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DOI: 10.1055/s-0042-117361
Rationale Diagnostik in der Kindergastroenterologie
Korrespondenzadresse
Publication History
Publication Date:
15 May 2017 (online)
- Einleitung
- Erkrankungen des Intestinaltrakts bei Säuglingen und Kleinkindern mit unspezifischen Symptomen
- Erkrankungen des Intestinaltrakts – altersunabhängige Symptome
- Pankreaserkrankungen
- Leber- und Gallenwegserkrankungen
- Literatur
Vom Symptom zur Diagnose – ein spannendes Thema in der Kindergastroenterologie. Da Kinder ihre Symptome meist nicht selbst oder nicht genau beschreiben können, ist es wichtig, dass Ärzte die häufigsten Symptome in den verschiedenen Altersgruppen kennen. So können sie einen sinnvollen differenzialdiagnostischen Weg entwickeln, auch um unnötige Untersuchungen zu vermeiden. Der Beitrag zeigt neben häufigen auch seltenere, in der Differenzialdiagnostik jedoch wichtige Erkrankungen.
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Einleitung
Grundsätzlich lässt sich die Kindergastroenterologie in verschiedene Organerkrankungen unterteilen, nämlich in Erkrankungen des Intestinaltrakts, des Pankreas, der Leber und der ableitenden Gallenwege. Im Folgenden wird ein rationaler diagnostischer Weg für verschiedene relevante klinische Fragestellungen aufgezeigt. Dabei orientiert sich der Beitrag an der klinischen Symptomatik innerhalb der Organsysteme mit teils altersgebundenen Differenzialdiagnosen. Der Fokus liegt dabei auf den häufigen klinischen Fragestellungen bzw. den wichtigen Differenzialdiagnosen, insbesondere bei chronischen Erkrankungen und Problemen. Die Empfehlungen stützen sich auf Leitlinien, u. a. der ESPGHAN (European Society of Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition), aktuellen Reviews zu den einzelnen Themenbereichen und meiner persönlichen Erfahrung.
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Erkrankungen des Intestinaltrakts bei Säuglingen und Kleinkindern mit unspezifischen Symptomen
Das Krankheitsspektrum, das zu gastrointestinalen Symptomen (ggf. auch vermeintlich gastrointestinalen Symptomen) im Kindesalter führt, ist sehr vielgestaltig, teils altersgebunden und beschränkt sich nicht nur auf den reinen Gastrointestinaltrakt.
In den ersten Lebensjahren können Kinder naturgemäß ihre Symptome nicht selbst beschreiben. Auch Kleinkinder und junge Schulkinder sind nicht in der Lage, zwischen emotionalem und physischem Stress zu unterscheiden. Der Behandler muss daher basierend auf den Schilderungen und Interpretationen der Eltern oder Betreuungspersonen und seinem eigenen klinischen Urteil eine Entscheidung bzgl. der sinnvollen Diagnostik treffen. Bei dieser Beurteilung ist daher die Einschätzung der anamnestischen Angaben im Kontext der familiären Situation neben der klinischen Untersuchung von großer Bedeutung. Ein effizientes Management basiert auf einer vertrauensvollen therapeutischen Allianz mit den Eltern. Die folgenden klinischen Symptome führen fast immer zur elterlichen Verunsicherung und damit zu Arztvorstellungen und sind bei sonst gesunden Kindern ohne Gedeihprobleme in der Regel funktioneller Natur:
-
Regurgitation
-
Cyclic Vomiting Syndrome
-
Kolik
-
funktionelle Diarrhö (Toddler-Syndrom)
-
funktionelle Obstipation
Die Verdachtsdiagnose funktioneller Probleme liegt bei bestimmten anamnestischen Voraussetzungen, einem klinisch unauffälligem Untersuchungsbefund und gutem Gedeihen und Entwicklung zwar nahe, kann allerdings erst gestellt werden, wenn die Symptome nach sorgfältiger Evaluation keiner anderen Erkrankung zugeordnet werden können.
In [Tab.1] ist die Altersgebundenheit, die teils hohe Prävalenz und der Outcome der verschiedenen Symptome dargestellt [1].
Symptom |
Alter |
Prävalenz in % |
Outcome |
Regurgitation |
3 Wochen bis 12 Monate |
41 – 67 |
verschwindet zu 90 % bis zum 12. Monat |
Rumination |
3. – 8. Monat |
1,9 |
verschwindet mit der Zeit |
Cyclic Vomiting Syndrome |
Säuglings- bis Jugendalter |
3,4 |
Besserungstendenz mit den Jahren, geht ggf. in Migräne über |
Koliken |
bis ca. 5./6. Monat |
5 – 19 |
verschwindet bis zum 6. Monat |
funktionelle Diarrhö (Toddler-Diarrhö) |
6. – 60. Monat |
6 – 7 |
verschwindet meist bis zum 60. Monat |
Dyschezie (schmerzhafte Defäkation) |
bis ca. 9. Monat |
2,4 |
verschwindet meist bis zum 9. Monat |
Obstipation |
Säuglings- bis Erwachsenenalter |
3 – 27 |
konsequente Therapie notwendig |
Die Anamnese trägt neben der genauen Erfassung der Symptome entscheidend zur Planung des diagnostischen Weges bei. Bei sonst gesunden Kindern erübrigt sich in den meisten Fällen eine weiterführende Diagnostik.
Regurgitation
Ein gastroösophagealer Reflux im Säuglings- und jungen Kleinkindalter ist physiologisch, bis zum Ende des 1. Lebensjahres reift der gastroösophageale Verschlussmechanismus in der Regel aus, so dass grundsätzlich kein Handlungsbedarf besteht. Steigt das Refluxat über den Ösophagus hinaus, also spuckt das Kind, spricht man von Regurgitation.
Eine Refluxerkrankung liegt vor, wenn eine Ösophagitis (mit retrosternalen Schmerzen) vorliegt, eine Gedeihstörung zu beobachten ist oder respiratorische Probleme (meist obstruktiver Art) bei rezidivierenden Mikroaspirationen auftreten.
Eine unkritische probatorische Therapie mit Säureblockern bei Verdacht auf einen gastroösophagealen Reflux im Säuglingsalter ist nicht sinnvoll.
Eine gastroösophageale Refluxerkrankung kann in der Folge einer Kuhmilchallergie auftreten, so dass eine probatorische Umstellung auf eine hypoallergene Therapiemilch als diagnostische Eliminationsdiät über ca. 2 – 4 Wochen sinnvoll ist. Dabei sollte ein Symptomprotokoll geführt werden, danach erfolgt wieder Kuhmilchformula-Belastung. Nur, wenn es nach initialer Besserung wieder vermehrt zu Problemen unter der Belastung kommt, kann die Diagnose einer Kuhmilchproteinallergie gestellt werden [2]. [Abb. 1] zeigt das Vorgehen der diagnostischen Einschätzung im Säuglings- und Kleinkindalter. Kürzlich wurde ein Score-System zur Erkennung von Kuhmilchproteinallergien vorgestellt ([Tab. 2]), das zwar streng wissenschaftlich noch nicht evaluiert ist, im täglichen Gebrauch im Sinne eines Screenings jedoch sinnvoll erscheint [3]. Es ersetzt nicht die Notwendigkeit einer gezielten Elimination mit anschließender Belastung.


