Purpura Schönlein-Henoch erhöht [14] [15] [16]. Anhand der nachweisbaren Immunglobulinablagerungen wird in die prognostisch unterschiedlich zu bewertende IgA-assoziierte leukozytoklastische Vaskulitis und die nicht IgA-assoziierte leukozytoklastische Vaskulitis unterschieden, wobei Erwachsene deutlich häufiger perivaskuläre IgG- oder IgM-Ablagerungen aufweisen. Im Erwachsenenalter spielen in der Pathogenese der LCV sowohl Medikamenteneinnahme, post-/parainfektiöse Zustände sowie begleitende Kollagenosen und Paraneoplasien eine ätiologische Rolle. Weitere assoziierte Systemerkrankungen können die Kryoglobulinämie, Sjögren-Syndrom oder virale Hepatitiden sein. Eine leukozytoklastische Vaskulitis wird ferner auch bei der Kryoglobulinämie Typ II/III beobachtet [2] [3] [4] [9] [10] [12] [13].

Merke: Auch im Rahmen von Kollagenosen (Sjögren-Syndrom, systemischem Lupus erythematodes und rheumatoider Arthritis) kann eine leukozytoklastische Vaskulitis als Symptom auftreten.


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Klinische Differenzialdiagnosen

Zahlreiche Erkrankungen können durch verschiedene Mechanismen die Symptome einer Vaskulitis imitieren und werden daher auch als sog. Pseudovaskulitiden bezeichnet, deren ätiologische Grundlagen in [Tab. 5] aufgeführt sind [8]:

  • Hämorrhagien

  • Infektionen

  • Embolien (Embolien atrialer Myxome, Cholesterinembolien)

  • Thrombosen

  • Vasospasmen

  • vaskuläre Traumata und

  • distinkte Gefäßwandpathologien wie bei Kalziphylaxie und Amyloidose

Das klinische Symptom der Purpura bzw. von Ekchymosen wird auch durch nicht vaskulitische Erkrankungen verursacht:

  • senile/aktinische Purpura

  • traumatische Purpura

  • Skorbut

  • idiopathische thrombozytopenische Purpura

  • hämorrhagisch-pigmentäre Erkrankungen der Haut, z. B. Morbus Schamberg/Purpura pigmentosa progressiva ([Abb. 12])

  • Insektenstichreaktionen

  • Arzneireaktionen

  • Infektionen

Tab. 5

Ursachen der sog. Pseudovaskulitiden [8].

Pathomechanismus

Erkrankung

Hämorrhagie

purpuriforme Pigmentdermatosen (Morbus Schamberg, Lichen aureus, u. a.)

senile Purpura

Skorbut (Vitamin-C-Mangel)

Viren/Arzneimittel/Insektenstiche

Embolie

atriale Myxome

Cholesterinembolien

Thrombose

Antiphospholipid-Syndrom

Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura

Sichelzellanämie

Vasospasmen, medikamentös induziert

Ergotamine

Kokain

vaskuläre Verletzungen

Hypothenar-Hammer-Syndrom

Gefäßwandpathologien

Amyloidose

Primäre Hyperoxalurie

Bei den hämorrhagisch-pigmentären Erkrankungen der Haut (z. B. Morbus Schamberg) handelt es sich um chronische, nicht vaskulitische Dermatosen, die sich klinisch durch Petechien mit Übergang in cayennepfefferfarbene, gelb-orange-bräunliche Herde ausweisen. Bevorzugt sind die distalen Unterschenkel junger Erwachsener betroffen.

Die leukozytoklastische Vaskulitis ist die häufigste Vaskulitis der Haut und betrifft überwiegend die kleinkalibrigen Gefäße.
In der 2012 revidierten und aktualisierten Chapel-Hill-Konsensuskonferenz zur Nomenklatur der Vaskulitiden wird die kutane leukozytoklastische Vaskulitis den sog. Single-Organ-Vaskulitiden zugeordnet.
Die leukozytoklastische Vaskulitis kann aber neben der Haut immer auch Gefäße anderer Organe betreffen.
Die reine kutane leukozytoklastische Vaskulitis ohne Systembeteiligung ist daher eine Ausschlussdiagnose nach mehrfachem (mind. 3-fachem) Ausschluss einer Organbeteiligung.


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Histologische Differenzialdiagnosen

  • septische Vaskulitis

  • lymphozytäre Vaskulitis

  • Livedovaskulopathie

  • Urtikariavaskulitis

  • Erythema elevatum et diutinum/Granuloma eosinophilicum faciale


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Histologische Befunde ([Abb. 3 a, b])

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Abb. 3 a Mikroskopisch fällt unterhalb einer unbeteiligten Epidermis ein perivaskuläres Entzündungsinfiltrat mit reichlich transmuralen und perivaskulären neutrophilen Granulozyten und Kernstaub auf. b Detailaufnahme der transmuralen Infiltrate aus Neutrophilen und Kernstaub sowie Fibrindepositionen in der Wand oberflächlicher Gefäße.
  • frühe Phase: oberflächliches und tiefes lymphozytäres Infiltrat, wenig Kernstaub

  • voll ausgebildete Läsionen: reichlich neutrophile Granulozyten intramural und luminal sowie massenhaft perivaskulärer Kernstaub (= Leukozytoklasie)

  • variable epidermale Veränderungen in Form von Spongiose, Nekrose und Ulzeration

  • Erythrozytenextravasate in variablem Ausmaß

  • deutliche Fibrinablagerungen in den Gefäßwänden

  • Thrombosierungen der Gefäße sind möglich.


