Das Herpesvirus (FHV-1)
Herpesviren zählen zu den größten behüllten DNA-Viren mit einem doppelsträngigen Genom. Sie verursachen bei
Mensch und Tier persistierende Infektionen und gehören daher in der Human- und Tiermedizin zu den
bedeutendsten Krankheitserregern.
Das feline Herpesvirus 1 (FHV-1) zählt in der Familie der Herpesviren zu der Untergruppe der
Alphaherpesviren, Genus Varicellovirus. FHV-1 ist weltweit verbreitet und wurde auch bei Raubkatzen
nachgewiesen. Eine Prävalenz der Virusausscheidung liegt in gesunden Katzenpopulationen unter 1 %, in
erkrankten Populationen um 10–20 %. Die FHV-1-Infektion kann über Tröpfcheninfektion nasal, oral oder über
die Konjunktiva erfolgen. Das Virus vermehrt sich nach der Infektion (p. i.) in Epithelzellen der
Konjunktiva und/oder den Zellen des oberen Respirationstrakts. Zu den typischen Läsionen zählt
hierbei eine multifokale Nekrose des betroffenen Epithels mit Infiltration von neutrophilen
Granulozyten.
Die Virusausscheidung beginnt 24 Stunden p. i. und kann 1–3 Wochen andauern. Über sensorische Nerven gelangt
FHV-1 zu den Neuronen, typischerweise zum Trigeminalganglion. Dort geht es in ein latentes Stadium über und
persistiert. Somit ist jede infizierte Katze ein lebenslanger FHV-Träger. Bei Beeinträchtigung des
Immunsystems (z. B. Stress) kommt es durch Reaktivierung des Erregers erneut zur Virusvermehrung und
Ausbildung klinischer Symptome [[10], [13]].
Impfung gegen FHV-1
Wegen der vielfältigen möglichen Probleme u. a. am Auge ist die prophylaktische FHV-1-Impfung eine
absolute Notwendigkeit. Sie ist gegenwärtig mit Lebend- und inaktivierten Impfstoffen verschiedener
Hersteller möglich. Durch die Verwendung der Impfstoffe wird sowohl eine zelluläre als auch eine humorale
Immunantwort induziert. Allerdings muss beachtet werden, dass es trotzdem zu FHV-1-Infektionen kommen
kann. Die klinische Symptomatik verläuft dann jedoch i. d. R. milder. Mit der Grundimmunisierung sollte
bei impffähigen Katzenwelpen nach dem Absinken der maternalen Antikörper (ca. 8. Lebenswoche) begonnen
werden [[10]].
Klinische Erscheinungsbilder einer Herpesinfektion am Auge
Klinische Erscheinungsbilder einer Herpesinfektion am Auge
Die klinischen Erscheinungsbilder im Zusammenhang mit einer FHV-1-Infektion lassen sich grob in aktive
Infektionssymptome und sog. Folgeerkrankungen einteilen. Letztere sind eindeutig Folge einer aktiven
FHV-1-Infektion oder werden eben gehäuft nach dieser beobachtet und deshalb mit Herpes in Verbindung
gebracht (auch „Herpesvirus-assoziiert“ bezeichnet).
Aktive Infektion
Der Verlauf der Augenerkrankungen bei einer aktiven FHV-1-Infektion ist je nach Alter der betroffenen
Tiere unterschiedlich. Während sich bei adulten Katzen das Geschehen meist auf die Konjunktiva
und Kornea beschränkt, kommt es bei Katzenwelpen im Zuge einer FHV-1-Infektion nicht selten zu
einer Panophthalmie mit verheerenden Folgen für das Auge.
Konjunktivitis
Konjunktivitis und Keratitis sind bei der Katze im Gegensatz zum Hund meist infektiös bedingt. Beim
Vorliegen einer Konjunktivitis bei der Katze kommen neben dem FHV-1 differenzialdiagnostisch in erster
Linie auch Chlamydophila felis, Caliciviren und Mycoplasma spp. als Erreger infrage.