Symptom |
Punkte |
Beschreibung |
Score |
Schreien (seit mind. 1 Woche) |
0 |
< 1 h/Tag |
|
1 |
1 – 1,5 h/Tag |
||
2 |
1,5 – 2 h/Tag |
||
3 |
2 – 3 h/Tag |
||
4 |
3 – 4 h/Tag |
||
5 |
4 – 5 h/Tag |
||
6 |
> 5 h/Tag |
||
Spucken |
0 |
0 – bis 1-mal/Tag |
|
1 |
≥ 3 – bis ≤ 5-mal/Tag |
||
2 |
> 5-mal > 1 Kaffeelöffel |
||
3 |
> 5-mal ± halbe Trinkmenge bei weniger als der Hälfte der Mahlzeiten |
||
4 |
ständiges Spucken kleiner Mengen > 30 min nach jeder Mahlzeit |
||
5 |
Spucken > als halbe Mahlzeit bei mind. der Hälfte der Mahlzeiten |
||
6 |
Spucken der kompletten Mahlzeit nach jeder Mahlzeit |
||
Stühle (Bristol-Skala) |
4 |
harte Stühle (Typ 1 und 2) |
|
0 |
normale Stühle (Typ 3 und 4) |
||
2 |
weiche Stühle (Typ 5) |
||
4 |
flüssige Stühle (Typ 6) keine Infektion |
||
6 |
wässrige Stühle (Typ 7) |
||
Hautsymptome |
0 – 6 |
atopisches Ekzem:
|
|
0 oder 6 |
Urtikaria:
|
||
Atemwegssymptome |
0 |
keine |
|
1 |
geringe |
||
2 |
leichte |
||
3 |
schwere |
||
Gesamtscore: |
< 12 Punkte: eher keine Kuhmilchproteinallergie
> 12 Punkte: eher Kuhmilchproteinallergie
In einer Metaanalyse effektiver Behandlungsstrategien von Koliken bei gestillten Kindern konnte gezeigt werden, dass eine Behandlung mit Probiotika (insbesondere Lactobazillus reuteri) oder Fenchelpräparaten erfolgreicher als eine Placebobehandlung sein kann [4].
Bei „Dreimonatskoliken“ kann eine diagnostische Eliminationsdiät mit hypoallergener Therapiemilchformula zur Sicherung der Verdachtsdiagnose Kuhmilchproteinallergie sinnvoll sein.
Die diagnostisch zur Verfügung stehenden Möglichkeiten haben alle Grenzen. Die pH-Metrie detektiert nur saure Refluxepisoden, eine Ösophagogastroduodenoskopie kann zwar eine Ösophagitis und andere Pathologien im oberen Gastrointestinaltrakt erkennen, bei unauffälligem Befund können aber refluxbedingte Beschwerden nicht ausgeschlossen werden. Das Ausmaß der Beschwerden korreliert nicht gut mit dem endoskopisch-histologischem Befund. Zukünftig wird die kombinierte pH-Metrie mit ösophagealer Impedanzmessung der Goldstandard in der Refluxdiagnostik werden. Damit können auch nicht saure Refluxepisoden quantifiziert werden. Die Methode ist allerdings zeitaufwändig, Normwerte im Kindesalter werden zurzeit evaluiert, die Technik steht noch nicht flächendeckend zur Verfügung.
Eine Sonografie bei einem spuckenden Kind bezüglich Reflux ist verzichtbar, das Spucken (Regurgitation) allein beantwortet die Frage – eine Quantifizierung der Refluxepisoden ist mit der Sonografie kaum standardisiert möglich. In der Differenzialdiagnose kann sie allerdings zur Erkennung von Passagestörungen im Magen-/Darmtrakt beitragen.
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Cyclic Vomiting Syndrome
Zyklisches Erbrechen gehört zu den funktionellen Störungen des Gastrointestinaltrakts. Typischerweise kommt es zu transienten (wenige Stunden bis zu 10 Tagen) individuell stereotypen Attacken mindestens zweimal in 6 Monaten mit Übelkeit und anfallsartigem Erbrechen (mindestens 4 /h über mindestens 1 Stunde), häufig in der 2. Nachhälfte. Zwischen den Episoden sind die Kinder gesund und beschwerdefrei. Abgesehen von der typischen Anamnese und fehlenden Hinweisen auf andere Erkrankungen gibt es keinen diagnostischen Marker. Die funktionelle Störung tritt nicht nur im Säuglingsalter auf.
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Kolik
Im Säuglingsalter ist einer der häufigsten Vorstellungsgründe das unruhige, schreiende Kind, das im jungen Säuglingsalter unter der Verdachtsdiagnose „Dreimonatskolik“ in eine oft somatisch orientierte Diagnostikschiene fällt, die hinterfragt werden muss. Meist steht eine Regulationsstörung dahinter, immer wieder wird aber auch ein gastroösophagealer Reflux oder eine Nahrungsmittelunverträglichkeit vermutet. Säuglinge mit Regulationsstörungen haben Schwierigkeiten, ihr Verhalten in regulativen und Interaktionskontexten adäquat zu steuern.
Koliken werden zu den funktionellen Störungen gezählt. Nach den Rome-III-Kriterien sind sie durch anfallsartiges Schreien oder Unruhe ohne klar erkennbare Ursache von Beginn und Ende über mindestens 3 Stunden am Tag, mindestens 3 Tage in der Woche, mindestens über 1 Woche bei sonst gesunden, gut gediehenen Säuglingen gekennzeichnet. Die Anamnese führt zur diagnostischen Einschätzung.
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Funktionelle Dyspepsie (Toddler-Diarrhö)
Mit einer Prävalenz von bis zu 7 % ist die funktionelle Dyspepsie im Kleinkindalter nicht selten. Den klinisch sonst vollkommen gesund wirkenden Kindern wird oft der Kindergartenbesuch unter Hinweis auf eine mögliche infektiöse Genese verweigert. Die Kinder selbst beklagen keinerlei Symptome. Typischerweise haben die Kinder bis zu 5 – 6 lockere Stühle am Tag, teils auch mit unverdauten Nahrungsmittelbestandteilen, nachts in der Regel kein Stuhlgang. Differenzialdiagnostisch können folgende Erkrankungen erwogen werden (Handlungsempfehlungen in Klammern):
-
Postenteritis-Syndrom (probatorisch milchfreie Diät über 4 Wochen)
-
gastrointestinale Infektion (u. a. Giardia lamblia, Cryptosporidien im Stuhl)
-
Fruktose-Malabsorption (probatorisch fruktosereduzierte Kost)
-
Zöliakie (siehe dort)
-
Obstipation mit Überlaufenkopresis (Sonografie, klinische Untersuchung)
Diagnostik zum Ausschluss von Organerkrankungen bei funktioneller Dyspepsie
Blutbild, CRP, BSG, Transglutaminase-Antikörper, IgA, Stuhlkultur (Clostridium difficile, Giardia lamblia), Calprotectin im Stuhl (Cave: altersabhängige Normwerte), ggf. IgE und spezifisches Nahrungsmittel-IgE (Fx5), um seltene IgE-vermittelte Nahrungsmittelsensibilisierungen aufzuspüren.
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Funktionelle Obstipation
Diese funktionelle Störung, die nicht nur im Säuglingsalter auftritt, ist weiter unten dargestellt.
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Erkrankungen des Intestinaltrakts – altersunabhängige Symptome
Chronischer Durchfall
Kongenitale Diarrhö
Ursache einer kongenitalen Diarrhö sind seltene und unterschiedliche, meist angeborene malabsorptive oder sekretorische Erkrankungen. Sie manifestieren sich in der Regel in den ersten Lebenswochen mit massiven Durchfällen mit nachfolgender Dehydratation und sind schwierig zu therapieren (intractable diarrhea). Klinisch unterscheidet man eine osmotische, eine sekretorische und eine inflammatorische Diarrhö. Liegt eine Störung mit Malabsorption oder eine osmotische Diarrhö vor, bessert sich der Durchfall beim Fasten. Bei sekretorischer oder entzündlicher Genese ändert sich die klinische Symptomatik nicht. Die Diagnostik beruht daher zunächst auf einem Fastentest, im 2. Schritt auf einer Histologie der Darmschleimhaut. Damit können morphologisch-strukturelle Veränderungen der Schleimhaut wie die Zottenstruktur, die Verteilung der Enterozyten und entzündliche Aktivität dargestellt werden. Wichtige anamnestische Fragen sind:
-
Polyhydramnion
-
Konsanguinität der Eltern
-
Beginn der Symptomatik mit der Nahrungsaufnahme
[Abb. 2] zeigt den Typ, [Tab. 3] die entsprechenden Differenzialdiagnosen der Diarrhö.


