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DOI: 10.1055/s-0042-119086
Katastrophenmedizin – „Regierungen werden nur noch zertifizierte Mediziner-teams ins Land lassen.“
Publication History
Publication Date:
14 December 2016 (online)
Johan von Schreeb, einer der Mitentwickler neuer Standards für die Katastrophenmedizin weltweit erklärt, warum die medizinische Hilfe bei Katastrophen mehr Evidenz braucht – und wie das zu leisten ist.
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? Sie gelten als einer der Architekten neuer Standards für die Katastrophenmedizin. Genauer gesagt, für jene Ärzteteams, die aus Europa und anderen wohlhabenden Regionen in arme Gegenden einfliegen, um dort nach Erdbeben oder Tsunamis zu helfen? Ist das richtig?
Nicht ganz, denn dieses Setting wird in Zukunft eher seltener werden.
? Wie, keine Hilfe aus Industrieländern für arme Länder im Süden nach Erdbeben oder Tsunamis?
Doch, so lange es die richtige Hilfe ist. Und Teil unseres Konzepts ist aber auch, dass mehr und mehr der medizinischen Nothilfe aus einem betroffenen Land oder Nachbarländern in der Region kommen soll. Wir haben ja bei unserem Konzept jahrelang zunächst von neuen Standards für „Foreign Medical Teams (FMT) gesprochen, haben aber letztes Jahr den Namen in Emergency Medical Teams (EMT) geändert, um keine Differenzierung mehr zwischen nationalen und internationalen Teams zu haben. FMT gemahnte uns zu sehr an koloniale Verhältnisse. Es geht uns um generelle Standards für Teams, die medizinische Hilfe bei Katastrophen leisten wollen.
? Wann hat die Diskussion um neue Standards begonnen?
Der Beginn geht auf ein Treffen 2009 in Havanna auf Kuba zurück, das einige Kollegen von PAHO, der Pan America Health Organisation und ich veranstaltet hatten. Wir wollten neue Spielregeln finden für die Mediziner, die nach Katastrophen in andere Regionen und Länder fliegen, um dort zu helfen. Das eigentliche Konzept entstand dann auf dem Folge-Meeting in Havanna im Dezember 2010.
? Also nach dem Erdbeben im Januar 2010 in Haiti, das als Wendepunkt in der Suche nach besserer Koordination und Evidenz der Katastrophenmedizin gilt – einfach weil die Hilfe furchtbar schlecht koordiniert war.
Die sehr negativen Erfahrungen von Haiti hatten einen großen Effekt, alle sagten, das kann so nicht weiter gehen. Aber das Problem war lange vor Haiti 2010 klar. Wir hatten zum Beispiel schon 2008 ein Paper dazu veröffentlicht, eine Auswertung von Daten über medizinische Hilfe nach Erdbeben in Bam, Iran 2003, in Haiti 2004, in Aceh, Indonesien nach dem Tsunami 2004 und in Pakistan 2005. Das Ergebnis war, dass wir kaum Daten zu den Einsätzen finden konnten. Was wir an Daten hatten, reichte für die Feststellung, dass keines der untersuchten Teams die wichtigsten Kriterien der WHO/PAHO für solche Einsätze erfüllte [1]. So sollen die Teams 48 Stunden nach einer Naturkatastrophe (Sudden Onset Disaster, (SOD)) vor Ort einsatzbereit sein, doch von 43 Teams, für die wir überhaupt Daten fanden, waren die ersten frühestens nach 3 Tagen, manche erst nach 8 Tagen vor Ort.
? Aber lieber spät als gar nicht. Helfen bleibt doch zunächst mal eine gute Idee, oder nicht?
Helfen ist eine sehr gute Idee, aber der Wille zu helfen alleine, reicht nicht. Man braucht Herz und Verstand. Bislang hat, wenn man so will, die Hilfe von Herzen die Internationale Katastrophenhilfe getriggert. Die Suche nach Evidenz, der Ansatz, seine Arbeit auch in einen größeren Kontext zu stellen, dass man Standards hat. all das ist bislang zu wenig bearbeitet worden.
