Pneumologie 2016; 70(08): 530-532
DOI: 10.1055/s-0042-110001
Historisches Kaleidoskop
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Der Mozart des Nordens“

The Swedish Mozart
R. Kropp
,
T. Schaberg
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Korrespondenzadresse

Dr. Robert Kropp
Sturmiusstraße 8
36037 Fulda

Publication History

Publication Date:
11 August 2016 (online)

 

Vorbemerkung

Es ist sicherlich sinnvoll, in einer Serie über historische Besonderheiten in der Phthisiologie/Pneumologie, wie z. B. das Historische Kaleidoskop, auch exemplarisch Persönlichkeiten zu würdigen, die sich besondere Verdienste erworben haben, oder Menschen herauszugreifen, in deren Leben eine Krankheit, so die Tuberkulose, eine spezielle Rolle spielte.


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Biografische Übersicht

Joseph Martin Kraus, auch der „Mozart des Nordens“ genannt, war ein herausragender Musiker und Komponist der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er wurde am 20. Juni 1756 in Miltenberg/Main geboren und wuchs in Buchen/Odenwald auf ([Abb. 1]). Seine Eltern waren der kurmainzische Beamte Joseph Bernard Kraus und Anna Dorothea geborene Schmidt. Schon früh erkannten seine Eltern und Lehrer die musikalische Begabung des Kindes. Es wurde in Gesang, auf der Violine und dem Klavier ausgebildet [3]. Sein Lehrer in Buchen urteilte später über ihn, dass Krauss „auf seinem kleinen Geigchen, denn eine große konnte er noch nicht erspannen, in einem Trio die erste, ich sein Lehrer die zweite Violin mit Verwunderung aller abspielte und dass er fast überfähig auf Mannheim in das dortige Musik Siminarium aufgenommen wurde.“ [3] [1]

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Abb. 1 Das sog. Trunzerhaus im Areal der ehemaligen Kurmainzischen Amtskellerei; ehemals Wohnhaus der Familie Kraus, heute beherbergt das Gebäude im Obergeschoss die Kraus-Gedenkstätte des Bezirksmuseums Buchen. Foto: Wolfgang Mackert.

Mit 12 Jahren wurde Kraus Schüler des Jesuitengymnasiums und Musikseminars in Mannheim; unter anderen waren Mitglieder der „Mannheimer Kapelle“ seine musikalischen Lehrer. 1773 – 1777 studierte er Jura und Philosophie in Mainz, Erfurt und Göttingen. In dieser Zeit entstanden frühe literarische und erste musikalische Werke. Nach Abschluss seiner Studien wandte er sich ganz der Musik zu. Seit 1778 lebte er in Stockholm und wurde in den folgenden Jahren Komponist und Hofkapellmeister des kunstbeflissenen Königs Gustav III. von Schweden und Direktor der königlichen Musikakademie. Sein Dienst war aufreibend; er selbst schreibt (Brief an die Eltern vom 31. 3. 1788): „Das Mittag- und Abendessen abgerechnet, ist mein übriger Tag reine Zuchthausarbeit – das ist eine Singerei und Pfeiferei und Taktschlagerei und Orgelumdudeldumdei, so dass mir der Schweiß nach Noten stinkt“ [7].

Im Auftrag und auf Kosten des Königs unternahm Kraus, begleitet von einem Diener und einem schwarzen Pudel, 1782 – 1786 eine mehrjährige Studienreise nach Deutschland, Italien, Frankreich und England, die er in einem Reisetagebuch und zahlreichen Briefen beschrieb ([Abb. 2]). Er besuchte Joseph Haydn, J. G. Albrechtsberger, C. W. Gluck und A. Salieri in Wien, war zur Audienz bei Kaiser Joseph II., später – in Rom – bei Papst Pius VI. und – in Paris – beim französischen König. Ob er auf seiner langen Reise auch W. A. Mozart getroffen hat, ist umstritten [2].

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Abb. 2 J. M. Kraus.

Nach seiner Rückkehr nach Schweden und Ernennung zum Hofkapellmeister durch den schwedischen König lebte J. M. Kraus in Stockholm [2] [3]. Hier entstand der Großteil seines literarischen und umfangreichen kompositorischen Werkes (Wikipedia). Letzteres umfasst unter anderem mehrere Opern, geistliche Werke, Kantaten, zahlreiche Lieder, 12 Sinfonien, 10 Streichquartette und andere Kammermusik, je 2 Geigen- und Bratschen-Konzerte.