Typ |
Differenzialdiagnose |
|
Osmotische Diarrhö |
selektiv: Kongenitaler Laktasemangel Sacharase-Isomaltasemangel Maltase-Glukoamylasemangel Enteropeptidasemangel Glukose-Galaktose-Malabsorption Lysinurische Proteinintoleranz Prohormon-Convertasemangel |
unselektiv: Mukoviszidose Hereditäre Pankreatitis Lipasemangel Chylomikronen-Retentionserkrankung Hypobetalipoproteinämie Abetalipoproteinämie Shwachman-Diamond-Syndrom |
Osmotisch/gemischte Diarrhö |
Nahrungsmittelallergie Intestinale Lymphangiektasie Microvillus-Inklusionserkrankung Intestinale Epitheldysplasie Autoimmun-Polyendokrinopathie-Candidiasis-ektodermale Dysplasie |
|
Sekretorisch/Gemischte Diarrhö |
Acrodermatitis enteropatica |
|
Inflammatorische Diarrrhö |
Enteritis IPEX, IPEX-like Ektodermale Dysplasie-Formen Interleukindefekte Chronisch granulomatöse Erkrankungen Leukozytenadhäsionsdefekte |
Glykogenspeichererkrankung 1b SCID Wiskott-Aldrich-Syndrom X-linked Agammaglobulinämie IgA-Mangel CVID X-linked lymphoproliferatives Syndrom u. a. |
Pathophysiologisch können 4 Gruppen unterschieden werden [5]:
-
Störungen der Digestion, Absorption, des Transports von Nährstoffen oder Elektrolyten
-
Störungen der Differenzierung oder Polarisierung der Enterozyten
-
Störungen der enteroendokrinen Zellen
-
Immundefekte
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Zuckermalabsorptionen
Erster Hinweis für das Vorliegen einer Zuckermalabsorption ist die Ernährungsanamnese.
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Laktoseintoleranz
Eine primäre Laktoseintoleranz (adulte Hypolaktasie) kann sich bei nachlassender Laktaseaktivität in den Enterozyten entwickeln.
Mit zunehmendem Alter lässt die Laktaseaktivität nach, so dass die intakte Laktose in tiefere Darmabschnitte gelangen kann und dort zu Methan, Laktat und Wasserstoff verstoffwechselt wird, was zu Gasbildung, lockeren Stühlen und Schmerzen führen kann.
Vor ca. 10 000 Jahren haben sich bei Populationen, die Milchwirtschaft betrieben haben, Mutationen entwickelt, die zu einer Persistenz der Laktaseaktivität auch im Erwachsenenalter führen. Man geht davon aus, dass etwa 85 – 90 % der Bevölkerung in Deutschland diese Mutation tragen, so dass sie Milchzucker auch in höherem Alter gut vertragen. Die Mutationen betreffen den Promotorbereich des Laktasegens auf dem langen Arm des Chromosoms 2 (2q21): C/T-13910-Polymorphismus oder G/A-22018-Polymorphismus. In Deutschland sind ca. 10 – 15 % der Bevölkerung von der Laktoseintoleranz betroffen, wobei die Restaktivität der Laktase und damit die Symptomatologie unterschiedlich sein können.
Säuglinge und junge Kleinkinder sind nur in den ganz seltenen Fällen einer angeborenen Alaktasie von einer primären Laktoseintoleranz betroffen, eine leider häufig geratene probatorische milchzuckerfreie Kost in diesem Alter ist daher sinnlos. Die Klinik der adulten Hypolaktasie beginnt allenfalls im späten Kleinkindalter, meist erst bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen.
Zu berücksichtigen sind allerdings sekundäre Formen der Laktoseintoleranz, die bei allen Erkrankungen mit morphologischen Störungen der Darmschleimhaut auftreten können (Zöliakie, Nahrungsmittelallergien, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, protrahierte Gastroenteritis, etc.). Diagnostisch kann ein Auslassversuch (Laktoseelimination in der Ernährung) über 4 Wochen genutzt werden mit Verschwinden der Symptome, oder ein Wasserstoffexhalationstest (H2-Atemtest). Die genetische Diagnostik (T/C- und A/G-Polymorphismus im Laktase-Gen) sagt bei der unterschiedlichen Restaktivität der Laktose kaum etwas über den Zusammenhang von Bauchschmerzen und Laktoseintoleranz aus. Der Laktosebelastungstest mit Gabe von Laktose und anschließenden Blutzuckerkontrollen spielt im Kindesalter keine Rolle.
Eine primäre Laktoseintoleranz im Säuglings- und jungen Kleinkindalter liegt praktisch nie vor. Die molekulargenetische Diagnostik korreliert nicht unbedingt mit den klinischen Symptomen.
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Fruktosemalabsorption
Viele Kinder trinken zur Durstlöschung heute nicht mehr nur Wasser, sondern Saftschorlen, Fruchtsäfte oder Fertiggetränke. In einigen Früchten ist der Fruktosegehalt deutlich höher als der Glukosegehalt (z. B. bei Apfel, Birne, Mango oder Wassermelone).
Fruktose wird nahezu äquimolar zu Glukose aufgenommen. Zudem ist die individuelle Aufnahmekapazität des Dünndarms unterschiedlich, so dass bei vielen Kindern Fruktose nur partiell absorbiert wird.
Die verbleibenden Fruktosemoleküle gelangen in den Dickdarm und werden von der dortigen bakteriellen Flora vergoren. Das führt zu Bildung von Gas (Wasserstoff, Methan) und von osmotisch wirksamen Substanzen, wie Fettsäuren. Damit erklären sich klinische Probleme wie Meteorismus, Bauchschmerzen und Durchfall. Wie bei der Laktoseintoleranz kann die Diagnose durch probatorische Fruktosereduktion in der Ernährung über 4 Wochen (und Besserung der Beschwerden) oder durch einen H2-Atemtest gestellt werden.
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Zuckerersatzstoffmalabsorption (Sorbit, Xylit)
Zuckerersatzstoffe werden von der Nahrungsmittelindustrie zum Süßen von Getränken (z. B. Eistee) und Genussmitteln (z. B. Kaugummi) eingesetzt. Auch hier ist die individuelle Aufnahmekapazität des Darms begrenzt, so dass bei entsprechend höherem Genuss klinische Probleme wie Bauchschmerzen und Durchfall auftreten können. Sorbit ist auch normaler Bestandteil von verschiedenen Nahrungsmitteln (z. B. Trockenfrüchten, Frucht der Eberesche, Birnen, Pflaumen, Äpfeln, Aprikosen, Pfirsichen und Rosinen). Diagnostisch kann ein Auslassversuch weiterführen oder ein H2-Atemtest.
Beim Apfelschorletrinker, Eisteetrinker oder Kaugummikauer mit Bauchschmerzen, Blähungen und/oder lockeren Stühlen liegt häufig eine Fruktose-/Sorbitmalabsorption vor.
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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind rekurrierende systemische inflammatorische Erkrankungen, die sich primär im Magen-Darm-Trakt manifestieren. Als Grund wird eine Störung der intestinalen Homöostase (Erkennung und Abwehr intestinaler Pathogene, Toleranz der eigenen Darmflora und Nahrungsantigene) auf dem Boden einer genetischen Suszeptibilität und Einfluss von Umweltfaktoren angenommen. Man unterscheidet 3 Typen der CED:
-
Morbus Crohn
-
Colitis ulcerosa
-
eine nicht klassifizierte Form (inflammatory bowel disease unclassified, IBDU), die sich in der primären Organmanifestation und dem Verlauf unterscheiden
Insbesondere Morbus Crohn und Colitis ulcerosa können zu einer deutlichen körperlichen und psychosozialen Beeinträchtigung führen mit erheblichen Einschränkungen von Lebensqualität und im späteren Leben beruflicher Integration und Belastbarkeit.