Alle infektiösen Konjunktivitiden sind i. d. R. gekennzeichnet durch:
-
Hyperämie
-
Blepharospasmus
-
Chemosis (▶
Abb.
[
1
])
-
Augenausfluss
Abb. 1 Ausgeprägte Chemosis bei einer FHV-1-Infektion. (© A. Steinmetz)
Da diese Merkmale noch keine Eingrenzung des Erregers zulassen, müssen primär weitere klinische, ggf.
auch labordiagnostische Informationen (s. u.) herangezogen werden.
Der Ausfluss ist bei einer reinen Herpesinfektion eher serös, kann durch eine
Sekundärinfektion jedoch auch purulent werden. Bemerkenswert ist, dass die klinischen Symptome v. a. bei
der aktiven Herpesvirusinfektion sehr seitenbetont sein können.
Parallel zur Konjunktivitis auftretende Symptome einer Erkrankung der oberen Atemwege (z.B.
Niesen) weisen ebenfalls auf Herpesviren hin.
Keratitis und Ulzeration
Die Kombination von Keratitis und Konjunktivitis wurde bisher nur bei FHV-1-Infektionen beobachtet.
Die Herpeskeratitis zeigt einen relativ typischen Verlauf: Das FHV-1 reduziert die Zahl der Becherzellen
der Konjunktiva und verschlechtert zunächst die Qualität des Tränenfilms [[3], [7]]. Anschließend wird das korneale Epithel zerstört, weshalb
es in der frühen Phase zur Ausprägung sog. dendritischer Formationen kommt (▶
Abb.
[
2
]). Im nun entblößten kornealen Stroma können sich Bakterien ansiedeln
und für die Entstehung tiefer Ulzera sorgen (▶
Abb.
[
3
]). Aber auch stationär superfiziale Ulzera (▶
Abb.
[
4
]) können durch Nichtheilung für dauerhafte Reizerscheinungen und
Dolenz sorgen.
Abb. 2 Dendritische Keratitis. (© A. Steinmetz)
Abb. 3 Tiefes Ulkus. (© A. Steinmetz)
Abb. 4 Superfiziales Ulkus. (© A. Steinmetz)
Chronische Ulzera induzieren das Wachstum meist superfizialer Gefäße in die sonst
avaskuläre Kornea hinein. Bei lokal immunsupprimierten Tieren (z. B. nach lokaler Kortikoidgabe) kann das
Virus in das Stroma eindringen und nun wiederum das Wachstum stromaler Gefäße induzieren. Es
entsteht eine stromale Keratitis [[5]]. Die Reste dieser Versorgungsbahnen,
blutleere Gefäßschläuche, sog. Geistergefäße, bleiben meist jahrelang bestehen und weisen somit auf einen
„chronischen Herpespatienten“ hin (▶
Abb.
[
5
] und
▶
Abb.
[
9
]).
Abb. 5 Sogenannte Geistergefäße. (© A. Steinmetz)
Panophthalmie
Bei neugeborenen Katzenwelpen können Herpesvirusinfektionen und die anschließende bakterielle
Sekundärinfektion vor dem Öffnen der Lider (dies erfolgt i. d. R. 2 Wochen postnatal) zu einer
Korneaperforation mit konsekutiv auftretender Panophthalmie und einem Pyophthalmus (oft mit
Sekundärglaukom) führen (▶
Abb.
[
6
]). Die genannten
Vorgänge führen v.a. bei mangelnder medizinischer Versorgung (z. B. bei halbwilden Stadtkatzen- oder
Bauernhofpopulationen) i. d. R. zum definitiven Verlust der Sehfähigkeit oder des Auges.
Abb. 6 Pyophthalmus und Sekundärglaukom rechts, Keratitis links. (© A. Steinmetz)
Bei milderem Verlauf und/oder entsprechender Therapie bleibt die Pathologie auf die Kornea beschränkt,
sie führt allerdings zu dauerhaften morphologischen Veränderungen an der Hornhaut (s. dort).
