Aktuelle Dermatologie 2017; 43(03): 81-84
DOI: 10.1055/s-0042-116352
Histologisches Quiz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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H. A. Juratli
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum Marburg
,
M. Wolter
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum Marburg
,
W. Pfützner
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum Marburg
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Dr. Hazem A. Juratli
Universitätsklinikum Marburg und Gießen, Standort Marburg
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Baldingerstraße 1
35043 Marburg

Publication History

Publication Date:
31 March 2017 (online)

 

Bei einer 11-jährigen Patientin bestand seit einigen Wochen ein subkutaner, schmerzhafter Knoten in der Glutealregion. Die junge Patientin konnte sich an Traumata nicht erinnern. Fieber und Schüttelfrost wurden verneint. Die Patientin hatte in ihrer Vorgeschichte keinerlei Nebenerkrankungen. Die Familienanamnese sowie die Auslandsanamnese waren leer.


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Klinik

Gluteal rechts befindet sich ein ca. 2 cm großer, subkutaner, zunehmend schmerzhafter, größenprogredienter und prallelastischer Knoten, der zur Unterlage gut verschieblich ist. Rötung, Schwellung, Überwärmung und Größenprogredienz haben sich im Verlauf ebenfalls gezeigt ([Abb. 1]). Die körperliche internistische Untersuchung zeigt keinen pathologischen Befund.

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Abb. 1 Fistulierender Durchbruch der Knoten mit Entleerung von massenhaft putrid-sanguinolentem Material.

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Histologie

Histologisch erkennt man in der Übersichtsvergrößerung diffuse abszedierende Entzündungsinfiltrate bis in die tiefere Dermis ([Abb. 2]). In der Vergrößerung zeigen sich zentral basophile drüsenähnliche Bakterienkonkretionen (Granula), die von einer bindegewebigen eosinophilen Pseudokapsel begrenzt werden (Splendore-Hoeppli-Phänomen). In der Umgebung sieht man viele unspezifische granulomatöse Entzündungsinfiltrate bestehend aus Plasmazellen, eosinophilen sowie neutrophilen Granulozyten, Histiozyten und Fibroblasten ([Abb. 3] und [Abb. 4]).

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Abb. 2 Histopathologischer Befund der Gewebsproben der Patientin: Übersicht in HE-Färbung (Vergrößerung 2 : 1).
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Abb. 3 Histopathologischer Befund der Gewebsproben der Patientin: HE-Färbung (Vergrößerung 10 : 1).
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Abb. 4 Histopathologischer Befund der Gewebsproben der Patientin: HE-Färbung (Vergrößerung 40 : 1).
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Wie lautet Ihre Diagnose?


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Diagnose

Kutane Botryomykose


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Kommentar

Bei der Botryomykose handelt es sich um eine chronische, granulomatöse bakterielle Infektion der Haut und fakultativ der Inneren Organe. Im Jahr 1870 hat Bollinger die klinische Manifestation der Botryomykose erstmalig bei einem kastrierten Pferd als granulomatöse Läsion im Lungengewebe beschrieben [9] [10] [11]. Rivolta prägte im Jahr 1884 den Begriff der Botryomykose, um das traubenartige Aussehen der Körner (botryo) und die fälschlicherweise vermutete Pilzinfektion (Mykose) zu beschreiben [11] [12]. Im Jahr 1919 wurde die bakterielle Genese der Botryomykose durch eine experimentelle Arbeit an Kaninchen von Mogrou belegt [11] [12]. Winslow teilte die Erkrankung später in eine kutane und eine viszerale Form ein [12]. Im Jahr 1940 konnten Kimmelstiel und Easley nachweisen, dass eine typische Botryomykose-Läsion meist durch eine bakterielle Infektion mit Staphylococcus aureus im engen Zusammenhang mit einem prädisponierenden Faktor verursacht wird [13]. Die Nomenklatur der Botryomykose wird aus historischen Gründen bis zum heutigen Tag beibehalten.

Die klinischen Symptome der kutanen Form zeichnen sich durch schmerzhafte, tiefliegende, derbe Knoten mit deutlicher Überwärmung und entzündlicher Rötung an der Hautoberfläche. In der Regel kommt es zur Einschmelzung der Knoten, Fluktuation und ggf. fistulierender Durchbruch, wobei sich auf Druck oft massenhaft putrid-sanguinolentes Material entleert. Fieber und Leukozytose sind oft vorhanden. Bei längerem Bestehen der oben genannten Symptome kann es zur Mitbeteiligung der Muskulatur und ggf. in schweren Verläufen zur Beteiligung des Knochens kommen. Die kutane Form der Botryomykose gilt als Sonderform der artifiziellen Fremdkörperreaktion [5]. Die Erreger sind am häufigsten pyogene Staphylokokken und Pseudomonas aeruginosa. Escherichia Coli, Proteus vulgaris, Staphylococcus epidermidis, Streptococcus ssp., Micrococcus pyogenes sowie viele andere Stämme können ebenfalls als Auslöser vorkommen [1] [2] [3]. Durch Inokulation mikrobiell-kontaminierter Substanzen wie Harn, Fäszes, Milch und andere Nahrungsmittel kann das Krankheitsbild hervorgerufen werden. Prädisponierende Risikofaktoren sind HIV-Infektion, Traumata, Diabetes mellitus, chronischer C2-Absus, zystische Fibrose, längerfristige systemische Kortikosteroidtherapie und das Job-Syndrom [3] [6] [7] [8]. Das Job-Syndrom definiert man wie folgt: Frauen im jungen sowie im mittleren Alter, die Pflege- und Sozialberufen angehören, gleichzeitig unter psychischen Störungen leiden und mit der Hautaffektion verstärkte Zuwendung erreichen wollen.


