Key words
coronary artery anomalies - Bland-White-Garland syndrome - ALCAPA syndrome - anomalous origin of a coronary artery - myocardial bridging - coronary artery fistula - Cardiac CT - Cardiac MRI (CMR)
Einleitung
Die Koronararterienanomalien umfassen anatomisch und klinisch ein breites, variantenreiches und komplexes Manifestationsspektrum innerhalb der Gruppe der kongenitalen Herzfehler [1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]. Ihre klinische Bedeutung leitet sich aus den fakultativ auslösbaren Myokardischämien und ventrikulären Tachyarrhythmien (VT) mit der potenziellen Komplikation des plötzlichen Herztodes ab. Letzterer wird bei asymptomatischen, jungen, sportaktiven Individuen im Falle einer mit dem plötzlichen Herztod zeitlich assoziierten gesteigerten physischen Aktivität in bis zu 15 % durch Koronararterienabgangsanomalien ausgelöst [1]
[2]
[5]
[6]
[7]. Der Fokus dieser Übersichtsarbeit liegt auf der radiologischen, primär computertomografisch basierten Diagnostik und systematischen Klassifikation ([Tab. 1]) der anatomischen Anlagevarianten und der sich hieraus ergebenden Pathophysiologien.
Tab. 1
Übersicht über die Koronararterienanomalien [4]
[6].
Koronararterienanomalien
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hämodynamisch relevant
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hämodynamisch nicht relevant
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Abgangsanomalien
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anomaler Abgang der LCA aus der PA (ALCAPA-/Bland-White-Garland-Syndrom)
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hoher Koronararterienabgang (> 1 cm oberhalb der sinotubulären Junktion)
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anomaler Abgang einer CA vom kontralateralen CS (ACAOS) mit interarterieller Verlaufsform
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Abgang außerhalb der CS
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posteriorer nicht koronarer Sinus
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Aorta ascendens (z. B. „high takeoff“)
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linker, rechter Ventrikel
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Aortenbogen, Aorta desc, A. bronchialis
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A. subclavia, A. thoracica interna, A. carotis
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multiple Ostien (z. B. Fehlen eines LCA Hauptstammes)
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ACAOS mit
Verlaufsform
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Verlaufsanomalien
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Myokardbrücke
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Duplikatur
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Kreuzung von Koronararteriensegmenten
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Terminationsanomalien
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koronararterielle Fistel (CAF)
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koronare Arkade
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extrakardiale systemische Termination
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ACAOS: anomalous origin of a coronary artery from the opposite sinus; ALCAPA: anomalous origin of the left coronary artery from the pulmonary artery; CA: Koronararterie; CS: Koronarsinus; LCA: linke Koronararterie; PA: Pulmonalarterie.
Die Herausforderung bei der Begründung einer Klassifikation liegt einerseits in der Erfüllung intuitiver, im klinischen Alltag umsetzbarer Kriterien und andererseits in der Erzielung einer umfassenden Repräsentanz des Manifestationsspektrums. Dieses wird in der Literatur in Abgangs-, Verlaufs- und Terminationsanomalien unterteilt.
Diese Kategorien werden unter pathophysiologischen und klinischen Aspekten weiter in hämodynamisch relevante – d. h. mit Shunts, Ischämien, VT und plötzlichem Herztod assoziierte – und in nicht hämodynamisch relevante bzw. klinisch asymptomatische koronararterielle Anomalien unterteilt ([Tab. 1]) [4]
[6].
Abgangsanomalien der Koronararterien
Abgangsanomalien der Koronararterien
Anomaler Abgang der linken Koronararterie (LCA) aus einer Pulmonalarterie ALCAPA (engl. anomalous origin of the left coronary artery from the pulmonary artery)/Bland-White-Garland syndrome
Das ALCAPA-Syndrom ist eine seltene kongenitale Koronararterienanomalie, die 1/300 000 Lebendgeborene betrifft und einen Anteil von 0,25 – 0,5 % in der Gruppe der kongenitalen Herzfehler repräsentiert [1]
[2]
[8]
[9]. Es ist charakterisiert durch eine Abgangsanomalie der linken Koronararterie (LCA) aus dem Truncus pulmonalis (TP) bzw. aus einer Pulmonalarterie (PA) ([Tab. 1, ]
[Abb. 1]) [8]
[9]
[10]
[11]. Diese Abgangsvariante hat zunächst in der pränatalen und frühen neonatalen Phase keine Auswirkungen auf die Hämodynamik der Herzkranzgefäße. Durch den offenen Ductus arteriosus Botalli (DAB) gleichen sich die Blutdruckverhältnisse zwischen Systemkreislauf und pulmonalarteriellem Kreislauf. Hierdurch ist zunächst noch ein Vorwärtsfluss in der LCA aus der PA gewährleistet ([Abb. 2a]). Mit dem physiologischen Verschluss des DAB sinkt der Druck im pulmonalarteriellen Kreislauf. Dies hat eine abnehmende Flussrate in der LCA zur Folge, die schließlich zu einer Flussumkehr des oxygenierten Blutes in Richtung der PA führt. Es entsteht ein Links-Rechts-Shunt, indem oxygeniertes Blut über die LCA der PA zugeführt wird ([Abb. 2b, c]) [8]
[9]. Man unterscheidet zwei Formen des ALCAPA-Syndroms, den infantilen ([Abb. 2b]) und den adulten Typ ([Abb. 2c]) [8]
[9].