Die typischen Zeichen einer CED sind:
-
Bauchschmerzen
-
Durchfall
-
Gewichtsverlust
-
Leistungsabfall
-
ggf. Fieber
-
Anämie
-
extraintestinale Manifestationen
Bei einer Colitis ulcerosa sind die Zeichen der Dickdarmentzündung wie blutig-schleimige Durchfälle häufiger. Die Erkrankungen verlaufen rekurrierend in Schüben.
Die diagnostischen Kriterien einer CED sind von einer Arbeitsgruppe der ESPGHAN als sog. Portokriterien definiert und 2014 aktualisiert worden [6].
Die Diagnose basiert auf anamnestischen und klinischen Befunden, Laboruntersuchungen, Endoskopie (Ösophagogastroduodenoskopie, Ileokoloskopie mit Histologie) und einer bildgebenden Diagnostik des Dünndarms (Sonografie, Magnetresonanzenterografie, Videokapselendoskopie). Infektiöse Ursachen müssen ausgeschlossen werden (Stuhlkultur, Clostidien, CMV-Diagnostik).
In [Abb. 3] ist der diagnostische Workup bei CED dargestellt. Bei Kleinkindern und Säuglingen können Crohn-like Diseases Hinweise auf einen zugrundeliegenden Immundefekt sein, so dass in dieser Altersgruppe auch eine immunologische Diagnostik angezeigt ist.


Im Verlauf der Erkrankung werden die Krankheitsaktivität und damit das Ansprechen auf die Therapie mit Aktivitäts-Scores überprüft, die zwar nicht zur Initialdiagnostik entwickelt wurden, deren einzelne Items aber Hinweise für die Diagnose bieten. Beim Morbus Crohn wird der Pediatric Crohns Disease Activity Index (PCDAI) verwendet, bei der Colitis ulcerosa der Pediatric Ulcerative Colitis Activity Index (PUCAI).
Der PCDAI umfasst anamnestische Parameter (Bauchschmerzen, Stuhlparameter, generelles Befinden), klinische Parameter (Gewicht, Größe, abdomineller Befund, perianale Symptome, extraintestinale Manifestationen) und Laborparameter (Hämatokrit, Blutsenkungsgeschwindigkeit, Albumin). In der Initialdiagnostik sind weitere Inflammationsparameter wegweisend, wie CRP und auch Thrombozytose. Bei der klinischen Untersuchung muss unbedingt auch eine rektale/anale Inspektion erfolgen. Marisken, Fissuren, Fisteln oder auch ein perianales Exanthem sind starke Hinweise für Morbus Crohn ([Abb. 4]).


Der PUCAI berücksichtigt anamnestische und klinische Parameter wie Bauchschmerzen, rektale Blutung, Stuhlkonsistenz und -frequenz, nächtlicher Stuhlgang sowie den Aktivitätslevel. Bei einer Colitis ulcerosa sind die systemischen Inflammationsparameter in der Regel weniger betroffen als beim Morbus Crohn. Bei allen Formen der CED sind die fäkalen Inflammationsmarker wie Calprotektin und Laktoferrin aus der Diagnostik nicht mehr wegzudenken. Bei der Beurteilung ist auf den altersabhängigen Referenzbereich zu achten. Die fäkalen Marker sind auch bei akuten Gastroenteritiden (bei bakterieller Ursache mehr als bei Virusinfektion), bei Nahrungsmittelallergien, Zöliakie oder Immundefekten erhöht, so dass diese Erkrankungen in der Differenzialdiagnose zu erwägen sind.
Bei Verdacht auf eine chronisch entzündliche Darmerkrankung muss immer eine rektale Inspektion durchgeführt werden. Zur ersten Screeningdiagnostik gehören die fäkalen Inflammationsmarker (Calprotektin oder Laktoferrin).
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Nahrungsmittelallergie
Die Grundsätze der Diagnostik bei Nahrungsmittelallergien entsprechen denen bei Kuhmilchallergien. Nahrungsmittelallergien, die mit unspezifischen Symptomen wie Bauchschmerzen einhergehen, sind meist nicht IgE-vermittelt und damit mit der IgE-gestützten Diagnostik nicht erkennbar. In diesen Fällen muss das vermutete Allergen eliminiert werden, sich die Symptomatik protokolldokumentiert bessern und nach Belastung ebenfalls dokumentiert wieder verschlechtern.
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Zöliakie
Eine Zöliakie ist eine immunmediierte Systemerkrankung, induziert durch das mit der Nahrung aufgenommene Gluten und verwandte Prolamine bei genetischer Veranlagung. Die klinische Manifestation ist unterschiedlich und kann sich auch monosymptomatisch/oligosymptomatisch ohne eine typische Enteropathie mit Bauchschmerzen, Durchfall und Gedeihstörung präsentieren.
Das klassische klinische Bild mit Gedeihstörung, Durchfall und Buchschmerzen liegt bei einer Zöliakie heute seltener vor. Meist sind es monosymptomatische oder oligosymptomatische Verlaufsformen.
Als erstes werden die Transglutaminase-Antikörper (IgA-anti-TG2) und das Gesamt-IgA bestimmt. Bei einem IgA-Mangel sind die IgA-anti-TG2 nur mit Einschränkungen bewertbar. Sind die IgA-anti-TG2 mehr als das 10-fache der Norm erhöht, erfolgt eine Kontrolle der Endomysiumantikörper (EMA) und eine Untersuchung der HLA-Haplotypen DQ2 und DQ8. Bei passender Klinik, positiven EMA und HLA-DQ2 – und/oder HLA-DQ8-Positivität kann die Diagnose einer Zöliakie ohne Endoskopie gestellt werden. Die HLA-Loci DQ2 oder DQ8 werden allerdings auch bei der gesunden Normalbevölkerung bei ca. 30 % gefunden, so dass sie im positiven Fall nur in Kombination mit den anderen Parametern genutzt werden können. Im Zweifel muss eine Ösophagogastroduodenoskopie mit Gewinnung von Duodenalbiopsien durchgeführt werden. Die histologische Einteilung erfolgt nach den MARSH-Kriterien.
[Abb. 5] stellt den von der ESPGHAN empfohlenen Algorithmus zur Diagnostik einer Zöliakie dar [7].


Labordiagnostik bei Verdacht auf Zöliakie
IgA, Transglutaminase-Antikörper (IgA-anti-TG2), Endomysium-Ak, HLA-DQ2 /HLA DQ8
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Obstipation
Ca. 25 % der Vorstellungen bei Kindergastroenterologen erfolgen aufgrund einer Verstopfung. Damit ist es auch in der pädiatrischen Praxis ein relevantes Problem. Nur in wenigen Fällen liegt eine organische Erkrankung vor. Eine gründliche Anamnese ist auch hier für die richtige Weichenstellung wichtig.
Wichtige Informationen sind:
-
verspäteter Mekoniumabgang
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Beginn und Dauer der Symptomatik
-
Ernährungsanamnese
-
Medikamentenanamnese
-
Stuhlanamnese (Häufigkeit, Konsistenz, Portionsgröße, Defäkationsschmerz, Hämatochezie, Stuhlinkontinenz)
-
Bauchschmerzen
Das häufig anzutreffende typische Stuhlvermeidungsverhalten spricht für einen funktionellen Charakter. Kinder scheuen oft den Toilettengang wegen der Unattraktivität/Verschmutzung der zur Verfügung stehenden Toiletten in öffentlichen Bereichen (Kindergarten, Schule, etc.). Auf eine organische Ursache können hinweisen:
-
Fieber
-
ausladendes Abdomen
-
Anorexie
-
Gewichtsverlust
-
mangelndes Gedeihen
In diesen Fällen sollte schon früh eine organorientierte Diagnostik erfolgen.
Bei Kindern mit statomotorischen/psychomotorischen Entwicklungsstörungen oder immobilen Kindern ist die Obstipation ein sehr häufiges Problem.