? Sie selber beanstanden in Ihren Publikationen, dass die internationale Katastrophenhilfe bis heute immer noch zu sehr in den Händen von Laien liegt – eine Szene von zu vielen Freiwilligen?
Das war lange Zeit so, ja. So wie die Medizin generell zunehmend evidenzbasiert sein soll, glaube ich, dass sich dies jetzt auch in der Disaster Medicine etablieren muss und wird.
? Und dafür jetzt die Standards für EMT? Was heißt es, ein Emergency Medical Team zu sein?
Dafür muss man eine Reihe an Kriterien erfüllen und sich das in einem Prüfprozess von der WHO bestätigen lassen. Die WHO hat heute ein spezielles EMT-Sekretariat in Genf, wo sich Interessenten informieren können und wo der Verifikationsprozess der Bewerberteams gesteuert wird.
? Ist EMT damit ein Zertifikat?
Wenn Sie so wollen, ja. Es ist eine Bestätigung, dass sie einen Prüfprozess erfolgreich durchlaufen haben. Nur Teams, die den Verifikationsprozess erfolgreich durchlaufen, werden später im EMT-Register geführt. Die Teilnahme am Prüfprozess ist dabei kostenlos.
? Wie lange dauert es, bis man als EMT registriert ist?
Man sollte mit mindestens einem Jahr rechnen, bis man das Zertifikat erhält. Die Begutachtung wird auch später regelmäßig wiederholt.
? Wie funktioniert der Prüfprozess?
Als erstes nehmen Sie unsere Standards, die Classification and Minimum Standards for Foreign Medical Teams in Sudden Onset Disasters [2] und überlegen, in welcher der 3 Kategorien sie sich einordnen wollen.
? Was für Kategorien?
Es gibt 3 verschiedene Kategorien für die Teams, EMT1 bis EMT3. EMT1 bedeutet vor allem, dass man in der Lage sein muss, Patienten ambulant zu betreuen („Outpatient-Care“). Es geht um Behandlungen, bei denen der Patient noch am gleichen Tag wieder nach Hause gehen kann. Als EMT1-Team sollte man in der Lage sein, 100 Patienten-Konsultationen am Tag abzuarbeiten.
? Welche Konsultationen sind das? Chirurgie ist nicht dabei?
Nein, als EMT1 leisten sie keine operativen Eingriffe. Ein EMT1-Team leistet die Basisversorgung. Größere Operationen sind Sache für EMT2 und die besonders anspruchsvollen wiederum Sache für EMT3. Ein EMT1 muss einen 8-Stunden-Service anbieten, EMT2 und EMT3 müssen rund um die Uhr Versorgung bieten können.EMT2 heißt, dass man Betten zur Verfügung hat, in denen Patienten über Nacht bleiben können, um sie zu beobachten. Und EMT3 schließlich sind in etwa wie Feldlazarette-Teams, die mit schweren und sehr kritischen Krankheiten und Verletzungen umgehen können, zum Beispiel mit Frakturen, die mit einer Knochenmarknagelung versorgt werden müssen. Ein EMT1 sollte Patienten bei Bedarf an ein EMT2 oder ein EMT3 weiter überweisen. Die Teams sollen derart zusammenarbeiten.
? Das heißt, alle 3 Kategorien, alle 3 Arten von EMT, müssen nach einer Katastrophe vor Ort sein?
So ist es.
? Sie gehen davon aus, dass Teams aus Medizinern, Pflegern, Technikern schon existieren und sich gemeinsam für den Prüfprozess anmelden?
Ja. Sie erhalten dann einen Mentor, der bei und mit ihnen prüft, ob sie alle Standards erfüllen und wo sie eventuell noch verbessern müssen. Ich bin selber Mentor für einige Teams, die sich gerade prüfen lassen.