Folgeerkrankungen – morphologische Veränderungen
Ankyloblepharon
Die ausgeprägte Konjunktivitis der Jungkatzen kann durch Fibrinausschwitzung initial zu lokalen
Verklebungen, später zur dauerhaften Verwachsungen zwischen Ober-, Unter- und 3. Augenlid führen
(▶
Abb.
[
7
]). Das sog. Ankylo- oder Symblepharon ist
meist mit einem Pseudopterygium (Verwachsung von Konjunktivalgewebe und Hornhautstroma, s. u.)
vergesellschaftet.
Abb. 7 Symblepharon zwischen Unterlid und 3. Augenlid, zusätzlich Pseudopterygium. (© A. Steinmetz)
Pseudopterygium
Defekte des Korneaepithels werden normalerweise durch Migration und rasche Teilung der Epithelzellen
repariert. Bei der FHV-1-Infektion, insbesondere der jungen Katze, kann es zu einem teil- oder
vollständigen Verlust der limbalen Stammzellen kommen. Die Defekte können nicht mehr mit einwandernden
Epithelzellen gedeckt werden. Dies übernimmt nun das Konjunktivalgewebe: eine mehr oder weniger
dünne Schicht überwächst das Hornhautstroma in zungenartigen Ausläufern oder komplett. Diese
Verwachsungen werden auch Pseudopterygium (▶
Abb.
[
8
]) genannt. Je nach Ausmaß führt dies zu dauerhafter Visuseinschränkung oder Blindheit.
Der Begriff Pterygium (Flügelfell) conjunctivae wird in der Humanmedizin für eine Bindehautduplikatur,
die durch äußere Reizerscheinungen entsteht, verwendet.
Abb. 8 Pseudopterygium. (© A. Steinmetz)
„Persistierende Pupillarmembran“ (PPM)
Bei Katzen, die im Welpenalter eine okuläre Infektion mit FHV-1 durchgemacht haben, kann man auffällig
häufig eine PPM corneae adhärens beobachten: Es besteht eine faserige Verbindung zwischen
Iriskolorette und Kornea. Letztere weist an der Anheftungsstelle ein deutliches Leukoma auf
(▶
Abb.
[
9
]). Im Gegensatz zur echten PPM, die einen
genetischen Defekt darstellt, entsteht diese Auswirkung durch die Anheftung der sich noch in Rückbildung
befindlichen Pupillarmembran an die entzündlich veränderte Kornea.
Abb. 9 „Persistierende Pupillarmembran“ Corneae adhärens mit Leukoma der Kornea und deutlich
erkennbaren Geistergefäßen. (© A. Steinmetz)
Korneasequester
Es handelt sich hier um mehr oder weniger große Areale abgestorbener Kornea. Diese Nekrose beginnt
i. d. R. superfizial, kann aber bis an die Descemet’sche Membran heranreichen. Typisch ist eine
progressive Dunkelfärbung (▶
Abb.
[
10
]). Der
genaue Entstehungsmechanismus ist nicht geklärt. Schlecht heilende FHV-1-bedingte Ulzera scheinen jedoch
eine Prädisposition darzustellen [[7]].
Abb. 10 Korneasequester. (© A. Steinmetz)
Kleinere superfiziale Nekrosen können von kornealem Pannusgewebe in einem länger dauernden Prozess
abgestoßen werden. Bei tiefer reichenden Nekrosen droht bei Ablösung die Perforation. Letztere bedürfen
deshalb einer Korneachirurgie.
Immunologische Folgeerkrankung
Eosinophile Keratitis
Von einer eosinophilen Keratitis betroffene Tiere haben oft bereits eine FHV-1-Infektion durchlebt oder
es kann aktuell eine Viruspräsens nachgewiesen werden.
Das klinische Bild an der Kornea ist durch das massive Einwachsen von Pannus von dorsal (meist
dorsolateral) mit einer käsig-schmierigen Oberfläche geprägt (▶
Abb.
