Diabetes aktuell 2016; 14(07): 355
DOI: 10.1055/s-0042-118761
Forum der Industrie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Postprandiale Hyperglykämien

Wenn die Plasmaglukose nach dem Essen entgleist
Michael Koczorek
1   Bremen
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Publication Date:
25 November 2016 (online)

 

Auch unter modernen Mahlzeiteninsulinen kann es bei Menschen mit Diabetes zu Blutzuckerspitzen nach dem Essen kommen - und dies nicht zu selten, wie eine aktuelle webbasierte Umfrage zeigte [1]. Diese postprandialen Hyperglykämien (PPH) sind eine Herausforderung für das Diabetesmanagement. Denn sie können in einer unzureichenden glykämischen Einstellung und damit in diabetesbezogenen Folgeerkrankungen resultieren [2] [6].

Neben den langfristigen Komplikationen könnten sich postprandiale Hyperglykämien auch kurzfristig auf den Alltag der Betroffenen auswirken. Diesen direkten Einfluss, der bislang unzureichend untersucht war, zeigte jetzt eine kürzlich veröffentlichte Arbeit [1]. Hier befragten Wissenschaftler 906 erwachsene Patienten mit Typ-1- (39 %) und Typ-2-Diabetes (61 %), die ein kurzwirksames Insulin zu den Mahlzeiten spritzten.

Sozial- und Arbeitsleben beeinträchtigt

Fast zwei Drittel der Teilnehmer berichteten von einer PPH-Episode in der letzten Woche. „30 % gaben sogar 3 oder mehr Episoden in der vergangenen Woche an“, so Dr. Andreas Liebl, Bad Heilbrunn. Erschöpfung, Abgeschlagenheit oder Müdigkeit, Zittern oder Schwitzen könnten dann die Lebensqualität reduzieren. Ursache für das Ereignis sind nach Ansicht der Betroffenen oft Fehlkalkulationen: 30 % berichteten, sie hätten „die „Bolusdosis für weniger Essen kalkuliert“. Etwa jeder Fünfte hatte die „Bolusdosis vergessen“.

Um den entgleisten Blutzucker zu korrigieren, spritzten insgesamt 62 % der Patienten nach einem Blutzuckertest Bolusinsulin nach. „Immerhin 12 % verabreichten sich aber eine Bolusdosis, ohne den Blutzucker zu überprüfen“, konstatierte Liebl.

Besonders belastend waren postprandiale Hyperglykämien der Untersuchung zufolge für berufstätige Menschen mit Diabetes ([Abb. 1]). Bei der Arbeit machten viele der befragten Betroffenen vermehrt Fehler, mussten häufiger Pausen einlegen, Termine verschieben oder absagen. Mehr als ein Viertel verpasste Arbeitszeit durch einen verspäteten Beginn oder ein vorzeitiges Beenden ihrer Arbeit und jeder Zehnte fehlte einen kompletten Arbeitstag.

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Abb. 1 Mögliche Folgen postprandialer Hyperglykämien.

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Gesundheitsressourcen häufiger genutzt

Darüber hinaus könnte zwischen häufigen postprandialen Hyperglykämien und diabetesbedingten Komplikationen eine Korrelation bestehen [1]. Während bei Patienten, die über eine PPH-Episode in der letzten Woche berichteten, in 72 % der Fälle mindestens eine diabetische Folgeerkrankung diagnostiziert wurde, wurden nur bei 55 % der Menschen mit Diabetes ohne postprandiale Hyperglykämien in der vergangenen Woche Augenprobleme, Nervenschädigungen oder Bluthochdruck festgestellt (p < 0,001).

Häufige postprandiale Hyperglykämien führten zudem dazu, dass betroffene Patienten signifikant häufiger ihren Blutzucker maßen und öfter Insulin nachspritzen mussten. Die Anzahl der Arztbesuche sowie der Kontakte per Telefon oder Mail war deutlich höher als bei Patienten ohne postprandiale Hyperglykämie in der letzten Woche. Patienten mit PPH-Episoden haben den Ergebnissen von Brod und Kollegen zufolge häufiger Gesundheitsressourcen in Anspruch genommen, so Liebl: „Das kann nicht nur zu einer hohen Belastung der behandelnden Ärzte in der täglichen Praxis führen, sondern könnte auch ökonomische Auswirkungen auf das Gesundheitssystem haben.“ Die Ergebnisse der Umfrage unterstreichen den Bedarf an pharmakologischen Innovationen, insbesondere für insulinbehandelte Patienten.

Information

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz.

Quelle: Pressekonferenz „Wenn Essen es auf die Spitze treibt: Warum die postprandiale Blutzuckereinstellung so wichtig ist“ im Rahmen des EASD-Kongresses 2016 am 13.09.2016 in München.

Michael Koczorek ist freier Journalist.


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Abb. 1 Mögliche Folgen postprandialer Hyperglykämien.