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DOI: 10.1055/s-0042-115389
Arterieller Zugang
Indikationen, Techniken, KomplikationenArterial access; indications, techniques, complicationsPublication History
Publication Date:
04 November 2016 (online)
Zusammenfassung
Der arterielle Zugang dient meist der Blutgasanalyse oder der invasiven Blutdruckmessung. Je nach Indikation kann er als einmalige Punktion oder dauerhafte Kanülen- oder Katheteranlage erfolgen. Absolute Kontraindikationen sind lokale Infektionen, lokaler oder benachbarter Tumor und eine nachgewiesene Ischämie des nachgeschalteten Bereichs. Der arterielle Zugang sollte dann an einem anderen Ort erfolgen. Relative Kontraindikationen sind eine hochpotente Antikoagulation und Gerinnungsstörungen.Gefäß der Wahl ist die Arteriaradialis der nicht dominanten Hand. Nach der Punktion bzw. dem Entfernen des Katheters komprimiert man die Zugangsstelle kräftig und legt einen Druckverband an. Eine eindeutige, rote Kennzeichnung des Zugangs ist obligat, um versehentliche intraarterielle Injektionen zu vermeiden.
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Im Unterschied zum venösen Zugang, der v. a. für Blutentnahmen und Medikamentengaben genutzt wird, dient ein arterieller Zugang meist der Blutgasanalyse oder der invasiven Blutdruckmessung. Unsere Autoren erklären das Vorgehen Schritt für Schritt.
Indikationen
Die Anlage invasiver Zugänge in den Körper ist eine grundlegende, häufig angewandte Technik der Medizin. Die Spannweite reicht
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von wenig invasiven, unkomplizierten (z. B. intrakutan, intravenös)
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über potenziell moderat bis schwer komplikationsträchtige (z. B. intramuskulär, intraarteriell, intraossär)
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bis hin zu seltenen und äußerst eng indizierten (z. B. intrathekal, intravitreal) Zugängen.
Der arterielle Zugang dient meist der Blutgasanalyse oder der invasiven Blutdruckmessung. Je nach Indikation kann er als einmalige Punktion oder dauerhafte Kanülen- oder Katheteranlage erfolgen.
Arterielle Blutgasanalyse | Die häufigste Indikation ist die einmalige oder wiederholte arterielle Punktion zur Entnahme arteriellen Blutes für eine Blutgasanalyse (aBGA), z. B. bei Lungenerkrankungen oder Entgleisungen des Säure-Basen-Haushaltes. Sollte der Patient wiederholt über einen längeren Zeitraum–z. B. auf der Intensivstation–aBGAs brauchen, empfiehlt sich die Anlage eines dauerhaften arteriellen Zugangs.
Invasive Blutdruckmessung | Die invasive Blutdruckmessung über einen arteriellen Zugang ermöglicht eine exakte Bestimmung des arteriellen Blutdrucks in Echtzeit. Die Indikationen bestehen aus aktuellen oder potenziellen Kreislaufkomplikationen:
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ausgedehnte Operationen mit (möglichen) hämodynamisch relevanten Blutungen
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herzchirurgische und gefäßchirurgische Operationen an großen Gefäßen
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hirnstammnahe Operationen und erhöhter intrazerebraler Druck (zur Berechnung des zerebralen Perfusionsdrucks)
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Polytrauma und Schock
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hämodynamisch relevante Arrhythmien mit instabilem Blutdruck
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Langzeitaufenthalt auf der Intensivstation
Weitere Indikationen | Sonderformen stellen die Einlage einer Schleuse für arterielle Interventionen–z. B. perkutane transluminale (koronare) Angioplastie, PT(C)A–und / oder Angiografien sowie der arteriovenöse Zugang zum Zweck einer Dialyse dar.
Kontraindikationen | Im Fall einer lokalen Infektion (z. B. Haut, Gefäßprothese), eines lokalen oder benachbarten Tumors sowie einer nachgewiesenen Ischämie des nachgeschalteten Bereichs sowie im Fall eines eindeutig pathologischen Allen-Tests (▸ [ Abb. 1 ]) sollte der arterielle Zugang nicht oder an einem anderen Ort erfolgen. Eine hochpotente Antikoagulation sowie Gerinnungsstörungen sind relative Kontraindikationen (▸ [ Tab. 1 ]).
