Pneumologie 2016; 70(08): 501
DOI: 10.1055/s-0042-112880
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tuberkulose – Gegenläufige Fallzahlentwicklung in Großbritannien und den USA

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Publikationsdatum:
11. August 2016 (online)

 

Auch in Niedrig-Inzidenz-Gebieten bleibt die Tuberkulose eine Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen. Vom Ziel der Eliminierung der Tuberkulose ist Großbritannien mit in den letzten 2 Jahrzehnten wieder steigenden Inzidenzraten weiter entfernt als die USA mit kontinuierlich gesunkenen Inzidenzraten. C. D. Nnadi et al. haben die unterschiedlichen Fallzahlen nun näher betrachtet.
Thorax 2016, 71: 356–363

Im Jahr 1992 wiesen die USA und Großbritannien noch eine vergleichbare Tuberkuloseinzidenz von etwa 10 Fällen pro 100 000 Einwohnern auf. Seitdem nahm die Inzidenz in den USA kontinuierlich weiter ab, in England aber wieder zu. Die Hintergründe dieser Entwicklung untersuchte das Forscherteam aus beiden Ländern anhand der zwischen Januar 2000 und Dezember 2011 den jeweiligen nationalen Überwachungsstellen gemeldeten 256 609 Tuberkulosefällen.

Danach sank die jährliche Tuberkulose-inzidenz in den USA in diesem Zeitraum von 5,8/100 000 im Jahr 2000 auf 3,4/100 000 im Jahr 2011. Gleichzeitig stieg die Tuberkuloseinzidenz pro Jahr in Großbritannien von 11,4 auf 14,4/100 000 an.

Mehr TB-Fälle bei Migranten

In beiden Staaten überwogen die Fallzahlen bei im Ausland geborenen bzw. immigrierten Personen: Der Anteil betrug in den USA 56 % und in England 64 %. Die Fallzahlen bei Migranten waren in den USA zwischen 2000 und 2011 um 15 % von 7731 auf 6564 pro Jahr gesunken, die der in Amerika geborenen Personen noch deutlicher um 54 % (von 8442 auf 3883 pro Jahr).

Demgegenüber waren die Fallzahlen bei Migranten in Großbritannien im gleichen Zeitraum um 80 % von 3380 auf 6088 angestiegen, während die Fallzahl der Einheimischen weitgehend gleich geblieben war (2158 Fälle im Jahr 2000 und 2137 Fälle im Jahr 2011).


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Komplexe Einflussfaktoren

Die Unterschiede zwischen beiden Staaten bei den im Ausland geborenen Personen ließ sich nur zum Teil durch die unterschiedliche Herkunftsländer erklären. Verglichen die Autoren nur die Migranten aus den 10 Ländern mit der höchsten Tuberkuloseinzidenz, blieb der Unterschied trotzdem bestehen.

Die negative Binominalanalyse ergab ein komplexes Bild von Einflussfaktoren: Unterschiede zwischen den Fällen in den USA und England zeigten sich neben der Herkunft auch bezüglich der Geschlechter- und Altersverteilung, Erkrankungslokalisation (in England traten bspw. wesentlich häufiger isolierte extrapulmonale Tuberkulosen auf als in den USA), HIV-Status und Tuberkulose in der Vorgeschichte sowie dem Zeitraum seit der Einwanderung.

Fazit

Den Zuständigen in Großbritannien wird laut Autorenteam ein Überdenken der bisherigen Strategie im Rahmen der Tuberkulose-Bekämpfung geraten, insbesondere im Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund. Demgegenüber wird den USA empfohlen, das bisherige Vorgehen fortzuführen und kontinuierlich zu optimieren, um den Erfolg bei der Tuberkulose-Bekämpfung in den vergangenen 20 Jahren fortschreiben zu können.

Friederike Klein, München


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