Schlüsselwörter polyzystisches Ovarsyndrom - gestörte Glukosetoleranz - C-Peptid - Insulin
Einleitung
Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist die häufigste endokrinologische Ursache für Infertilität, Zyklusstörungen und Hirsutismus bei Frauen im gebärfähigen Alter [1 ]. Hyperandrogenämie sowie Insulinresistenz mit einer kompensatorischen Hyperinsulinämie, die sich zu einem Diabetes mellitus (DM) Typ 2 entwickeln kann [2 ], [3 ], sind zentrale Pathomechanismen des PCOS. Obwohl das Vorhandensein einer Insulinresistenz für die Diagnose eines PCOS nicht erforderlich ist, ist deutlich, dass die Insulinresistenz eine wichtige Rolle beim PCO-Syndrom einnimmt [4 ]. Die Prävalenz einer Insulinresistenz bei PCOS beträgt 50–70 % [2 ], [5 ], [6 ], [7 ] und tritt unabhängig von Adipositas auf [8 ]. Schlankere Frauen [9 ] und Frauen, bei denen PCOS nach den Rotterdam-Kriterien diagnostiziert wurde, scheinen eine weniger stark ausgeprägte Insulinresistenz zu haben [10 ].
Frauen mit PCOS haben ein erhöhtes Risiko, eine gestörte Glukosetoleranz (im Englischen als „Impaired Glucose Tolerance [IGT]“ bezeichnet) sowie DM Typ 2 zu entwickeln [4 ]. Impaired Glucose Tolerance ist definiert durch 2-Stunden-Werte beim Oralen Glukosetoleranztest (OGTT) mit 75 g Glukose von > 140 mg/dl (7,8 mmol/l) und < 200 mg/dl (11,0 mmol/l) [11 ]. In einer amerikanischen Studie hatten Patientinnen mit PCOS zu 31,3 % IGT und zu 7,5 % DM Typ 2, verglichen mit 14 % und 0 % bei zu Alter und BMI entsprechenden Kontrollen ohne PCOS [12 ]. Außerdem entwickeln Frauen mit PCOS früher einen gestörten Glukosemetabolismus. Bei ihnen scheint sich IGT schneller zu DM Typ 2 zu entwickeln [13 ].
IGT ist auch klinisch relevant, und eine frühzeitige Erkennung und Behandlung verbessern die Langzeitfolgen [14 ]. In einer Studie wurde belegt, dass IGT das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Mortalität und DM Typ 2 erhöht [15 ].
Die International Diabetes Federation hat PCOS als einen signifikanten, nicht beeinflussbaren Risikofaktor bezeichnet, der mit DM Typ 2 assoziiert ist [16 ]. Bislang gibt es keine Langzeitstudien mit belastbarem Outcome zu IGT, DM Typ 2 und kardiovaskulären Erkrankungen bei PCOS, sondern nur Studien mit Surrogat-Parametern.
Es existieren kaum longitudinale Daten darüber, wie sich die klinischen und endokrinologischen Symptome des PCO-Syndroms über längere Zeit verändern. Auch wie sich die prädiabetische Stoffwechsellage bei Frauen mit PCOS unter Alltagsbedingungen im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv ausprägt, wurde bislang noch nicht untersucht. Dies war das Ziel der vorliegenden Analyse.
Studienteilnehmerinnen und Methoden
Studienteilnehmerinnen und Methoden
Studienkollektiv
Im Rahmen der LIPCOS-Pilotstudie (L ebensstil-I ntervention bei polyzystischem Ovarsyndrom [PCOS ]) waren aus einer großen Infertilitäts-Datenbank 403 Patientinnen mit Oligo-Amenorrhö und/oder Hyperandrogenämie identifiziert und um Rückmeldung mittels eines Fragebogens gebeten worden. Zugleich wurden sie eingeladen, an der prospektiven LIPCOS-Hauptstudie teilzunehmen. Darüber hinaus erfolgte die Rekrutierung für die prospektive LIPCOS-Hauptstudie über die Ambulanz der Frauenklinik und Poliklinik der Technischen Universität München (Direktorin: Prof. Dr. Marion Kiechle) im Klinikum rechts der Isar und zuweisende Frauenärzte aus dem Münchener Raum sowie aus einer PCOS-Selbsthilfegruppe in München.
