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DOI: 10.1055/s-0042-113053
Hepatische Amyloidose als seltene Differenzialdiagnose bei progredientem Leberversagen
Hepatic amyloidosis as a rare differential diagnosis of progressive liver failureZusammenfassung
Die primäre systemische Amyloidose ist eine seltene Erkrankung, die zu extrazellulären Ablagerungen von unlöslichen Proteinen in verschiedenen Organen führt und diese in ihrer Funktion stark beeinträchtigt. Eine Leberbeteiligung ist bei einer systemischen Amyloidose möglich, jedoch in den allermeisten Fällen asymptomatisch. Zudem sind die möglichen klinischen, laborchemischen und radiologischen Befunde meistens unspezifisch. Es wurden jedoch Fälle einer hepatischen Amyloidose mit progredientem Leberversagen beschrieben. Wir berichten hier über einen 63-jährigen Patient, der sich mit neu aufgetretenem Aszites vorstellte. Laborchemisch und abdomensonografisch ergaben sich keine Hinweise auf eine Lebererkrankung oder eine maligne Grunderkrankung. Anamnestisch berichtete der Patient über gelegentlichen Alkoholkonsum, sodass initial eine alkoholische Hepatitis angenommen wurde. Im weiteren Verlauf verschlechterte sich die Leberfunktion zunehmend und es wurde die Indikation zur transjugulären Leberbiopsie gestellt. Histologisch zeigte sich eine Leichtketten-Amyloidose vom Typ kappa. Trotz sofort eingeleiteter Chemotherapie war der weitere Verlauf fatal. Die Diagnose einer hepatischen Amyloidose stellt klinisch eine Herausforderung dar und gelingt in der Regel erst über die Leberhistologie. Diese sollte bei allen unklaren akuten und chronischen Hepatopathien erwogen werden, um seltene Erkrankungen mit einer möglicherweise hohen Mortalität auszuschließen.
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Abstract
Primary systemic amyloidosis is a rare disorder resulting in extracellular deposition of insoluble fibrils in different organs. Liver involvement has been reported. Since hepatic amyloidosis often presents clinically asymptomatic without specific laboratory or imaging hallmarks, diagnosis is challenging. However, cases of progressive hepatic failure due to liver amyloidosis have been reported. A 63 year old man presented with newly diagnosed ascites to our department. The patient reported occasional alcohol consumption. Viral hepatitis, genetic-metabolic causes as well as hepatic vascular disorders were excluded and ultrasound did not show any signs of liver cirrhosis or intraabdominal malignancy. Initially, alcoholic hepatitis was suspected. Due to the rapid deterioration of liver function, however, transjugular liver biopsy was performed showing light chain amyloidosis of kappa isotype. As diagnosis of hepatic amyloidosis is challenging, early liver biopsy is mandatory in patients with unexplained acute or chronic liver disease to exclude rare diseases with high mortality
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Schlüsselwörter
Hepatische Amyloidose - Leberversagen - Nierenversagen - Amyloidablagerung - transjuguläre LeberbiopsieKeywords
hepatic amyloidosis - liver failure - renal failure - amyloid deposition - transjugular liver biopsyEin 63-jähriger Mann mit anamnestisch moderatem Alkoholkonsum hat eine vergrößerte Leber, erhöhte Leberwerte und Aszites. Da die Ärzte eine Virushepatitis, Autoimmunhepatitis, primär biliäre Cholangitis und metabolisch-genetische Lebererkrankung ausschließen können, stellen sie die Verdachtsdiagnose einer akuten Alkoholhepatitis. Erst die histopathologische Untersuchung offenbart, woran der Patient leidet. Wenige Tage später stirbt er.