? Damit auch ein Kontrolleur, der am Ende darüber entscheidet – OK, sie werden als EMT1 und Sie als EMT2 in das Register aufgenommen?
Das ist richtig.
? Gibt es eine Mindestzahl an Ärzten, die ein Team vorhalten muss?
Nein, das steht nicht im Vordergrund. Entscheidend ist die Anzahl an Leistungen, die Sie anbieten können. Mit welchem Personal Sie das leisten, mit wie vielen Ärzten und Pflegern ist sekundär. Zu den Leistungen zählt im Übrigen bei allen Kategorien zwingend auch, dass Sie präzise Patientendaten erheben, speichern und die Daten mit anderen NGOs, eventuell der WHO, und vor allem mit den Regierungsstellen und Behörden in einem betroffenen Land teilen werden.
? Das Führen von Patientenakten ist bislang nicht Standard bei solchen Einsätzen?
Nein, und es muss integraler Teil der Arbeit unter Katastrophenbedingungen werden. Denn nur damit haben wir in Zukunft auch die Chance, anhand der Daten wenigstens im Nachhinein zu beurteilen, ob eine Behandlung richtig war oder vielleicht ganz falsch.
? Ein Beispiel?
Das gilt zum Beispiel für die Abwägung vor der Entscheidung, ob eine Amputation von Gliedmaßen bei schwer verletzten Erdbebenopfern erfolgt oder nicht.
? Da gab es gerade nach Haiti 2010 Vorwürfe, dass viel zu schnell und oft amputiert worden sei.
Ja, vor allem mein britischer Kollege Anthony Redmond argumentiert in diese Richtung [3], [4]. Auch wenn es im Nachhinein immer schwierig ist, so etwas zu beurteilen.In Haiti 2010 wurde aber auf jeden Fall eine Vielzahl an Amputation durchgeführt, ohne dass es zuvor überhaupt eine Dokumentation des Befunds gab. Die Entscheidungen fielen zu oft unter hohem Druck. Das muss jetzt anders sein. Um das Risiko für Fehlentscheidungen wenigstens bestmöglich zu minimieren, ist daher jetzt beim EMT-Konzept klar festgelegt, dass man vor der Entscheidung für oder gegen eine Amputation eine umfassende Dokumentation anlegt und ein Scoring macht. Auch müssen mindestens 2 Spezialisten die Entscheidung unabhängig treffen. Mitarbeiter in einem EMT3 müssen diese Regeln kennen und danach arbeiten.
? Wie viele EMTs gibt es bereits?
Momentan ist es ein halbes Dutzend, vor allem Teams aus Russland und China, Japan. Sie finden das Register online bei der WHO [4].
? Das sind wenige. Im Zweifel werden nach einer Katastrophe sicher mehre solcher Teams benötigt?
Ja, und es werden jetzt sicher rasch mehr werden. Ich denke, derzeit sind 40 bis 50 EMTs in der Pipeline – durchlaufen gerade das Verfahren. Wenn am Ende 100 Teams registriert sind, wäre das vermutlich eine gute Ausgangsbasis.
? Schön und gut, aber wie wollen Sie mit solchen Teams die Qualität der Hilfe nach Katastrophen verbessern? Im Zweifel fährt womöglich im Chaos doch wieder jeder vor Ort, auch wenn er kein EMT-Siegel hat, und agiert aus freien Stücken?
Die fundamentale Idee beim EMT-Konzept ist, dass die Regierung eines betroffenen Landes erklärt, wieviele EMTs sie jeweils braucht und dass sie sich dann die Teams ins Land holt, die sie haben will.
? Warum sollte sie nur auf Teams zurückgreifen, die EMT sind?
Wir setzen darauf, dass eine Regierung qualifizierte Helfer haben will. Die Koordination der Hilfe nach einer Katastrophe ist ganz klar Sache der Regierung eines Landes, sie bestimmt und entscheidet. Und die Idee ist es, dass sich Hilfsteams nicht mehr einfach aus freien Stücken in Bewegung setzen, sondern dass die Regierung eines betroffenen Landes sie anfordert oder eben auch nicht.