Gewünschter Gerinnungsstatus für den arteriellen Zugang. |
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International Normalized Ratio (INR) |
< 1,5 |
Quick-Wert |
> 50 % |
aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) |
< 50 s |
Thrombozyten |
> 50 000 / µl |
Niedrigere Werte sind relative Kontraindikationen. |
Vor der Punktion | Vor der Intervention ist eine Anamnese (z. B. erschwerter Zugang in der Vergangenheit, Risikofaktoren) sowie eine klinische Untersuchung nötig, v. a. der Stelle des geplanten Zugangs. Bei geplanter Punktion der Arteria radialis (in Abwandlung auch der Arteria dorsalis pedis) sollte zuvor der Allen-Test durchgeführt werden (▸ [ Abb. 1 ]). Obwohl er eine pathologische Kollateralisierung weder zu 100 % nachweisen noch ausschließen kann, sollte man ihn als einfachen und gut reproduzierbaren klinischen Test–v. a. im Hinblick auf ein komplettes Fehlen einer Kollateralisierung sowie aus forensischen Gründen–durchführen.
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Technik
Ort des Zugangs | Die Arteria radialis ist aufgrund der Kollateralisierung der Gefäßversorgung der Hand (durch die Arteria ulnaris über den Arcus palmaris) und ihrer guten Exposition das Gefäß der Wahl. Nach Möglichkeit sollte der Zugang stets an der nicht dominanten Hand erfolgen. Alternative Gefäße sind die Arteria brachialis, Arteria ulnaris, Arteria axillaris und Arteria dorsalis pedis (hier erfolgt eine Kollateralisierung durch die Arteria tibialis posterior). Nur in besonderen Fällen sollten die Arteria femoralis oder die Arteria temporalis superficialis (nach vorausgegangener Arteriae sectio, d. h. operativer Freilegung und Katheterisierung der Arterie, heute meist obsolet) genutzt werden–hier besteht kein Kollateralkreislauf und ein erhöhtes Infektionsrisiko.
Je nach Indikation stehen unterschiedliche Methoden des arteriellen Zugangs zur Verfügung.
Einmalige Punktion mit Nadel | Benötigt man einmalig eine arterielle Blutentnahme (meist aBGA), ist eine arterielle Punktion mittels einer speziellen BGA-Spritze möglich (▸ [ Abb. 2 ]). Die Einlage einer Kanüle oder eines Katheters ist nicht notwendig.
Legen einer Kanüle | Für eine wiederholte arterielle Blutentnahme oder ein kurzzeitiges Monitoring kann eine arterielle Kanüle–analog zu einem einfachen venösen Zugang–gelegt werden (▸ [ Abb. 3 ]). Dieser hat eine Größe von 20 G (Arteria radialis) bis 18 G (Arteria femoralis).
Legen eines Katheters in Seldinger-Technik | Ist der arterielle Zugang für längere Zeit geplant oder gelingt die einfache Kanülierung nicht (arteriosklerotisch verändertes oder geschlängeltes Gefäß), kann man einen arteriellen Katheter in Seldinger-Technik legen. Dieser hat zudem den Vorteil, dass er länger und dünner als die Kanüle sein kann, damit weiter proximal in einem größeren Gefäßlumen zu liegen kommt und weniger traumatisch ist. Das für einen arteriellen Katheter benötigte Material ähnelt dem für einen zentralvenösen Katheter (ZVK). Prüfen Sie es vor Beginn der Intervention auf seine Vollständigkeit (▸ [ Abb. 4 ])! Das weitere Vorgehen ist in ▸ [ Abb. 5 ], [ 6 ], [ 7 ], [ 8 ], [ 9 ], [ 10 ], [ 11 ] dargestellt.