[
11
]). Nickhaut und Konjunktiva sind meist massiv verdickt. Die Diagnose
kann relativ einfach mittels Zytobrush und Hemacolor® Schnellfärbung gestellt werden (s.
u.).
Abb. 11 Eosinophile Keratitis. (© A. Steinmetz)
Diagnostik
In den allermeisten Fällen kann man die Diagnose einer aktiven FHV-1-Infektion klinisch stellen. Die
weiterführende Labordiagnostik dient der Bestätigung in unklaren Fällen. Dabei lässt sich die Zytologie
einfach in der Praxis durchführen und hat im Fall der eosinophilen Keratitis ein pathognomonisches
Erscheinungsbild. Bei unklaren Fällen ist die PCR das Mittel der Wahl.
Zytologie
Mit einem sterilen Watteträger oder einem Zytobrush können konjunktivale Zellen gewonnen werden.
Anschließend wird das Zytobürstchen über mehrere saubere Objektträger ausgerollt. Nach dem Trocknen der
Ausstriche erfolgt die Hemacolor® Schnellfärbung.
Im Falle einer FHV-1-Infektion finden sich Epithelzellen unterschiedlicher Reife und Neutrophile.
Einschlusskörperchen deuten eher auf Chlamydien und Mykoplasmen hin.
Eosinophile Keratitis: Für die Diagnostik einer eosinophilen Keratitis/Konjunktivitis ist die
Zytologie das Mittel der Wahl. Neben anderen Entzündungszellen imponieren im Ausstrich v. a. eosinophile
Granulozyten (▶
Abb.
[
12
]).
Abb. 12 Eosinophile Granulozyten im Zytobrush-Ausstrich. (© A. Steinmetz)
Polymerase-Kettenreaktion
Das diagnostische Mittel der Wahl ist der direkte Erregernachweis. Hierzu eignet sich besonders die
Polymerase-Kettenreaktion (PCR), bei der virale DNA, also das Viruserbgut, mit hoher diagnostischer
Sensitivität und Spezifität nachgewiesen werden kann. Es werden Standard-PCR, nested-PCR oder
real-time-PCR-Systeme verwendet.
Als Ausgangsmaterial können Konjunktival-, Nasen- und Rachentupfer oder auch EDTA-Blut (in
der Phase der Virämie) dienen. Die Tupferprobe wird trocken entnommen und umgehend gekühlt ins Labor
geschickt. Wenn ein Nachweis erfolgt, muss dieser in Kombination mit den klinischen Symptomen und der
nachgewiesenen Viruslast betrachtet werden.
Ein Negativbefund wiederum schließt eine Herpesvirusinfektion nicht aus. Vielmehr können die
intermittierende Virusausscheidung oder ein unsachgemäßer Probenversand dafür verantwortlich gemacht
werden [[2], [10]].
Fluoreszenztest
In infizierten Zellen kann das FHV-1 auch mittels Fluoreszenztest nachgewiesen werden. Dazu wird nach
lokaler Anästhesie mittels Zytobürstchen Material aus der Konjunktiva entnommen und auf einen
Objektträger aufgebracht. Nachfolgend wird mit FHV-1-spezifischen, fluoreszenzmarkierten Antikörpern das
Antigen nachgewiesen. Diese Methode wird vergleichsweise selten durchgeführt [[2], [10]].
Virusisolierung in Zellkultur
Eine Virusisolierung von FHV-1 kann auf Fe-Zellen (feline embryonic cells; permanente Katzenzellinie)
unter Verwendung von Konjunktival-, Nasen- und Rachentupfern erfolgen. Es zeigt sich dann ein
typischer zytopathischer Effekt (CPE), der in ▶
Abb.
[
13
] dargestellt ist.