Die Durchführung der Studie wurde von der Ethikkommission der Technischen Universität München genehmigt (TUM). Details der Studiendurchführung wurden bereits publiziert [17 ] und sind unten kurz zusammengefasst.
Einschlusskriterien
Eingeschlossen wurden Patientinnen mit spontaner (nicht post-pill) Oligo-/Amenorrhö und/oder klinischer oder biochemischer Hyperandrogenisierung (Akne, Hirsutismus), wenn sie gemäß den Rotterdam-Kriterien von 2003 [5 ] 2 der 3 Kriterien
Anovulation,
Hyperandrogenämie und
polyzystische Ovarien
erfüllten. Oligomenorrhö wurde als Zyklusdauer von > 35 Tagen und Amenorrhö als Zyklusdauer von > 90 Tage definiert. Als Kontrollkollektiv dienten eumenorrhöische Frauen mit jeweils entsprechendem Alter und BMI aus einer Kohorte des Instituts für Ernährungsmedizin (Direktor: Prof. Dr. Hans Hauner).
Ausschlusskriterien
Ausschlusskriterien für die Studienteilnahme waren die Einnahme aller Medikamente, die in die hypothalamisch-hypophysär-gonadale Achse eingreifen, wie hormonelle Kontrazeptiva, Östrogene oder Gestagene zur Hormontherapie, endokrine Therapeutika nach Mammakarzinom-Erkrankung oder GnRH-Analoga bei Endometriose, sowie bestehende Schwangerschaft oder Stillzeit. Patientinnen mit Hyperandrogenisierung oder Oligomenorrhö durch andere vorbekannte endokrinologische Erkrankungen wie androgenproduzierende Tumoren, Nebennierenhyperplasie, primär hypothalamische Amenorrhö oder vorzeitige Ovarialinsuffizienz sowie Prolaktinom wurden ebenso von der Studienteilnahme ausgeschlossen.
Studienablauf
Nach Aufklärung und schriftlicher Einwilligung wurde mit allen Teilnehmerinnen ein strukturiertes Interview durchgeführt, es wurde Blut abgenommen und ein vaginaler Ultraschallbefund mit Ovarscore [18 ] erhoben. Allen Teilnehmerinnen wurde die Teilnahme an der standardisierten Testmahlzeit an einem weiteren Untersuchungstag angeboten.
Standardisierte Testmahlzeit
Für diesen Bestandteil der Untersuchung erschienen die Teilnehmerinnen morgens nach einer 10-stündigen Nahrungskarenz zu einem 3-stündigen Test. Nach Legen einer Venenverweilkanüle in eine antekubitale Vene wurde Blut abgenommen zur Bestimmung der basalen Werte von Hämoglobin A1c (HbA1c ), Glukose, Insulin und C-Peptid. Der Test bestand aus 4 Blutentnahmen zu den Zeitpunkten 0, 60, 120 und 180 Minuten.
Testmahlzeit
Jede Teilnehmerin bekam im Anschluss an die basale Blutentnahme eine standardisierte kohlenhydratreiche Testmahlzeit verabreicht. Die Testmahlzeit sollte innerhalb von 10 Minuten eingenommen werden. Sie bestand aus 50 g Weißmehlbrötchen, 25 g Konfitüre sowie 10 g Butter und beinhaltete 62 % Kohlenhydrate, 32 % Fett und 6 % Proteine bzw. 42 g Kohlenhydrate, 9 g Fett und 3,8 g Proteine bei einer Gesamtkalorienmenge von 267 kcal.
Analysen
Die Proben für Insulin und C-Peptid (jeweils 4,5 ml Vollblut), wurden in kleine Plastikröhrchen expediert, die mit 500 µl eines Gemischs aus 1,5 g Ethylendiamintetraacetat (EDTA) in 100 ml NaCl präpariert waren. Sie wurden bei 4 °C gelagert. Die Proben für Glukose wurden in Blutentnahmeröhrchen, die EDTA/Natriumfluorid (NaF) enthielten, ebenso bis zur Zentrifugation gekühlt gelagert. HbA1c wurde im EDTA-Blutbildröhrchen abgenommen und durch das Institut für klinische Chemie im Klinikum rechts der Isar bestimmt.
