Physiologie der Schilddrüse
Physiologie der Schilddrüse
Funktion
Die Schilddrüse produziert in ihren Follikeln aus der Aminosäure Tyrosin und Jodmolekülen die
Hormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3). Die Schilddrüsenfollikel dienen
gleichzeitig auch als Speicher für die Hormone. Von dort werden sie ins Blut abgegeben und
in freier Form oder an Transportglobuline gebunden zu den Zielorganen transportiert.
Regulation
Gesteuert wird die Schilddrüsenfunktion durch eine Reihe von Regulationsmechanismen. Der
Hypothalamus produziert TRH (Thyreotropin Releasing Hormon), das auf die Hypophyse wirkt
und dort die Ausschüttung von TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon, Thyreotropin) anregt.
TSH steigert die Produktion von T3 und T4. Hohe T3- und T4-Level führen zu einer negativen
Rückkopplung und damit zur Verringerung der Produktion.
In der Schilddrüse wird wesentlich mehr T4 (ca. 80 %) als T3 (ca. 20 %) produziert. T3 ist
die biologisch hauptsächlich wirksame Form. T4 hat zwar auch eigene Wirkungen, dient aber
überwiegend als Transportform und wird in den Zielzellen zu T3 umgewandelt. Die Umwandlung
von T4 in T3 findet vor allem in Leber und Nieren, aber auch in Gehirn, Herz und
Skelettmuskulatur statt.
Die Schilddrüse und ihre Hormone interagieren mit allen Organsystemen und Geweben des Körpers
[[3]]. Störungen der Schilddrüsenfunktion können daher zu
einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome führen. Keines davon tritt ausschließlich
bei einer Hypothyreose auf.
Formen der Hypothyreose
Man unterscheidet zwischen 4 verschiedenen Formen der Hypothyreose (▶
Tab.
[
1
]). Liegt die Ursache in der Schilddrüse selbst, handelt es
sich um eine primäre Hypothyreose. Die Ursache kann eine idiopathische Follikelatrophie
oder eine Entzündung infolge einer Verletzung oder einer Autoimmunerkrankung sein. Zu wenig
Selen oder Zink und zu viel oder zu wenig Jod in der Nahrung sowie eine altersbedingte Atrophie
können ebenfalls zu einer primären Hypothyreose führen.
Tab. 1
Hypothyreose und Verhaltensauffälligkeiten.
Schilddrüsenunterfunktion
|
Ursachen
|
primäre Hypothyreose
|
-
ideopathische Follikelatrophie
-
Thyreoiditis, autoimmun oder nach Verletzungen der
Schilddrüse
-
Jodungleichgewicht, Mangel an Zink oder Selen
-
Altersatrophie
|
sekundäre Hypothyreose
|
Störungen der übergeordneten Steuerung in der Hypophyse
|
tertiäre Hypothyreose
|
Störungen der übergeordneten Steuerung im Hypothalamus
|
Unterdrückung der Schilddrüsenfunktion
|
-
Stress
-
Krankheiten (non thyroidal illness)
-
Medikamente, z. B. Kortison, Phenobarbital, Sulfonamide
|
Liegt eine Störung der übergeordneten Steuerung in der Hypophyse vor, handelt es sich um eine
sekundäre Hypothyreose. Bei einer Störung im Bereich des Hypothalamus spricht man von
einer tertiären Hypothyreose.
Darüber hinaus kann es zu einer Unterdrückung der Schilddrüse durch andere Erkrankungen
kommen. Man spricht dann von euthyreot kranken Tieren. Zum Teil wird auch der Begriff
NTI, englisch für „non thyroidal illness“ gebraucht. Stress und bestimmte Medikamente können
ebenfalls zu einer Unterdrückung der Schilddrüse führen. Hierbei sind vor allem Kortison,
Phenobarbital und Sulfonamide zu nennen.
