Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0042-114764
Augenverletzungen – Welche gibt es, und was kann man vor Ort tun?
Nicht nur perforierende Gegenstände, sondern auch weniger offensichtliche Unfälle können zum Erblinden führen. Schon ein Schlag aufs Auge oder ein Spritzer Kalkreiniger genügen oft, um die Sehkraft ernsthaft zu gefährden. Doch die am Einsatzort nur schlecht zu beurteilende Anatomie, die vielen möglichen Augenerkrankungen und die Schmerzempfindlichkeit der Augenoberfläche erschweren präklinische Diagnostik und Therapie. Lesen Sie in diesem Beitrag, was Sie bei Augenverletzungen beachten müssen.
#
Einleitung
Verletzungen des Auges können in verschiedenen Formen auftreten: isoliert, in Kombination mit einer periokulären Schädigung und zusammen mit weiteren Verletzungen des Kopfes oder des übrigen Körpers. Sowohl bei der Erstversorgung als auch für die darüber hinausgehende Behandlung ist es für Sie als Rettungskraft wichtig, sich ein Bild davon zu machen, ob der Patient noch durch weitere Traumafolgen bedroht sein könnte. Der Grundsatz „Vita vor Visus“ ist dabei unbedingt zu berücksichtigen und soll ausdrücken, dass die Versorgung einer Augenverletzung immer eine gewisse Wartezeit zulässt – im Gegensatz zu einer lebensbedrohlichen Gefährdung. Eine fachaugenärztliche Weiterversorgung sollte man dennoch schnellstmöglich anstreben. Dabei ist der augenverletzte Patient in seiner Mobilität meist eingeschränkt und daher häufig auf einen Transport angewiesen.
Vor dem Transport des Patienten in eine Augenklinik sollten Sie zunächst lebensbedrohliche Verletzungen ausschließen.
#
Akute Traumata
Trauma durch spitze oder stumpfe Gegenstände
Gewalteinwirkungen auf das Auge können vielfältiger Natur sein. Grundsätzlich zu unterscheiden sind Verletzungen durch spitze oder stumpfe Gegenstände. Die knöcherne Umgebung der Augenhöhle (Orbita) und die feste Gewebsstruktur von Hornhaut (Kornea) und Lederhaut (Sklera) bieten einen gewissen Schutz gegenüber der Kollision mit größeren und stumpfen Gegenständen. Aber v. a. kleine und scharfkantige Objekte können schnell und gelegentlich unbemerkt die Augenhülle durchstoßen. Gerade da die Untersuchungsmöglichkeiten des Auges vor Ort weitgehend eingeschränkt sind, ist eine gute Anamnese oft wegweisend.
#
Perforierende Augenverletzung
Bei einer perforierenden Augenverletzung wird die Kornea oder Sklera so schwer verletzt, dass der Augapfel (Bulbus) eröffnet wird. Dabei kann es zum Austritt von Kammerwasser aus der Vorderkammer kommen oder sogar zum Vorfall von intraokularem Gewebe, wie z. B. Regenbogenhaut (Iris), Glaskörper (Corpus vitreum), Aderhaut (Choroidea) oder Netzhaut (Retina) ([Abb. 1]). Typische Ursachen sind Schnittverletzungen durch Glas- oder Metallsplitter bzw. scharfe Klingen oder Spitzen ([Abb. 2]).
Präklinische Diagnostik
Nach einer perforierenden Verletzung ist das Auge typischerweise hypoton, da häufig Kammerwasser und gelegentlich auch verflüssigter Glaskörper austreten. Im klinischen Umfeld wird dies mit dem sog. Seidel-Test geprüft, der allerdings – wie die meisten Augenuntersuchungen – eine mikroskopische Kontrolle erfordert. Neben geeigneten Instrumenten lässt sich der Augendruck orientierend auch palpatorisch einschätzen, was bei Verdacht auf eine Perforation allerdings kontraindiziert ist.
Eine durch Perforation bedingte Bulbushypotonie kann man jedoch oft schon ohne Tastbefund rein optisch feststellen. Bei einer Verletzung der Hornhaut ist regelmäßig die Vorderkammer aufgehoben und häufig tamponiert die Iris die Perforationsstelle. Die Iris und die Pupille sind dann verzogen. Gelegentlich ist die Augenlinse mitbetroffen. Eine bereits am Unfallort am verletzten Auge eingetrübte Linse (im Seitenvergleich) ist ein möglicher Hinweis für eine perforierende Verletzung. Dabei kann die Perforationsstelle von Bindehaut und Tenon-Kapsel bedeckt und damit für den Betrachter fast unsichtbar sein. Ein nur diskret im Seitenvergleich verringerter Augendruck lässt sich vor Ort nicht feststellen.