Normwerte einer arteriellen Blutgasanalyse |
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pH |
7,35–7,45 |
pCO2 |
38–45 mmHg (ca. 5,1–6,0 kPa) |
pO2 |
70–100 mmHg (ca. 9,5–13,3 kPa) |
Base Excess |
– 3 bis + 3 mmol / l |
Standard-Bikarbonat |
22–26 mmol / l |
O2-Sättigung |
92–96 % |
Eine eindeutige Markierung des arteriellen Zugangs ist obligat (▸ [ Abb. 10 ], [ 11 ]). Trotzdem kann es zu einer versehentlichen intraarteriellen Injektion von Substanzen (z. B. Barbiturate, adrenerge Vasoaktiva) kommen, die zu Gefäßspasmen, Thrombosen und im Verlauf zu Gewebsuntergang oder gar dem Verlust der Extremität führen können. Die wichtigsten Maßnahmen sind:
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den arteriellen Zugang belassen und nicht herausziehen (intraarterielle Therapie)
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Injektion von 20 ml 0,9 %-iger NaCl-Lösung (Verdünnung des toxischen Agens)
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Injektion von 5–10 ml Lidocain 1 % (Lösung des Vasospasmus)
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ggf. Injektion von Vasodilatatoren (Verbesserung der Perfusion)
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ggf. Stellatumblockade (Vasodilatation durch Sympathikolyse)
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Nachsorge und Komplikationen
Nachsorge | Nach einer arteriellen Punktion oder dem Entfernen eines arteriellen Katheters müssen Sie die Zugangsstelle kräftig komprimieren, um eine arterielle Nachblutung zu vermeiden. Die ersten 3–5 min komprimiert man selbst und legt anschließend einen Druckverband an (▸ [ Abb. 12 ]). Diesen bittet man den Patienten, sofern möglich, selbst noch einige Minuten zu komprimieren. Nach femoralen Zugängen wird ein satter Druckverband angelegt und dieser über 12–24 h belassen.
Nachblutung, Hämatom, Aneurysma spurium, arteriovenöse Fistelbildung | Bei einer zu geringen Kompression oder einem schlechten Gerinnungsstatus (▸ [ Tab. 1 ]) kann es zu Blutungskomplikationen im Bereich der Punktionsstelle kommen. Hier muss eine suffiziente Kompression mit einem Druckverband (ggf. über 24 h) durchgeführt und der Gerinnungsstatus bei Bedarf verbessert werden. Ein ausgeprägtes Hämatom (von lediglich einer Suffusion zu unterscheiden) oder ein Aneurysma spurium können eine operative Revision notwendig machen.
Ischämie | Der intraarteriell liegende Schlauch stellt einen potenziell thrombogenen Fremdkörper dar. Kommt es zu einem thrombotischen Verschluss des nachgeschalteten Bereichs, kann dies zu Durchblutungsstörungen oder einer kritischen Ischämie führen. Hier muss eine suffiziente Antikoagulation erfolgen (z. B. 5 000 IE Heparin-Natrium als Bolus, anschließend Heparin-Perfusor i. v.). Eine intraarterielle Lysetherapie oder operative Revision können notwendig werden. Ein Gefäßspasmus kann durch die intraarterielle Injektion von 5–10 ml 1 %-igem Lidocain gelöst werden.
Infektion | Die Punktionsstelle kann sich lokal infizieren (Phlegmone, Abszess), bei einer Keimverschleppung in die Blutbahn ist eine Sepsis möglich. Sinnvoll bei lokalen Symptomen sind lokale Maßnahmen wie Ruhigstellung, Kühlung und Hochlagerung sowie die Gabe eines Antibiotikums (z. B. Amoxicillin / Clavulansäure).
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Der arterielle Zugang dient meist der Blutgasanalyse oder der invasiven Blutdruckmessung. Je nach Indikation kann er als einmalige Punktion oder dauerhafte Kanülen- oder Katheteranlage erfolgen.
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Absolute Kontraindikationen sind lokale Infektionen, lokaler oder benachbarter Tumor und eine nachgewiesene Ischämie des nachgeschalteten Bereichs. Der arterielle Zugang sollte dann an einem anderen Ort erfolgen. Relative Kontraindikationen sind eine hochpotente Antikoagulation und Gerinnungsstörungen.
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Gefäß der Wahl ist die Arteria radialis der nicht dominanten Hand.
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Nach der Punktion bzw. dem Entfernen des Katheters komprimiert man die Zugangsstelle kräftig und legt einen Druckverband an.
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Eine eindeutige, rote Kennzeichnung des Zugangs ist obligat, um versehentliche intraarterielle Injektionen zu vermeiden.
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Dr. med. Mikolaj Walensi
ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Clinical Trial Unit an der Hirslanden Private Hospital Group, Zürich. 2012–2015 Assistenzarzt für Chirurgie am Kantonsspital Baselland, Liestal (Schweiz), Masterstudiengang Medizinethik in Mainz.
mikolaj.walensi@uk-essen.de
Andreas Elsner
ist Assistenzarzt an der Klinik für Chirurgie am Luzerner Kantonsspital, Sursee (Schweiz). 2012–2016 Assistenzarzt für Chirurgie am Kantonsspital Baselland, Liestal (Schweiz).
andreas.elsner@unibas.ch
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.