Autoimmune Thyreoiditis
Häufigkeit
Die autoimmune Thyreoiditis ist die häufigste Stoffwechselerkrankung beim Hund. Die Angaben
zur Häufigkeit des Auftretens schwanken je nach Autor zwischen 1:120–1:500. Die Angaben
beziehen sich jeweils auf die Häufigkeit des Nachweises der Erkrankung im jeweiligen
Spezialgebiet des Autors, z. B. Hautprobleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder
neurologische Erkrankungen. Daher ist die tatsächliche Häufigkeit in der Hundepopulation
vermutlich deutlich höher anzusetzen. Einer Studie zufolge waren bei einem Sechstel der
Hunde, die in spezialisierten deutschen Tierarztpraxen zur Verhaltenstherapie vorgestellt
wurden, somatische Ursachen nachweisbar [[4]]. An erster
Stelle standen klinische und subklinische Hypothyreosen.
Häufig betroffene Rassen
Die Aufzählung gibt einen Überblick über die am häufigsten betroffenen Rassen, die in
der Praxis der Autorin mit überwiegend subklinischer, teilweise auch klinischer
Hypothyreose vorgestellt werden:
-
American Staffordshire Terrier
-
Australian Shepherd
-
Bearded Collie
-
Beauceron
-
Berger de Pyrénées
-
Berner Sennenhund
-
Border Collie
-
Briard
-
Deutsche Dogge
-
Deutscher Schäferhund
-
Dobermann
-
Eurasier
-
Flat Coated Retriever
-
Golden Retriever
-
Hovawart
-
Irish Setter
-
Jack Russel Terrier
-
Labrador Retriever
-
kleiner und großer Münsterländer
-
Parson Russell Terrier
-
Rhodesian Ridgeback
-
Rottweiler
-
großer Schweizer Sennenhund
-
Ungarischer Vizsla
-
Weimaraner
-
West Highland Terrier
Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Ätiologie
Die autoimmune Thyreoiditis des Hundes ist vergleichbar mit der Hashimoto-Erkrankung des
Menschen.
Für den Dobermann, Englischen Setter und Rhodesian Ridgeback wurde bereits – wie beim
Menschen – eine Verbindung mit den Genen für den Haupthistokompatibilitätskomplex
nachgewiesen. Ob die genetische Veranlagung alleine zum Ausbrechen der Erkrankung führt
oder ob zusätzliche Faktoren dazu nötig sind, ist umstritten. Betroffene Hunde haben eine
erhöhte Wahrscheinlichkeit weitere autoimmune Erkrankungen zu entwickeln.
Symptome
Allergien und paradoxe Verhaltenssymptome entwickeln sich häufig mit der Pubertät, deutliche
körperliche Symptome hingegen erst im Alter von 3–5 Jahren. Eine Übersicht der häufigsten
Symptome findet sich in ▶
Tab.
[
2
].
Tab. 2
Häufige Symptome bei subklinischer Hypothyreose.
subklinische Hypothyreose
|
Symptome
|
Verhaltenssymptome
|
-
hyperaktiv, hektisch, nervös
-
launisch
-
geringe Stresstoleranz
-
geringe Frustrationstoleranz
-
ängstlich und/oder aggressiv (z. T. anfallsartig oder mit
völligem Kontrollverlust)
-
Konzentrations- und Lernschwäche
-
evtl. depressiv
|
körperliche Symptome
|
-
wärmeliebend, hitzeintolerant
-
kommt morgens nicht in Gang
-
unspezifische Hautsymptome, Allergien, Otitiden,
Demodikose
-
stumpfes Fell, Schuppen, „Babypelz“
-
Schwarzfärbung der Haut, Haarausfall (oft bilateral
symmetrisch)
-
Gewichtsprobleme (Übergewicht, evtl. sehr dünn)
-
Myxödem
-
neurologische Erkrankungen, Epilepsie
-
unspezifische Schmerzen und Lahmheiten
-
Leistungsschwäche
-
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
-
Magen-Darm-Probleme
-
Blutungsneigung/Blutbildveränderungen, oft mit
von-Willebrand-Erkrankung
-
gestörter Sexualzyklus, mangelhafte Libido,
Fruchtbarkeitsstörungen
-
vorzeitige Vergreisung
|
Das „klassische“ Bild einer Hypothyreose, wie es in den Lehrbüchern zu finden ist,
entsteht erst, wenn mehr als 75 % des Schilddrüsengewebes zerstört sind.