In jedem Fall besteht bei einer perforierenden Augenverletzung eine akute Infektionsgefahr, die umgehend Antibiotika und v. a. einen mikrochirurgischen Wundverschluss nötig macht.
Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind Verletzungen der Bindehaut (Konjunktiva) ggf. mit Einblutung (Hyposphagma) und oberflächliche epitheliale Verletzungen der Kornea (Erosio), die trotz der intakten mechanischen Stabilität des Bulbus sehr intensive Schmerzen verursachen können. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen einer bulbuseröffnenden Verletzung und einem Trauma mit möglicherweise intraokularem oder intraorbitalem Fremdkörper.
Einen sichtbaren, im Auge steckenden Gegenstand sollten Sie keinesfalls vor Ort entfernen. Häufig finden sich nach Verletzungen kleine metallische Fremdkörper im Augeninneren, die selbst für den geübten Betrachter ohne den Einsatz der Funduskopie unsichtbar bleiben. Zum Ausschluss eines metallischen Fremdkörpers sollte man zur weiteren Abklärung eine Sonografie, eine Röntgennativaufnahme in 2 Ebenen oder besser eine Computertomografie heranziehen. Der Einsatz einer kernspintomografischen Untersuchung ist hingegen bei Verdacht auf einen metallischen Fremdkörper kontraindiziert!
#
Therapie
Bei Hinweisen auf eine perforierende Verletzung oder einen intraokularen Fremdkörper sollte man den Patienten schnellstmöglich in eine Augenklinik bringen. Üben Sie keinen Druck auf den Bulbus aus. Das verletzte Auge sollte einen Verband erhalten, der das Auge nicht komprimiert. Der Patient sollte nüchtern bleiben, da die operative Versorgung wahrscheinlich zeitnah in Allgemeinanästhesie erfolgt.
Bei Verdacht auf eine perforierende Augenverletzung dürfen Sie weder palpatorisch noch durch einen Verband Druck auf das Auge ausüben.
#
#
Stumpfes Bulbustrauma
Ein stumpfes Bulbustrauma kann durch einen Sturz auf einen festen Gegenstand oder durch eine auf das Auge auftreffende Prellung verursacht werden – dabei spielt die Größe des prellenden Objekts eine wesentliche Rolle ([Abb. 3], [4]). Während der Bulbus vor größeren und flachen Körpern durch die knöcherne Umgebung der Orbita relativ gut geschützt ist, können Objekte, deren Durchmesser kleiner als ein Tennisball ist, schon bei relativ geringer Geschwindigkeit fatale Wirkung ausüben. Dazu gehören z. B. Squash-Ball und Expanderband, aber auch ein Sturz auf die Tischkante.
Präklinische Diagnostik
Ausprägung, Symptome und Folgeschäden eines stumpfen Bulbustraumas sind sehr variabel. Oft klagen Patienten über Schmerzen und Visusminderung. Die Ursachen dafür sind vielfältig:
-
Hornhautabschürfung (Erosio corneae)
-
Einblutung in die vordere Augenkammer (Hyphäma)
-
Einblutung in Glaskörper, Netzhaut oder Aderhaut
-
traumatische Luxation der Augenlinse
-
starker Anstieg des Augendrucks
-
Prellungs- oder Scherverletzung des Sehnervs
Bei der Untersuchung des Verletzten ist eine im Seitenvergleich möglicherweise erweiterte Pupille (traumatische Mydriasis) als Folge der Prellung des Irismuskels zu berücksichtigen.
Im ungünstigsten Fall führt ein stumpfes Bulbustrauma zum Bersten des Bulbus: Das Auge hält der plötzlichen Gewalteinwirkung nicht stand und wird förmlich aufgerissen. Für den Betroffenen führt dieser Aufprall zu starken Schmerzen, einem abrupten Verlust des Sehvermögens und nicht selten zu irreparablen Folgeschäden. Eine Ruptur ist oft mit einer deutlich sichtbaren Blutung verbunden. Gelegentlich kann jedoch auch eine Bulbusruptur auf den ersten Blick schwer zu erkennen sein, wenn die Rupturstelle weiter dorsal liegt und noch durch Bindehaut und Tenon überdeckt ist.