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Noduläre Vaskulitis

Synonyme: nodöse Vaskulitis, Erythema induratum Bazin, nodöses Tuberkulid

Klinische Befunde

Die noduläre Vaskulitis wird durch eine am ehesten hypererge Reaktion in Assoziation mit bestimmten Konstitutionen (weibliches Geschlecht, Lipödem) sowie Neigung zur Akrozyanose, Livedo reticularis und chronischer Kälteexposition definiert. Bei Nachweis einer assoziierten extrakutanen Tuberkulose wird der Begriff Erythema induratum Bazin verwendet, bei Fehlen des Erregernachweises bezeichnet man die Erkrankung als nodöse Vaskulitis. Beide zeichnen sich durch ein identisches klinisches Erscheinungsbild aus. Es besteht eine deutliche Koinzidenz mit dem Lichen scrofulosorum und dem papulonekrotischen Tuberkulid. Klinisch manifestiert sie sich meist in Form wenig bis stark schmerzhafter, subkutaner Plaques, Indurationen und Knoten an den rückseitigen Unterschenkeln mit Livedozeichnung im Sinne einer Cutis marmorata. Begleitend treten Erytheme sowie konsekutive Nekrose und Ulzeration auf [17]. Der Ausschluss einer extrakutanen Tuberkulose ist erforderlich. Zudem sollte am Biopsiematerial der Mykobakteriennachweis mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) versucht werden [18]. Der klinische Verlauf ist ausgesprochen chronisch und zieht sich über mehrere Jahre.


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Klinische Differenzialdiagnosen

  • Pannikulitiden bei alpha-(1)-Antitrypsinmangel

  • pankreopathische Pannikulitiden

  • andere infektiöse Pannikulitiden

  • Polyarteriitis nodosa


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Histologische Merkmale

  • Im Vollstadium grundsätzlich Bild einer lobulären Pannikulitis.

  • Die Gefäßwände mittelgroßer septaler Arterien zeigen eine konzentrische und radiäre Aufsplitterung und Fragmentierung.

  • Im Verlauf Nekrose und Thrombosierung dieser Arterien.


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Livedovaskulopathie

Klinische Befunde

Kennzeichnend für die Livedovaskulopathie ist die Trias aus Livedo racemosa, rezidivierenden Ulzera und Atrophie blanche. In der Umgebung der genannten Hautläsionen finden sich gelegentlich Teleangiektasien und/oder postinflammatorische Pigmentverschiebungen ([Abb. 4]). Nicht immer finden sich alle Teilsymptome der Trias gleichzeitig.

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Abb. 4 Klinische Präsentation einer Livedovaskulopathie mit einer Ulzeration mit lividem Randsaum und blitzfigurenartigen Erythemen periläsional.

Vorrangig sind Frauen im mittleren Lebensalter (4. – 5. Lebensdekade) betroffen. Prädilektionsstellen sind die untere Extremität und hier v. a. die Füße/Fußknöchel mit Ausdehnung auf Fußrücken und distalen Unterschenkel. Die Livedovaskulopathie verläuft schubförmig und rezidiviert häufig. Dies führte zur synonymen Bezeichnung Recurrent Summer Ulcerations.

Allgemeinsymptome sind meist nicht assoziiert, jedoch beschreiben die Patienten oft ein Prodromalstadium in Form streng lokalisierter brennender Schmerzempfindungen in der Malleolarregion. Eine Umfeld-Diagnostik fördert in der Vielzahl der Fälle meist abnorme Gerinnungsparameter zu Tage, die prothrombotische Eigenschaften haben (Anticardiolipinantikörper, Protein-C-Mangel etc.) [19] [20] [21].

Typisch sind bizarre, blitzfigurenartige, dunkelrote, livide Flecken in Form eines inhomogenen Netzmusters mit unvollständig geschlossenen Netzmaschen.
Assoziierte Ulzerationen gleichen kraterähnlichen Nekrosen der Haut, teils mit hämorrhagischen Blasen oder Krusten.
In über der Hälfte der Fälle wird eine begleitende chronisch-venöse Insuffizienz beobachtet.


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Klinische Differenzialdiagnosen

Alle Formen des Ulcus cruris sowie ulzerierende Verläufe anderer Dermatosen müssen in die klinische Differenzialdiagnostik einbezogen werden. Die exakte Anamnese der Erkrankung, der rezidivierende Charakter und die Histologie erlauben jedoch meist rasch die Diagnose der Livedovaskulopathie. Abzugrenzen sind folgende Erkrankungen:

  • Polyarteriitis nodosa (hier treten zusätzlich subkutane palpable druckdolente Knötchen auf)

  • Ulzerationen im Rahmen einer Kollagenose, Kryoglobulinämie, Antiphospholipidsyndrom, Sichelzellanämie, ein Pyoderma gangränosum, u. a.

Histologische Differenzialdiagnosen umfassen die Polyarteriitis nodosa, die septische Vaskulitis sowie die Kryoglobulinämie.


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Histopathologische Befunde ([Abb. 5])

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Abb. 5 Morphologische Befunde einer Livedovaskulopathie mit nahezu okkludierenden Fibrindepositionen in den Gefäßwänden bei schütterem Begleitinfiltrat.
  • Fibrin in den Gefäßwänden

  • Fibrinthrombi in den Gefäßlumina

  • Erythrozytenextravasate

  • variable, eher dezente Entzündung mit einzelnen Lymphozyten (sog. lymphozytäre Vaskulitis)

Die Livedovaskulopathie ist eine insgesamt seltene und chronisch verlaufende rezidivierende Erkrankung. Sie verläuft schubförmig und rezidiviert häufig. Daher rührt auch die synonyme Bezeichnung Recurrent Summer Ulcerations.