Organische Ursachen einer Obstipation sind:
-
anatomische Ursachen (Analstenose, ventral verlagerter Anus, Tumor im kleinen Becken)
-
metabolische und gastrointestinale Ursachen (Hypothyreose, Hyperkalzämie, Hypokaliämie, Mukoviszidose, Diabetes mellitus, Zöliakie, Kuhmilchproteinallergie)
-
Neuropathien (Rückenmarkserkrankungen, Tethered Cord, Neurofibromatose, Enzephalopathien)
-
intestinale nervale oder muskuläre Erkrankungen (Morbus Hirschsprung, viszerale Myopathien oder Neuropathien)
-
abdominelle Muskelerkrankungen (Prune-Belly-Syndrom, Gastroschisis)
-
Connective Tissue Disorders (Sklerodermie, systemischer Lupus erythematosus, Ehlers-Danlos-Syndrom)
-
Medikamente (Opiate, Phenobarbital, Sucralfat-Antacida, Antihypertensiva, Anticholinergika, Antidepressiva, Sympathomimetica)
Bei vielen der Erkrankungen ist die Obstipation nur ein Nebensymptom, sie sind durch die Hauptsymptome leicht erkennbar. Die klinische Untersuchung umfasst immer eine anale Inspektion (wenn möglich mit rektal-digitaler Untersuchung) und eine neurologische Untersuchung (u. a. Analreflex). Eine abdominelle Sonografie sollte immer erfolgen, in der Regel ist die rektale Stuhlimpaktion (Rektumweite > 3 cm) eindrucksvoll zu sehen ([Abb. 6]).


Wenn es aufgrund der Anamnese und der klinischen Untersuchung keine Hinweise auf eine übergeordnete Erkrankung oder einen Morbus Hirschsprung gibt, kann zunächst ein Therapieversuch mittels Macrogolpräparaten erfolgen. Bei Misserfolg nach ca. 6 Monaten sollte dann eine erweiterte Diagnostik stattfinden.
Die organorientierte Diagnostik umfasst entsprechend TSH, Transglutaminase-Antikörper (IgA-anti-TG2), IgA, Elektrolyte. Bei Verdacht auf Morbus Hirschsprung (später Mekoniumabgang, leere, enge Ampulle, Unmöglichkeit, großvolumige Stühle anzusetzen) muss eine Rektumsaugbiopsie zur neuropathologischen Untersuchung (Ganglienzellen, Acetylcholinesterase-Aktivität) gewonnen werden. Alternativ kann eine Rektummanometrie erfolgen. Mit einem Kontrasteinlauf kann die Länge des aganglionären Segments bestimmt werden.
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Gedeihstörung, Malabsorption
Eine Gedeihstörung ist eine Verzögerung der somatischen Entwicklung, bei der die Perzentilen von Gewicht, später auch der Größe unter die 3. Perzentile oder bezogen auf die genetische Zielgröße um mehr als 2 Hauptperzentilen abfällt. Ein Kreuzen der Perzentilen erfordert eine Diagnostik.
Bei einer Gedeihstörung sind folgende Ursachen zu bedenken:
-
unzureichende Kalorienaufnahme: falsche Ernährung/Ernährungsgewohnheiten, Erbrechen/Dysphagie (z. B. gastroösophagealer Reflux, eosinophile Ösophagitis), chronisch konsumierende Erkrankungen (Organerkrankungen, chronische Inflammation, onkologische Erkrankungen)
-
Maldigestion: Pankreasinsuffizienz (z. B. Mukoviszidose)
-
Malabsorption: kongenitale Diarrhö, Dünndarmerkrankungen (Zöliakie, Nahrungsmittelallergie, CED, etc.), Cholestase
Zunächst ist die Gedeihstörung zu objektivieren. Dies erfolgt mittels Erfassung der anthropometrischen Daten wie Gewicht, Größe, Gewichts-, Wachstumsentwicklung und Body-Mass-Index mit Beurteilung der Perzentilenentwicklung und des Z-Scores (SDS).
Die Anamnese umfasst:
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Familienanamnese (Größe, Pubertätsentwicklung, Konsanguinität)
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Schwangerschaftsanamnese (Nikotin, Alkohol, Drogen)
-
Geburtsanamnese (SGA, Asphyxie)
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Verlauf von Größen und Gewichtsentwicklung
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Meilensteine der Entwicklung
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psychosoziale Anamnese
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Ernährungsanamnese
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Stuhlanamnese
Bei Zweifeln an einer adäquaten Ernährung sollte ein Ernährungsprotokoll über 1 Woche protokolliert und ausgewertet werden.
Die klinische Untersuchung sollte neben den typischen Zeichen einer Gedeihstörung (Reduktion von Unterhautfettgewebe und Muskelmasse, ggf. Dehydratation) auch nach assoziierten Symptomen fahnden, die für bestimmte Grunderkrankungen typisch sind (Haut, Meteorismus, Stuhlbeschaffenheit, etc.).
Basislaboruntersuchungen bei Gedeihstörung
BSG, BB, Elektrolyte, Ca, Ph, GOT, GPT, gGT, Glukose, Kreatinin, Albumin, Quick, aPPT, IGF1, IGF-BP3, U-Status, GT-2, TSH
Zusätzlich sollten bei Hinweisen für eine Malabsorption weitere Laboruntersuchungen erfolgen.
Erweiterte Laboruntersuchungen bei Gedeihstörungen oder V. a. Malabsorption
Fe, Ferritin, Transferrin, Transferrinsättigung, IgA, IgG, IgE, Transglutaminase-AK, Folsäure, Vitamin B12, Vitamin D, Vitamin E, Zink, Cholesterin, Triglyceride, Gallensäuren, Blutgasanalyse
Stuhl: Calprotectin, pH-Wert, reduzierende Substanzen, Pankreaselastase, Hämoccult, pathologe Keime/Parasiten (z. B. Giardia lamblia), ggf. Fettaussscheidung, ggf. Alpha-1-Antitrypsin-Ausscheidung im Stuhl, ggf. Schweißtest
Eine Abdomensonografie sollte immer durchgeführt werden. Die detaillierte Diagnostik bei spezifischen einzelnen Erkrankungsbildern ist in den entsprechenden Unterkapiteln dargestellt.
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Dysphagie (Schluckstörung)
Störungen der Nahrungspassage durch den Ösophagus führen zur Dysphagie und zu Schluckproblemen. Gelegentlich werden Kinder primär notfallmäßig mit Nahrungsbolusingestion vorgestellt. Die zugrundeliegenden Erkrankungen können sein:
-
gastroösophagealer Reflux mit Ösophagitis
-
Achalasie
-
eosinophile Ösophagitis
Die Diagnostik der Refluxerkrankung wurde bereits im entsprechenden Kapitel dargestellt. Eine Achalasie ist mit einem Ösophagusbreischluck und/oder einer Ösphagusmanometrie zu erkennen. Eine eosinophile Ösophagitis kann nur endoskopisch/histologisch diagnostiziert werden. Bei jeder Bolusingestion bzw. Verdacht auf eosinophile Ösophagitis sollten daher Stufenbiopsien aus dem oberen Intestinaltrakt entnommen werden. Endoskopisch kann man charakteristische Schleimhautveränderungen sehen. Die Erkrankung ist wahrscheinlich, wenn mehr als 15 eosinophile Granulozyten pro HPF (high power field) in der Histologie gezählt werden. In ca. 60 % liegt eine Nahrungsmittelallergie vor, die allerdings meist nicht IgE-vermittelt ist, so dass kein spezifisches IgE nachgewiesen werden kann und auch Prick-Tests keinen weiteren Aufschluss erlauben.
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Bauchschmerzen
Einer der häufigsten Vorstellungsgründe beim Kinder- und Jugendarzt sind chronische bzw. rezidivierende Bauchschmerzen. Die möglichen Ursachen sind ausgesprochen vielfältig, so dass sich insbesondere bei diesen Beschwerden die Frage nach einem sinnvoll aufgebauten Diagnostikschema stellt, zumal die meisten Schmerzen funktioneller Natur sind. Eine immer weiterführende somatisch orientierte Diagnostik ist für den betroffenen Patienten und die Behandler frustrierend und führt eher zu einer Somatisierung und Schmerzverstärkung. Die Anamnese sollte gezielt nach Hinweisen für eine somatische Erkrankung fahnden, sehr sinnvoll ist die Verwendung eines standardisierten Bauchschmerzfragebogens, auf dem die sog. Red Flags, die auf eine Organerkrankung hinweisen, dezidiert adressiert werden ([Abb. 7]).




