ergopraxis 2016; 9(09): 12-13
DOI: 10.1055/s-0042-115517
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Verena Weiler, Florian Heidrich, Julia Müller – Sportliche Inklusionisten


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Publication Date:
02 September 2016 (online)

 

Drei Ergotherapeuten haben sich zusammengetan, um auf den inklusiven Breitensport als potenzielles ergotherapeutisches Arbeitsfeld aufmerksam zu machen. In ihrer Bachelorarbeit untersuchten sie, inwieweit Ergotherapeuten bereits darin involviert sind.


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Verena Weiler, Florian Heidrich, Julia Müller

Die Begeisterung für den (Inklusions-)Sport ist es, welche die drei Ergotherapeuten miteinander verbindet. Verena Weiler gibt in ihrer Freizeit Skikurse für Menschen mit und ohne Behinderung. Seit Anfang dieses Jahres arbeitet die 25-jährige Münchnerin in einem FrauenTherapieZentrum mit Klientinnen mit einer geronto(psychiatrischen) Diagnose. Florian Heidrich, 27 Jahre alt und Ergotherapeut aus Hamburg, leitet seit Jahren eine Schwimmgruppe für Kinder mit Behinderung. Er arbeitet in einem Sanitätshaus mit dem Schwerpunkt Hilfsmittelversorgung. Julia Müller begleitet das Projekt „Tanzende Inklusion“ mit der Idee, Kindern mit und ohne Behinderung den gemeinsamen Tanzsport zu ermöglichen. Sie lebt in Kamenz und arbeitet seit 2008 in einer Ergotherapiepraxis als fachliche Leitung und mit dem Schwerpunkt Pädiatrie.

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Abb.: T. Oeßelmann

Die Bachelorarbeit

Die Ergotherapeuten Florian Heidrich, Julia Müller und Verena Weiler sind bereits erfahrene Inklusionisten, als sie sich im Bachelorstudium an der Zuyd Hogeschool in Heerlen zusammenfinden. Da liegt es auf der Hand, dass sie beschließen, das Thema „Inklusiver Breitensport als ergotherapeutisches Arbeitsfeld“ im Rahmen ihrer Bachelorarbeit näher zu beleuchten.

Die Inklusionsbewegung ermöglicht Menschen mit Behinderung die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und so auch am Sport. Der damit verbundene Partizipationsgedanke deckt sich mit dem Aufgabenbereich der betätigungsorientierten Ergotherapie. Damit eröffnet sich für Ergotherapeuten ein neues, spannendes Tätigkeitsfeld, welches aktuell noch wenig etabliert ist. Bei ihren Recherchen fanden die drei Ergotherapeuten heraus, dass es an nationalen und internationalen Studien fehlt, welche die Chancen und Potenziale des ergotherapeutischen Vorgehens im inklusiven Breitensport wissenschaftlich untermauern. So stellten sie sich im Rahmen ihrer Bachelorstudie im qualitativen Forschungsdesign der Frage, inwieweit Ergotherapeuten in Deutschland in den inklusiven Breitensport involviert sind, um Kinder mit geistiger Behinderung beim Sport zu unterstützen. Die Erfahrungen ihrer Studienteilnehmer erfassten sie durch Interviews. Insgesamt nahmen zehn Experten, die in ihrer ergotherapeutischen Berufspraxis, nebenberuflich oder ehrenamtlich im inklusiven Breitensport tätig sind, an der Studie teil.

Ergotherapeuten im inklusiven Breitensport sind weit mehr als nur Trainer.