#
Therapie
Bei Verdacht auf ein stumpfes Bulbustrauma ist eine umgehende Vorstellung des Patienten in einer Augenklinik ratsam. Selbst bei zunächst unauffälliger Symptomatik können sich innerhalb der nächsten Stunden Folgeerscheinungen entwickeln, wie z. B. Einblutung, Augendrucksteigerung, Netzhautablösung (Amotio) und Eintrübung der Augenlinse (traumatische Katarakt).
Die Bulbusberstung ist immer ein gravierender augenärztlicher Notfall. Wie bei der perforierenden Augenverletzung darf man keinen Druck auf den Bulbus ausüben, und der angelegte Verband sollte das verletzte Auge nicht komprimieren. Der Patient soll auch in einem solchen Fall nüchtern bleiben, da die operative Versorgung wahrscheinlich zeitnah in Allgemeinanästhesie erfolgt.
#
#
Orbitabodenfraktur
Bei einer Gewalteinwirkung auf die Augenhöhle kann es zu einer Fraktur des Orbitabodens kommen – dazu gibt es 2 Theorien: Nach der „Verbiegungstheorie“ bewirkt eine Prellung auf den Infraorbitalrand ein Verbiegen des knöchernen Orbitarahmens. Folgt man der „Hydraulischen Theorie“, führt der auf den Bulbus einwirkende Druck zu einer Drucksteigerung innerhalb der gesamten Augenhöhle. Da der Augenhöhlenboden bei beiden Theorien die mechanisch schwächste Stelle ist, ist die Orbitabodenfraktur (Blow-out-Fraktur) der mit Abstand häufigste Bruch der Orbitawand. Durch den Bruchspalt kann es zum Vorfall von orbitalem Weichgewebe in die Kieferhöhle oder zum Einklemmen eines Augenmuskels kommen.
Präklinische Diagnostik und Therapie
Charakteristisch für eine Orbitabodenfraktur mit Dislokation von orbitalem Weichgewebe ist neben der Anamnese des Verletzungsvorgangs ein Einsinken des Auges (Enophthalmus) und/oder ein Tieferstand des Augapfels. Motilitätsstörungen und Doppelbilder im Geradeausblick oder in Blickrichtung können auf eingeklemmtes intraorbitales Gewebe (insbesondere des M. rectus inferior), beschädigte Hirnnerven oder auf abgerissene Augenmuskeln hinweisen. Eine verminderte Berührungs- bzw. Schmerzempfindung (Hypästhesie) der Wange spricht für eine Frakturbeteiligung des vorderen Orbitabodens oder des Infraorbitalrandes mit Beeinträchtigung des N. infraorbitalis.
Ein Frakturspalt ist bei der isolierten Orbitabodenfraktur meist nicht zu tasten, die Palpation kann aber wichtige Hinweise auf z. B. eine assoziierte Mittelgesichtsfraktur liefern. Gelegentlich ist ein Emphysem tastbar – ein eindeutiges Anzeichen für eine Verbindung zwischen der luftgefüllten Kieferhöhle und der Orbita. Auch ohne Emphysem gilt beim Verdacht auf eine Orbitafraktur sofortiges Schnäuzverbot, da dies eine Keimverschleppung mit folgender Entzündung der Augenhöhle (Orbitaphlegmone) begünstigen kann. Viele Patienten mit Orbitabodenfraktur präsentieren ein Monokelhämatom, was üblicherweise keiner spezifischen Behandlung bedarf. Wichtig ist dabei die Differenzialdiagnose zum Orbitahämatom, einem hochakuten augenärztlichen Notfall (s. u.).
Der Verdacht auf eine Orbitabodenfraktur lässt sich radiologisch sichern. Heutzutage erfolgt dies i. d. R. mittels Computertomografie und koronaren Schichten. Die Aufnahmen zeigen neben dem Knochenfragment das Ausmaß der Weichgewebsverlagerung („hängender Tropfen“). Steht die Diagnose Orbitabodenfraktur, ist zeitgleich immer von einem stumpfen Bulbustrauma auszugehen. Eine differenzierte augenärztliche Untersuchung ist in jedem Fall unerlässlich und stellt die Basis einer evtl. erforderlichen weiteren operativen Versorgung dar.