Basisdiagnostik bei Bauchschmerzen
BB, BSG, CRP, GOT, GPT, Bilirubin, LDH, Kreatinin, Harnstoff, IgA, IgG, IgE, Transglutaminase-IgA, Nahrungsmittelscreen Fx5 (Milcheiweiß, Hühnereiweiß, Kabeljau/Dorsch, Weizenmehl, Erdnuss, Sojabohne), Calprotectin im Stuhl, Urin-Status, abdominelle Sonografie
Organische Erkrankungen
Differenzialdiagnostisch müssen bei Bauchschmerzen folgende Erkrankungen bedacht werden:
-
Gastrointestinaltrakt:
-
gastroösophageale Refluxerkrankung
-
Gastritis, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni (z. B. Helicobacter pylori)
-
Zöliakie
-
chronisch entzündliche Darmerkrankung
-
chronische Cholecystitis
-
chronische Hepatitis
-
akute, chronische, rezidivierende Pankreatitis, pankreatische Pseudozyste
-
granulomatöse Enterokolitis
-
intestinale Tuberkulose
-
Zuckerintoleranzen, -malabsoprtionen (Laktose, Fruktose, Zuckerersatzstoffe)
-
parasitäre Erkrankungen (Giardia lamblia)
-
postoperative Briden
-
-
Nierensteine
-
Ovarialzyste
-
paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie
-
Pyelonephritis/Harnwegsinfekt
-
systemische Erkrankungen:
-
familiäres andioneurotisches Ödem
-
familiäres Mittelmeerfieber
-
Nahrungsmittelallergie
-
Schwermetallvergiftung (Blei, Arsen)
-
abdominelle Migräne
-
abdominelle IgA-Vaskulitis (Purpura Schönlein-Henoch)
-
Porphyrie
-
Sichelzellanämie
-
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Gastritis, Ulcus ventriuli, Ulcus duodeni
Zur Diagnostik dieser Erkrankungen ist eine Ösophagogastroduodenoskopie notwendig. Ein invasiver (mittels Endoskopie) oder nicht invasiver (monoklonaler Stuhlantigentest mit ELISA) diagnostischer Test auf eine Helicobacter-pylori-Infektion (HP-Infektion) sollte bei Kindern und Jugendlichen nur durchgeführt werden, wenn im Falle eines positiven Testergebnisses eine Therapie vorgesehen ist. Bei einer Endoskopie sind Biopsien aus Antrum- und Korpusbereich durchzuführen. Zusätzlich wird ein Urease-Schnelltest bzw. eine HP-Kultur eines Biopsats empfohlen.
Bei Kindern mit erstgradigen Verwandten mit Magenkarzinom kann die endoskopische Diagnostik erwogen werden, ebenso bei Kindern mit Eisenmangelanämie nach Ausschluss anderer Ursachen. Der HP-Antigennachweis im Serum ist ohne Wert, eine eventuelle Eradikation sollte mit einem Stuhlantigentest oder einem C13-Atemtest überprüft werden [8].
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Funktionelle Bauchschmerzen
Bezüglich der Diagnose bzw. Differenzialdiagnose funktioneller Bauchschmerzen sei auf die Rome-IV-Kriterien für das Kindes- und Jugendalter verwiesen [9]. Ein standardisierter Bauchschmerzfragebogen ([Abb. 7]) gibt wertvolle Hinweise bei funktionellen Beschwerden. Die Labordiagnostik sollte sich auf die Basisdiagnostik bei Bauchschmerzen beschränken.
Eine nicht indizierte endoskopische Diagnostik verstärkt bei funktionellen Bauchschmerzen die Somatisierungstendenz der Patienten bzw. Eltern und sollte daher vermieden werden.
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Gastrointestinale Blutung
Obere gastrointestinale Blutung
Ursachen einer oberen gastrointestinalen (GI) Blutung sind:
-
verschlucktes Blut aus dem Nasopharynxbereich
-
Mallory-Weiss-Syndrom bei heftigem Erbrechen
-
Ösophagitis
-
Ösophagus-/Fundusvarizenblutung (portale Hypertension?)
-
Ulcus/Gastritis
Die Anamnese sollte sorgfältig nach den genannten Krankheitsbildern fahnden, in der weiterführenden Diagnostik ist eine Ösophagogastroduodenoskopie mit ggf. Biopsiegewinnung notwendig.
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Hämatochezie, Meläna
Blutauflagerungen auf dem Stuhl bei jungen Säuglingen (1 – 6 Wochen) sind das typische Zeichen einer allergischen Proktokolitis. Die Kinder sind sonst gesund, werden oft gestillt, seltener mit Formula-Ernährung ernährt. In der Regel ist keine weiterführende Diagnostik notwendig. Wenn man kolonoskopiert, findet sich eine follikuläre Hyperplasie der Dickdarmschleimhaut. Bei hartnäckigen Fällen sollte sich die Mutter kuhmilchfrei ernähren (ggf. auch eiweiß-, mais- und sojafrei). Bei Persistenz kann auch eine Therapienahrung (wie bei der Kuhmilchallergie) erwogen werden. Nach einigen Wochen verliert sich die Symptomatik spontan, es kommt zu einer Toleranz. Man geht davon aus, dass eine relevante Menge an Kuhmilchprotein über die Muttermilch an die Kinder übergeht.
Eine Hämatochezie im Säuglingsalter bei einem sonst gesunden Kind ist meist auf eine kuhmilchproteininduzierte Proktokolitis zurückzuführen. Eine Koloskopie ist nicht notwendig.
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Analfissur, Anitis
Eine Hämatochezie verbunden mit schmerzhafter Defäkation und/oder Obstipationsneigung ist fast immer auf eine Analfissur zurückzuführen. Neben der Anamnese ist die klinische Untersuchung wichtig. Bei einem Analekzem kann eine Streptokokkenanitis vorliegen, die mittels Analabstrich diagnostiziert werden kann und systemisch mit Antibiotika behandelt werden muss.
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Juveniler Kolonpolyp
Bei sonst gesunden Kleinkindern und jungen Schulkindern mit rezidivierenden Hämatochezieepisoden (gelegentlich auch mit Schleimbeimengungen) ist die wahrscheinlichste Verdachtsdiagnose ein oder mehrere juvenile Kolonpolypen. Zur Diagnostik ist eine Ileokoloskopie notwendig. Bei Nachweis eines Polypen kann dieser bei der Untersuchung mittels Diathermieschlinge abgetragen werden.
Andere bzw. seltenere Differenzialdiagnosen sind eine akute Enteritis (Stuhlkultur, z. B. Salmonellen), eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, Gefäßdysplasien (Endoskopie, Histologie) oder ein Meckel-Divertikel (Meckelscan, Laparoskopie).
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Endoskopische Diagnostik
In [Tab. 4] und [Tab. 5] sind die Indikationen zur diagnostischen und therapeutischen Endoskopien, die Nichtindikationen und die Kontraindikationen dargestellt [10].
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Sinnlose, entbehrliche Diagnostik
Mikroökologische Stuhldiagnostik
Die Stuhldiagnostik beinhaltet teils sinnvolle Parameter (Calprotectin, Alpha-1-Antitrypsin-Ausscheidung), jedoch auch entbehrliche Diagnostik, wie die quantitative Keimanalyse. Es darf bezweifelt werden, dass die quantitative Keimanalyse mit der fast regelhaften Diagnose einer Dysbiose bei präanalytisch sehr unterschiedlich aufbewahrten Stuhlproben (Postversand, Lagerungsdauer, Temperaturbedingungen, etc.) sehr viel Sinn macht.