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Urtikariavaskulitis/urtikarielle Vaskulitis

Eine weitere chronisch verlaufende leukozytoklastische Vaskulitis ist die Urtikariavaskulitis/urtikarielle Vaskulitis. Klinisch werden feine, punktförmige Hämorrhagien in den Urticae beobachtet, welche meist erst durch Glasspateldruck erkennbar werden ([Abb. 6]). Typischerweise hält die Einzelläsion deutlich länger als eine gemeine Quaddel (> 24 h). Wichtig zur Beurteilung der Urtikariavaskulitis ist die Untersuchung der Komplementfaktoren, da in eine normo- und eine hypokomplementämische urtikarielle Vaskulitis unterschieden wird, wobei die letztere oft einen positiven Lupusband-Test aufweisen und einem systemischen Lupus erythematosus vorangehen kann. Gelegentlich sind Kryoglobulinämie, Sjögren-Syndrom oder virale Hepatitiden assoziiert. Histologisch sieht man die Befunde einer Urtikaria neben denen der leukozytoklastischen Vaskulitis. Die typischen Hautveränderungen werden gelegentlich von Fieberschüben begleitet [22] [23].

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Abb. 6 Klinisches Bild einer Urtikariavaskulitis mit konfluierenden Urticae mit diskreter Purpura, welche länger als 24 Stunden anhalten.

Die Urtikariavaskulitis ist eine hoch-chronische, leukozytoklastische Vaskulitis mit feinen punktförmigen Hämorrhagien in den Urticae, welche meist erst durch Glasspateldruck erkennbar werden und deren urtikarielle Einzelläsionen deutlich länger als eine gemeine Quaddel (> 24 h) bestehen. Messungen des Komplementverbrauchs erlauben eine Einteilung in normo- und hypokomplementämische urtikarielle Vaskulitis. Assoziation mit systemischem Lupus erythematosus, Kryoglobulinämie, Sjögren-Syndrom oder viralen Hepatitiden sind möglich.


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Erythema elevatum et diutinum und Granuloma eosinophilicum faciale

Klinische Präsentation

Beide Erkrankungen stellen entzündliche Erkrankungen ungeklärter Ätiologie dar und weisen als gemeinsames Merkmal eine leukozytoklastische Vaskulitis auf. Die histologischen Befunde sind nahezu gleich: Bei der Differenzierung beider Erkrankungen müssen die klinischen Befunde im Besonderen einbezogen werden, da nur diese die Unterteilung in die beiden Entitäten gestattet (siehe [Tab. 6]). Das Granuloma faciale ist – wie es der Name bereits ausdrückt – im Gesicht lokalisiert, wobei Männer häufiger betroffen sind. Fallberichte über extrafaziale Lokalisationen existieren. Das Granuloma faciale wird in der 5. – 6. Lebensdekade beobachtet. Klinisch fallen rötlich-bräunliche, größenprogrediente, schuppenfreie Plaques auf. Erweiterte Follikelostien führen zum klinischen Aspekt einer orangenschalenähnlichen Oberfläche ([Abb. 9]). In der Diaskopie wird ein gelb-bräunliches Eigeninfiltrat sichtbar. Das Erythema elevatum et diutinum wird häufig bei männlichen Individuen beobachtet und tritt bevorzugt in 2 Altersgipfeln auf: Kindheit und mittleres Lebensalter. Häufig werden assoziierte Infekte (z. B. Streptokokkeninfekte, Virushepatitiden, Syphilis und HIV) aber auch Tumorerkrankungen (z. B. Myelodysplasie, multiples Myelom, Lymphome, Paraproteinämien) sowie Autoimmunerkrankungen (z. B. Zöliakie, Morbus Crohn, rheumatoide Arthritis) beobachtet. Klinisch sind überwiegend die Streckseiten der Arme (Hände), aber auch Knie und Gesäß betroffen. Spontanremissionen werden beobachtet. Die Läsionen heilen unter Hinterlassung hyperpigmentierter Areale ab [24] [25] [26] [27].

Tab. 6

Histopathologische Merkmale des Granuloma (eosinophilicum) faciale und Erythema elevatum et diutinum.

Granuloma faciale

Erythema elevatum et diutinum

Alter

5. – 6. Dekade

2 Gipfel: Kindheit und Alter

Lokalisation

Gesicht

Streckseiten der Arme (Hände), Knie und Gesäß

Geschlechterpräferenz

männlich

männlich

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Abb. 7 Embolia cutis medicamentosa. Im Bereich der Injektionsstelle zeigen sich fest haftende schwarze Beläge und Ulzerationen mit umgebendem tiefrotem Erythem.
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Abb. 8 a Die histologischen Befunde bei einer Embolia cutis medicamentosa sind sehr diskret und weisen schüttere unspezifische Infiltrate auf. b In der Detailaufnahme gelingt der Nachweis fibrinoider Depositionen an einem betroffenen kleinen Gefäß des oberen Plexus.
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Abb. 9 Läsion eines Erythema elevatum et diutinum an der Nasenspitze. Beachte die orangenschalenartige Oberfläche sowie die mächtig infiltrierte Plaque.