Im Anschluss an den Test wurden die gekühlten Proben bei 3000 Umdrehungen pro Minute für 15 Minuten bei 4 °C zentrifugiert (Hettich Rotixa/P Zentrifuge, Tuttlingen, Deutschland) und abgesert. Die separierten Plasmen wurden bis zur Auswertung bei − 26 °C gelagert. Alle Proben einer Patientin wurden mindestens in Doppelbestimmung durchgeführt.
Insulinbestimmung
Insulin wurde mit einem Radioimmunoassay (RIA) der Firma Siemens Medical Solutions Diagnostics (Los Angeles, Kalifornien, USA) mit < 20 % Kreuzreaktivität zu Proinsulin bestimmt.
Anschließend wurden die Röhrchen für eine Minute mit dem Gamma-Counter (Typ 1470 Wizard, Wallac, Freiburg, Deutschland) gemessen. Die abgegebene Radioaktivität wurde in „counts per minute“ (cpm) angegeben. Die gemessenen cpm-Werte der Kontroll- und Probandenprobe wurden anschließend in prozentuale Bindung umgerechnet und die ursprünglich im Plasma vorhandene Hormonkonzentration aus dem Graphen abgelesen bzw. vom Computer anhand der Eichwerte errechnet.
C-Peptid-Bestimmung
Die Konzentration des C-Peptids im Plasma wurde mit dem IRMA-CPEP-Test (CIS Biointernational, Gif-sur-Yvette Cedex, France) bestimmt.
Die C-Peptid-Werte der Proben konnten direkt aus der Standardkurve abgelesen werden. Die Intra- und Interassay-Variationskoeffizienten betrugen 4,5 und 6,4 %.
Glukosebestimmung
Glukose wurde photometrisch mit der Hexokinase-Methode (Glucose-HK-Test [100 + 1], Greiner Diagnostic GmbH, Bahlingen, Deutschland) gemessen.
Berechnungen
Die basale Insulinsensitivität wurde durch den Homeostasis Model Assessment Insulin Resistance (HOMA-IR) Index bestimmt [19 ]. HOMA-IR wurde berechnet als [Nüchtern-Glukose (mg/dl) × Nüchtern-Insulin (µU/ml)] ÷ 405.
Die Area under the Curve (AUC) wurde als Δ-AUC nach der Trapezoid-Methode berechnet [20 ].
Statistik
Die Datenanalyse wurde mit den Programmen SPSS und Microsoft Office Excel für Windows durchgeführt. Die statistische Auswertung der Daten erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie (IMSE) der TU München. Stetige Variablen wurden mit dem Mittelwert (MW) und der Standardabweichung (± SD) beschrieben. Der Unterschied zweier Variablen auf Signifikanz wurde mit dem Mann-Whitney-U-Test geprüft. Kategoriale Variablen wurden mit absoluten und relativen Häufigkeiten beschrieben und mit dem exakten Test nach Fisher auf Signifikanz geprüft. Als Signifikanzniveau wurde ein p < 0,05 festgelegt [17 ], [21 ].
Ergebnisse
Insgesamt wurden 72 Teilnehmerinnen in die LIPCOS-Hauptstudie in der Zeit vom 15.12.2008 bis 24.03.2011 rekrutiert und zum Test aufgefordert. 41 der Teilnehmerinnen (PCOS) sowie 68 zu Alter und BMI entsprechende eumenorrhöische Kontrollen (K) nahmen eine standardisierte kohlenhydratreiche Testmahlzeit zu sich und absolvierten den 3-stündigen Test.
Basischarakteristika
Die Basischarakteristika beider Gruppen sind in [Tab. 1 ] dargestellt. HOMA-IR war bei den Teilnehmerinnen mit PCOS höher als bei den Kontrollen, jedoch statistisch nicht signifikant (0,67 ± 0,95 vs. 0,45 ± 0,66; p = 0,144). Der HbA1c -Wert war bei den Teilnehmerinnen mit PCOS signifikant erhöht im Vergleich zu den Kontrollen (5,20 ± 0,29 [n = 40] vs. 4,98 ± 0,49 % [n = 58]; p = 0,016).
PCOS
K
p
Alter (Jahre)
33,61 ± 8,79
34,77 ± 9,49
n. s.
Gewicht (kg)
72,80 ± 17,18
71,01 ± 15,80
n. s.
BMI (kg/m2 )
25,68 ± 6,31
25,06 ± 5,38
n. s.