Abb. 13 Unter [A] und [C] sind die nichtinfizierten Fe-Zellen nach 5 h [A] und 15 h [B] im
Vergleich zu einer FHV-1-infizierten Kultur nach 5 h [B] und 15 h [D] lichtmikroskopisch
dokumentiert. Bei der nichtinfizierten Kultur ([A] und [C]) bilden die Zellen einen Zellrasen aus,
wohingegen in den infizierten Kulturen ([B] und [D]) der zytopathische Effekt als Abrunden und
Loslösen der Zellen zu erkennen ist. (© K. Heenemann)
Bei einer Virusisolierung bzw. einem CPE sollte jedoch auch an eine mögliche Koinfektion mit dem
felinen Calicivirus (FCV) gedacht werden. Der FCV-CPE tritt i. d. R. schneller als ein
FHV-bedingter CPE auf. Ein zusätzliches Merkmal bei FHV sind intranukleäre Einschlüsskörperchen. Eine
Differenzierung der beiden Viren ist mittels Immunfluoreszenztest möglich, bei dem spezifische Antikörper
gegen FHV-1 und FCV verwendet werden. Diese Differenzierung ist für das weitere therapeutische Vorgehen
und um eine Verbreitung von FCV zu vermeiden (höhere Tenazität in der Umgebung als FHV-1) sinnvoll.
Einen limitierenden Faktor für die Virusisolierung in Zellkultur stellt die mögliche Inaktivierung
des FHV-1 nach 3 Stunden bei 37°C dar [[2], [10]]. Deshalb ist es wichtig, das Tupfermaterial im Virustransportmedium
gekühlt ins Labor zu senden. Zudem sollte das Labor vorab informiert werden, damit – falls diese
Isolierung nicht routinemäßig durchgeführt wird – die entsprechende Zelllinie in Kultur vorliegt.
Serologie
Eine Untersuchung auf FHV-1-spezifische Antikörper kann mittels ELISA (Enzyme-linked immunosorbent Assay)
oder Neutralisationstest erfolgen. Es kann jedoch keine Unterscheidung zwischen Antikörpern nach
Infektion oder Impfung getroffen werden [[2], [10]].
Therapie
Milde klinische Erscheinungen können spontan von selbst verschwinden und bedürfen keinerlei Behandlung. Bei
Anzeichen von okulärem Reiz (Reiztrias: Blepharospasmus, Rötung, Epiphora) sollte jedoch eine Therapie
eingeleitet werden.
Die Herpes-bedingte Konjunktivitis, die Keratitis und oberflächliche Ulzera werden zunächst medikamentell
therapiert.
Da Stress eine große Rolle beim Ausbruch einer Erkrankung spielt, müssen erkannte Stressoren
reduziert werden. Zudem sollte der Therapieplan nicht selbst zum Stressfaktor werden.
Medikamentelle Therapie
Lokale Therapie
Gegen Herpesviren können, da sie zu den behüllten Viren gehören, Virostatika eingesetzt werden. Es
muss dabei berücksichtigt werden, dass nicht alle für die Therapie von Herpes-bedingten Erkrankungen beim
Menschen entwickelten Virostatika auch gegen FHV-1 wirken und für die Katze verträglich sind.
Da generell davon auszugehen ist, dass die intrazellulär gelegene Erreger bekämpfenden Virostatika
zytotoxischer als Antibiotika sind, sollte zunächst der lokalen Therapie der Vorzug gegeben
werden.
Aufgrund der korneokonjunktivalen Zytotoxizität aller lokal applizierten Virostatika beschränken die
Autoren die Therapie generell auf 2 Wochen.
Nachfolgend wird eine Auswahl an Virostatika vorgestellt, die sich bisher in Studien als wirksam gegen
FHV-1 erwiesen haben:
Ganciclovir: Ein derzeit in Deutschland als Augenpräparat verfügbarer Wirkstoff ist Ganciclovir
(Virgan-Gel®, Fa. Laboratoires Théa S.A.: 4–5 × tgl.). In einer In-vitro-Studie zur
Wirksamkeit gegen FHV-1 waren Ganciclovir und Idoxuridin gleichwertig. Beide Wirkstoffe waren 2-mal so
wirksam wie Penciclovir (s. u.) und Cidofovir [[4]]. Idoxuridin steht
derzeit nicht als Augenpräparat zur Verfügung. Gegen den Wirkstoff Acyclovir, der in Form mehrerer
Augenformulierungen in Deutschland erhältlich ist, erwies sich das FHV-1 teilweise als resistent.