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Spezifische IgG-Diagnostik bei Nahrungsmittelallergien
Verzichtbar bzw. nicht indiziert sind auch folgende Diagnostiken:
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Bioresonanz
-
Histaminfreisetzungstest
-
Mediatorfreisetzungstest
-
endoskopische Allergenprovokation
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Pankreaserkrankungen
Pankreatitis
Bei Pankreaserkrankungen kann man primäre von sekundären Formen unterscheiden. Sie können akut, akut rezidivierend und chronisch auftreten. Klinische Symptom sind Oberbauchschmerzen, typischerweise gürtelförmig ausstrahlend, wobei die Schmerzcharakteristik im Kindesalter nicht immer klar erfassbar ist. In der Initialdiagnostik von Bauchschmerzen sollte eine Bestimmung der Lipase nicht fehlen. Sie ist der Amylase an Sensitivität und Spezifität überlegen. Die Höhe der Lipase muss nicht mit dem Schweregrad der Pankreatitis korrelieren. Bei Schüben der Erkrankung liegt eine akut rezidivierende bzw. chronische Pankreatitis vor. Langfristig kann eine chronische Pankreatitis mit einer erst exokrinen (Fettmalassimilation), später auch endokrinen Insuffizienz (Diabetes mellitus) des Organs einhergehen.
In der Anamnese muss nach familiären Pankreatitiden gefragt werden, nach Begleiterkrankungen des Patienten mit entsprechender Medikation, bei der Untersuchung sollten Hinweise für Infektionen berücksichtigt werden (Viren, Bakterien, Parasiten).
Basislabor bei Pankreatitis
Lipase, Blutbild, Blutgasanalyse, Blutsenkungsgeschwindigkeit, Elektrolyte, Triglyceride, Kreatinin, Harnstoff, GPT, LDH, CPR, Glukose
Die weitere Diagnostik (Labor, Molekulargenetik, Bildgebung) richtet sich nach Hinweisen auf die grundsätzlich differenzialdiagnostisch zu erwägenden Erkrankungen ([Tab. 6]) [11].
Erkrankung |
Differenzialdiagnose |
hereditär/idiopathisch (Molekulardiagnostik) |
|
systemische Erkrankungen |
|
metabolische Erkrankungen |
|
Medikamente/Toxine |
|
mechanisch/strukturelle Ursachen (Bildgebung) |
|
Infektionen |
|
Die exokrine Insuffizienz des Pankreas erfasst man mit der Bestimmung der Pankreaselastase und/oder der Stuhlfettbestimmung. Alle anderen Verfahren (z. B. Sekretin-Pankreozymin-Test) werden heute wegen fehlender Sensitivität bzw. Spezifität oder Unpraktikabilität kaum noch angewendet.
Die endokrine Insuffizienz mit einer prädiabetischen bzw. diabetischen Stoffwechsellage lässt sich diagnostizieren mit:
-
Glukoseausscheidung (U-Stix)
-
Glukosetagesprofil
-
oralem Glukosetoleranztest
-
Bestimmung des HBA1c (Langzeitparameter)
Eine akute Pankreatitis ist meist inflammatorisch-ödematös und mittelfristig selbstlimitierend. Es kann sich aber eine schwere nekrotisierende Pankreatitis entwickeln. Ein CRP > 12 mg/dl spricht für einen nekrotisierenden Verlauf. Dabei entstehende Abszedierungen lassen sich am besten durch die kontrastmittelverstärkte Computertomografie erkennen.
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Exokrine Pankreasinsuffizienz
Eine exokrine Pankreasinsuffizienz kann sich in der Folge einer chronischen Pankreatitis entwickeln, es gibt aber auch primäre Ursachen. Dazu zählen:
-
isolierte Enzymdefekte (Lipase, Kolipase, Trypsinogen und Alpha-Amylase)
-
Shwachman-Dimond-Syndrom (metaphysäre Dysplasie, Rippenverkürzung, Klinodaktylie, zyklische Neutropenie, mentale Retardierung, Infektanfälligkeit)
-
Pearson-Syndrom (multisystemische mitochondriale Zytopathie)
-
Johanson-Blizzard-Syndrom
Bezüglich der Einzelheiten sei auf die weiterführende Literatur verwiesen.
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Bildgebung
Die bildgebende Diagnostik umfasst die Sonografie, Endosonografie, die kontrastmittelverstärkte CT, die sekretinstimulierte MRCP (Magnetresonanzcholangiopankreatikografie, [Abb. 8]) und die ERCP (endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikografie).


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Leber- und Gallenwegserkrankungen
Neonatale Cholestase
Ein Neugeborenikterus ist häufig und erfordert in der Regel keine spezifische Diagnostik oder therapeutische Maßnahmen, wenn das Bilirubin unterhalb der Phototherapiegrenzen bleibt [12]. Bei einem Ikterus gravis (Bilirubin > 14 g/dl bzw. 238 µmol/l) oder einem Ikterus prolongatus (> 14 Tage bzw. > 21 Tage bei gestillten Kindern) sollte neben einem Morbus hämolyticus neonatorum auch an eine cholestatische Lebererkrankung gedacht werden und eine Differenzierung des Bilirubins vorgenommen werden (indirektes vs. direktes Bilirubin). Dies gilt insbesondere, wenn ein acholischer Stuhl vorliegt ([Abb. 9]). Der Entschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Integration der Stuhlfarbenkontrolle in die kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen (U3) ist ein wichtiger Schritt zur weiteren Sensibilisierung von niedergelassenen kinderärztlichen Kollegen. Unter dem folgenden Link ist eine Stuhlkarte für Eltern zu finden: https://www.aekn.de/fileadmin/media/Downloadcenter/Fortbildung/Stuhl-Karte_mhh_26_7_16.pdf (Zugriff am 22.2.2017).


Eine neonatale Cholestase hat eine Prävalenz von ca. 1:2500 [13]. Obwohl die Zahl der unterschiedlichen Krankheitsursachen sehr hoch ist, liegen etwa 95 % aller neonatalen Cholestasen nur 10 unterschiedliche Krankheiten zugrunde [14].
Bei der neonatalen Cholestase ist eine rasche Diagnostik erforderlich, da es Erkrankungen gibt, die nur bei schneller Einleitung einer spezifischen Therapie effektiv zu behandeln sind.
In [Abb. 10] ist der diagnostische Algorithmus zur neonatalen Cholestase dargestellt.


Ein neonataler Ikterus kann ein frühes Zeichen einer Lebererkrankung sein. Bei Bilirubin > 14 g/dl und/oder über den 14. Lebenstag (21. Tag bei gestillten Kindern) hinaus muss das direkte Bilirubin bestimmt werden.
Labordiagnostik
Die Labordiagnostik umfasst im 1. Schritt die in der Box genannten Parameter.
Basislabor bei neonataler Cholestase
Bestimmung des Ausmaßes der Cholestase (direktes Bilirubin, γGT, Gallensäuren), des Leberzellschadens (ALAT, ASAT, GLDH), der Leberfunktionsbeeinträchtigung (CHE, Albumin, Gerinnungsanalytik), sowie zusätzliche Parameter (Hämolyseparameter, Lipase, Glukose, Laktat, Ammoniak, CRP).
Im 2. Schritt folgt die Klärung der Genese der Cholestase. Entfärbte acholische Stühle sollten eine unverzügliche weiterführende Diagnostik nach sich ziehen. In [Tab. 7] sind die verschiedenen Ursachen einer neonatalen Cholestase mit den wichtigsten diagnostischen Markern dargestellt.
Die molekulargenetische Diagnostik der hereditären metabolischen Erkrankungen kann mittels Next Generation Sequencing durchgeführt werden.
Bei acholischen, entfärbten Stühlen im Neugeborenen- und jungen Säuglingsalter ist Eile geboten.
In der Diagnostik kommt der abdominellen Sonografie eine entscheidende Bedeutung zu. Die Gallengangsatresie zählt immerhin zu den häufigsten Ursachen einer neonatalen Cholestase ([Tab. 8]) [14]. Nur bei einer operativen Wiederherstellung des Gallenflusses in Form einer Hepatoportoenterostomie innerhalb dieses Zeitfensters kann das sonst unausweichliche Schicksal der Entwicklung einer Leberzirrhose mit terminalem Organversagen vermieden werden.