HOMA-IR
0,67 ± 0,95
0,45 ± 0,66
n. s.
HbA1c (%)
5,20 ± 0,29
4,98 ± 0,49
0,016
Basale Werte und AUC
Die basalen Glukosewerte bei den Teilnehmerinnen mit PCOS waren im Vergleich zu den Kontrollen signifikant erhöht (92,9 ± 10,3 [PCOS] vs. 85,1 ± 9,4 mg/dl [K]; p < 0,001).
Die Area under the Curve (Δ-AUC) für Glukose war bei den Kontrollen nicht signifikant größer als bei den Teilnehmerinnen mit PCOS (1005,1 ± 2028,6 [PCOS] vs. 1127,7 ± 1956,0 mg/dl × 180 min [K]; p = 0,755) ([Abb. 1 ] und [2 ]).
Abb. 1 Glukose-, C-Peptid- und Insulinverlauf nach kohlenhydratreicher standardisierter Testmahlzeit bei PCOS-Patientinnen und Kontrollen gleichen Alters und mit gleichem BMI. * p = 0,055
Abb. 2 AUC für Glukose, C-Peptid und Insulin bei den Teilnehmerinnen mit PCOS und den Kontrollen gleichen Alters und mit gleichem BMI. * p < 0,05
Der basale C-Peptid-Wert betrug bei den Teilnehmerinnen mit PCOS 0,6 ± 0,3 pmol/l und war bei den Kontrollen signifikant niedriger mit 0,5 ± 0,2 pmol/l (p = 0,019).
Die mittlere Δ-AUC für C-Peptid der Teilnehmerinnen mit PCOS war signifikant größer als die Δ-AUC für C-Peptid der Kontrollgruppe (145,5 ± 68,4 [PCOS] vs. 115,3 ± 65,2 pmol/l × 180 min [K]; p = 0,023) ([Abb. 1 ] und [2 ]).
Die basalen Insulinwerte waren in beiden Gruppen nahezu identisch (2,8 ± 3,7 [PCOS] vs. 2,1 ± 2,9 µU/ml [K]; p = 0,237).
Entsprechend war die Δ-AUC für Insulin in beiden Gruppen nahezu gleich (1685,8 ± 1248,3 [PCOS] vs. 1657,0 ± 1458,3 µU/ml × 180 min [K]; p = 0,916) ([Abb. 1 ] und [2 ]).
Postprandiale Werte
Der postprandiale 60-Minuten-Glukose-Wert der beiden Gruppen war nicht signifikant unterschiedlich (109,2 ± 22,2 [PCOS] vs. 101,9 ± 21,0 mg/dl [K]; p = 0,089). Der 120-Minuten-Wert war bei den PCOS-Teilnehmerinnen grenzwertig signifikant erhöht (95,4 ± 18,4 [PCOS] vs. 88,7 ± 17,0 mg/dl [K]; p = 0,055). Nach 180 Minuten lag der Glukosewert der Teilnehmerinnen mit PCOS bei 88,7 ± 12,5 mg/dl und bei den Kontrollen bei 81,8 ± 11,8 mg/dl. Dieser Unterschied war statistisch signifikant (p = 0,005) ([Abb. 1 ]).
Postprandial stieg das C-Peptid nach 60 Minuten in der PCOS-Gruppe auf 2,0 ± 0,8 pmol/l und bei den Kontrollen auf 1,6 ± 0,7 pmol/l (p = 0,007). Die Erhöhung in der PCOS-Gruppe blieb auch nach 2 Stunden statistisch signifikant (1,6 ± 0,8 [PCOS] vs. 1,2 ± 0,7 pmol/l [K]; p = 0,022). Nach 3 Stunden waren die höheren C-Peptid-Werte der Teilnehmerinnen mit PCOS nicht mehr statistisch signifikant verglichen mit Kontrollen (0,9 ± 0,6 [PCOS] vs. 0,8 ± 0,5 pmol/l [K]; p = 0,093) ([Abb. 1 ]).