Seltene Erkrankung | Eine systemische Amyloidose ist eine seltene Erkrankung, welche durch extrazelluläre Ablagerungen von unlöslichen Fibrillen gekennzeichnet ist. Dabei unterscheidet man:
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Leichtkettenamyloidose (AL-Amyloidose, primäre Amyloidose)
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Amyloid-Amyloidose (AA-Amyloidose, sekundäre Amyloidose), sowie seltenere Formen wie
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β2-Mikroglobulin-assoziierte Form und
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familiäre Amyloidose-Typen (Transthyretin-Amyloidose)
Amyloidablagerungen findet man am häufigsten in der Niere, dem Herzen, in den peripheren Nerven sowie in bis zu 70 % der Patienten auch in der Leber [2]. Eine Leberbeteiligung ist klinisch oft inapparent, kann sich aber auch in einem Leberversagen manifestieren [3], [5], [6].
Kasuistik
Anamnese | Bei einem 63-jährigen Mann tritt erstmals ein Aszites auf. Er wird von seinem Hausarzt in unser Leberzentrum eingewiesen. Er leidet zudem unter einem leichten Druckschmerz im rechten oberen Quadranten des Abdomens. Bevor der Aszites auftrat, verlor er ungewollt 4 kg Körpergewicht innerhalb von 3 Wochen. Der Patient beklagt Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit und einen Leistungsknick. Fieber und weitere Symptome verneint er. Die medizinische Vorgeschichte ist bis auf eine bestehende benigne Prostatahyperplasie und eine leichte Hypercholesterinämie unauffällig. Auf Nachfrage liegt ein fraglich moderater Alkoholkonsum vor. Des Weiteren lässt sich ein Ex-Nikotinabusus (kumulativ 15 pack years) eruieren. Der Mann gibt an, dass in seiner Familie keine kardiovaskulären, neoplastischen und gastroenterologisch-hepatologischen Erkrankungen vorliegen.
Körperliche Untersuchung | Der Patient befindet sich in einem reduzierten Allgemein- und normalen Ernährungszustand. In der klinischen Untersuchung des Abdomens ist die Leber vergrößert tastbar und es lässt sich Aszites nachweisen. Es zeigen sich zudem leichte periphere Ödeme. Die Untersuchungen des Herzens, der Lunge und die neurologische Untersuchung ergeben keine pathologischen Befunde.
Laborbefunde | Die Transaminasen sind mäßig erhöht (AST 142 U / l, ALT 67 U / l), die alkalische Phosphatase liegt bei 1142 U / l, das Bilirubin bei 4,1 mg / dl mit einem direkten Anteil von 2,1 mg / dl. Die γ-GT ist erhöht (818 U / l). Es lässt sich eine normale plasmatische Gerinnung mit einem INR von 1,17 nachweisen. Das Blutbild zeigt einen Hämoglobinwert von 17,1 g / dl, normwertige Thrombozyten (153 × 109 / µl) und normwertige Leukozyten (6,09 × 109 / µl).
Untersuchung des Aszitespunktats | Es erfolgt eine diagnostische und therapeutische Punktion des Aszites. Darin lassen sich keine inflammatorischen oder malignen Zellen nachweisen. Insgesamt ist der Serum-Aszites-Albumin-Gradient niedrig (SAAG < 1,1 g / dl).
Abdomensonografie | Hier zeigt sich ein 4-Quadranten-Aszites. Sichere Hinweise auf eine Leberzirrhose gibt es nicht. Des Weiteren kann eine intra- und extrahepatische Cholestase ausgeschlossen werden. Duplexsonografisch ergeben sich keine Hinweise auf eine Pfortaderthrombose oder ein Budd-Chiari-Syndrom. In weiteren serologischen, virologischen und immunologischen Untersuchungen können eine Virushepatitis, eine Autoimmunhepatitis, eine primär biliäre Cholangitis sowie metabolisch-genetische Lebererkrankungen (Hämochromatose, alpha-1-Antitrypsinmangel und M. Wilson) ausgeschlossen werden. Zusammenfassend ergibt sich bei Ausschluss der oben genannten Ursachen und bei anamnestisch bestehendem fraglich moderatem Alkoholkonsum der Verdacht auf eine akute Alkoholhepatitis.