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Ergebnis

Im inklusiven Breitensport gibt es zwei Wege: durch den Sport, bei dem Sportler mit einer Behinderung unter sich trainieren, und in den Sport, bei dem Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Sport machen. Der Großteil der befragten Experten begleitet Inklusion durch den Sport. Beide Varianten implizieren das Bedürfnis des „occupational being“. Die im inklusiven Breitensport tätigen Ergotherapeuten sind gefordert, mehrere Rollen parallel zu erfüllen. Sie agieren deutlich über das reine „engagen“ von Menschen mit geistigen Behinderungen hinaus. Aufgaben wie die Akquise von Finanzierungsmöglichkeiten sowie die inhaltliche Gestaltung der sportlichen Angebote verlangen zusätzliches Engagement. Damit sind sie weit mehr als ausschließlich Trainer. Darüber hinaus nehmen sie die Teilnehmer mit Behinderungen nicht „nur“ als Sportler wahr, sondern auch als Klienten, indem sie auch Angehörige durch Beratung, Anleitung oder Möglichkeiten der Selbsterfahrung in das Angebot einbeziehen.


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Fazit

Damit Ergotherapeuten zukünftig gezielt im inklusiven Breitensport tätig werden können, fordern die drei Studenten politische Anpassungen. Dazu gehört eine Offenheit des Gesundheits- und Sozialwesens in Form einer Anpassung der Heilmittelrichtlinien sowie Rahmenbedingungen, welche das neue Arbeitsfeld zugänglich machen. Die Krankenkassen müssten zum Beispiel die Richtlinie zum „Ort der Leistungserbringung“ lockern. Um den inklusiven Breitensport als Arbeitsfeld für Ergotherapeuten weiter zu etablieren, sollten ihn auch Ausbildungsstätten und Berufsverbände in den Blick von Ergotherapeuten und Gesellschaft rücken.

Mit Inkrafttreten des Präventionsgesetzes besteht die Chance, im Lebensumfeld und somit im inklusiven Breitensport zu agieren. Sozialversicherungsträger, Länder und Kommunen werden stärker in die Verantwortung gezogen.

Zusätzlich zu gesetzlichen Vorgaben sind weitere Forschungsarbeiten essenziell, um den inklusiven Breitensport auszubauen und zu etablieren. Da sich die Ergotherapiestudenten in ihrer Bachelorarbeit auf Angebote für Kinder konzentriert haben, wäre es interessant, auch Sportprogramme für Erwachsene zu beleuchten und Sportler mit Behinderungen zu ihrem Erleben der Angebote zu befragen. Nora Sieweke


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Fragen an Florian Heidrich, Julia Müller und Verena Weiler

Erinnern Sie sich an ein besonders schönes Erlebnis in Ihrer gemeinsamen Bachelorzeit?

Ein besonders schöner Moment war es, als wir unsere Forschungsfrage gefunden haben. Daran hatten wir zunächst viel Zeit verloren und waren dann umso glücklicher, als sie endlich feststand.

… und gab es auch eine brenzlige Situation?

Eine wirklich brenzlige Situation gab es nicht. Aber gerade zum Ende hin sind wir unter zeitlichen Druck geraten und dachten „Das schaffen wir nie!“. Doch auch da haben wir uns gegenseitig gut unterstützt.

Wie haben Sie während der stressigen Phase Ihre „Akkus“ wieder aufgeladen?

In stressigen Situationen haben wir uns in der Gruppe ausgesprochen und gegenseitig aufgefangen. Wichtig war uns auch immer, dass der Humor nie zu kurz kam.

Was können Sie anderen Bachelorteams raten, die noch am Anfang ihrer Herausforderung stehen?

Man sollte im Vorfeld klären, was man von den anderen erwartet und mit welchen Stärken man sich selbst einbringen kann. Kommunikation, Kompromissbereitschaft und eine gerechte Arbeitsteilung sind wichtige Faktoren für das gemeinsame Bachelorprojekt. Probleme sollte man direkt ansprechen.


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  • Bachelorarbeit

  • 1 Heidrich F, Müller J, Weiler V. Ergotherapie bewegt (sich) – Deutsche Ergotherapeuten im inklusiven Breitensport. Bachelorarbeit an der Zuyd Hogeschool Heerlen; Niederlande: 2015

  • Bachelorarbeit

  • 1 Heidrich F, Müller J, Weiler V. Ergotherapie bewegt (sich) – Deutsche Ergotherapeuten im inklusiven Breitensport. Bachelorarbeit an der Zuyd Hogeschool Heerlen; Niederlande: 2015

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Abb.: T. Oeßelmann