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Klinische Differenzialdiagnosen

  • Granuloma anulare

  • Sweet-Syndrom

  • Xanthogranulome

  • Xanthome

  • Sarkoidose

  • Pseudolymphome


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Histologie

Das histologische Bild ist bei beiden Erkrankungen gekennzeichnet durch eine chronische leukozytoklastische Vaskulitis, welche im Verlauf zu einer charakteristischen Fibrosierung führt ([Abb. 10 a, b]).

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Abb. 10 a und b Histologische Präsentation eines Erythema elevatum et diutinum/Granuloma eosinophilicum faciale: Unterhalb einer unbeteiligten Epidermis wird ein dichtes Infiltrat aus reichlich neutrophilen und eosinophilen Granulozyten sichtbar, begleitet von einer Gefäßwandinfiltration durch Granulozyten und reichlich Kernstaub.

Das Granuloma faciale weist eine subepidermale und periadnexielle Grenzzone auf. In ⅔ der Fälle wird eine Dilatation der follikulären Infundibulae beobachtet. Perivaskulär und diffus wird ein neutrophilenreiches Entzündungsinfiltrat beobachtet, welches in variablem Ausmaß eosinophile Granulozyten enthält. Entgegen der definierenden Bezeichnung sind die eosinophilen Granulozyten selten die dominierende Komponente im inflammatorischen Infiltrat. Typischerweise werden Leukozytoklasie und Kernstaub beobachtet. Mononukleäre Histiozyten können auftreten. Fokale Gefäßwandnekrosen mit konsekutiven extravasalen Erythrozyten sowie Siderose in älteren Läsionen kann beobachtet werden. Das extrafaziale Granuloma faciale zeigt identische histologische Befunde.

Das Erythema elevatum et diutinum weist verdickte Gefäßwände mit intramuralen und luminalen neutrophilen Granulozyten und Lymphozyten auf. Der Grad der Gefäßentzündung variiert hierbei von einem minimalen Infiltrat bis hin zu Gefäßokklusionen und anschließender Fibrose. Dermal finden sich in voll ausgeprägten Läsionen auch Histiozyten und Fibroblasten sowie interstitielle neutrophile Granulozyten in variabler Ausprägung. Leukozytoklasie, ein Ödem der Dermis und fibrinoide Gefäßokklusionen werden abhängig vom Alter der Läsion in frühen Stadien ebenfalls beobachtet. Späte Läsionen weisen eine zwiebelschalenartige Fibrose, Kollagenfasern mit storiformem Muster und zunehmend auch Plasmazellen auf. Gelegentlich treten granulomatöse Varianten mit histiozytären und granulozytenreichen Infiltraten auf [24] [25] [26] [27].


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Histologische Befunde des Granuloma faciale

  • Chronische leukozytoklastische Vaskulitis, welche im Verlauf zu einer Fibrosierung führt.

  • subepidermale und periadnexielle grenzfreie Zone beim Granuloma faciale

  • in ⅔ der Fälle Dilatation der follikulären Infundibulae

  • perivaskulär und diffus neutrophilenreiches Entzündungsinfiltrat

  • variabel: eosinophile Granulozyten im Infiltrat

  • typischerweise Leukozytoklasie


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Histologische Befunde früher Läsionen des Erythema elevatum et diutinum

  • verdickte Gefäßwände mit intramuralen und luminalen neutrophilen Granulozyten und Lymphozyten

  • Der Grad der Gefäßentzündung variiert von einem minimalen Infiltrat bis hin zu Gefäßokklusionen.

  • Dermal finden sich auch Histiozyten und Fibroblasten.

  • interstitiell neutrophile Granulozyten

  • Leukozytoklasie, Ödem der Dermis und gelegentlich fibrinoide Gefäßokklusionen


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Histologische Befunde später Läsionen des Erythema elevatum et diutinum

  • zwiebelschalenartige perivaskuläre Fibrose

  • Kollagenfasern mit storiformem Muster

  • zunehmend auch Plasmazellen


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Histologische Differenzialdiagnosen

  • rheumatoide neutrophile Dermatitis

  • epitheloides Hämangiom

  • „localized chronic fibrosing vasculitis of the skin“

  • eosinophile angiozentrische Fibrose

  • Dermatofibrome


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Kutane Polyarteriitis nodosa (PAN)

Diese Vaskulitis der mittelgroßen arteriellen Gefäße ist eine Multisystemerkrankung. Synonym werden die Begriffe Pan-/Periarteriitis nodosa und Kussmaul-Maier-Syndrom verwendet. Wenngleich die PAN in der rezenten Literatur den überwiegend septalen Pannikulitiden zugeordnet wird [28], so ist sie pathophysiologisch primär durch eine segmentale nekrotisierende Gefäßentzündung arterieller Gefäße charakterisiert und wird daher in diesem Artikel behandelt. Der Begriff der PAN umfasst 3 verschiedene vaskulitische Erkrankungen: die klassische oder systemische PAN mit vaskulitischer Beteiligung von Leber, Nieren und Herz; die mikroskopische Polyarteriitis nodosa (syn. mikroskopische Polyangiitis), welche allerdings meist mit positiven antinukleären zytoplasmatischen Antkörpern (ANCA) (siehe auch Teil 2 dieses Artikels in einer der folgenden Ausgaben) assoziiert ist und nicht die Arteriolen und Arterien der Haut befällt, sowie die kutane PAN [28] [29].