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Therapie

Die Behandlung richtet sich nach dem Antibiogramm sowie nach der klinischen Ausprägung des Befundes und hängt vom auslösenden Bakterienstamm ab. Eine einfache oder kombinierte antibiotische Therapie, abhängig von der Ausprägung des klinischen Befundes, muss über mehrere Wochen bis viele Monate erfolgen. Um einen langfristigen therapeutischen Erfolg zu erreichen, ist eine chirurgische Sanierung der Herde zu empfehlen. Eine Exzision ist eine sinnvolle therapeutische Alternative bei einzelnen und sehr kleinen Herden.


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Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Akiyama H, Kanzaki H, Tada J. et al. Staphylococcus aureus infection on cut wounds in the mouse skin: experimental staphylococcal botryomycosis. J Dermatol Sci 1996; 11: 234-238
  • 2 Andersen SR, Wilke K. Histopathology in botryomycosis-like panophthalmitis due to Staphylococcus aureus. A light microscopic and electron-microscopic study. A case report. Acta Ophthalmol Copenh 1983; 61: 292-299
  • 3 Bonifaz A, Carrasco E. Botryomycosis. J Dermatol 1996; 35: 381-388
  • 4 Cerroni L, Garbe C, Metze D, Kutzner H, Kerl H. Hrsg. Histopathologie der Haut. 2. Auflage. Heidelberg: Springer-Verlag; 2016
  • 5 Förström L, Winkelmann RK. Factitial Panniculitis. Arch Dermatol 1974; 110: 747-750
  • 6 Gavin PJ, Das L, Chadwick EG. et al. Botryomycosis in a child with acquired immunodeficiency syndrome. Pediatr Infect Dis J 2000; 19: 900-901
  • 7 Katznelsen D, Vawter GF, Foley GF. et al. Botryomycosis, a complication in cystic fibrosis. Report of 7 cases. J Pediatr 1964; 65: 525-539
  • 8 Hacker P. Botryomycosis. Int J Dermatol 1983; 22: 455-458
  • 9 Bollinger O. Mycosis der Lunge beim Pferde. Virchows Arch Path Anat 1870; 49: 583-586
  • 10 Joest E. Spezielle pathologische Anatomie der Haustiere. 3. Band. Berlin: Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz; 1924: 170-175 802 – 804
  • 11 Smiet E, Grinwis GCM, van den Top JGB, Sloet van Oldruitenborgh-Oosterbaan MM. Equine mammary gland disease with a focus on botryomycosis: A review and case study. Equine Vet Educ 2012; 24: 357-366
  • 12 Winslow DJ. Botryomycosis. Am J Pathol 1959; 35: 153-167
  • 13 Kimmelstiel P, Easley CA. Experimental botryomycosis. Am J Pathol 1940; 16: 95-101

Korrespondenzadresse

Dr. Hazem A. Juratli
Universitätsklinikum Marburg und Gießen, Standort Marburg
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Baldingerstraße 1
35043 Marburg

  • Literatur

  • 1 Akiyama H, Kanzaki H, Tada J. et al. Staphylococcus aureus infection on cut wounds in the mouse skin: experimental staphylococcal botryomycosis. J Dermatol Sci 1996; 11: 234-238
  • 2 Andersen SR, Wilke K. Histopathology in botryomycosis-like panophthalmitis due to Staphylococcus aureus. A light microscopic and electron-microscopic study. A case report. Acta Ophthalmol Copenh 1983; 61: 292-299
  • 3 Bonifaz A, Carrasco E. Botryomycosis. J Dermatol 1996; 35: 381-388
  • 4 Cerroni L, Garbe C, Metze D, Kutzner H, Kerl H. Hrsg. Histopathologie der Haut. 2. Auflage. Heidelberg: Springer-Verlag; 2016
  • 5 Förström L, Winkelmann RK. Factitial Panniculitis. Arch Dermatol 1974; 110: 747-750
  • 6 Gavin PJ, Das L, Chadwick EG. et al. Botryomycosis in a child with acquired immunodeficiency syndrome. Pediatr Infect Dis J 2000; 19: 900-901
  • 7 Katznelsen D, Vawter GF, Foley GF. et al. Botryomycosis, a complication in cystic fibrosis. Report of 7 cases. J Pediatr 1964; 65: 525-539
  • 8 Hacker P. Botryomycosis. Int J Dermatol 1983; 22: 455-458
  • 9 Bollinger O. Mycosis der Lunge beim Pferde. Virchows Arch Path Anat 1870; 49: 583-586
  • 10 Joest E. Spezielle pathologische Anatomie der Haustiere. 3. Band. Berlin: Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz; 1924: 170-175 802 – 804
  • 11 Smiet E, Grinwis GCM, van den Top JGB, Sloet van Oldruitenborgh-Oosterbaan MM. Equine mammary gland disease with a focus on botryomycosis: A review and case study. Equine Vet Educ 2012; 24: 357-366
  • 12 Winslow DJ. Botryomycosis. Am J Pathol 1959; 35: 153-167
  • 13 Kimmelstiel P, Easley CA. Experimental botryomycosis. Am J Pathol 1940; 16: 95-101

Zoom Image
Abb. 1 Fistulierender Durchbruch der Knoten mit Entleerung von massenhaft putrid-sanguinolentem Material.
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Abb. 2 Histopathologischer Befund der Gewebsproben der Patientin: Übersicht in HE-Färbung (Vergrößerung 2 : 1).
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Abb. 3 Histopathologischer Befund der Gewebsproben der Patientin: HE-Färbung (Vergrößerung 10 : 1).
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Abb. 4 Histopathologischer Befund der Gewebsproben der Patientin: HE-Färbung (Vergrößerung 40 : 1).