Verhaltensauffälligkeiten
Hypothyreosepatienten mit Verhaltensauffälligkeiten zeigen überwiegend paradoxe
Symptome, also solche, die man eigentlich bei einer Hyperthyreose erwarten würde. Sie
sind meist hektisch, nervös und hyperaktiv, einige zeigen aber auch depressives
Verhalten. Sie sind oft launisch, haben gute und schlechte Tage oder zeigen
innerhalb weniger Stunden starke Verhaltensschwankungen. Extreme Unruhe und exzessive
Lautäußerungen können auftreten [[1]].
Hashimoto-Erkrankung
Die 1912 von dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto zuerst beschriebene chronische
lymphozytäre Thyreoiditis beim Menschen ist eine Autoimmunerkrankung, die familiär
gehäuft auftritt. Dabei wird das Schilddrüsengewebe durch T-Lymphozyten zerstört und
es kommt zur Bildung von Antikörpern gegen schilddrüsenspezifische Antigene. Auf
Dauer führt dies zu einer Hypothyreose. Bedingt durch die Zerstörung des
Schilddrüsengewebes kann es aber zwischenzeitlich zu hyperthyreoten Phasen
kommen.
Die Patienten haben eine geringe Stress- und Frustrationstoleranz, können sich häufig
schlecht konzentrieren und zeigen zum Teil ausgeprägte Lernschwächen. Gesteigerte
Ängstlichkeit, insbesondere Geräuschängste und Angst vor Gewitter, aber auch
verstärkte Reizbarkeit und Aggression, z. T. anfallsartig oder mit vollständigem
Kontrollverlust, sind typisch bei Schilddrüsenpatienten. Bei einigen Hypothyreosepatienten
ist Geräuschangst das erste und eventuell für lange Zeit auch das einzige erkennbare
Symptom. Untersuchungen an der Ludwig-Maximilians-Universität zeigten einen eindeutigen
Zusammenhang zwischen subklinischer Hypothyreose und Geräuschangst bei untersuchten
Bearded Collies [[5]].
Körperliche Symptome
Nicht alle Hypothyreosepatienten sind verhaltensauffällig, viele entwickeln nur körperliche
Symptome. Hunde, die zunächst nur Verhaltenssymptome zeigen, entwickeln bei
fortschreitender Erkrankung zunehmend auch körperliche Symptome, wenn sie unbehandelt
bleiben. Sie kommen morgens schwer in Gang, sind wärmeliebend, aber
gleichzeitig hitzeintolerant. Sie frieren schnell, liegen gerne direkt an der
Heizung oder im Sommer in der prallen Sonne, sind aber bei höheren Temperaturen körperlich
kaum belastbar.
Typisch sind unspezifische Hautsymptome, Allergien, Otitiden, Demodikose, stumpfes
Fell, Schuppenbildung und „Babypelz“. Langhaarige Hunde sehen oft aus wie ein
„explodierter Handfeger“. Haarausfall, der oft bilateral symmetrisch auftritt und
besonders an den Schenkelinnenseiten und am Bauch lokalisiert ist sowie Schwarzfärbungen
der Haut sind ebenfalls typisch.
Viele Schilddrüsenpatienten haben Gewichtsprobleme. Meistens neigen sie – selbst bei
restriktiver Fütterung – zu Übergewicht. Im Einzelfall treten auch hier paradoxe Symptome
auf und die Hunde sind trotz intensiver und hochwertiger Fütterung extrem dünn.
Substituiert man sie, nehmen sie zu und der Futterbedarf normalisiert sich.