Weiterführende hepatologische Diagnostik | In den folgenden Wochen verschlechtern sich die Leber- und Nierenfunktion rapide (maximales Bilirubin 34,5 mg / dl, maximale ALT 428 U / l, maximale AST 659 U / l, maximaler INR 2,81, maximales Serumkreatinin 9,06 mg / dl). Daher entscheiden wir uns zur Durchführung einer transjugulären Leberbiopsie. Diese wird komplikationslos durchgeführt, insbesondere ohne postinterventionelle Blutungskomplikationen.
Histopathologische Untersuchung | Das Biopsat enthält homogene, amorphe und eosinophile Ablagerungen im Disse-Raum (▸ [ Abb. 1A ] und [ B ]), die sich in der Congo-Rot-Färbung anfärben lassen (▸ [ Abb. 1C ]). Die weiteren immunhistochemischen Färbungen zeigen eine positive Färbung für kappa-Leichtketten (▸ [ Abb. 1D ]), während sich keine lambda-Leichtketten nachweisen lassen (▸ [ Abb. 1E ]). In Zusammenschau dieser Befunde wird die Diagnose einer AL-Amyloidose vom Typ kappa gestellt.
Weiterer Verlauf | Als Hinweis auf eine Nierenbeteiligung lässt sich eine Proteinurie nachweisen. In der durchgeführten echokardiografischen Untersuchung zeigt sich eine diastolische Dysfunktion als Hinweis auf eine restriktive Kardiomyopathie, was als typische Manifestation einer kardialen Amyloidose beschrieben ist. Da die Erkrankung schnell fortschreitet, wird sofort eine Chemotherapie mit Dexamethason, Cyclophosphamid und Bortezomib eingeleitet. Innerhalb von wenigen Tagen tritt jedoch Fieber auf. Aufgrund einer Streptococcus-pneumoniae-Bakteriämie muss die Chemotherapie gestoppt werden. Die komplizierende Infektion führt zu einem zunehmenden Leber- und Nierenversagen, woran der Patient schließlich stirbt.
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Diskussion
Selten gestellte Differenzialdiagnose | Eine Ablagerung von Amyloid in der Leber und Milz kommt bei einer systemischen Amyloidose häufig vor, ohne jedoch Symptome zu verursachen. Wenn sie auftreten, so sind diese in den meisten Fällen unspezifisch. Daher wird eine Amyloidose selten als mögliche Differenzialdiagnose berücksichtigt (▸ [ Tab. 1 ]). Eine Hepatomegalie findet sich bei 24–33 % der Patienten [7], [8]. Sie ist jedoch nicht pathognomonisch für eine Leberbeteiligung, da in ca. 33 % der Patienten mit einer primären systemischen Amyloidose eine Hepatomegalie vorliegen kann, ohne dass eine direkte hepatische Manifestation vorliegt [3], [9], [10]. Ist die Leber beteiligt, lässt sich bei 80–90 % der Patienten auch eine Hepatomegalie nachweisen [11].
Symptome |
Klinische Untersuchung |
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Laborparameter oft nicht wegweisend | Pathologische Leberwerte, vor allem erhöhte Werte der alkalischen Phosphatase und der AST, findet man vor allem bei einer fortgeschrittenen Leberbeteiligung [4]. Ein erhöhtes Bilirubin weist auf einen Progress der Erkrankung mit einer negativen Prognose hin [4]. Die Einschränkung der Leberfunktion kann jedoch zum einen durch die hepatische Beteiligung der Amyloidose bedingt sein, zum anderen aber auch durch eine Stauungshepatopathie bei einer Amyloid-induzierten Herzinsuffizienz [12].
Die Leberwerte sind wenig sensitiv und spezifisch für die Diagnose einer Amyloidose.
