Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(19): 1413-1414
DOI: 10.1055/s-0042-114423
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Facharztprüfung Innere Medizin: Vergiftungen

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Publication Date:
19 September 2016 (online)

 

    Ein 53-jähriger Patient kommt in die Notfallaufnahme mit Übelkeit und Bauchschmerzen. Er berichtet, vor etwa 1 Stunde ein Pilzgericht gegessen zu haben. Woran denken Sie?

    Antwort An eine Intoxikation.

    Kommentar Differenzialdiagnose von Beschwerden nach Pilzgenuss:

    • Genuss verdorbener Pilze,

    • Allergie gegen Pilzinhaltsstoffe,

    • Pilzvergiftung.

    Wie gehen Sie vor?

    Antwort Ich induziere bei dem Mann Erbrechen.

    Kommentar Maßnahmen zur primären Giftelimination:

    • induziertes Erbrechen,

    • Magenspülung,

    • forcierte Diurese,

    • Gabe von Aktivkohle.

    Glauben Sie, dass der Mann eine echte Pilzvergiftung hat?

    Antwort Wahrscheinlich nicht. Die häufigste Ursache von Beschwerden nach Pilzen ist nicht die Vergiftung.

    Kommentar In Deutschland sterben ca. 60 – 80 Menschen pro Jahr an Pilzvergiftungen.

    Können Sie sagen, aufgrund welcher Faktoren Sie differenzieren können zwischen Unverträglichkeit und echter Pilzvergiftung?

    Antwort Anhaltspunkte geben die Symptome, insbesondere das Vorhandensein oder Fehlen von neurologischen Symptomen und der Abstand zwischen Pilzaufnahme und Auftreten der Beschwerden.

    Kommentar Symptomatik bei Pilzvergiftungen:

    Muskarinsyndrom:

    • Sehstörungen, Schwindel,

    • Übelkeit, Erbrechen,

    • Bauchschmerzen, Durchfälle,

    • Speichelfluss, Bronchospasmus,

    • Bradykardie,

    anticholinerges Syndrom:

    • Schwindel,

    • Unruhe, Halluzinationen,

    • Mundtrockenheit,

    • Tachykardie,

    gastrointestinales Syndrom:

    • Übelkeit, Erbrechen,

    • Bauchschmerzen, Durchfälle,

    • Exsikkose,

    hepatorenales Syndrom:

    • Leberausfall.

    Inwieweit hilft Ihnen der zeitliche Zusammenhang weiter?

    Antwort Allgemein gesagt: Je später die Beschwerden auftreten, desto gefährlicher ist die Vergiftung.

    Kommentar Knollenblätterpilzvergiftung:

    • in 95 % der Todesfälle bei Pilzvergiftung wurde Knollenblätterpilz verzehrt,

    • erste Beschwerden treten nach 12 h auf: Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle,

    • Transaminasenanstieg nach 24 h,

    • Leberausfall nach Tagen.

    Wir kommen noch einmal auf den Mann zurück, dem nach dem Pilzgenuss schlecht geworden ist. Wie induzieren Sie das Erbrechen?

    Antwort Mit Ipecacuanha-Saft.

    Kommentar Induziertes Erbrechen:

    • möglich ab 9. Lebensmonat,

    • Ipecacuanha-Saft 30 ml und reichlich trinken lassen.

    Gibt es Kontraindikationen oder können Sie das induzierte Erbrechen zur Giftelimination immer einsetzen?

    Antwort Nein, wichtigste Kontraindikationen sind Säuren und Laugenverätzungen, daneben auch eine Bewusstseinstrübung.

    Kommentar Kontraindikationen gegen induziertes Erbrechen:

    bedingt durch die Art der aufgenommenen Substanz:

    • Säuren und Laugen: Ösophagusruptur,

    • Schaumbildner: Aspiration,

    • organische Lösungsmittel: Inhalationen,

    bedingt durch den Patienten:

    • Bewusstseinstrübung.

    Warum führen Sie keine Magenspülung durch?

    Antwort In der Regel bietet die Magenspiegelung keine Vorteile gegenüber induziertem Erbrechen und Aktivkohle. Komplikationen sind die Aspiration und die Perforation.

    Kommentar Magenspülung:

    • heute zurückhaltend angewendet,

    • mögliche Indikation: Aufnahme potenziell tödlicher Mengen eines Giftes innerhalb der letzten Stunde,

    • Intoxikation mit Substanzen, die eine Magenentleerungsstörung verursachen: z. B. Psychopharmaka.

    Sie werden zu einer 45-jährigen Frau gerufen und erfahren, sie habe „Schlaftabletten“ genommen. Sie finden die Frau auf dem Sofa in einer halbsitzenden Position vor. Auf dem Tisch vor ihr liegen Tablettenreste, außerdem findet man eine halbleere Flasche Wein. Was tun Sie?

    Antwort Ich informiere mich über den Bewusstseinszustand der Patientin sowie die Kreislaufverhältnisse und die Atmung. Dann leite ich, je nach Zustand, die Ersttherapie ein und veranlasse die Krankenhauseinweisung in Begleitung. Die Tablettenpackungen nehme ich mit. Ich versuche durch Befragen der Patientin oder der Angehörigen herauszubekommen, wie viel und was genommen wurde.