Ein typisches, wenn auch selteneres Symptom, ist die Ausbildung eines Myxödems. Dies
kann nur am Kopf oder am ganzen Körper auftreten und führt zu einem aufgequollenen,
feisten Aussehen. Der Körperstamm wirkt tonnenförmig wie bei einem
Aberdeen-Angus-Rind.
Häufiger treten neurologische Symptome auf, beispielsweise:
Es können unspezifische Schmerzen und Lahmheiten auftreten.
Viele Patienten zeigen eine ausgeprägte Leistungsschwäche, die durch eine reduzierte
Sauerstoffbindungskapazität der Erythrozyten bedingt ist, sowie eine Bradykardie. In der
Folge können sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln. Außerdem kann eine verstärkte
Blutungsneigung infolge von Blutbildveränderungen, oft auch in Kombination mit der
von-Willebrand-Erkrankung auftreten [[2]].
Im Zusammenhang mit einer Schilddrüsenunterfunktion sind häufig auch
Magen-Darm-Probleme zu beobachten. Störungen der Sexualfunktionen können bei
beiden Geschlechtern auftreten. Unfruchtbarkeit und mangelnde Libido beim Rüden sowie
verlängerter Interöstrus, ausbleibende Läufigkeit und stille Hitze bei der Hündin sind
typische Phänomene. Ein Teil der betroffenen Tiere zeigt eine ausgeprägte vorzeitige
Vergreisung. Die Hunde können bereits im Alter von 2 oder 3 Jahren stark ergrauen
und wirken vom gesamten Habitus wie ein uralter Hund.
Diagnostik
Bei Hunden mit Verhaltensauffälligkeiten muss eine ausführliche Verhaltensanamnese erhoben werden.
Da jede Erkrankung zu einer Unterdrückung der Schilddrüsenfunktion führen kann, sollten in jedem
Fall ein Organprofil und ein großes Blutbild gemacht werden.
Bei Hunden, die mit selbst zusammengestellten Rationen gefüttert werden, sollten zudem Jod,
Selen und Zink überprüft werden.
Darüber hinaus sollten die folgenden Schilddrüsenwerte untersucht werden:
-
fT4 (freies T4)
-
T4
-
fT3 (freies T3)
-
T3
-
TSH
-
TAK (Thyreoglobulin-Antikörper), z. T. auch als TGA bzw. TGAA
(Thyreoglobulin-Autoantikörper) bezeichnet
-
T4-Autoantikörper
-
T3-Autoantikörper
-
k-Wert (Korrelationswert fT4-Cholesterin)
Außerdem kann ein TRH-Stimulationstest sinnvoll sein.
Bei fortgeschrittenen Schilddrüsenerkrankungen sind im Ultraschall die Veränderungen im
Schilddrüsengewebe erkennbar (▶
Abb.
[
1
],
▶
Abb.
[
2
]) [[6]]. Die Ermittlung der Herzfrequenz in Ruhe und nach Belastung liefert oft weitere
wertvolle Hinweise. Im Einzelfall sollten – je nach Symptomatik – folgende Untersuchungen
durchgeführt werden:
-
Herzultraschall
-
EKG
-
Blutdruckmessung
-
neurologische Untersuchung
-
orthopädische Untersuchung
-
Schmerzdiagnostik
-
Untersuchungen auf Borreliose, Ehrlichiose usw.
Abb. 1 Ultraschall der Schilddrüse: Normales Schilddrüsengewebe bei einer 18 Monate
alten Labradorhündin (A = A. carotis externa). (© A. Bracke, Tierärztl. Gemeinschaftspraxis Quandt &
Bracke)
Abb. 2 Ultraschall der Schilddrüse: Verändertes Schilddrüsengewebe bei einer
10-jährigen Labradorhündin mit frühzeitig behandelter autoimmuner Thyreoiditis. Ausbruch
der Erkrankung mit 4 Jahren (1 = verändertes Schilddrüsengewebe, 2 = A. carotis externa).