Klinische Merkmale der kutanen PAN

Die Inzidenz der kutanen PAN ist noch immer nicht genau bekannt, ebenso gibt es unterschiedliche Angaben zur Geschlechterprävalenz, welche sich zwischen einem gleichzeitigen Auftreten zwischen Männern und Frauen und einer deutlichen Gynäkotropie der Erkrankung bewegen [30]. Das mittlere Erkrankungsalter liegt in der 5. Lebensdekade, wobei die Patienten mit einer ulzerierenden kutanen PAN älter zu sein scheinen als Patienten, bei denen die Läsionen der kutanen PAN nicht ulzerieren [29] [30]. Ätiologisch werden derzeit 3 pathophysiologische Mechanismen diskutiert: (a) nachweisbare IgM- und C3-Depositionen an den Gefäßwänden der betroffenen Gefäße untermauern die Hypothese, dass die kutane PAN eine Immunkomplex-vermittelte Erkrankung darstellt. (b) zugrundeliegende bakterielle und virale Infektionen (β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, Hepatitis B- und C-Viren, Parvovirus B19 sowie Mycobacterium tuberculosis) werden gehäuft beobachtet, wobei besonders Infekte des oberen Respirationstraktes den kindlichen Fällen von kutaner PAN vorausgehen können. (c) Arzneimittel-assoziierte Formen der kutanen PAN: Hier scheint insbesondere Minocyclin im Rahmen einer systemischen Aknetherapie eine Rolle zu spielen, wobei die kutanen Läsionen der PAN nach Absetzen von Minocyclin selbsttätig wieder abheilen [30]. Assoziationen zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen scheinen verschiedentlich beobachtet worden zu sein, wobei der Zusammenhang bislang unklar ist [29] [30].

Die kutane PAN ist klinisch durch das Auftreten einer Livedo reticularis, weicher schmerzhafter subkutaner Knoten und kutaner Ulzerationen gekennzeichnet. Diese finden sich überwiegend (97 %) an den Beinen, in 33 % an den Armen aber auch im Kopf-Halsbereich [29] [30] [31]. Immer wieder sind die subkutanen Knoten nicht sicht- aber gut tastbar und in Kombination mit Druckdolenz und assoziierter Livedozeichnung pathognomonisch für die Erkrankung [30]. In Kombination mit den o. g. Hautbefunden werden bei ca. 25 – 30 % der betroffenen Patienten im Rahmen einer kutanen PAN auch Allgemeinsymptome wie Fieber sowie Myalgien, Arthralgien und Neuropathien beobachtet [29] [30] [31]. Der klinische Verlauf ist überaus chronisch und durch vielfache Rezidive gekennzeichnet. Spontanheilungen sind beschrieben. Die Prognose der kutanen PAN ist hervorragend, wenngleich insbesondere bei der kindlichen kutanen PAN gelegentlich Autoamputationen beobachtet wurden [30] [32].

Wenngleich die größte Sorge der Übergang einer kutanen PAN in eine systemische Erkrankung in Form der systemischen PAN ist, so ist dies wissenschaftlich bislang nicht zu belegen. Große Studien zur kutanen PAN konnten keine Fälle eines Übergangs einer kutanen in eine systemische PAN belegen [30]. Diesbezüglich sind in der Literatur lediglich kasuistische Berichte zu finden, bei denen jedoch nicht klar ist, ob nicht bereits initial eine systemische PAN vorgelegen haben könnte, die diagnostisch nicht erkannt wurde.


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Diagnostik

Es existiert kein spezifischer Test zur Diagnostik einer kutanen PAN. Die Diagnosestellung beruht auf der Zusammenschau der klinischen Befunde, der Histologie sowie den Ergebnissen einer umfangreichen Umfelddiagnostik, welche in erster Linie die systemische PAN ausschließen muss.


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Klinische Differenzialdiagnosen

Die relevanten klinischen Differenzialdiagnosen umfassen neben der systemischen PAN v. a. das Erythema nodosum, Churg-Strauß-Syndrom, Wegener-Granulomatose, Livedovaskulopathie sowie das Erythema induratum – sämtlichst inflammatorische Erkrankungen unter dem klinischen Bild teils ulzerierender subkutaner Knoten [30].


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Histologische Befunde

Die Erkrankung ist durch 4 morphologische Stadien gekennzeichnet, welche in [Tab. 7] aufgelistet sind [30] [33] [34]. Grundlage einer histologischen Befundung ist die Durchführung einer adäquaten Biopsie, bestenfalls einer tiefreichenden Exzisionsbiopsie mit Erfassung des subkutanen Gewebes bzw. des Übergangs eines Ulkus in klinisch gesunde Haut mit/ohne Livedozeichnung einschließlich Erfassung des Ulkusgrundes [30]. Das akute inflammatorische Stadium der Erkrankung ist in den [Abb. 11 a] und b dargestellt.

Tab. 7

Histomorphologische Stadien der Panarteriitis nodosa [30].

Morphologisches Stadium

Morphologische Merkmale

Referenz

Degeneratives Stadium

  • Degradation der arteriellen Gefäßwand

  • Fibrinablagerungen in den Gefäßwänden

  • partieller/kompletter Verlust der Lamina elastica interna und externa

Morgan et al.
Borrie P et al.

Akut inflammatorisches Stadium

  • transmurale und periarterielle Infiltration durch neutrophile und auch eosinophile Granulozyten

Diaz-Peres et al.

