Rehabilitation (Stuttg) 2016; 55(06): 395-410
DOI: 10.1055/s-0042-118307
Fort- und Weiterbildung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rehabilitation bei depressiven Störungen[*]

Rehabilitation in Affective Disorders
V. Köllner
1   Abteilung Psychosomatik und Verhaltenstherapie; Rehazentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung, Teltow
2   Universitätsmedizin Charité, Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation
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Publication Date:
06 December 2016 (online)

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Kernaussagen
  • Depressive Störungen sind weltweit der zweitgrößte Verursacher gesundheitsbedingter Einschränkungen. Die WHO schätzt, dass durch diese Erkrankungsgruppe von 2011 – 2030 ökonomische Schäden in Höhe von 5360 Milliarden $ entstehen werden. Die 12-Monats-Prävalenz depressiver Störungen in Deutschland liegt bei knapp 15 %, d. h. etwa jede(r) Siebte wird im Laufe eines Jahres betroffen sein.

  • Auch wenn einzelne depressive Episoden gut behandelbar sind und sich meist im Laufe von 12 Wochen zurückbilden, handelt es sich doch um eine Erkrankung mit einem hohen Rezidiv- und Chronifizierungsrisiko. Mehr als jede 5. Episode dauert > 1 Jahr.

  • Eine depressive Symptomatik kann durch eine Vielzahl von Erkrankungen ausgelöst sein: (hirn)organische Störungen, Suchterkrankungen, Schlafapnoe, Anpassungsstörungen, Dysthymie, einzelne depressive Episoden bis hin zur bipolaren Störung mit schnellem Phasenwechsel. Da diese Störungsbilder unterschiedliche Behandlungsstrategien erfordern, benötigt eine psychosomatische Rehabilitationsklinik ein hohes Maß an diagnostischer Kompetenz.

  • Gerade chronifizierte Störungsbilder führen zu komplexen Einschränkungen in Aktivität und Teilhabe, die systematisch und individuell zu erfassen sind (z. B. mit dem Mini-ICF). An der Überwindung dieser Einschränkungen orientieren sich die Rehabilitationsziele.

  • In den letzten Jahren wurden gerade für die Rehabilitation vielversprechende neue psychotherapeutische Konzepte entwickelt (u. a. CBASP, Verhaltensaktivierung, ACT), was in psychosomatischen Reha-Kliniken eine hohe therapeutische Kompetenz und ständige Weiterentwicklung fordert.

  • Weil sie häufig als Komorbidität mit negativen Auswirkungen auf den Verlauf somatischer Erkrankungen – bis hin zu erhöhter Mortalität – auftreten, kommt der Erkennung dieser Störungsbilder auch in der somatischen Rehabilitation ein hoher Stellenwert zu.

  • Das therapeutische Milieu einer Reha-Klinik wirkt durch Alltagsstrukturierung sowie Aktivierung und Förderung sozialer Kontakte bereits antidepressiv. Hinzu kommt neben dem Effekt der Psychotherapie und einer Medikationsoptimierung regelmäßiges Ausdauertraining, was einen sehr guten eigenen antidepressiven Effekt hat.

  • Ein erheblicher Anteil von Patienten mit depressiven Störungen benötigt MBOR-Interventionen, die gut in das psychotherapeutische Gesamtkonzept integriert sein müssen.

* Der Beitrag basiert auf einem Vortrag, der beim 25. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium 2016 in Aachen gehalten wurde.