? Die Regierung wird festlegen, welche Teams sie haben will?
Exakt. Für die richtige Hilfe ist es unmittelbar nach einer Katastrophe ganz wichtig, den Hilfebedarf genau einzuschätzen. Nach einem Erdbeben stehen Verletzungen der Extremitäten („Limb Injuries“) im Vordergrund – genauso wie die Sicherstellung der normalen Gesundheitsversorgung. Bei einem Tsunami hingegen, so hart wie es ist, gibt es viel weniger Verletzte, bei dieser Katastrophe sterben die Menschen entweder gleich oder sie überleben mit vergleichsweise geringen Verletzungen. Den medizinischen Bedarf abschätzen können am besten aber die, die vor Ort sind und das bedeutet, dass vorrangig die lokalen Behörden und Regierungsstellen definieren müssen, wie viele der unterschiedlichen EMT-Teams benötigt werden. Motto: Ich brauche 20 EMT1, 5 EMT2 und 1 EWMT3-Team.
? Und wie bekommt die Regierung dann Kontakt zu den EMTs?
Das soll online gehen. Ein Vorbild ist das Virtual OSOCC – ein On-Site-Operations Coordination Centre, das die UN-Gremien OCHA (Office fort he Coordination of Humanitarian Affairs der UN) und INSARAG (International Search and Rescue Advisory Group) nach Katastrophen bei Bedarf einrichten und das sich über das Internet koordiniert. Eine Internetseite Virtual OSOCC (On-Site Operations Coordination Centre) dient dabei der direkten Koordination der Hilfe und der Kommunikation zwischen Helfern und Regierungsstellen (https://vosocc.unocha.org/). Auf solch einer Seite könnte eine Regierung in Zukunft auch einstellen, welche EMTs sie benötigt und so direkt einzelne EMT anfragen. Sie kann dann auch auf einen Blick erkennen, welche EMTs in der Nähe, in Nachbarländern zur Verfügung stehen.
? Und diese vorrangig anfordern?
Ja sicher, denn diese Teams wären dann viel schneller vor Ort.
? Die Idee, Mediziner aus Deutschland im Notfall zum Beispiel auch auf die Philippinen zu fliegen, kommt so an ihr Ende?
Ich denke ja. Für die generelle medizinische Versorgung wird es das in Zukunft kaum noch geben. Was wir in den nächsten 10 Jahren erleben werden, ist die Entwicklung einer Regionalen Response. Etliche Middle-Income-Countries wie Nepal oder die Philippinen sind heute selber ziemlich gut vorbereitet. Die senden heute im Bedarfsfall eigene Teams in andere Regionen, als dass sie von außen noch Teams benötigen.In der letzten Katastrophe 2015 in Ecuador spielten die Nachbarländer bereits eine große Rolle, sie reagierten sehr schnell. Hinzu kommt, dass der gemeinsame kulturelle und oft auch sprachliche Background in einer Region die Zusammenarbeit viel einfacher macht.Vielleicht wird 2 Wochen nach dem Unglück ein versierter orthopädischer Chirurg gesucht, der spezielle Operationen leisten kann. Da wäre dann medizinische Hilfe durch Spezialisten auch von weiter weg, etwa aus Europa, absolut sinnvoll.
? Wer gar keinen EMT-Status hat und sich ohne Aufforderung durch Regierung oder WHO in Bewegung setzt – in der guten Absicht, helfen zu wollen.?
. läuft ein hohes Risiko, nicht zum Zuge zu kommen.
? Und – klappt das, die Standards sind ja bereits seit 2013 veröffentlicht?