Diagnose |
Anteil in % |
idiopathische neonatale Hepatitis |
15 |
extrahepatische Gallengangsatresie |
25 – 30 |
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel |
7 – 10 |
familiäre Cholestase-Syndrome (Alagille, PFIC) |
22 – 25 |
bakterielle Sepsis |
2 |
CMV-Infektion |
3 – 5 |
andere Virusinfektionen |
1 |
Endokrinopathien (Hypothyreose, Hypopituitarismus) |
1 |
Galaktosämie |
1 |
Die Diagnose einer Gallengangsatresie darf nicht verzögert werden, da die chirurgische initiale Therapie einer Hepatoportoenterostomie nach Kasai bis spätestens zum 60. Lebenstag erfolgen muss.
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Bildgebung
Die bildgebende Diagnostik ist insbesondere bei der Gallengangsatresie wichtig. Die Sonografie bietet erste Hinweise mit der Darstellung einer rudimentären oder gar fehlenden Gallenblase, beeinträchtigter Kinetik der Gallenblase (keine postprandiale Entleerung), Darstellung eines echoreichen Bandes über der Pfortaderbifurkation (triangular cord sign), subkapsuläre arterielle Hypervaskluarisation der Leber, ist aber nicht ausreichend spezifisch.
Eine hepatobiliäre Szintigrafie hat eine hohe Sensitivität (98,7 %) bei jedoch auch nur geringer Spezifität (70,4 %) [16]. Sie ist zeitaufwändig und verzögert manchmal die Diagnostik, so dass sie seltener eingesetzt wird.
An erfahrenen Zentren gewinnt die endoskopisch retrograde Cholangiografie (ERC) zunehmend an Bedeutung. Die spätestens intraoperative Cholangiografie bei der operativen Exploration bestätigt die Diagnose. Die Leberbiopsie hat mit einer Spezifität von über 90 % weiterhin ihren festen Platz in der Differenzialdiagnostik.
Eine gezielte Überprüfung der häufigsten Ursachen einer neonatalen Cholestase ([Tab. 8]) ist der 1. Schritt im Sinne der rationalen Diagnostik. Dazu gehört:
-
Sonografie (obstruktive Gallenwegserkrankungen, Gallengangsatresie)
-
quantitative Alpha-1-Antitrypsin-Bestimmung, ggf. Genotypisierung bei niedrigen oder normalen Werten
-
syndromaler Habitus, γGT, Lipidelektrophorese, ggf. Genetik (Alagille-Syndrom, progressive familiäre intrahepatische Cholestase – PFIC)
-
Infektionsparameter, Virusserologie
-
TSH (Hypothyreose, Hypopituitarismus)
-
Neugeborenen-Screening, reduzierende Substanzen im Urin (Galaktosämie)
Erst im weiteren Verlauf sollte bei nicht zur Diagnose führenden Befunden die Diagnostik erweitert werden ([Tab. 6]). Eine Vielzahl der hereditären metabolischen Erkrankungen lassen sich mittlerweile mit einer Next-Generation-Sequencing-Methode (NGS) diagnostizieren. Dabei wird DNA aus einer EDTA-Probe (1 – 2 ml) extrahiert und anschließend Millionen DNA-Fragmente in einem einzigen Sequenzierlauf parallel sequenziert. Bis heute sind mehr als 120 Gene bekannt, die bei Hepatopathien eine Rolle spielen.
Zukünftig wird die Differenzialdiagnostik der neonatalen Cholestase mit den genetischen Untersuchungsmöglichkeiten sehr vereinfacht [17].
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Transaminasenerhöhung jenseits der Neugeborenenperiode
Grundsätzlich sind viele der genannten Erkrankungen auch in der Differenzialdiagnostik von Hepatopathien jenseits des Neugeborenenalters zu bedenken. In [Tab. 9] sind die unterschiedlichen möglichen Ursachen dargestellt.
Art |
Ursache |
infektiöse Hepatitis |
|
Gallenwegserkrankungen |
|
Autoimmunerkrankungen der Leber |
|
nicht alkoholische Steatosis hepatis (NASH) |
|
Stoffwechselerkrankungen |
|
Medikamente |
|
Toxine |
|
Perfusionsschäden |
|
Begleithepatopathie bei Systemerkrankungen |
|
Lebertumore |
|
Leberzirrhose unterschiedlicher Genese |
|
akutes Leberversagen unterschiedlicher Genese |
|
Zunächst erfolgt die Basisdiagnostik bzw. das Basislabor. Im Sinne eines rationalen Vorgehens sollte die ätiologische Primärdiagnostik zunächst auf die wichtigsten Erkrankungen fokussiert werden. Dazu gehören:
-
Sonografie (obstruktive Gallenwegserkrankungen, fokale Lebererkrankungen, Hinweise auf chronische Hepatopathie, nicht alkoholische Fettlebererkrankung – NAFLD)
-
Infektionsparameter, Virusserologien
-
Autoimmunparameter ANA, SLA, LKM1, LKM3, SMA, LC1, ANCA (Autoimmunhepatitis, autoimmun sklerosierende Cholangits, primär sklerosierende Cholangitis, „Overlap“-Syndrom, De-novo-Autoimmunhepatitis nach Lebertransplantation)
-
Kupfer, Coeruloplasmin, Kupferausscheidung im Urin (M. Wilson)
Im weiteren Verlauf sollte bei nicht zur Diagnose führenden Befunden die Diagnostik erweitert werden. Findet sich weder in der Anamnese noch der klinischen Untersuchung bzw. laborgestützten Diagnostik eine klare Ursache, ist eine Leberbiopsie angezeigt. Dabei sollte neben einer Standardhistologie auch eine Bestimmung des Kupfergehalts durchgeführt werden, um einen M. Wilson auszuschließen (Kupfer > 250 mg/g Trockengewicht).
-
Die Kindergastroenterologie lässt sich in verschiedene Organerkrankungen unterteilen: in Erkrankungen des Intestinaltrakts, des Pankreas, der Leber und der ableitenden Gallenwege.
-
Die diagnostischen Möglichkeiten der verschiedenen Erkrankungen sind vielfältig und erstrecken sich von der Molekulardiagnostik bis zur Endoskopie.
-
Eine unkritische Anwendung oder „Auftragserteilung“ an den Kindergastroenterologen sollte vermieden werden.
-
Sehr viel sinnvoller ist eine gestufte Diagnostik unter Kenntnis der wichtigen anamnestischen Daten, der klinischen Befunde und der möglichen und wahrscheinlichen Differenzialdiagnosen.
-
Es ist wichtig, die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht einer unnötigen Diagnostik zu unterwerfen, auch um bei den sehr häufigen funktionellen Störungen keiner weiteren Somatisierungstendenz Vorschub zu leisten.
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Über die Autoren
Burkhard Rodeck


Jahrgang 1954, Priv.-Doz. Dr. med., Promotion Heinrich-Heine Universität Düsseldorf. 1981–1982 Assistenzarzt Kinderchirurgische Klinik Klinikum Karlsruhe. 1982–1987 Facharztweiterbildung Kinder- und Jugendmedizin Medizinische Hochschule Hannover, Zusatzweiterbildung Kindergastroenterologie, Schwerpunkt Neonatologie. 1991–2000 Oberarzt am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Sektionsleiter Kindergastroenterologie und pädiatrische Lebertransplantationsmedizin, Habilitation an der Medizinischen Hochschule Hannover. 2001–2011 Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Marienhospital Osnabrück. Seit 2011 Chefarzt am Christlichen Kinderhospital Osnabrück.
Interessenkonflikt
Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
-
Literatur
- 1 Beninga MA, Nurko S, Faure C. et al. Childhood functional gastrointestinal disorders: neonate/toddler. Gastroenterology 2016; 150: 1443-1455
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Korrespondenzadresse
-
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