Nähere Informationen zu dem Fall bei der Autorin. (© A. Bracke, Tierärztl. Gemeinschaftspraxis Quandt &
Bracke)
Autoimmune Thyreoiditis
Die autoimmune Thyreoiditis verläuft in der Regel schleichend. Oft zeigen die Laborwerte erst dann
eine eindeutige Diagnose, wenn bereits ein Großteil der Schilddrüse zerstört ist. Bis dahin
verläuft die Krankheit eventuell jahrelang subklinisch. Da die Symptome häufig sehr unspezifisch
sind, werden sie isoliert betrachtet und mit wechselndem Erfolg behandelt, ohne dass die
eigentliche Ursache erkannt wird. Gerade bei Hunden, die nur Verhaltensauffälligkeiten zeigen,
wird die Problematik gerne dem individuellen Charakter, der Rasse oder der Unfähigkeit des
Besitzers zur Erziehung seines Hundes angelastet. Erschwert wird die diagnostische Zuordnung
auch dadurch, dass die typischen Verhaltensprobleme, die bei Schilddrüsenpatienten auftreten,
durchaus auch andere Ursachen haben können.
Um die Diagnose subklinische Hypothyreose zu einem möglichst frühen Zeitpunkt stellen zu
können, müssen möglichst viele diagnostische Kriterien herangezogen werden.
Zudem können so durch rechtzeitige Behandlung körperliche Folgeschäden und durch Lernprozesse
langfristig zementierte unerwünschte Verhaltensweisen vermieden werden.
Bei Folgeuntersuchungen sollte möglichst immer dasselbe Labor benutzt werden, da die
Untersuchungsmethoden und Normwerte der verschiedenen Labors nicht vergleichbar sind. Ein großes
Schilddrüsenprofil, mit allen oben genannten Werten, wird zurzeit in Deutschland nur von
Laboklin und Idexx angeboten.
Typische Laborveränderungen bei subklinischer Hypothyreose sind:
-
erhöhter Cholesterinspiegel
-
hoher MCHC- und MCH-Spiegel
-
Eosinophilie
-
Thrombozytopenie
-
erhöhte Leber- oder Nierenwerte
Auswertung des Schilddrüsenprofils
Nach der Verabreichung von Medikamenten, die die Schilddrüse beeinflussen, können
aussagefähige Werte des Schilddrüsenprofils frühestens 4 Wochen nach Ende der
Behandlung ermittelt werden.
Die folgenden Aussagen gelten für Hunde, bei denen keine andere Erkrankung vorliegt, die zu
einer Unterdrückung der Schilddrüsenfunktion führt.
Wissenswert
Auch beim Hund gibt es Schilddrüsenpatienten mit Umwandlungsstörungen, die selbst bei
ausreichendem T4-Level nicht in der Lage sind, genug T3 herzustellen. Diese
Patienten müssen zusätzlich mit T3 substituiert werden. Hunde mit
Umwandlungsstörungen sind oft massiv verhaltensauffällig oder zeigen besonders
schwere neurologische Symptome.
Da es keine für den Hund zugelassenen T3-Präparate gibt, muss für diese Patienten das
humanmedizinische Thybon® umgewidmet werden. Die Einstiegsdosis liegt bei
1,1 µg/kg 2-mal täglich. Nach 1 Woche wird auf die empfohlene Dosis von 2,2 µg/kg
2-mal täglich erhöht. Im Einzelfall muss mittags eine 3. Dosis verabreicht werden,
wenn sich das Befinden im Laufe des Tages deutlich verschlechtert. Bitte beachten
Sie, dass bei T3-Substitution die empfohlene Dosis wegen der kurzen Halbwertszeit
mehrmals täglich verabreicht werden muss; also jeweils 2,2 µg/kg.
TSH
Ist der TSH-Wert erhöht, kann man von einer Hypothyreose ausgehen. Da beim Hund das TSH sehr
schnell gegenreguliert wird, ist ein normaler TSH-Wert aber leider keine Garantie für eine
gesunde Schilddrüse oder eine passende Einstellung bei der Substitution.