Cidofovir: Der Wirkstoff Cidofovir wird in der Humanmedizin in Form einer Infusionslösung zur
Bekämpfung des Zytomegalie- und des HI-Virus angewendet. Aus der Infusionslösung können 0,5 %ige
Augentropfen hergestellt werden. Diese müssen nur 2 × tgl. appliziert werden. In kleine Portionen
eingefroren, ist die Lösung mindestens 6 Monate haltbar. Um Nasenschleimhautvernarbungen als
Langzeitfolge zu vermeiden, sollte das Präparat nur über kurze Zeit (max. 2 Wochen) zum Einsatz kommen
[[8], [12]].
Superfiziale Ulzera werden zusätzlich mit Atropin 1 × tgl. und befeuchtenden
Trop
fen therapiert. Gegebenenfalls sollten zum Schutz vor einer Infektion des entblößten
Stromas antibiotische Augentropfen dazugegeben werden. Bei fehlenden Heilungsfortschritten empfiehlt sich
die Korneaklebung (s. u.).
Keinesfalls dürfen in der aktiven Erkrankungsphase Kortikoide zum Einsatz kommen.
Dies gilt nicht für die Therapie der eosinophilen Keratitis. Hier muss 4 × tgl. lokal ein
Kortikoid-haltiges Präparat verabreicht werden. Als Langzeittherapie sind bei Katzen Tropfen
besser als Salben geeignet, da letztere an Katzenaugen reizend wirken [[1]]. Cyclosporin-A (Optimmune®, Fa. MSD) wird mit unterschiedlichem Erfolg
eingesetzt. Ein neuer Therapieansatz beinhaltet die 2- bis 3-malige Gabe einer 0,5 %igen
Megestrolacetat-Augenformulierung [[8]].
Bei Nichtansprechen dieser Maßnahmen sollte auf eine systemische Therapie übergegangen werden. Bei
Eintreten einer Besserung müssen die immunsupprimierenden Gaben langsam reduziert werden, um dem
Aufflammen einer aktiven Herpesviruskeratitis vorzubeugen.
Dennoch gibt es viele Patienten, die mit und ohne Ruhephasen permanent zwischen der aktiven
Herpesvirusinfektion und der eosinophilen Keratitis hin- und herpendeln und ständig eine
Therapieumstellung benötigen. Hier ist die Aufklärung der Besitzer über die Komplexität und Chronizität
der Erkrankung von enormer Bedeutung.
Systemische Therapie
Der Einsatz von Paramunitätsinducern bei der aktiven FHV-1-Infektion kann versucht werden, ist
jedoch bisher nicht in Studien erprobt.
Ein bei der Katze als für die orale Gabe verträglich getestetes Virostatikum ist das Famciclovir
(Famvir®, Fa. Novartis). Es wird im Körper zu dem wirksamen Metaboliten Penciclovir
umgewandelt. Die Spanne der empfohlenen Dosierungen für Famciclovir in der Literatur ist relativ groß
[[12]]. Thomasy et al. (2012) empfahlen 40 mg/kg 3 × tgl. [[11]]. In einer anderen Studie wurden nur mit 2 × tgl. 90 mg/kg Famciclovir
ausreichende Penciclovirkonzentrationen in der Tränenflüssigkeit erreicht [[5]]. Die Autoren bevorzugen die orale Therapie bei fehlender Wirksamkeit oder Unmöglichkeit der
lokalen Gabe. Auch die relativ häufigen Unverträglichkeitsreaktionen auf konjunktivale Applikation bei
Katzen verlangen ein Umschwenken auf die systemische Famvir®-Therapie. Allerdings beobachten
die Autoren auch bei deutlich geringeren Dosierungen als den oben genannten einen positiven Effekt.
