Der Klinikarzt 2016; 45(10): 497
DOI: 10.1055/s-0042-117964
Blickpunkt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Komplementärer Einsatz von höheren Pilzen

Medizinalpilze in der onkologischen Therapiebegleitung
Susanne Bihlmaier
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Korrespondenz

Dr. med. Susanne Bihlmaier
Ärztin für Naturheilverfahren, Chinesische Medizin und Komplementär-Onkologie mit Praxis in Tübingen und naturheilkundlicher Sprechstunde im Brustzentrum Coburg
Neue Str.16
72070 Tübingen

Publication History

Publication Date:
18 October 2016 (online)

 

Asiatische und südamerikanische Großpilze mit medizinischer Wirkung werden zunehmend komplementär-onkologisch eingesetzt. Eine Studienübersicht der Universidade de Brasilia zeigt, dass Medizinalpilze z. B. die Anzahl der Natürlichen Killerzellen während Chemotherapie erhöhen können, welche sonst typischerweise therapiebedingt erniedrigt sind [1].


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Pilze sind weder pflanzlich noch tierisch, sondern bilden ein eigenes Reich innerhalb der Eukaryonten. Das Wissen über roborierende Wirkungen von Großpilzen stammt aus der erfahrungsheilkundlichen Medizinaltee-Zubereitung der Traditionell Chinesischen Medizin, erstmalig dokumentiert 300 v. Chr. [2].

Inhaltsstoffe

Pharmakologisch relevante Inhaltsstoffe sind z. B. Beta-Glucane, Aminosäuren/Proteine (Lektine, Arginin, Ergothionein), Terpene und Triterpene, sowie neuerdings auch Ergosterol, die Vorstufe von Vitamin D, zudem relevante Mengen an Selen und Eisen. Beta-Glucane aktivieren Killerzellen und Makrophagen, sowie die Bereitstellung von Immunglobulinen und gelten als Biological Response Modifiers, ebenso Lektine, immunmodulierende und krebshemmende Eiweißbausteine. Die als Bitterstoffe vorkommenden Terpene zeigen eine entzündungs- und keimhemmende Wirkung [3].


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Komplementäre Indikationsbeispiele

Die Pharmakologin Prof. Ulrike Lindequist erstellte eine Übersicht zu den bekanntesten Medizinalpilzen. So gibt es z. B. für den Reishi „(…) mit unterschiedlicher Beweisstärke Belege für hepatoprotektive (…) Wirkung“. Komplementär-onkologisch wird Reishi daher eingesetzt bei hepatotoxischen Chemotherapien oder bei hepatischer Metastasierung.

Im Tiermodell reduziert Maitake durch Cisplatin verursachte Nebenwirkungen auf Knochenmark und Nieren [4]. Zusätzlich wird Maitakes Osteoblasten-stimulierende Wirkung [5] genützt bei ossärer Metastasierung oder um Aromatase-bedingte Osteoporose zu lindern.

Die proteingebundenen Polysaccharid-Komplexe (PSK) und Polysaccharopeptide (PSP) des Coriolus zeigen in vitro, in vivo und in klinischen Studien Antitumorwirkung [6, 7]. Im aktuellsten Review sieht das MD Anderson Cancer Center positive Effekte bezüglich Überlebenszeit [8].


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Nebenwirkungen, Kontraindikationen, Pharmakologie

Laut Poisindex® und/oder der American Herbal Product Association sind Medizinalpilze als unbedenklich, bzw. nicht-toxisch eingestuft. Nur innerhalb eines multimodalen Therapieregimes mit u. a. dem hochkonzentrierten Einzelstoff-Extrakt des ABM (Agaricus) bei sehr weit fortgeschrittenem Tumorstadium trat dreimalig eine toxische Leberinsuffizienz auf, 2 davon letal, 1 reversibel [9]. Eine hepatische Toxizität des ABM konnte später nicht mehr verifiziert werden [10] Dennoch sollte die Verabreichung von konzentrierten, isolierten Extrakten fachlich begleitet werden. Komplementär arbeitende Therapeuten nützen im Sinne des nihil nocere „das Beste aus beiden Medizinwelten“, sprich, Extrakt kombiniert mit Ganzpilzpulver. Dieser pragmatische Synergismus vereint empirische Sicherheit mit modernen wissenschaftlichen Wirkstoff-Nachweisen.

Bei Autoimmunerkrankungen gilt die generelle Vorsicht gegenüber allen immunmodulierenden Substanzen, ebenso bei Leukämien und Lymphomen.


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Fazit

Westlich-wissenschaftliche Forschungstätigkeit seit den 1970er-Jahren und Jahrtausendelange erfahrungsheilkundliche Anwendung in Asien zeigen positive Tendenzen eines Benefits beim komplementären Einsatz von höheren Pilzen. Die Datenlage, wie bei vielen Natur-basierten Therapeutika, lässt noch immer viele Fragen offen und impliziert eine umsichtige Indikationsstellung und Therapiebegleitung. Dann kann die komplementäre Verwendung von Medizinalpilzen (Kombination aus Ganzpilzpulver und Extrakt) eine nebenwirkungsarme Option in einem ganzheitlichen Konzept darstellen. Pilze können helfen, z. B. Chemotherapie-bedingte Infektanfälligkeit und Fatique zu lindern und die Rekonvaleszenz zu beschleunigen.

Quellennachweis bei der Autorin

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Abb. 1 Shitake.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Frau Anja Wolter, Terra Mundo
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Abb. 2 Maitake.

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  • Literatur

  • 1 Bianchi I. Moderne Mykotherapie 2009. Über Mykotroph ISBN 978-3-00-025880-0
  • 2 Bihlmaier S Tomatenrot + Drachengrün, Das Beste aus Ost und West, antikrebs-aktiv und abwehrstark Hädecke 5. Auflage 2016;
  • 3 Lindequist U, Rausch R, Füssel A, Hanssen P. Höhere Pilze in der traditionellen Heilkunde und Medizin. MMP 2/ 2010; 40-48

Korrespondenz

Dr. med. Susanne Bihlmaier
Ärztin für Naturheilverfahren, Chinesische Medizin und Komplementär-Onkologie mit Praxis in Tübingen und naturheilkundlicher Sprechstunde im Brustzentrum Coburg
Neue Str.16
72070 Tübingen

  • Literatur

  • 1 Bianchi I. Moderne Mykotherapie 2009. Über Mykotroph ISBN 978-3-00-025880-0
  • 2 Bihlmaier S Tomatenrot + Drachengrün, Das Beste aus Ost und West, antikrebs-aktiv und abwehrstark Hädecke 5. Auflage 2016;
  • 3 Lindequist U, Rausch R, Füssel A, Hanssen P. Höhere Pilze in der traditionellen Heilkunde und Medizin. MMP 2/ 2010; 40-48

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Abb. 1 Shitake.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Frau Anja Wolter, Terra Mundo
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Abb. 2 Maitake.