#
#
Orbitahämatom
Ursachen für das insgesamt seltene Orbitahämatom sind Mittelgesichtsfrakturen, Retrobulbär-Anästhesie oder chirurgische Eingriffe in der Orbita oder den benachbarten Nasennebenhöhlen ([Abb. 5]). Dabei führt eine retroseptale Einblutung durch Verletzung der A. ophthalmica oder ihrer Äste zu einer akuten Steigerung des intraorbitalen Drucks mit Kompression des N. opticus und der versorgenden Blutgefäße. Das Hämatom kann in der Orbitaspitze liegen, subperiostal im Bereich der mittleren oder oberen Orbitawand oder ausnahmsweise als Optikusscheiden-Hämatom. Durch die retrobulbäre Raumforderung steigt der Augendruck innerhalb von Minuten auf ein Vielfaches des Normalwerts. Ohne schnelle Therapie ist mit einer irreversiblen Erblindung zu rechnen.
Präklinische Diagnostik
Charakteristisch für ein Orbitahämatom ist das akute und schmerzhafte Heraustreten des Bulbus aus der Augenhöhle (Exophthalmus, Protrusio bulbi). Begleitet sein kann dies von einer deutlichen Motilitätsstörung, Blindheit mit gleichseitiger geweiteter Pupille (Mydriasis) und ausgeprägten Hämatomen der Augenlider und Konjunktiva. Viele Patienten klagen außerdem über eine vagale Symptomatik mit Übelkeit und Bradykardie. Bei der Palpation fällt sofort der steinharte Bulbus auf ([Abb. 6]).
#
Therapie
Zunächst muss man eine umgehende Druckentlastung der Orbita herbeiführen. Als Akutmaßnahme kommt dafür das laterale Einschneiden des Lidwinkels (Kanthotomie) mit einer Schere oder einem Skalpell unter Schutz des Bulbus mit einem flachen Spatel infrage ([Abb. 7]). Das Septum orbitale kann im temporalen Unterlid so weit eröffnet werden, dass das unter Spannung stehende orbitale Fettgewebe heraustritt. Weiterführende Maßnahmen in operativer Umgebung umfassen ggf. das Spalten eines unter der Knochenhaut liegenden Hämatoms, die Ligatur einer verletzten Arterie, das Abtragen der Lamina papyracea und eine Vorderkammerpunktion.
Unter keinen Umständen sollte man zur Stillung einer orbitalen Blutung am Auge einen Kompressionsverband anlegen, da dieser den intraokularen Druck und damit die Gefahr einer Erblindung noch weiter steigern würde. Eine bestehende Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern oder Antikoagulanzien erhöht das Blutungsrisiko und somit die Gefahr für das Sehvermögen.
#
#
#
Verätzung und Verbrennung
Verätzungen des Auges und der periokulären Strukturen können durch Säuren, Laugen und ätzende oder alkylierende Stoffe hervorgerufen werden. Eine Ischämie sowie Säure- oder Hitzewirkung können eine Koagulationsnekrose zur Folge haben. Beim Kontakt mit Laugen kann hingegen eine Kolliquationsnekrose eintreten. Der Unterschied ist deshalb bedeutsam, da die Noxe bei der Koagulationsnekrose typischerweise auf oberflächliche Gewebsschichten limitiert ist, während sie bei der Kolliquationsnekrose tiefer eindringen kann. Das Ausmaß der Schädigung ist daher abhängig von der einwirkenden Substanz, ihrer Konzentration und der Einwirkzeit. Die Folgen von Verbrennungen ([Abb. 8]) und Verätzungen der Augenoberfläche sind für die Patienten oft langwierig und häufig fatal.
Präklinische Diagnostik und Therapie
Infolge der sofort einsetzenden, starken Augenschmerzen kommt es beim Betroffenen zu einem fast unwiderstehlichen Drang, die Augen zuzukneifen (Blepharospasmus). Die wesentliche Notfallmaßnahme zur akuten Behandlung ist bei einer Verbrennung das sofortige Kühlen, bei einer Verätzung immer die schnellstmögliche und ausgiebige Augenspülung ([Video 1]).
Quality:
Vergeuden Sie im Zweifelsfall bei einer Verätzung des Auges keine Zeit mit der Suche nach einer optimalen Spüllösung, da ein Verdünnen des konzentrierten Schadstoffs oberste Priorität hat.
Zur Überwindung des Blepharospasmus können Conjuncain®-Augentropfen als Lokalanästhetikum zum Einsatz kommen. Als Standard empfiehlt sich für den Notfall ohne vorbereitete Spüllösungen das Spülen für 15 min mit Leitungswasser. Sollte kein Wasser vorhanden sein, kann man das Auge auch mit Tee, Milch, Limonade und ähnlichen Flüssigkeiten spülen.