Granulations-Phase

  • Ersatz des akuten Infiltrates durch lymphoide und histiozytäre Zellen

  • Intimaproliferation

  • Gefäß-Lumenobstruktion bzw. -okklusion durch Thrombosierung

Abgeheilter Endzustand

  • perivaskuläre fibroblastäre Proliferation, Sklerosierung

Chen et al. 1989
Morgan

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Abb. 11 HE-Färbung. Histologisches Bild einer Polyarteriitis nodosa. (a) In der Übersichtsvergrößerung ist die Entzündung eines subkutanen Gefäßes erkennbar. (b) Detailvergrößerung, HE-gefärbt. Beachte die dichte transmurale und perivaskuläre („pan“) Infiltration durch überwiegend neutrophile Granulozyten mit Destruktion der Gefäßwand und extravasalen Erythrozytenaustritten.
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Abb. 12 Cayennepfefferartige, purpuriforme Hautläsionen der Purpura pigmentosa progressiva an beiden Unterschenkeln einer jungen Frau.

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Vaskulopathien

Embolia cutis medicamentosa

Synonym: Nicolau-Syndrom oder „livedo-like dermatitis“

Die Trias aus starkem Postinjektionsschmerz, Livedo-Zeichnung und konsekutiver Ulzeration bei entsprechender Anamnese einer i. m. Injektion ist bereits klinisch nahezu beweisend für eine Embolia cutis medicamentosa.

Infolge intra- oder paraarterieller Gabe von Medikamenten treten kutane aseptische Nekrosen auf ([Abb. 7]). Bereits Anfang des letzten Jahrhunderts (1952) wurde diese Erkrankung nach Gabe von Bismutsalzen im Rahmen der Lues-Therapie beobachtet und nach dem Erstbeschreiber S. Nicolau 1925 benannt.

Zwischenzeitlich sind eine Vielzahl von auslösenden Substanzen bekannt (Penicillin, NSAR, Interferone, Impfstoffe u. v. m.). Typisch ist der unmittelbar nach der intramuskulären Applikation des auslösenden Agens auftretende starke Schmerz an der Injektionsstelle sowie erythematös-ekchymatöse retikuläre Hautveränderungen. Eine scharf umgrenzte Hautnekrose, gelegentlich bis zur Muskulatur reichend, folgt ([Abb. 7]). Ätiologisch werden mehrere Faktoren angeschuldigt: Direkte Vaso-Okklusion durch ölige Substanzen bzw. Vasospasmen und auch (insbesondere im Falle rekombinanter oder pegylierter Interferone als Auslöser) Hypersensitivitätsreaktionen können durchaus eine Rolle spielen. Differenzialdiagnostisch müssen neurologische Komplikationen wie Lähmungen als Folge einer direkten iatrogenen Schädigung eines Nervens im Rahmen der intramuskulären Injektion abgegrenzt werden. Weitere Differenzialdiagnosen sind Cholesterinemboli, atriale Myxome mit konsekutiver Embolie und das Hoigné-Syndrom (akutes embolisch-toxisches Geschehen nach intravasal injizierten Depot-Penicillinen). Die Histologie ist leider oft nicht diagnostisch und das pathologische Substrat an kleinen Stanzbiopsien nicht erfasst [35].

Histologische Befunde ([Abb. 8 a, b])

  • teils kräftige Erythrozytenextravasationen

  • Nekrosen der Epidermis sowie ekkriner Drüsen

  • Okklusion von klein- bis mittelkalibrigen Gefäßen der retikulären Dermis

  • Zeichen der Vaskulitis (neutrophile Granulozyten, Kernstaub, Fibrin in den Gefäßwänden) fehlen.


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Histologische Differenzialdiagnose

Die genannten histologischen Befunde in Verbindung mit den typischen klinischen Symptomen erlauben die eindeutige Diagnose. Relevante histologische Differenzialdiagnosen existieren nicht.


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Septische Vaskulitis

Definition und klinisches Bild

Die septische Vaskulitis wird im Rahmen eines septischen Zustandes des Patienten beobachtet. Unter einer Sepsis versteht man eine komplexe, systemische, entzündliche Reaktion auf eine Infektion. Eine hohe Morbidität und Mortalität sind unmittelbar assoziiert. Die septische Vaskulitis wird definiert als eine Entzündung kleiner Gefäße einhergehend mit schlechtem Allgemeinzustand mit Symptomen der Sepsis (Fieber, Hypotonie, Tachykardie) [36] [37]. Abhängig davon, ob bereits eine antibiotische Therapie eingeleitet wurde oder nicht, ist eine Bakteriämie assoziiert oder nicht. Selbst Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock weisen nur in ca. 30 % der Fälle eine Bakteriämie auf. Ätiologische Aspekte im Rahmen einer Sepsis umfassen die disseminierte intravasale Gerinnung, direkte Invasion der Gefäße durch Mikroorganismen, immunmediierte Gefäßentzündungen und septische Emboli, wobei Mischformen möglich sind. Kausal wurden bislang zahllose Erreger berichtet, beispielsweise Neisseria menigitides und gonorrhoeae, Haemophilus influenzae, Acinetobacter, Fusobacterium avium, Pseudomonas, Streptokokken und Staphylokokken. Meningokokken sind die häufigsten Auslöser einer septischen Vaskulitis. Klinische Symptome der septischen Vaskulitis sind mannigfaltig und können sich als purpuriforme Papeln und Plaques, Petechien, Vesikel, Knoten, Bullae und Pusteln und distale Ischämien äußern. Hierbei sind die Läsionen typischerweise akral lokalisiert, und es sind meist jüngere Patienten beiden Geschlechts betroffen. Treten die Hautveränderung zu Beginn des septischen Prozesses auf und werden korrekt diagnostiziert, ermöglicht die frühe Diagnosestellung und damit frühere Einleitung der Therapie eine erheblich bessere Prognose für den Patienten [38].

