Kein Vergleich mit anderen Neoblasenformen
Das Ziel dieser Studie war es, eine Antwort auf die Frage zu geben, ob eine antirefluxive Implantation der Ureteren in ein Neoblasereservoir langfristig zu einer verbesserten Nierenfunktion führt. Hierzu ist anzumerken, dass die untersuchten Neoblasenformen sich grundlegend in ihrer Rekonstruktion unterscheiden.
Der T-Pouch ist im Vergleich zur Studer-Neoblase eine technisch komplexere Form der Neoblasenkonstruktion [
3
], was sich möglicherweise auch in den erhöhten Raten an neoblasenassoziierten Komplikationen in dieser Studie widerspiegelt. Zudem kommt der T-Pouch im Vergleich zur Studer-Neoblase als kontinente orthotope Harnableitungsform wesentlich seltener in der Urologie zum Einsatz [
3
].
Hohe Refluxraten beim T-Pouch
In der Erstpublikation zu den Langzeitergebnissen des T-Pouch aus dem Jahr 2004 wurde über eine im Vergleich zu anderen Neoblasenformen deutlich höhere Rate an Harnleiterstrikturen und Reflux (jeweils 10 %) berichtet im Vergleich zu Neoblasenformen mit antirefluxiver Harnleiterimplantation wie dem Mansoura (jeweils 3,8 %/3,0 %) [
4
] oder I-Pouch (2.1 %/1,0 %) [
5
]. Daher muss an dieser Stelle die Frage gestellt werden, ob die T-Pouch-Neoblase tatsächlich repräsentativ für die im langfristigen Verlauf zu erwarteten Komplikationen von Neoblasen mit antirefluxiver Implantationstechnik der Ureteren ist.
Weiterführend ist auch die Frage zu stellen, inwieweit die Studer-Neoblase als Referenztechnik für eine „antirefluxive“ Neoblase gelten kann, da der afferente ileale Schenkel einen antirefluxiven Schutzmechanismus an sich darstellt. Daher wäre zu überlegen, ob der Vergleich mit einer Neoblasenrekonstruktion ohne Refluxschutz [
1
] vor dem Hintergrund des primären Endpunkts zur Beantwortung der Frage aussagekräftiger wäre.
Die Konzeption der vorliegenden Studie nahm an, dass nach 3 Jahren ein 15 %iger Unterschied in der Änderung der GFR zugunsten des T-Pouches bestehen würde. Dieser methodische Ansatz muss daher vor dem Hintergrund der publizierten Raten an Komplikationen kritisch hinterfragt werden. Alternativ dazu wäre zu überlegen, ob ein Vergleich mit anderen Neoblasenformen, wie dem Mansoura- oder I-Pouch, welche einen subserösen Tunnel zur antirefluxiven Implantation der Ureteren verwenden [
5
], [
6
] und geringere Raten an Harnleiterstrikturen und Refluxereignissen berichtet haben, die Fragestellung dieser Studie adäquater hätte beantworten können.
Ob der beobachtete Unterschied im Gesamtüberleben zugunsten des T-Pouches auf klinische Ursachen oder statistisch-methodischen Limitationen zurückführen ist, kann aus den Studienergebnissen selbst ebenso nicht beantwortet werden und bedarf weiterer Nachbeobachtung des Studienkollektivs im langfristigen Verlauf. Der Umstand, dass gängige Neoblasenformen mit subseröser Tunnelierung der Ureteren aus lediglich 40 cm Ileum (im Gegensatz zum Studer- und T-Pouch) rekonstruiert werden [
4
], [
5
], erhebt auch die Frage nach möglichen funktionellen Unterschieden bezüglich postoperativer Lebensqualität und Darmtätigkeit [
6
].
Fazit
Aus den Ergebnissen dieser Studie kann für die derzeitige gängige Praxis daher
lediglich abgeleitet werden, dass eine antirefluxive Implantation der Ureteren mittels afferenten tunneliertem Ileumsegment nicht zwangsläufig in einer verbesserten langfristigen Nierenfunktion resultiert. Es bleibt die Frage offen, ob für bestimmte Subgruppen, wie beispielsweise für Patienten mit anamnestisch rezidivierenden Infektionen des oberen Harntraktes oder refluxbedingter Nephropathie, eine tunnelierte antirefluxive Implantationstechnik der Ureteren bei einer Neoblase zu favorisieren wäre. Es erscheint wichtig, dass das Armamentarium von operativ tätigen Urologen möglichst unterschiedliche individuell adaptierte Neoblasentechniken beinhaltet.
PD Dr. Georgios Gakis,
Prof. Dr. Arnulf Stenzl, Tübingen