Thyreoglobulin-Antikörper bzw. T3-/T4-Antikörper
Sind Thyreoglobulin-Antikörper bzw. T3-/T4-Antikörper vorhanden, handelt es sich um eine
autoimmune Thyreoiditis. Allerdings sind nur bei einem Teil der betroffenen Patienten bzw.
nur zeitweise Antikörper nachweisbar. Fehlende Antikörper sind daher kein Beweis für eine
gesunde Schilddrüse. Beim Vorhandensein von T3-/T4-Antikörpern kann es zu paradox hohen
Hormonwerten kommen, was eine diagnostische Zuordnung erschwert.
Vom Labor wird für T4-Autoantikörper ein Normbereich bis 20 % angegeben, für
T3-Autoantikörper bis 10 %. Alle Patienten, die die Autorin in den letzten Jahren betreut
hat, bei denen Antikörper gegen die Hormone – auch im niedrig „normalen“ Bereich –
nachweisbar waren, entwickelten spätestens innerhalb 1 Jahres eine manifeste Hypothyreose.
Es erscheint auch wenig logisch, dass überhaupt Antikörper gegen ein körpereigenes Hormon
vorhanden sein sollten.
fT3, T3, fT4, T4
Liegen die Hormonwerte unterhalb der Labornorm, liegt eine Hypothyreose vor. Wenn bei jungen
Hunden mit passender Symptomatik die Hormone im unteren Drittel des Normbereichs sind,
liegt höchstwahrscheinlich eine subklinische Hypothyreose vor. Findet man bei
jungen Hunden mit passender Symptomatik Hormonwerte in der unteren Hälfte des
Normbereichs, handelt es sich wahrscheinlich um eine subklinische Hypothyreose.
k-Wert
Ist der k-Wert < –4, liegt eine Hypothyreose vor. Bei einem k-Wert zwischen –4 und +1
(fraglicher Wert) ist gegebenenfalls ein TRH-Stimulationstest durchzuführen.
TRH-Stimulationstest
Besteht der Verdacht einer subklinischen Hypothyreose, kann dieser eventuell durch einen
TRH-Stimulationstest erhärtet werden. Aber auch hier ergibt sich nicht immer eine
eindeutige Aussage. Sind keine Antikörper vorhanden und gibt es andere mögliche
Erklärungen für die Symptomatik bzw. die niedrigen Schilddrüsenwerte, sollten diese
zunächst behandelt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn andere, eventuell
auch vorausgegangene Erkrankungen bekannt sind, der Hund ein Deprivationssyndrom hat oder
unter starkem bzw. schon lange anhaltendem Stress steht. Verschwinden die Symptome nicht,
empfiehlt es sich, die Schilddrüse nach 3–6 Monaten noch einmal zu untersuchen. Bei
Patienten mit Verdacht auf eine subklinische Hypothyreose, bei denen keine anderen
möglichen Ursachen für die Symptome erkennbar sind, sollte eine diagnostische Substitution
durchgeführt werden.
Therapie
Dosierung
Die meisten Hunde mit einer Hypothyreose lassen sich mit einer Tagesdosis von
20–30 µg/kg Thyroxin, z. B. Forthyron® oder Wethyrox®, verteilt auf
2-mal täglich, gut einstellen. Im Einzelfall kann aber auch weniger oder deutlich mehr
gebraucht werden. Für Patienten, deren Besitzer Probleme haben 2-mal am Tag Medikamente zu
geben, kann Leventa® eine Alternative sein.
Bei Hunden mit subklinischer Hypothyreose und bei altersbedingter Atrophie hat
sich eine Einstiegsdosis von 2-mal täglich 5 µg/kg bewährt. Je nach Wirkung sollte die
Dosis dann wöchentlich um 1–2 µg/kg gesteigert werden, bis die Wohlfühldosis erreicht ist.
