Das Mammakarzinom ist bereits bei Erstdiagnose eine potenziell systemische Erkrankung,
d. h. die medikamentöse Therapie ist ein essenzieller Bestandteil des multidisziplinären
Therapiekonzeptes. An der Tatsache, dass das Mammakarzinom heute zu einer der heilbaren
Tumorerkrankungen gehört, hat die Arzneimitteltherapie einem großen Anteil. In den
westlichen Industrieländern sinkt seit Jahren die Sterblichkeit an dieser Erkrankung
– als ausschlaggebend hierfür gilt neben dem Mammografiescreening die vorbeugende
(adjuvante) Systemtherapie.
Als wichtige Säulen der Systemtherapie stehen beim Mammakarzinom Chemotherapie, Antihormontherapie
und in den letzten Jahren vermehrt auch zielgerichtete Therapeutika zur Verfügung.
Für die Chemotherapie können neben Taxanen und Anthrazyklinen, die als die wirksamsten Substanzgruppen
bei Brustkrebs gelten, zahlreiche weitere wirksame Chemotherapeutika v. a. für die
metastasierte Erkrankungssituation eingesetzt werden. Die Weiterentwicklungen auf
diesem Gebiet betreffen v. a. den personalisierten Einsatz von Chemotherapien. Bei
der frühen Erkrankungssituation bedeutet dies die Vermeidung von Über-, aber auch
von Untertherapie durch den Einsatz von Multigensignaturen bei der Indikationsstellung
sowie die Vermeidung von Spättoxizitäten. In der fortgeschrittenen Erkrankungssituation
kann durch den Einsatz sequenzieller Monochemotherapien eine Symptomlinderung und
Tumorregression erreicht werden. Auch als Kombinationspartner mit zielgerichteten
Substanzen spielt die Chemotherapie nach wie vor eine wichtige Rolle.
Mit Hormonrezeptorstatus und HER2-Status und den gegen diese Zielstrukturen gerichteten
Arzneimitteln bestimmt die Tumorbiologie heutzutage maßgeblich die systemtherapeutischen
Konzepte.
Als Paradebeispiel der Weiterentwicklung der Systemtherapie bei Brustkrebs gilt die
Einführung der anti-HER2-Therapien, durch die sich die Prognose bei diesem aggressiven Tumorsubtyp grundlegend verändert
hat. Innerhalb von etwa 20 Jahren hat sich der Antikörper Trastuzumab nach den ersten
präklinischen Experimenten als essenzieller Baustein der Mammakarzinomtherapie etabliert.
Der monoklonale Antikörper Trastuzumab ist heute Standard in der metastasierten Situation,
aber auch bei der vorbeugenden (adjuvanten) Therapie jeder HER2-positiven Mammakarzinomerkrankung
im nicht metastasierten Stadium. Neue Daten zeigen, dass durch den kombinierten Einsatz
der beiden anti-HER2-Antikörper Trastuzumab und Pertuzumab in der metastasierten Situation
das Überleben der Patientin weit über ein Jahr gegenüber dem bisherigen Standard verbessert
werden kann. Aber auch in der präoperativen (neoadjuvanten) Therapie kommt es durch
diese duale Blockade über z. B. 12 Wochen gemeinsam mit Chemotherapie zu pathologischen
Komplettremissionen bei Operation von bis zu 90 %. Auch die Weiterentwicklung von
Trastuzumab zum antibody-drug-conjugate T-DM1 führt zu Überlebensverbesserungen in
der metastasierten Situation, auch in späten Therapielinien. Durch die gute Verträglichkeit
dieser Substanz ist eine Ausweitung der Therapieindikationen für T-DM1 auch auf die
frühe Erkrankungssituation durch klinische Studien wünschenswert.
Die Antihormontherapie ist die älteste zielgerichtete Therapie beim Mammakarzinom. Nach den ersten operativen
Beispielen Ende des 20. Jahrhunderts gibt es heute mit Tamoxifen, Aromatasehemmstoffen
oder Fulvestrant mehrere Therapieoptionen, die in der Regel sequenziell eingesetzt
werden. Seit Anfang dieser Dekade gibt es mit den ersten Daten zur mTOR Inhibition
(Everolimus) in Kombination mit einem Aromatasehemmer den Nachweis der Überwindung
endokriner Resistenz durch die Kombination mit einer zielgerichteten Therapie. Dies
ermöglicht die längere antihormonell basierte Therapie und das Herausschieben von
Chemotherapie in der metastasierten Situation bei Hormonrezeptor-positiver HER2-negativer
Erkrankung. Die neuesten Daten zur CDK4/6-Inhibition zeigen, dass diese Substanzgruppe
auch die Zeit bis zur Progression in der metastasierten Situation nahezu verdoppeln
kann. Neben der ersten Zulassung für Palbociclib gibt es hier zwei weitere Substanzen
(Ribociclib, Abemaciclib), für die Zulassungsstudien bereits abgeschlossen sind. Weitere
zielgerichtete Substanzen sind in dieser Therapieindikation gemeinsam mit Antihormontherapie
in der Entwicklung.
Durch die Fortschritte in der Medikamentenentwicklung hat sich die Prognose beim Mammakarzinom
in den letzten 50 Jahren dramatisch verbessert. Die Heilungschancen bei Ersterkrankung
betragen heute zwischen 70–80 %, und auch die Überlebenschancen in der metastasierten
Situation sind bei einigen Subtypen bereits deutlich besser geworden. Bei der frühen
Erkrankung geht die Forschung in Richtung personalisierte Therapiekonzepte in Abhängigkeit
von der Tumorbiologie und der Beurteilung eines frühen Ansprechens in der präoperativen
Therapiesituation. In der metastasierten Erkrankung besteht durch die neuen Entwicklungen
für viele Patientinnen die berechtigte Hoffnung auf eine lang andauernde Therapiemöglichkeit
durch zielgerichtete Substanzen im Sinne einer chronischen Erkrankung. Neue Studienkonzepte
konzentrieren sich hier auch auf die Entwicklung von Biomarkern gemeinsam mit neuen
Medikamenten, um eine gezieltere Therapiewahl zu ermöglichen. Wichtig für den weiteren
Fortschritt ist die konsequente und rasche Weiterentwicklung der Therapieoptionen
in kontrollierten klinischen Studien in Kooperation zwischen Industrie und akademischen
Studiengruppen.