Die postprandialen Insulinwerte stiegen etwa parallel an bis zum Zeitpunkt 60 Minuten (22,1 ± 15,8 [PCOS] vs. 20,5 ± 16,6 µU/ml [K]; p = 0,607), um danach wieder fast identisch abzufallen (120 Minuten: 11,2 ± 11,2 [PCOS] vs. 10,7 ± 14,6 µU/ml [K]; p = 0,836). Auch nach 180 Minuten waren die Insulinwerte beider Gruppen fast identisch weiter abgefallen (3,6 ± 4,9 [PCOS] vs. 3,2 ± 5,7 µU/ml [K]; p = 0,735) ([Abb. 1 ]).
IFG und DM
Eine erhöhte Nüchtern-Blutglukose (Impaired Fasting Glucose [IFG]) mit basalen Glukosewerten > 100 mg/dl ließ sich bei 17,07 % (7/41) der PCOS-Patientinnen und 5,88 % (4/68) der Kontrollen nachweisen. Keine der Patientinnen hatte basale Glukosewerte > 126 mg/dl und somit Hinweise auf einen Diabetes mellitus (DM) [21 ].
Diskussion
Studien, die bisher bei PCOS-Patientinnen diabetologische Parameter untersuchten, nutzten entweder die euglykämische hyperinsulinämische Clampmethode, die den Goldstandardtest zur Bestimmung der Insulinsensitivität darstellt [22 ], oder den OGTT [23 ], [24 ], [25 ]. Wir entschieden uns bei dieser Studie bewusst für die standardisierte kohlenhydratreiche Testmahlzeit [26 ], um eine submaximale, „physiologischere“ Insulinstimulation hervorzurufen, wie sie auch unter Alltagsbedingungen zu erwarten ist. Durch die 75 g Glukose beim OGTT kommt es zu einer maximalen Insulinstimulation, die standardisierte kohlenhydratreiche Testmahlzeit hat zum Vergleich 42 g Kohlenhydrate, die noch degradiert werden müssen.
Durch eine Testdauer von 3 anstatt 2 Stunden wie beim OGTT konnten wir bei unserem Testverfahren den Abfall der Messwerte genauer verifizieren. Bedingt durch diesen Ansatz sind die hier vorgestellten Ergebnisse mit Studien, die sich auf einen OGTT stützen, nur eingeschränkt vergleichbar; jedoch gibt es Studien mit ähnlichen Zielsetzungen, die sich mit unserer Arbeit vergleichen lassen [2 ], [27 ], [28 ]. Für die Teilnehmerinnen bedeutete der ernährungsmedizinische Teil der Untersuchung eine zusätzliche Zeitbelastung von etwa 4 Stunden an einem 2. Visitentag. Dies ließ sich für die Teilnehmerinnen organisatorisch nicht anders realisieren. Bedingt dadurch haben nur 41 von insgesamt 72 Teilnehmerinnen an der standardisierten kohlenhydratreichen Testmahlzeit teilgenommen.
In dieser Studie zeigten sich bei den Patientinnen mit PCOS basal höhere Glukose- und identische periphere Insulinkonzentrationen verglichen mit Kontrollen. Es zeigt sich also formal eine höhere Insulinresistenz bei den Patientinnen mit PCOS. Auffällig ist, dass bei Patientinnen mit PCOS eine sowohl basale als auch postprandiale höhere C-Peptid-Konzentration als Ausdruck vermehrter Insulinsekretion besteht. Das könnte bedeuten, dass die Insulinclearance bei diesen Patientinnen (Aufnahme von Insulin durch die Leber aus dem Pfortadersystem) größer als bei Kontrollen ist.
Glukosetoleranz bei Patientinnen mit PCOS wurde erstmals 1987 von Dunaif et al. systematisch untersucht [2 ], [27 ]. Es wurden jeweils adipöse und schlanke Patientinnen mit PCOS mit adipösen und schlanken, ovulatorisch hyperandrogenen Patientinnen und mit alters- und gewichtsgematchten Kontrollpersonen gleichen Geschlechts verglichen. Nach Gabe von 40 g/m2 Glukose oral zeigte sich über einen Zeitraum von 120 Minuten, dass bei den adipösen PCOS-Patientinnen die Insulinwerte signifikant erhöht waren im Vergleich zu den adipösen, ovulatorisch hyperandrogenen Patientinnen und den Kontrollen. Auch in der Gruppe der schlanken Patientinnen hatten die PCOS-Patientinnen signifikant erhöhte Insulinwerte im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen. Die Glukosewerte waren nur bei den adipösen PCOS-Patientinnen ab 30 Minuten nach der Glukosegabe signifikant erhöht. Die Schlussfolgerung aus diesen Ergebnissen war, dass die Hyperinsulinämie ein Merkmal des PCOS ist und nicht von der Hyperandrogenämie abhängt.