Nach 4–6 Wochen unter dieser Dosierung sollte eine Substitutionskontrolle erfolgen, um den
persönlichen Referenzwert für die Zukunft zu ermitteln. Kommt es bis zum Erreichen der
empfohlenen Höchstdosis von 30 µg/kg am Tag nicht zu einer befriedigenden Verbesserung der
Symptome, sollte eine Kontrolluntersuchung erfolgen.
Ist der T4-Wert am oberen Ende der Norm oder darüber, ist auf jeden Fall der T3-Wert zu
überprüfen. Ansonsten sollte die Dosis von Forthyron® entsprechend weiter
erhöht werden. Die Blutentnahme für die Kontrolluntersuchungen sollte 4–6 Stunden nach
Tablettengabe erfolgen.
Applikation
Bei Verabreichung mit dem Futter reduziert sich die Resorption der Hormone
erheblich.
Thyroxin und Trijodthyronin sollten daher auf nüchternen Magen gegeben und in etwas Wurst,
Käse oder Feuchtfutter verpackt werden. Die Verabreichung sollte mindestens 30 Minuten vor
der Fütterung erfolgen.
Bei ausreichender Substitution stellt die Schilddrüse ihre Produktion vollständig ein. Beim
Hund wird dadurch der Autoimmunprozess gebremst, im günstigsten Fall sogar vollständig
gestoppt. Es gibt aber unterschiedliche Verlaufsformen. Einige Patienten lassen sich
innerhalb weniger Wochen gut einstellen und sind damit jahrelang stabil, andere haben
immer wieder akute Schübe und müssen dann wieder neu eingestellt werden. Insbesondere
Patienten mit Antikörpern gegen T3 bzw. T4 brauchen eventuell zeitweise das 2- bis 3fache
der empfohlenen Dosis, um vernünftige Blutwerte zu erreichen.
Gelingt es, die Antikörperproduktion zum Stillstand zu bringen, reduziert sich der
Tablettenbedarf auf ein normales Niveau. Die Behandlung mit Schilddrüsenhormonen – auch
über längere Zeit – führt nicht zu einer Schädigung der Schilddrüse. Liegt keine primäre
Schilddrüsenerkrankung vor, nimmt die Schilddrüse ihre Arbeit wieder auf, sobald die
Substitution beendet wird. Das Absetzen der Schilddrüsentabletten nach einer längeren
Substitution, beispielsweise zur symptomatischen Behandlung bei euthyreot kranken Tieren,
sollte nicht abrupt erfolgen. Um einen sanften Übergang zu ermöglichen, sollten die
Tabletten ausgeschlichen werden. Liegt eine primäre Schilddrüsenerkrankung vor, müssen die
Patienten lebenslang substituiert werden.
Fazit
Subklinische und manchmal auch klinische Hypothyreosen beim Hund werden häufig nicht – oder erst
sehr spät – diagnostiziert. Einerseits, weil die Symptome vielfältig, individuell sehr
unterschiedlich ausgeprägt und größtenteils unspezifisch sind. Andererseits, weil die
angegebenen Normwerte im unteren Bereich für viele Hunde nicht stimmen. Es gibt Hunde, die mit
einem T4-Wert von 2,4 µg/kg gesund sind und andere, die damit bereits massive klinische Symptome
haben. Insgesamt wird die subklinische Hypothyreose beim Hund nach den Erfahrungen der Autorin
eher unterdiagnostiziert. Allerdings gibt es auch Fälle, bei denen auf Druck der Tierbesitzer
gesunde Hunde substituiert werden, weil sie ein Verhalten zeigen, das den Besitzern nicht
gefällt. Eine diagnostische Therapie fügt der Schilddrüse keinen Schaden zu, sollte aber
kritisch evaluiert werden, wenn keine Besserung eintritt.
Allen, die sich intensiver mit den physiologischen Zusammenhängen zwischen Schilddrüsenfunktion und
Verhalten beschäftigen möchten, sei das Buch von Zimmermann [[7]]
als Lektüre empfohlen.