Leberbiopsie sichert Diagnose | Aus diesem Grund ist es oft nur mit Hilfe einer Leberbiopsie möglich die Diagnose zu stellen [13], [14]. Untersuchungen zeigten, dass nur wenige Ärzte eine Amyloidose als Diagnose vermuteten, bevor eine Leberbiopsie durchgeführt wurde, was sich auch in unserem Fall wiederspiegelt [4]. Eine Leberbiopsie kann entweder perkutan oder transjugulär durchgeführt werden. Blutungskomplikationen (insbesondere eine Leberblutung als schwerwiegendste Komplikation) bei einer perkutanen Punktion sind zwar allgemein selten, jedoch ist das Risiko bei Patienten mit Gerinnungsanomalitäten, wie man sie unter anderem auch bei der Amyloidose beobachtet, signifikant erhöht [4]. Eine transjuguläre Leberbiopsie hingegen reduziert das Risiko für Blutungen, da die Leberkapsel nicht perforiert wird. Zudem stellt das Vorliegen von Aszites eine Kontraindikation für die Durchführung einer perkutanen Leberbiopsie dar, sodass aufgrund der Gerinnungsstörung und des vorliegenden Aszites in unserem Fall eine transjuguläre Biopsie durchgeführt wurde [15].
Therapie | Die Behandlung hängt vom Typ der Amyloidose und von der Organbeteiligung ab. Das Ziel der Therapie der AL-Amyloidose ist eine Eradikation der monoklonalen Plasmazellen, die unkontrolliert freie Leichtketten produzieren und somit zu einer Ablagerung in den Organen führen. Ein weiteres Ziel der Therapie ist aber auch die Organfunktionen durch eine supportive Therapie zu erhalten [17]. Melphalan, Dexamethason und Cyclophosphamid sowie Prednisolon und seit einigen Jahren auch Bortezomib sind häufige Substanzen, die in der Therapie der AL-Amyloidose eingesetzt werden [17-19]. Des Weiteren wurde in selektionierten Patienten der Nutzen einer Hochdosischemotherapie mit anschließender autologer peripherer Stammzelltransplantation untersucht. Hierbei zeigte sich bei ausgewählten Patienten ein verbessertes Überleben [17]. Jedoch ist die Therapie der Amyloidose oft durch eine verzögerte Diagnosesicherung und durch eine schnelle Krankheitsprogression limitiert und zudem ist eine aggressive Therapie aufgrund einer Leber- und Niereninsuffizienz kaum möglich.
Prognose | Aufgrund eines schnellen Fortschreitens der Erkrankung mit einer progredienten Verschlechterung der Funktion der betroffenen Organe, ist die Prognose mit einem medianen Gesamtüberleben von 8,5 Monaten bei einer bestehenden Leberbeteiligung sehr schlecht [4]. Erhöhte Bilirubinwerte, eine bestehende Herzinsuffizienz und erhöhte Thrombozyten sind negative prognostische Faktoren für das Gesamtüberleben.
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Eine hepatische Amyloidose wird meist zu spät diagnostiziert. Da die Erkrankung schnell fortschreitet, ist die Prognose der Betroffenen schlecht.
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Die klinischen, laborchemischen und bildmorphologischen Veränderungen sind unspezifisch, weshalb erst über die Leberhistologie die Diagnose gelingt.
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Eine Leberhistologie sollte daher bei allen unklaren akuten und chronischen Hepatopathien bei sonst unauffälliger Abklärung in der Diagnostik erwogen werden.
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Dr. med. Dominik Bettinger
ist Assistenzarzt an der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg.
dominik.bettinger@uniklinik-freiburg.de
Dr. med. Lisa Lutz
ist Assistenzärztin am Institut für Klinische Pathologie, Universitätsklinikum Freiburg.
lisa.lutz@uniklinik-freiburg.de
Dr. med. Michael Schultheiß
ist Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg.
michael.schultheiss@uniklinik-freiburg.de
Prof. Dr. med. Martin Werner
ist Direktor des Instituts für Klinische Pathologie, Universitätsklinikum Freiburg.
martin.werner@uniklinik-freiburg.de
Prof. Dr. med. Robert Thimme
ist ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg.
robert.thimme@uniklinik-freiburg.de
PD Dr. med. Christoph Neumann-Haefelin
ist Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg.
christoph.neumann-haefelin@uniklinik-freiburg.de
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
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Korrespondenz
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