Bei unserer Untersuchung waren die Glukosewerte bereits nüchtern erhöht und blieben auch in der postprandialen Phase signifikant erhöht. Bemerkenswert ist, dass die Glukosewerte in den Studien von Dunaif et al. [2 ], [27 ] auf etwa 150 mg/dl bei den adipösen Patientinnen mit PCOS und auf etwa 125 mg/dl bei den Kontrollen anstiegen. Bei uns hingegen stiegen die Glukosewerte auf 109 mg/dl bei den Patientinnen mit PCOS und auf 101 mg/dl bei den Kontrollen an. Dies könnte sich mit der niedrigeren Glukosegabe bei unserer Studie erklären lassen, denn bei einer Glukosegabe von 40 g/m2 haben die meisten Patientinnen vermutlich über 60 g Glukose erhalten, während bei unserer Studie nur 42 g Kohlenhydrate verabreicht wurden.
Die Insulinwerte bei den PCOS-Patientinnen waren im Vergleich zu den Studien von Dunaif et al. [2 ], [27 ] bei uns nicht signifikant erhöht. Der OGTT zeigte aufgrund des erhöhten Glukose-Loads im Vergleich zu der in der vorliegenden Arbeit durchgeführten standardisierten kohlenhydratreichen Testmahlzeit einen stärkeren Effekt bezüglich des Insulinanstiegs. Zur Interpretation der Ergebnisse ist dies hilfreich. Jedoch hat die Testmahlzeit eine höhere Alltagsrelevanz, denn eine Mahlzeit, bestehend aus einem Brötchen mit Marmelade und Butter, nehmen weitaus mehr Patienten zu sich als ein Getränk mit 75 g Glukose.
Eine indische Fallkontrollstudie von Kulshreshtha et al. [24 ] untersuchte bei 285 Patientinnen mit PCOS und bei 27 schlanken Kontrollen (K) ohne Diabetes in der familiären Vorgeschichte Glukose- und Insulinwerte nach Gabe eines OGTT. 62 % der PCOS-Patientinnen hatten eine normale Glukosetoleranz (NGT), 14 % erhöhte Nüchtern-Glukosewerte (Impaired Fasting Glucose [IFG]), 17 % hatten IGT und 7 % DM Typ 2. In dieser Studie waren bei den PCOS-Patientinnen mit einer NGT die Glukosewerte im Vergleich zu den Werten der Kontrollen nicht signifikant erhöht (Glukose 0 h: 84,8 ± 10,9 mg/dl [NGT-PCOS] vs. 88,2 ± 7,2 [K]; Glukose 1 h: 116,9 ± 26,2 mg/dl [NGT-PCOS] vs. 115,5 ± 27,5 [K]; Glukose 2 h: 102,0 ± 18,2 mg/dl [NGT-PCOS] vs. 91,8 ± 20,5 [K]). Die basalen und postprandialen Insulinwerte waren hingegen gegenüber den Kontrollen signifikant erhöht (Insulin 0 h: 5,8 ± 1,1 [NGT-PCOS] vs. 15,0 ± 15,4 mIU/l [K]; Insulin 1 h: 32,7 ± 26,5 [NGT-PCOS] vs. 98,8 ± 81,8 mIU/l [K]; Insulin 2 h: 14,6 ± 9,6 [NGT-PCOS] vs. 62,9 ± 49,3 mIU/l [K]). Auch HOMA-IR war bei den PCOS-Patientinnen mit einer normalen Glukosetoleranz signifikant erhöht (3,1 ± 3,0 [NGT-PCOS] vs. 1,2 ± 0,2 [K]).