Führendes klinisches Differenzierungsmerkmal der septischen Vaskulitis ist der rasch progrediente schlechte Allgemeinzustand des Patienten mit Zeichen der systemischen Infektion.

Sonderformen der Vaskulitis/Vaskulopathie bei systemischen Infektionen umfassen schmerzhafte Osler-Knötchen an Finger- oder Zehenendgliedern, palmoplantare Janeway-Flecken sowie hämorrhagische Papeln bei gramnegativer Sepsis.


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Klinische Differenzialdiagnosen

  • leukozytoklastische Vaskulitis und Vaskulitiden bei essentieller Kryoglobulinämie


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Histologie

  • intravaskuläre Fibrinthromben in oberflächlichen und/oder tiefen Kapillaren

  • Erythrozytenextravasate

  • entzündliches Infiltrat in unterschiedlicher Ausprägung

  • gelegentlich Bakterienhaufen in den Gefäßwänden bzw. intravaskulär

  • Leukozytoklasie fehlt meist


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Histologische Differenzialdiagnosen

  • disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)

  • Kumarinnekrose


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Infektiöse Vaskulitis

Diverse Erreger sind durch verschiedene Mechanismen in der Lage, einen vaskulitischen bzw. vaskulopathischen Prozess zu triggern. In jedem Fall einer klinisch manifesten Vaskulitis sollte nach infektiösen Erregern gefahndet werden, um ggf. eine spezifische antimikrobielle/antivirale Therapie einleiten zu können [39]. Gut untersucht und kausal in Zusammenhang stehend ist die Hepatitis-B-assoziierte Polyarteriitis nodosa sowie die Hepatitis-C-assoziierte kryoglobulinämische Vaskulitis, welche daher auch in die Chapel-Hill-Konsensuskonferenz 2012 (CHCC 2012) als „vasculitis associated with probable etiology“ aufgenommen wurden [6]. [Tab. 8] gibt einen Überblick über weitere bekannte Erreger, die typischerweise eine Vaskulitis bzw. Vaskulopathie auslösen können.

Tab. 8

Infektiöse Vaskulitiden und assoziierte Erreger [39] [40].

Vaskulitisches Syndrom

Assoziierter Erreger

Riesenzellarteriitis, Aortitis

Coxiella burnetii, Parvovirus B 19, Zytomegalie-Virus, Varizella-Zoster-Virus, Treponema pallidum

Vaskulitis des zentralen Nervensystems

Mycoplasma pneumoniae, Varizella-Zoster-Virus, Herpes simplex-Virus 1,2

Polyarteriitis nodosa

Hepatitis B- und -C-Virus, Epstein-Barr-Virus, Zytomegalievirus, Parvovirus B 19

Purpura Schönlein-Henoch

Mycoplasma pneumoniae, Zytomegalievirus, Parvovirus B 19

Mechanismen, über welche infektiöse Erreger eine Gefäßwandentzündung auslösen können, umfassen (a) die direkte Invasion endothelialer Zellen durch Erreger (Bsp. Rickettsien), (b) die immunkomplexvermittelte Gefäßwandschädigung (Hepatitis-C-assoziierte kryoglobulinämische Vaskulitis) sowie (c) die Stimulation autoreaktiver B-/T-Lymphozyten durch molekulares Mimikry oder sog. Superantigene (ebenfalls ein Mechanismus der Hepatitis-C-Virus-assoziierten Vaskulitis) [40].

Von besonderem dermatologischem Interesse sind zerebrale Vaskulitiden infolge einer Varizella-zoster- (VZV) bzw. Herpes-simplex-Virus (HSV) 1/2-Infektion. VZV verursacht sowohl uni- als auch multifokale, granulomatöse, zerebrale Vaskulitiden durch direkte virale Infektion großer und kleiner zerebraler Blutgefäße [41]. Kutane oder ophthalmologische Manifestation einer VZV-Infektion sind der zerebralen Vaskulitis nicht zwingenderweise vorausgehend [42]. Symptome einer zerebralen Vaskulitis durch VZV umfassen eine akute Hemiplegie, transitorische ischämische Episoden, intranukleäre Ophthalmoplegie und andere [43].


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Thrombophlebitis

Es handelt sich hierbei um eine Entzündung der oberflächlichen Venen, meist einhergehend mit sekundären Thrombosen. Ursächlich ist meistens eine Varikosis der Venen der unteren Extremitäten. An den Armen treten Thrombophlebitiden meist sekundär infolge infizierter Venenverweilkatheter, paravenöser Injektionen oder durch die Infusion venenreizender Medikamente auf. Klinisch besteht eine schmerzhafte strangförmige Rötung und Überwärmung im Bereich der betroffen Venen. Die Varikophlebitis ist als schmerzhafte Schwellung und Rötung im Bereich einer Venektasie definiert, wohingegen die oft im paraneoplastischen Kontext auftretende Thrombophlebitis migrans/saltans an primär nicht varikös veränderten Venen auftritt. Hier muss immer an ein zugrundeliegendes Malignom gedacht werden, wobei sie auch bei der Thrombangiitis obliterans beobachtet werden kann. Eine oberflächliche Thrombophlebitis an der Thoraxwand wird als Mondor-Krankheit bezeichnet. Differenzialdiagnostisch müssen akute pyogene und tiefe Weichteilinfekionen sowie die Polyarteriitis nodosa ausgeschlossen werden sowie. Da die Diagnose in den meisten Fällen klinisch, laborchemisch und sonografisch gestellt werden kann, ist meist keine Histologie notwendig [10] [11] [44] [45].