L-Lysin steht in Form zahlreicher Per-os-Formulierungen oder Futterzusätze für Katzen zur
Verfügung. Diese essenzielle Aminosäure gilt als Antibaustein der Argininsäure, die für die Replikation
von FHV-1 von Nöten ist. L-Lysin wurde in zahlreichen Studien an Katzen mit teilweise kontroversen
Ergebnissen getestet. Die Beobachtungen der Autoren decken sich mit der Zusammenfassung der Ergebnisse
[[12]], dass das Präparat auch bei Langzeitanwendung keine nennenswerten
Nebenwirkungen hervorruft und bei einzeln gehaltenen Katzen die Frequenz und die Schwere der
Erkrankungsepisoden senken kann.
Eine systemische Therapie der eosinophilen Keratitis sollte aufgrund der Nebenwirkungen (u. a.
Knochenmark) nur bei Versagen der lokalen Therapie erfolgen. Sie besteht in der Depotgabe von 5 mg/Katze
Medroxyprogesteron (Perlutex®, Fa. Selectavet; Sedometril®, Fa. Albrecht)
oder Megestrolacetat 5 mg/Katze (kein veterinärmedizinisches Präparat in Deutschland auf dem Markt).
Chirurgische Therapie
Einige Erscheinungsbilder der Herpesvirus-Erkrankung am Auge sind per se chirurgisch. Andere werden es,
wenn die medikamentelle Therapie keinen Erfolg zeigt.
Chronische superfiziale Ulzera, die medikamentell therapieresistent sind, können zunächst
vorsichtig trocken radiert (keine Skarifizierung, da Gefahr der Verschlechterung und Sequesterbildung)
und dann dünn mit einem Gewebekleber (Histoacryl®, Fa. B. Braun) überzogen werden (▶
Abb.
[
14
]).
Abb. 14 Histoacrylklebung nach 2 Wochen. (© A. Steinmetz)
Die Reizerscheinungen bessern sich nach der Erfahrung der Autoren schlagartig. Die Besitzer müssen auf
ein ungewohntes optisches Bild vorbereitet sein und auf die Tatsache, dass sich der Ablöseprozess des
Klebers über Monate erstrecken kann.
Das Einsetzen einer Kontaktlinse oder auch die gute alte Nickhautschürze sind Optionen der 2. Reihe.
Stromale Ulzera und tiefer reichende Korneasequester sollten mit einer korneokonjunktivalen
Verschiebeplastik versorgt werden. Der positive Effekt für die Transparenz im Bereich der Sehachse
überragt den eines Konjunktivallappens deutlich (▶
Abb.
[
15
]).
Abb. 15 Doppelseitige Korneokonjunktivale Verschiebeplastik. (© A. Steinmetz)
Ein Pyophthalmus muss enukleiert werden.
Verwachsungen der Lider können chirurgisch gelöst werden. Anschließend muss mit antientzündlichen
Salben (hier ist der kurzzeitige Einsatz von Kortikoiden gerechtfertigt) einem erneuten Verkleben der
Lider vorgebeugt werden.
Das Pseudopterygium ist oft lediglich ein Schönheitsfehler und sollte nur bei starken
Beeinträchtigungen operativ angegangen werden. Das Lösen der Konjunktiva von der Kornea ist meist relativ
einfach. Allerdings besteht aufgrund des Stammzellendefizits der kornealen Epithelzellen eine große
Rezidivneigung. Vorbeugend können u. a. der zusätzliche Einsatz von Amnion und das Einsetzen von
Kontaktlinsen versucht werden. Bei vollständigem Verlust der Stammzellen muss eine laminäre oder
partielle Korneatransplantation in Erwägung gezogen werden.
Die „PPM“ ist i. d. R. nicht therapiewürdig. Bei rezidivierenden Korneaödemen durch starken Zug
über die Membranstränge am Korneaendothel könnten die PPM-Stränge in einem intraokulären Eingriff gekappt
werden.