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DOI: 10.1055/s-0042-115220
Zukünftige Wege der Extrapolation für Kinderarzneimittel
Bericht zum EMA-Workshop in LondonPublication History
Publication Date:
10 November 2016 (online)
- 200 Teilnehmer diskutieren
- Wie umgehen mit etablierten Arzneimitteln?
- Statement der deutschen Delegation
Für viele Indikationsgebiete stehen nur wenige oder gar keine für Kinder und Jugendliche zugelassene Arzneimittel zur Verfügung, sodass Ärzte häufig Arzneimittel verschreiben oder anwenden müssen, die nur für Erwachsene zugelassen sind („off-label use“). Um der gegenwärtig noch sehr unbefriedigenden Situation entgegen zu wirken, dabei gleichzeitig unnötige Studien in der pädiatrischen Population aber zu vermeiden, werden für eine „Extrapolation“ praktikable Methoden entwickelt. Es geht darum, wie klinische Daten, die für Erwachsene erhoben wurden, systematisch auf Kinder übertragen werden.
Auch für Phytopharmaka ist das Thema Extrapolation von großer Bedeutung, da viele, u. a. auch pflanzliche Arzneimittel für Kinder bereits so lange am Markt verfügbar sind, dass sie nicht mehr auch an Kindern nach heute üblichen klinischen Studienstandards ausreichend untersucht wurden. Eine Extrapolation von Wirksamkeitsdaten von Erwachsenen auf Kinder wird für chemisch definierte Arzneistoffe mittels Daten bzgl. Pharmakokinetik (PK) und Pharmakodynamik (PD) versucht. Dieser PK / PD-basierte Ansatz stellt jedoch nur eine von mehreren Optionen dar. Obendrein ist er bei lokal wirksamen Medikamenten, Impfstoffen und insbesondere auch in den meisten Fällen bei Phytopharmaka nicht sinnvoll oder gar angesichts deren Vielstoffgemisch-Charakters unmöglich, sodass dafür PK / PD-basierte Extrapolationen von Erwachsenendaten auf Kinder in der Regel nicht in Betracht kommen. Deshalb ist es notwendig, alternative Extrapolationsmodelle zu entwickeln, die dann insbesondere auch für pflanzliche Arzneimittel eingesetzt werden können.
200 Teilnehmer diskutieren
Zur Schaffung eines europaweiten Rahmenwerkes für ein systematisches Vorgehen bei Extrapolationen mit Zulassungsrelevanz hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in London am 17. und 18. Mai 2016 zu einem „Workshop on extrapolation of efficafy and safety in medicine development across age groups“ eingeladen, an dem für die Gesellschaft für Phytotherapie und die Industrieverbände AESGP und EUCOPE eine deutsche Delegation teilnahm, um auch die Belange der Phytotherapie in die Diskussionen einzubringen.
Im Rahmen des Workshops sollte der Entwurf des Dokuments „Reflection paper on extrapolation of efficacy and safety in paediatric medicine development“ mit Experten diskutiert werden, in dem Empfehlungen zur Durchführung von Extrapolationen gegeben werden. Kernelemente des zu schaffenden Extrapolationsrahmens sind
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Extrapolationskonzept
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Extrapolationsplan
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Validierung und Extrapolation
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Umgang mit Unsicherheiten und Risiken bei der Validierung.
Insgesamt diskutierten knapp 200 Kliniker, Statistiker/Modellierer, Universitätsangehörige, Behördenvertreter sowie Interessenvertreter bzw. Angehörige pharmazeutischer Unternehmen über die verschiedenen Möglichkeiten der Extrapolation. Der Entwurf des Reflection Paper soll auf Basis der aus dem Workshop gewonnenen Erkenntnisse überarbeitet und anschließend zur öffentlichen Konsultation veröffentlicht werden. Hiermit wird im Herbst 2016 gerechnet.
Im Fokus des Workshops stand die Extrapolation im Zusammenhang mit der Entwicklung von neuen Arzneimitteln mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen. Es wurden Beispiele aufgezeigt, wo im Rahmen von neuen Entwicklungsprojekten bereits positive oder negative Erfahrungen mit bestimmten Extrapolationsmodellen gemacht wurden. Auch eine Reihe theoretischer Modelle und Simulationsalgorithmen für Extrapolationen wurden vorgestellt. Ausführlich diskutiert wurde die Erhebung von pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Daten und deren Nutzung, die als eine der wichtigsten Optionen für Extrapolationen angesehen werden.
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Wie umgehen mit etablierten Arzneimitteln?
In den Workshop-Vorträgen noch völlig unberücksichtigt, konnte erst in den Diskussionen die Frage adressiert werden, wie Extrapolation bei bereits bekannten und seit Jahren bzw. Jahrzehnten etablierten Arzneimitteln durchgeführt werden kann, für die ein breites Erfahrungswissen (z. B. durch off-label use) vorliegt, dies aber bislang nicht in heute ausreichender Form dokumentiert wurde. Auch die Tatsache, dass die Erhebung von PK /PD-Studien bei Arzneimitteln wie z. B. pflanzlichen Arzneimitteln oder Impfstoffen in den meisten Fällen nicht durchführbar bzw. sinnvoll ist, fand in den Referaten keine Berücksichtigung. Der wiederholte Hinweis der deutschen Vertreter im Plenum und in bilateralen Gesprächen, Alternativen zum PK / PD-Konzept wie z. B. empirische Daten basierend auf real-life-data mehr in den Fokus zu nehmen und zu berücksichtigen, wurde zumindest vom Vorsitzenden des pädiatrischen Ausschusses (PDCO), Dr. Dirk Mentzer, aufgegriffen. Er machte in seinem Schlussplädoyer deutlich, dass wir uns erst ganz am Anfang befinden, die Verfügbarkeit zugelassener Arzneimittel für Kinder zu verbessern und die Extrapolation nur eine zusätzliche Maßnahme sei, bei dem auch u. a. real-life-data in Betracht gezogen werden müssen.
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Statement der deutschen Delegation
Die deutsche Delegation hat nach Auswertung des Workshops die Organisatoren in einem schriftlichen Statement darauf hingewiesen, dass die Erhebung von PK / PD-Studien nur eine Möglichkeit, aber keine Voraussetzung für eine Extrapolation von Erwachsenendaten auf Kinder darstellen kann. Die Forderung nach kinetischen Daten macht z. B. für pflanzliche Wirkstoffe meist keinen Sinn, da sie die Komplexität der Zubereitung nicht abbilden können. Es müssen gerade für bereits etablierte Arzneimittel auch andere Methoden der Extrapolation möglich sein. Als eine Möglichkeit wird die sukzessive Ausweitung der Altersstufen im Rahmen einer NIS (nicht-interventionelle-Studie)-gestützten, iterativen Extrapolation vorgeschlagen.
Es bleibt zu hoffen, dass der überarbeitete Entwurf des Reflection Papers diese Aspekte deutlich aufgreift und die Akzeptanz verschiedenster Extrapolationsmodelle auf Basis von Erfahrungsdaten in Hinblick auf bewährte und etablierte Arzneimittel weiter in den Fokus rückt.
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