Da der Großteil unserer PCOS-Patientinnen eine normale Glukosetoleranz hatte, lassen sich unsere Ergebnisse mit den Ergebnissen der Patienten mit normaler Glukosetoleranz und den Kontrollen aus der Studie von Kulshreshtha et al. [24 ] vergleichen. Die LIPCOS-Patientinnen sind bezüglich BMI mit den Patienten aus der indischen Studie vergleichbar (25,68 ± 6,31 [LIPCOS] vs. 26,5 ± 5,7 kg/m2 [Kulshreshtha et al.]), allerdings waren unsere Patientinnen deutlich älter (34,77 ± 9,49 [LIPCOS] vs. 22,6 ± 5,6 Jahre [Kulshreshtha et al.]). Die Kontrollen waren in der indischen Studie nicht zu Alter und BMI entsprechend wie bei LIPCOS, deshalb sind deren Charakteristika deutlich unterschiedlich (BMI 25,06 ± 5,38 [LIPCOS] vs. 19,7 ± 2,6 kg/m2 [Kulshreshtha et al.] und Alter 34,77 ± 9,49 [LIPCOS] vs. 22,8 ± 4,5 Jahre [Kulshreshtha et al.]).
In der indischen Studie hatten weniger PCOS-Patientinnen erhöhte Nüchtern-Glukosewerte (Impaired Fasting Glucose [IFG]) als in LIPCOS (14 vs. 17,07 %). Während in der indischen Studie die Glukosewerte beider Gruppen nahezu identisch waren, sind in der vorliegenden Arbeit die Glukosewerte bei den PCOS-Patientinnen im Vergleich zu den Kontrollen signifikant erhöht. Der basale Glukosewert bei den PCOS-Patientinnen mit normaler Glukosetoleranz (NGT) in der Studie von Kulshreshtha et al. [24 ] war sogar niedriger als bei den Kontrollen. Die Glukosewerte der PCOS-Patientinnen mit IFG waren allerdings ähnlich wie bei LIPCOS im Vergleich zu den Kontrollen ebenfalls signifikant erhöht. Die Vergleichbarkeit wird jedoch eingeschränkt, denn schon der basale Glukosewert der Kontrollen zeigt, dass es sich hier um ein Kollektiv mit gestörter Glukosetoleranz (Impaired Glucose Tolerance [IGT]) handelt (108,3 mg/dl [Kulshreshtha et al.]; 92,88 mg/dl [LIPCOS]). Entsprechend waren alle postprandialen Glukosewerte deutlich höher als bei LIPCOS. Die Insulinwerte waren in der indischen Studie signifikant unterschiedlich zwischen den PCOS-Patientinnen und den Kontrollen, in unserer Untersuchung hingegen gab es zwischen beiden Gruppen diesbezüglich keinen Unterschied. Auffallend ist zunächst, dass die basalen Insulinwerte in der vorliegenden Studie sowohl bei den Patientinnen mit PCOS als auch bei den Kontrollen deutlich niedriger waren (2,80 ± 3,66 [PCOS] und 2,05 ± 2,87 µU/ml [K in LIPCOS] vs. 5,8 ± 1,1 [PCOS] vs. 15,0 ± 15,4 mIU/l [K bei Kulshreshtha et al.]). Da die BMI-Werte der beiden PCOS-Kollektive vergleichbar waren, muss ein anderer Grund in Erwägung gezogen werden. Eine mögliche Ursache für diese unterschiedlichen Insulinwerte könnte neben der Anwendung einer anderen Methodik, wie z. B. unterschiedliche Insulin-Assays, der ethnische Unterschied zwischen beiden Patientinnenkollektiven sein. Diesen möglichen ethnischen Unterschied zu verifizieren war Ziel einer Studie von Mohan et al. [29 ], welche die Insulinantworten bei Indern und Europäern mit DM Typ 2 und Kontrollen vergleicht. Es fiel auf, dass sowohl bei den indischen Patienten mit DM Typ 2 als auch bei den indischen Kontrollen sowohl der basale Insulinwert als auch die Insulinantwort signifikant erhöht waren im Vergleich zu den europäischen Patienten und den europäischen Kontrollen. Die Autoren folgerten, dass ethnische Unterschiede zu den unterschiedlichen Werten in der Kontrollgruppe beigetragen haben könnten.