Das zu beurteilen ist trotzdem noch zu früh, denn die ersten zertifizierten Teams gibt es ja erst seit kurzem. Aber das Konzept spricht sich langsam herum. Und ich sehe Anhaltspunkte für Verbesserungen – etwa vergangenes Jahr in Nepal. Auch wenn die nepalesischen Autoritäten 2015 noch nicht viel über EMT wussten, wurde Ian Norton, der Leiter des WHO-EMT-Sekretariats in Genf sehr schnell nach Kathmandu gebracht und seine Leute haben dort früh klassifiziert, wer da alles kam, welchen Service wer leisten konnte und wer vielleicht besser sofort wieder umdreht. Da gab es zum Beispiel wieder so ein Team, das gar keinen Autoklaven dabei hatte, seine Instrumente nur in Alkohol steckte. Die Reaktion der WHO-Leute und des nepalesischen Gesundheitsministeriums kam prompt: Leute, ihr müsst hier raus, ihr packt ein, derart könnt ihr nicht in unserem Land arbeiten. Ich denke, das war ein sehr starkes Signal.Auch die Teams, die einreisen dürfen, werden sich daran gewöhnen, dass sie nicht mehr selber irgendwo anfangen mit ihrer Arbeit, sie werden von den Behörden ihren Einsatzbereich zugewiesen bekommen.
? Was ist mit Organisationen wie dem Internationalen Roten Kreuz oder NGOs à la MSF, die weltweit gut vernetzt sind und nach Meinung vieler Experten ordentliche Arbeit leisten. Einmal angenommen, dass sie sich nicht der Verifizierung durch die WHO stellen und kein EMT-Siegel haben? Dürfen die auch nicht rein ins Land?
Bei Organisationen, die eh schon viel Erfahrungen und Professionalität haben, ist die EMT-Verifizierung sicherlich kein Problem. Aber den Prozess durchlaufen müssen sie, das steht für mich außer Frage.Aktuell beobachten wir, dass viele sogenannte SAR-Teams sich als EMT zertifizieren lassen wollen.
? SAR – Search and Rescue – jener Aspekt von Katastrophenhilfe, bei dem es vorrangig darum geht, Verschüttete zu bergen, so lange sie noch leben?
Ja, die Teams, die mit Hunden und Maschinen nach Überlebenden suchen.
? Für die SAR-Teams gibt es aber doch längst einen eigenen Validierung- und Verifikationsprozess.
So ist es, das wird koordiniert von INSARAG (International Search and Rescue Advisory Group, http://www.insarag.org/) Aber die SAR-Leute haben verstanden, dass SAR alleine oft eine eher nutzlose Aktivität ist.
? Was sonst bitte soll helfen, wenn ein Haus zusammen gestürzt ist und noch Lebende unter den Verschütteten sind?
Ja, aber für SAR gilt mindestens so wie für EMT, dass sie unbedingt schon in der Region sein müssen, wenn sie noch rechtzeitig vor Ort sein wollen, um Verschüttete lebend zu bergen. De Facto werden durch diese Teams, zumal wenn sie aus dem Ausland kommen, kaum Menschenleben gerettet. Wenn Sie als SAR-Team von Europa erst auf die Philippinen fliegen müssen, können sie dort vielleicht helfen, die Gegend aufzuräumen, viel mehr aber nicht. Daher wollen SAR-Gruppen hierzulande sich ja jetzt auch EMT verifizieren lassen, damit ihr Einsatz sinnvoll ist.
? Die neuen Spielregeln werden sicher manchen vor den Kopf stoßen, der gerne helfen möchte, jetzt aber nicht fahren soll – wie ist das zu vermitteln?
Wir müssen da sicher umlernen. Wir sind zu oft noch besessen von dieser Idee, dass wir mit Trauma-Care möglichst viele Leben retten. Aber darum geht es primär nicht. Medizinische Hilfe nach einer Katastrophe ist ganz wichtig. Aber es geht, zumal wenn man womöglich erst Tage später am Ort nach einem Erdbeben eintrifft darum, den schwer Verletzten ihre Gliedmaßen zu erhalten, es geht darum, Patienten mit kollabiertem Kreislauf Ersatzstoffe zu infundieren, es geht um Geburtshilfe, um ganz viel Basisversorgung.Wir denken immer noch viel zu sehr, dass wir nur schnell dort sein müssen, um schnell zu helfen. und dabei schreibt keiner Patientenakten und keiner überlegt und sieht später anhand der Daten nach, welche Rolle wir denn tatsächlich spielen und was wir besser machen müssen.
