Pädiatrie up2date 2016; 11(02): 105
DOI: 10.1055/s-0042-107935
Journal Club
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Antibiotika bei Otitis media selten wirksam

Venekamp RP, Sanders SL, Glasziou PP et al.
Antibiotics in acute otitis media in children.

Cochrane Database Syst Rev 2015;
06 CD000219
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
01. Juni 2016 (online)

 

    Akute Otitis media (AOM) ist eine weit verbreitete Erkrankung bei Kleinkindern. Seit langem stellt sich die Frage: Abwarten oder (sofort) ein Antibiotikum geben. Ein Cochrane-Review verglich nun die Wirkung von Antibiotika vs. Placebo und von sofortiger Antibiotika- Gabe vs. Abwarten bei Kindern zwischen 2 Monaten und 14 Jahren.

    Die Autoren schlossen 13 Studien mit 3401 Kindern (3938 AOM-Episoden) für den Vergleich Antibiotikum versus Placebo ein. Für den Vergleich sofortige Antibiotika-Therapie vs. abwartendes Verhalten wurden 5 Studien mit 1149 Kindern eingeschlossen. Die Daten von 4 dieser Studien wurden analysiert. Unter anderem wurden folgende Wirkstoffe in den Studien eingesetzt: Penicillin, Amoxycillin (mit und ohne Clavulansäure), Ampicillin, Erythromycin oder Sulfonamide.

    Sowohl unter Placebo als auch unter Antibiotikum hatten sich 60 % aller Kinder 24 Stunden nach Therapiebeginn erholt. Während der ersten 24 Stunden wurden die Schmerzen durch das Antibiotikum nicht vermindert. Im weiteren Verlauf der Therapie litten jedoch statistisch signifikant weniger Kinder an Schmerzen, wenn sie ein Antibiotikum bekamen (z. B. an Tagen 4 – 7: relatives Risiko 0,76; 95 %-Konfidenzintervall [0,63 – 0,91]). In 6 – 8 Wochen nach der AOM-Episode hatten mehr Kinder aus der Placebo-Gruppe eine Trommelfell-Perforation erlitten (RR 0,37, [0,18 – 0,76]) oder zeigten auffällige Tympanometrie-Ergebnisse (2 – 4 Wochen nach AOM: RR 0,82, [0,74 –0,90]). 3 Monate nach der Behandlung zeigte sich kein Unterschied mehr zwischen den Gruppen bezüglich der Tympanometrie-Ergebnissen und AOM-Rezidiven. Unter Antibiotika-Therapie kam es deutlich häufiger zu Erbrechen, Durchfall und Hautreaktionen (RR 1,38, [1,19 – 1,59]). Der Vergleich von abwartendem Verhalten mit sofortiger Antibiotikagabe zeigte keine signifikanten Unterschiede bei Schmerz, Tympanometrie, Perforationen oder Rezidiven. Auch hier kam es deutlich häufiger zu unerwünschten Wirkungen, wenn sofort behandelt wurde (RR 1,71, [1,24 – 2,36]). Eine Analyse der individuellen Patientendaten zeigte, dass vor allem Kinder unter 2 Jahren mit beidseitiger AOM oder AOM und Otorrhoe von der Antibiotika-Therapie profitieren können.

    Fazit

    Die geringfügigen Vorteile einer (sofortigen) Antibiotika-Gabe bei Kindern mit AOM müssen gegen potenzielle Nebenwirkungen abgewogen werden. Ärzte sollten auf eine adäquate Schmerztherapie achten und Antibiotika nur begrenzt einsetzen.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen


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