Der größte Teil des aus dem Pankreas sezernierten Insulins wird nach Abgabe in das Pfortadersystem durch die Leber aufgenommen (Insulinclearance). Die peripher gemessenen Insulinkonzentrationen eignen sich daher nicht, um die Sekretion zu beurteilen. Das aus 31 Aminosäuren bestehende C-Peptid verbindet als Polypeptid die beiden Ketten des Proinsulins und wird bei der Umwandlung zum Insulin enzymatisch abgespalten. Zusammen mit Insulin wird C-Peptid vom Pankreas ins Blut abgegeben und kann als diabetologischer Parameter gemessen werden [30 ]. In den letzten Jahren haben Studien gezeigt, dass C-Peptid spezifische Bindungen zu Zellmembranen besitzt, eine Vielzahl an Zellsignalwegen beeinflusst und eine protektive Rolle bei diabetologischen Komplikationen besitzt [31 ]. Bislang gibt es wenige Studien, die bei der Untersuchung diabetologischer Parameter bei PCOS das C-Peptid mit einschlossen. In unserer Untersuchung waren sowohl die basalen als auch die postprandialen C-Peptid-Werte bei den PCOS-Patientinnen signifikant höher als bei den Kontrollen.
Eine Arbeit von Maciejewska-Jeske et al. [32 ] untersuchte bei 5 übergewichtigen (27,2 Jahre, BMI 27,3 kg/m2 ) und 60 adipösen Patientinnen mit PCOS (26,2 Jahre, BMI 35 kg/m2 ) basale Glukose- und C-Peptid-Werte und verglich diese mit 10 Kontrollen (28,8 Jahre, BMI 21,2 kg/m2 ). In der Gruppe der übergewichtigen Frauen mit PCOS war die C-Peptid-Konzentration etwas höher als bei den adipösen Frauen mit PCOS (1,39 und 1,31 nmol/I), aber niedriger als bei den Kontrollen (1,62 nmol/I). In der Kontrollgruppe korrelierte die C-Peptid-Konzentration negativ mit dem Glukosespiegel (R = − 0,71; p < 0,05), und in der Gruppe der übergewichtigen Frauen mit PCOS zeigte sich eine positive Korrelation zwischen diesen beiden Werten (R = 0,90; p < 0,05). Die Autoren folgerten aus diesen Ergebnissen, dass C-Peptid-Werte von übergewichtigen und adipösen Frauen mit PCOS mit den Werten gesunder junger Frauen vergleichbar seien.
Die absoluten Werte der Studie von Maciejewska-Jeske et al. [32 ] lassen sich vermutlich aufgrund der Verwendung verschiedener Assays und Standardkurven nicht mit den Ergebnissen der LIPCOS-Studie vergleichen. Anhand der relativen Unterschiede zeigt sich jedoch der Trend, dass bei Patientinnen mit PCOS hohe Glukosewerte mit hohen C-Peptid-Werten assoziiert sind.
Mehrere Studien haben in Übereinstimmung mit der vorliegenden Arbeit signifikant erhöhte Glukosewerte bei Patientinnen mit PCOS im Vergleich zu gewichts- und altersgematchten Kontrollen gefunden. Erhöhte Insulinwerte, wie sie in einigen Studien bei Patientinnen mit PCOS gefunden wurden, konnten wir in unserer Studie nicht nachweisen. Jedoch fanden wir signifikant erhöhte basale und postprandiale C-Peptid- und HbA1c -Werte bei Patientinnen mit PCOS im Vergleich zu Kontrollen.
In der vorliegenden Arbeit konnte erstmals gezeigt werden, dass Patientinnen mit PCOS nicht nur bei der Anwendung des OGTT, sondern auch nach Gabe einer standardisierten Testmahlzeit eine größere Nüchtern-Insulinresistenz als Kontrollen hatten. Diese Insulinresistenz nahm postprandial trotz höher stimulierter C-Peptid-Werte im Vergleich nicht weiter zu. Dies könnte auf einen Mechanismus hinweisen, der mit einer erhöhten hepatischen Clearance bei PCOS-Patientinnen verbunden ist [33 ], [34 ], [35 ]. Einschränkend muss allerdings betont werden, dass die Fallzahl in unserer Studie relativ klein war.
Petersen et al. [36 ] zeigen, dass durch Diät im Gegensatz zu ausschließlichem körperlichem Training die Insulinsensitivität bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit verbessert wird. Eine verbesserte Insulinsensitivität war assoziiert mit vermindertem abdominalem Fett, Hüftumfang und Körpergewicht. Ob sich eine Diät auch auf die Insulinsensitivität oder die Insulinclearance bei PCOS-Patientinnen auswirkt oder bei diesem Krankheitsbild Unterschiede bestehen, ist – soweit uns bekannt ist – noch nicht untersucht.