Nach den Regeln der international geltenden Maritime Labour Convention (Seearbeitsübereinkommen) muss Seeleuten soweit wie möglich eine medizinische Betreuung zur Verfügung gestellt werden, wie sie im Allgemeinen auch den Arbeitnehmern an Land zur Verfügung steht. Schon aus dieser Anforderung heraus wird schnell klar: Medizin an Bord ist eine stetige Herausforderung! Und hierbei sind die mehreren tausend Passagiere an Bord von Kreuzfahrtschiffen noch gar nicht inbegriffen.
Selbst dort, wo Schiffe eine hervorragende medizinische Ausstattung vorweisen können, ist das Handlungsspektrum häufig limitiert. Dann kommt es darauf an, als Schiffsarzt die eigenen Grenzen zu kennen und entsprechend vorausschauend entscheiden zu können. Was in Praxis und Klinik durch Rückfallebenen wie Zentren der Maximalversorgung und gut organisierte Rettungsdienste wenige Probleme macht, kann sich an Bord zu einer echten Herausforderung für die gesamte Besatzung entwickeln. Beispielsweise ist es ein bedeutsamer Unterschied, ob man sich als Schiffsarzt noch im Hafen entscheidet, einen Patienten zur Versorgung an Land zu übergeben oder ob man mit dieser Entscheidung wartet, bis das Schiff auf See ist.
Um hier als Schiffsarzt noch besser vorbereitet zu sein, richtet die Kieler Schiffsarztlehrgang GbR nun bereits im fünften Jahr ihr Modul „Advanced Course – Spezielle Themen der Medizin auf See“ aus. Ziel dieses Moduls ist es, den Teilnehmern durch Kollegen, die sowohl in ihren Fachgebieten als auch in der Medizin auf See erfahren sind, 2 Hauptaspekte zu vermitteln: Zum einen sollen sie erfahren, wie sie auch mit eingeschränkten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten das Optimum für ihre Patienten erreichen können. Dazu erhalten sie Praxistipps, die speziell auf die Gegebenheiten an Bord zugeschnitten sind. Zum anderen soll der Umgang mit einem Dilemma diskutiert und damit erleichtert werden: Wann muss ein Patient von Bord, um ihn nicht zu gefährden und wann kann er oder sie bleiben? Ein zu zögerliches Handeln, das zu Umrouting oder zu unnötigen Verzögerungen durch Helikoptereinsatz führen kann, wirkt sich erheblich auf den Schiffsbetrieb und den Reiseverlauf aus. Andererseits ist auch eine Gefährdung von Patienten indiskutabel, die daraus resultiert, dass der Schiffsarzt sich selbst und die Möglichkeiten an Bord überschätzt und aus diesem Grund auf eine Evakuierung verzichtet. Hierbei soll der Kurs die Sicherheit in der Entscheidungsfindung erhöhen.
Die Programmpunkte umfassen eine große Variationsbreite medizinischer Fächer von A wie Augenheilkunde bis Z wie Zahnmedizin. Dabei wird großer Wert auf eine ausgewogene Mischung aus theoretischen und praktischen Anteilen gelegt, sodass nicht nur Bekanntes wie das Nähen von Wunden oder die Darstellung freier Flüssigkeit im Notfallultraschall wiederholt werden, sondern auch für den Arzt an Land doch eher ungewöhnliche Themen wie die Gewinnung von Trinkwasserproben oder die Anwendung von Alkohol- und Drogentests auf dem Programm stehen.
Der Lehrgang findet traditionell in Kiel mit Blick auf die Kieler Förde und die Einfahrt des Nord-Ostsee-Kanals (der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße der Welt) statt. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein bewertet die Veranstaltung mit 60 Fortbildungspunkten.
Weitere Informationen sind im Internet unter www.schiffsarztlehrgang.de zu finden.
Quelle: Schiffsarztlehrgang GbR, Kiel