Wichtigste klinische Differenzialdiagnose der Thrombophlebitis ist das Erysipel bzw. die Phlegmone.

Pseudovaskulitiden

Es existiert eine Vielzahl von Dermatosen, welche das klinische Erscheinungsbild einer Vaskulitis imitieren können. Hämorrhagien, Infektionen, Embolien, Thrombosierungen, Arznei-induzierte Vasospasmen und vaskuläre Traumata können die vaskulitischen Veränderungen imitieren und zu differenzialdiagnostischen Unsicherheiten führen. Patienten, die unter „pseudovaskulitischen“ Erkrankungen leiden, sind in der Mehrzahl der Fälle durch arteriosklerotische Erkrankungen, Cutis marmorata, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Nikotin- und/oder Alkoholabusus charakterisiert [8]. Die wesentlichen Differenzialdiagnosen der kutanen Vaskulitiden im Sinne von Vaskulitis-Simulatoren sind in [Tab. 5] aufgeführt.


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Zusammenfassung

Gefäßentzündungen der Haut können als reine kutane Formen und als Symptom einer Systemerkrankung bzw. Systemvaskulitis auftreten. Die korrekte Diagnose beruht auf dem Zusammenspiel von Anamnese, körperlicher Untersuchung sowie adäquater Hautbiopsie und erweiterter Diagnostik (Organdiagnostik). Die korrekte Klassifikation der kutanen Vaskulitis ist Grundvoraussetzung für eine adäquate Therapie und erfordert pathophysiologische und nomenklatorische Kenntnisse des Behandlers. Das differenzialdiagnostische Wissen um spezifische Formen der Vaskulitis, welche unmittelbaren Therapiebedarf anzeigen (z. B. septische Vaskulitis), im Gegensatz zu Vaskulitisformen, welche einen chronischen Verlauf aufweisen, ist unabdingbar, um den Patienten einer raschen Therapie zuführen zu können und somit die Prognose quoad vitam zu verbessern.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Cornelia S. L. Müller
Universitätsklinikum des Saarlandes
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Kirrbergerstraße
66421 Homburg/Saar


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Abb. 1 Charakteristisches klinisches Erscheinungsbild einer leukozytoklastischen Vaskulitis mit einer palpablen Purpura an den Beinen beiderseits.
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Abb. 2 Ulzerierende Knoten im Rahmen einer schweren leukozytoklastischen Vaskulitis.
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Abb. 3 a Mikroskopisch fällt unterhalb einer unbeteiligten Epidermis ein perivaskuläres Entzündungsinfiltrat mit reichlich transmuralen und perivaskulären neutrophilen Granulozyten und Kernstaub auf. b Detailaufnahme der transmuralen Infiltrate aus Neutrophilen und Kernstaub sowie Fibrindepositionen in der Wand oberflächlicher Gefäße.
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Abb. 4 Klinische Präsentation einer Livedovaskulopathie mit einer Ulzeration mit lividem Randsaum und blitzfigurenartigen Erythemen periläsional.
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Abb. 5 Morphologische Befunde einer Livedovaskulopathie mit nahezu okkludierenden Fibrindepositionen in den Gefäßwänden bei schütterem Begleitinfiltrat.
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Abb. 6 Klinisches Bild einer Urtikariavaskulitis mit konfluierenden Urticae mit diskreter Purpura, welche länger als 24 Stunden anhalten.
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Abb. 7 Embolia cutis medicamentosa. Im Bereich der Injektionsstelle zeigen sich fest haftende schwarze Beläge und Ulzerationen mit umgebendem tiefrotem Erythem.
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Abb. 8 a Die histologischen Befunde bei einer Embolia cutis medicamentosa sind sehr diskret und weisen schüttere unspezifische Infiltrate auf. b In der Detailaufnahme gelingt der Nachweis fibrinoider Depositionen an einem betroffenen kleinen Gefäß des oberen Plexus.
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Abb. 9 Läsion eines Erythema elevatum et diutinum an der Nasenspitze. Beachte die orangenschalenartige Oberfläche sowie die mächtig infiltrierte Plaque.
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Abb. 10 a und b Histologische Präsentation eines Erythema elevatum et diutinum/Granuloma eosinophilicum faciale: Unterhalb einer unbeteiligten Epidermis wird ein dichtes Infiltrat aus reichlich neutrophilen und eosinophilen Granulozyten sichtbar, begleitet von einer Gefäßwandinfiltration durch Granulozyten und reichlich Kernstaub.
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Abb. 11 HE-Färbung. Histologisches Bild einer Polyarteriitis nodosa. (a) In der Übersichtsvergrößerung ist die Entzündung eines subkutanen Gefäßes erkennbar. (b) Detailvergrößerung, HE-gefärbt. Beachte die dichte transmurale und perivaskuläre („pan“) Infiltration durch überwiegend neutrophile Granulozyten mit Destruktion der Gefäßwand und extravasalen Erythrozytenaustritten.
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Abb. 12 Cayennepfefferartige, purpuriforme Hautläsionen der Purpura pigmentosa progressiva an beiden Unterschenkeln einer jungen Frau.