Für die Bestückung des Notarztwagens sind z. B. Diphoterine® oder Previn® vorteilhaft, da sie die einwirkenden Substanzen unschädlich machen und einen pH-Wert zwischen 5,5 und 9 schneller erreichen als reines Wasser, womit die weitere Verätzungsgefahr gestoppt wird.
Nach den ersten Minuten der Spülung sollte man den Bindehautsack auf mögliche Fremdkörper inspizieren. Dabei ist auch das Umstülpen der Augenlider (Ektropionieren) vorzunehmen ([Abb. 9]). Insbesondere wenn Kalk- oder Betonpartikel länger im Auge bleiben, kann dies zu einer andauernden Schädigung der Augenoberfläche führen. Besonders gefährlich sind Verätzungen mit Flusssäure. Um eine Verkalkung der Hornhaut zu vermeiden, kann Hexafluorine®-Speziallösung zum Einsatz kommen, die periorbitale Haut kann zusätzlich mit 1 %iger Kalzium-Glukonat-Lösung gespült oder sogar unterspritzt werden.
Achten Sie auf Eigenschutz und prüfen Sie das Umfeld einer stattgehabten Verbrennung oder Verätzung immer auf mögliche Gefahren für die Helfer.
Im weiteren Verlauf wird i. d. R. der Schweregrad der Verätzung eingeschätzt ([Tab. 1]). Die zeitnahe Versorgung in einer Augenklinik ist auch bei dieser Art von Verletzung unbedingt anzustreben. Denn nur mit dem entsprechenden Kenntnisstand und der dazugehörigen instrumentellen Ausstattung lassen sich die Augenoberfläche und das Augeninnere biomikroskopisch untersuchen und weitere wesentliche diagnostische Schritte einleiten, wie z. B. das Messen des Augendrucks zur stadiengerechten Versorgung.
Erstbefund |
I |
II |
III |
IV |
|
|
|
|
|
1 – 3 Tage später |
||||
|
|
|
|
1 Limbus: Übergangsbereich zwischen Hornhaut und Lederhaut.
-
Vor dem Transport des Patienten in eine Augenklinik sind zunächst lebensbedrohliche Verletzungen auszuschließen: „Vita vor Visus“.
-
Da die Untersuchungsmöglichkeiten des Auges vor Ort eingeschränkt sind, ist eine gute Anamnese oft wegweisend.
-
Einen sichtbaren, im Auge steckenden Gegenstand sollte man keinesfalls vor Ort entfernen.
-
Bei Verdacht auf eine perforierende Augenverletzung darf man weder palpatorisch noch durch einen Verband Druck auf das Auge ausüben.
-
Die Bulbusberstung ist immer ein gravierender augenärztlicher Notfall.
-
Bei Verdacht auf ein stumpfes Bulbustrauma ist eine umgehende Vorstellung in einer Augenklinik nötig, denn auch bei zunächst unauffälliger Symptomatik können sich innerhalb der nächsten Stunden Folgeerscheinungen entwickeln.
-
Bei einer Orbitabodenfraktur kann es durch den Bruchspalt zu einem Vorfall von orbitalem Weichgewebe in die Kieferhöhle oder zum Einklemmen eines Augenmuskels kommen. Zeitgleich ist immer von einem stumpfen Bulbustrauma auszugehen. Bei Verdacht auf eine Orbitabodenfraktur gilt grundsätzliches Schnäuzverbot.
-
Bei einem Orbitahämatom steigt der Augendruck innerhalb von Minuten drastisch an. Ohne schnelle Therapie ist mit einem irreversiblen Erblinden zu rechnen.
-
Unter keinen Umständen darf man zum Stillen einer orbitalen Blutung einen Kompressionsverband anlegen, da dieser den intraokularen Druck und damit die Gefahr einer Erblindung noch weiter steigern würde.
-
Bei einer Verätzung des Auges sollte man im Zweifel keine Zeit mit der Suche nach optimalen Spüllösungen vergeuden, da eine Verdünnung des konzentrierten Schadstoffs oberste Priorität hat.
#
#
#
No conflict of interest has been declared by the author(s).
-
Literatur
- 1 Reim M. Kuckelkorn R. Verätzungen und Verbrennungen der Augen. Akt Augenheilkd 1995; 20: 76-89
Korrespondenzadresse
-
Literatur
- 1 Reim M. Kuckelkorn R. Verätzungen und Verbrennungen der Augen. Akt Augenheilkd 1995; 20: 76-89