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J. M. Kraus und die Tuberkulose

Lange Jahre litt Kraus an einer chronischen Lungenkrankheit, die sein Leben, seine Gesundheit wesentlich beeinträchtigte und in seinen Briefen immer wieder erwähnt wurde [7]. So schrieb er beispielsweise am 28. 8. 1786: „… Ein ärgerliches Recidiv meiner bösartigen und in Paris nicht völlig ausgeheilten Brustkrankheit hält mich jetzt für eine kurze Zeit hier fest …“, am 5. 6. 1789: „… daß ich onbäslichkeit halber schon seit Anfang des Hornungs nicht Dienste thun konnte … der ganze Bettel ohnedies blos aus einer hartnäkigen Heiserkeit besteht …“, und am 12. 9. 1789: „… Meine Gesundheit ist noch nicht so, wie ich wünschte. Den Ärzten zu folgen, die meine hartnäkige Heiserkeit dem zu vielen Sizen schuld gaben und mir deßwegen mehrere und stärkere Bewegung anrithen … Sobald die Abende aber wieder anfingen kühl zu werden, stellte sich mein unangenehmer Gast wieder ein. Nun trösten mich meine Pfuscher, geduld zu haben. Da mich’s Zeug ohnehin nicht weiter inkomodirt, als daß ich einen oder den andren Tag nicht so laut schreien kann, als sonst; so kann ich mir’s auch gefallen lassen.…“.

Joseph Martin Kraus ist am 15. Dezember 1792 gestorben. In ihren Kondolenzbriefen an die Eltern nannten seine Freunde eine Lungensucht, Schwindsucht als Todesursache, daneben chronische Hämorrhoiden seit 1790 [7]. Namen von behandelnden Ärzten, Ärztliche Befunde werden in den Unterlagen, auch in Kraus‘ Briefen selbst, nicht genannt. Professor H. Brosch schrieb 1992 [4]:

Joseph Martin Kraus ist am 15. 12. 1792 in Stockholm an Lungenschwindsucht gestorben. Anzeichen einer von ihm nicht erkannten und bis zu seinem Ende verkannten Krankheit könnte man schon seinem Göttinger Brief vom 16. Dezember 1776 entnehmen: „Mit meinem körperlichen Zustande ist’s nicht zum besten. Das Wasser hier – die Luft – die impertinenteste Kost auf ganzem Gottes gutem Erdboden – alles sezt mir zu. Noch was obendarauf – ich fange an zu medizinirn und zwar Tageweise bestimmt.“ Deutlicher wird ein Brief vom 20. April 1777: „Ein zweimaliger Anfall von Blutspeien – dazu kam ein ganz kleiner Husten, der mir aber nicht willkommen war.“ Ein Auf und Ab zieht sich durch die Briefe, mal bedenklich, mal mehr humorvoll wie das „P.S. der Erzbischoff von Upsala hat den Husten – ich auch“ vom 11. März 1781. Noch in seinem letzten erhaltenen Brief vom 30. November 1792 – 14 Tage vor seinem Tode geschrieben – erklärt er seinen Zustand nur mit einem Hämorrhoidalleiden und scherzt darüber. [4]

Kraus liegt auf der Tivolihalbinsel am See Brunnsviken nördlich von Stockholm begraben ([Abb. 3]). Sein Grabmonument trägt die Aufschrift: „Hier [liegt] das Irdische von Kraus, das Himmlische lebt in seinen Klängen“[2].

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Abb. 3 Grabmal von Joseph Martin Kraus.

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Würdigung

J. M. Kraus hinterließ ein umfassendes kompositorisches Werk [1] [6] [8]. Eine Bibliografie und vor allem eine Auflistung seiner Kompositionen sind bei Wikipedia zu finden. Eine knappe Würdigung ist zum Beispiel 2006 erschienen [3]. Belesen und hochgebildet, war er zu seinen Lebzeiten bekannt, sehr berühmt; man nannte ihn sogar „den Odenwälder Mozart“, „den Mozart des Nordens“, „den schwedischen Mozart“. Der Bezug auf Mozart beruht wohl auch darauf, dass sich die Lebensdaten von Mozart (1756 – 1791) und Kraus (1756 – 1792) fast decken.