    Kommentar Vorgehen bei Schlafmittelintoxikation:

    • Einschätzung des Schweregrades,

    • Ersttherapie nach Schweregrad,

    • Krankenhauseinweisung in Begleitung,

    • Asservation von Medikamenten und Giftresten,

    • ggf. Asservation von Erbrochenem u. a.

    Wie schätzen Sie den Schweregrad der Vergiftung in einer solchen Situation ab?

    Antwort Durch die Beurteilung des Bewusstseinszustandes und des Reflexverhaltens sowie durch die Untersuchung der Herz-Kreislauf-Situation und der Atmung.

    Kommentar Schweregerade bei Schlafmittelintoxikation:

    Es werden 5 Schweregrade unterschieden, in die Bewertung gehen ein:

    • Bewusstseinszustand,

    • Bewegungsfähigkeit,

    • Reflexstatus,

    • Kreislaufsituation,

    • Atmung.

    Wie würden Sie sich verhalten, wenn Sie mit der Frau noch geordnet sprechen könnten, die Herzfrequenz bei 90/min läge, der Blutdruck bei 100/70 mmHg und die Atmung unauffällig wäre?

    Antwort Eine Behandlung wäre in dieser Situation im ambulanten Bereich nicht nötig. Ich bringe die Frau in die Klinik.

    Kommentar Vorgehen bei erhaltenem Bewusstsein, stabiler Herz-Kreislauf-Situation und Atmung:

    • keine spezielle Behandlung vor Ort,

    • Weiterbehandlung im Krankenhaus (induziertes Erbrechen).

    Was tun Sie bei Bewusstlosigkeit und beginnender Ateminsuffizienz?

    Antwort Intubation und Beatmung, Anlage eines i. v. Zugangs.

    Kommentar Schlafmittelintoxikation:

    Vorgehen bei Ateminsuffizienz:

    • Intubation und Beatmung,

    Vorgehen bei Kreislaufinsuffizienz:

    • Plasmaersatzstoffe,

    • adrenerge Substanzen.

    Welche therapeutischen Möglichkeiten haben Sie bei Ateminsuffizienz infolge einer Benzodiazepineinnahme?

    Antwort Auch Intubation und Beatmung, daneben kann man den spezifischen Antagonisten Flumazenil geben.

    Kommentar Ateminsuffizienz bei Benzodiazepineinnahme:

    • spezifischer Antagonist: Flumazenil (Anexate),

    • Cave: kurze Halbwertszeit.

    Sie werden im Notdienst auf die Bahnhofstoilette gerufen und finden einen bewusstlosen jungen Mann mit Spritzenbesteck neben sich vor. Was tun Sie?

    Antwort Vorrangig muss für eine suffiziente Atmung und einen stabilen Kreislauf gesorgt werden. Der Patient ist akut am meisten bedroht durch die Atemdepression.

    Kommentar Bedrohung bei Heroinintoxikation durch:

    • Atemdepression,

    • Bradykardie,

    • Hypotonie.

    Wie sichern Sie die Diagnose?

    Antwort Durch die Umstände, unter denen der Mann vorgefunden wird, und das klinische Bild: Miosis, Atemdepression, Koma.

    Kommentar

    • Die Miosis kann auch fehlen (Scopolamineinnahme),

    • Cave: Mischintoxikationen häufig (Benzodiazepine).

    Wie können Sie für eine suffiziente Atmung sorgen?

    Antwort Durch Beutelbeatmung und Intubation sowie eine Antagonisierung der Opiatwirkung.

    Kommentar Therapie der Atemdepression bei Heroinintoxikation:

    • Atemwege frei machen und frei halten,

    • Beutelbeatmung,

    • Intubation,

    • spezifischer Opiatantagonist: Naloxon (Narcanti 0,4 mg = 1 Ampulle i. v.), Wiederholung nach klinischem Bild.

    Welches ist das Hauptproblem der Paracetamolintoxikation?

    Antwort Die Lebertoxizität.

    Kommentar Paracetamolintoxikation:

    • frühe Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen,

    • dann: Ikterus, Leberausfallskoma, Tod im Leberversagen.

    Wie können Sie bei einer Paracetamolintoxikation therapeutisch vorgehen?

    Antwort Ich kann versuchen, das Gift durch Aktivkohle soweit wie möglich zu eliminieren, außerdem wird ACC als Antidot eingesetzt.

    Kommentar Therapie bei Paracetamolintoxikation:

    • Magenentleerung,

    • Aktivkohle,

    • ACC: Beginn mit 150 mg / kg KG in 15 min,

    • anschließende kontinuierliche Wiederholung durch i. v. Applikation von ACC.

    Nach:

    Berthold Block,
    Facharztprüfung Innere Medizin,
    3000 kommentierte Prüfungsfragen
    4. Aufl., kompl. überarb. akt. 2011, 576 S., 106 Abb., kart.
    ISBN: 9783131359544


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