? Ein Follow-Up?
Ist absolut nötig. Wie geht es den Patienten Jahre später? Welche Behandlungen haben geholfen, welche nicht? Fand überhaupt die nötige Anschlussbehandlung statt, gab es eine Physiotherapie? Ist nach einer Amputation sichergestellt, dass später jemand eine Prothese anpasst? Diese Vorstellung, da mal eben in ein fremdes Land reinzustürzen und schnell die Situation zu fixieren, die muss in einen viel größeren Kontext eingebettet werden.
? Gibt es einen international akzeptierten Standard, was EMTs an Daten von ihren Patienten erheben und wie die archiviert werden sollen?
Ja, der EMT-Prozess wird sicherstellen, dass alle Teams ihr Template haben, welche Daten zu erheben sind. Das wird aller Wahrscheinlichkeit ein elektronisches Format sein.
? Trügt der Eindruck, dass das EMT-Konzept in Wahrheit noch ziemlich unbekannt ist?
Unterschiedlich – ich fand es 2013 sehr eindrucksvoll, wie schnell sich unsere neuen Standards herumgesprochen haben. Sie wurden sehr positiv vor allem von Low-Income-Countries aufgenommen. Dass uns Leute dort sagten, das ist genau das, was wir wollen, wir möchten, dass die, die uns helfen, derart zertifiziert sind.Einige Kritiker monieren, dass die Standards nur neue Bürokratie in die Katastrophenmedizin bringen. Darauf müssen wir natürlich eingehen. Aber es muss und es wird aufhören, dass da Leute unterwegs sind, die gar keine Ärzte sind oder die zumindest nicht qualifiziert sind und am Ende Hilfe eher blockieren.
Interview und Übersetzung aus dem Englischen: Bernhard Epping
WHO zu EMT: http://www.who.int/hac/techguidance/preparedness/emergency_medical_teams/en/
Johan von Schreeb: http://ki.se/en/people/johvon
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Literatur
- 1 Von Schreeb J, Karlsson N, Rosling H. Clinic entrance interviews: a new method to assess needs after a sudden impact disaster. Open Med 2007; 3: e153-e159
- 2 https://extranet.who.int/emt/content/classification-and-minimum-standards-foreign-medical-teams-sudden-onset-disasters
- 3 Redmond AD, Mardel S, Taithe B et al. A qualitative and quantitative study of the surgical and rehabilitation response to the earthquake in Haiti, January 2010. Prehosp Disaster Med 2011; 26: 449-456
- 4 http://www.theaustralian.com.au/news/world/disaster-tourist-docs-too-quick-to-amputate/story-fnb64oi6-1226656514148?nk = 7891b7601ee46d1188e967c154441770–1475239955
- 5 https://extranet.who.int/emt/Classified%20 Teams
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Literatur
- 1 Von Schreeb J, Karlsson N, Rosling H. Clinic entrance interviews: a new method to assess needs after a sudden impact disaster. Open Med 2007; 3: e153-e159
- 2 https://extranet.who.int/emt/content/classification-and-minimum-standards-foreign-medical-teams-sudden-onset-disasters
- 3 Redmond AD, Mardel S, Taithe B et al. A qualitative and quantitative study of the surgical and rehabilitation response to the earthquake in Haiti, January 2010. Prehosp Disaster Med 2011; 26: 449-456
- 4 http://www.theaustralian.com.au/news/world/disaster-tourist-docs-too-quick-to-amputate/story-fnb64oi6-1226656514148?nk = 7891b7601ee46d1188e967c154441770–1475239955
- 5 https://extranet.who.int/emt/Classified%20 Teams