Nach seinem Tode geriet er weithin in Vergessenheit. Dies wird auch mit seiner Bescheidenheit erklärt; so hat er Zeit seines Lebens keine seiner Kompositionen zum Druck gegeben. Jedoch wird auch heute immer wieder einmal eine seiner Kompositionen aufgeführt, so in diesen Tagen in Fulda.

Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb 2012 über einen Notenfund: „‘Zucker für die Bratsche.’ Drei Konzerte von Joseph Martin Kraus aufgetaucht“ [5].

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Weitere Informationen zu J. M. Kraus

Universitätsbibliothek Upsala

Kraus-Sammlung, Bezirksmuseum e. V. Buchen/Odenwald

Internationale Joseph-Martin-Kraus-Gesellschaft, Buchen/Odenwald


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1 Die Zitate wurden in ihrer ursprünglichen Schreibweise belassen.


2 „Här det jordiska af Kraus, det himmelska levfer i hans toner“


  • Literatur

  • 1 van Boer BH. Die Werke von Joseph Martin Kraus. Systematisch-thematisches Werkverzeichnis. Stockholm: Kungl. Musikaliska akademien; 1988
  • 2 van Boer BH. The Case of the Circumstantial Meeting: Wolfgang Amadeus Mozart and Joseph Martin Kraus in Vienna. In: Eighteenth-Century Music. Cambridge: 2004
  • 3 Brosch H. Joseph Martin Kraus (1756–1792) zum 250. Geburtstag. Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft Spessart 2006; 100: 3-16
  • 4 Brosch H. Krankheit und Tod von Joseph Martin Kraus. Der Wartturm 1992; 5
  • 5 Grimmel WM. „Zucker für die Bratsche“. Drei Konzerte von Joseph Martin Kraus aufgetaucht. Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 08.09.2012;
  • 6 Günther M. Joseph Martin Krausʼ musikalische Ideale. Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft Spessart 2006; 100: 17-19
  • 7 Leux-Henschen I. Joseph Martin Kraus in seinen Briefen. Stockholm: 1978
  • 8 Riedel FW. Das Himmlische lebt in seinen Tönen. Joseph Martin Kraus, ein Meister der Klassik. Mannheim: 1992

Korrespondenzadresse

Dr. Robert Kropp
Sturmiusstraße 8
36037 Fulda

  • Literatur

  • 1 van Boer BH. Die Werke von Joseph Martin Kraus. Systematisch-thematisches Werkverzeichnis. Stockholm: Kungl. Musikaliska akademien; 1988
  • 2 van Boer BH. The Case of the Circumstantial Meeting: Wolfgang Amadeus Mozart and Joseph Martin Kraus in Vienna. In: Eighteenth-Century Music. Cambridge: 2004
  • 3 Brosch H. Joseph Martin Kraus (1756–1792) zum 250. Geburtstag. Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft Spessart 2006; 100: 3-16
  • 4 Brosch H. Krankheit und Tod von Joseph Martin Kraus. Der Wartturm 1992; 5
  • 5 Grimmel WM. „Zucker für die Bratsche“. Drei Konzerte von Joseph Martin Kraus aufgetaucht. Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 08.09.2012;
  • 6 Günther M. Joseph Martin Krausʼ musikalische Ideale. Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft Spessart 2006; 100: 17-19
  • 7 Leux-Henschen I. Joseph Martin Kraus in seinen Briefen. Stockholm: 1978
  • 8 Riedel FW. Das Himmlische lebt in seinen Tönen. Joseph Martin Kraus, ein Meister der Klassik. Mannheim: 1992

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Abb. 1 Das sog. Trunzerhaus im Areal der ehemaligen Kurmainzischen Amtskellerei; ehemals Wohnhaus der Familie Kraus, heute beherbergt das Gebäude im Obergeschoss die Kraus-Gedenkstätte des Bezirksmuseums Buchen. Foto: Wolfgang Mackert.
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Abb. 2 J. M. Kraus.
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Abb. 3 Grabmal von Joseph Martin Kraus.
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