Abb. 1 ALCAPA-/Bland-White-Garland-Syndrom; a, b MPR einer CT-Koronarangiografie mit anomalem Abgang der LCA aus dem TP; c, d VRT mit anomalem Abgang der LCA aus dem TP. (ALCAPA: anomalous origin of the left coronary artery from the pulmonary artery; Ao: Aorta; LCA: linke Koronararterie; LCx: Ramus circumflexus; MPR: multiplanare Rekonstruktion; RCA: rechte Koronararterie; TP: Truncus pulmonalis; VRT: Volumen-Rendering-Technik).
Abb. 2 Pathophysiologie bei ALCAPA-Syndrom vom infantilen und adulten Typ; a pränatale und frühe postnatale koronararterielle Zirkulation: offener DAB; Psyst = Ppul; antegrader Blutfluss in LCA und RCA; b infantiler Typ: Verschluss DAB; Psys > Ppul: Flussumkehr in LCA in Richtung TP; fehlende Kollateralisierung von RCA zu LCA; c adulter Typ: Psys > Ppul; Flussumkehr in LCA; Kollateralisierung zwischen RCA und LCA mit Dilatation der RCA; d MR-Perfusion: Perfusionsverzögerung der Anteroseptalwand; e–g IR-LGE-Sequenzen mit subendokardialem Infarkt anteroseptal; e 2Ch; f SA apikal; g SA mittventrikulär; h, i CT-MPR einer dilatierten RCA beim adulten Typ; (DAB: Ductus Arteriosus Botalli; Ppul: pulmonalarterieller Druck; Psys: systemarterieller Druck; IR-LGE: inversion-recovery-Late-Gadolinium-Enhancement, weitere Abkürzungen Abb. 1).
Der adulte Typ zeichnet sich durch eine kompensatorische Ausbildung von Kollateralen zwischen der physiologisch aus der Aorta abgehenden RCA und der LCA aus [8]
[9]
[12]. Diese Kollateralen können das Shuntvolumen im Einzelfall variabel kompensieren ([Abb. 2]). Die Bandbreite der klinischen Manifestationen reicht vom asymptomatischen Verlauf bis zur Dekompensation der koronararteriellen Kollateralkreisläufe mit der Folge der klinischen Demaskierung einer potenziell zugrunde liegenden, zuvor chronisch subklinischen Ischämie. Aus der Ischämie können eine ischämische Kardiomyopathie, eine sekundäre Mitralklappeninsuffizienz oder ventrikuläre Arrhythmien hervorgehen, wobei letztere das Risiko des plötzlichen Herztodes erhöhen [1]
[8]
[11]
[13].
Beim infantilen Typ hingegen bleibt die Ausbildung der Kollateralen zwischen RCA und LCA aus ([Abb. 2]). Symptombeginn in Form von Blässe, ausgeprägtem Schwitzen, Dyspnoe und Brustschmerz ist die 4.–8. Lebenswoche [8]
[9]. Die fehlende Versorgung des LV-Myokards durch oxygeniertes Blut führt zu Myokardinfarkten ([Abb. 2d–g]). Diese können eine sekundäre Mitralklappeninsuffizienz und eine ischämische Kardiomyopathie mit Herzinsuffizienz verursachen. Ohne eine Korrekturoperation beträgt die Mortalität in den ersten Lebenswochen bis -monaten 90 % [8]
[11]
[12].
Bildgebungsmodalitäten der Wahl sind die Multislice-CT (MSCT) und die Magnetresonanztomografie (MRT) des Herzens ([Abb. 1], [2]). Die primären bildmorphologischen Charakteristika des ALCAPA-Syndroms sind der Nachweis der Abgangsanomalie ([Abb. 1]) sowie des Links-Rechts-Shunts mit retrogradem Fluss aus der LCA in die PA. Die MSCT – mit entsprechend hoher Ortsauflösung und der Möglichkeit multiplanarer Rekonstruktionen – ermöglicht die direkte morphologische Darstellung der anatomischen Abgangsvariante ([Abb. 1]) [8]
[14]. Proximale Koronargefäßabschnitte und Abgangsvarianten aus der Aorta thoracalis oder dem TP können auch im Rahmen einer MR-Angiografie dargestellt werden, die Diagnostik mittels MSCT ist jedoch robuster gegenüber Artefakten. Die funktionelle Beurteilung gelingt durch die MRT mit Cine-Sequenzen, die vergleichbar der kathetergestützten Koronarangiografie die Flussumkehr in der LCA nachweisen können [8]
[15]. Sekundäre bildmorphologische Charakteristika des adulten Typs sind eine dilatierte, elongierte RCA ([Abb. 2]) und dilatierte interkoronararterielle Umgehungskreisläufe, die in der MSCT besser als in der MRT dargestellt werden können. Des Weiteren sind in diesem Zusammenhang eine LV-Dilatation, regionale LV-Wandbewegungsstörungen und eine sekundäre Mitralklappeninsuffizienz anzuführen, die wiederum die Detektionsdomäne der MRT sind. Bewegungsstörungen werden mittels Cine-Sequenzen, zugrunde liegende Infarktareale durch Late-Gadolinium-Enhancement- (LGE-) Sequenzen nachgewiesen ([Abb. 2]) [8]
[15]
[16].
Therapeutisch ist eine Korrekturoperation bei Erstdiagnose im Neugeborenenalter und beim adulten Typ in Kombination mit dem Nachweis einer eingeschränkten LV-Funktion oder eines ausgedehnten subendokardialen LGE indiziert ([Abb. 2]) [2]
[8]
[17]
[18]. Bevorzugt werden 2-Koronargefäßsystem-Korrekturoperationen. Hierzu zählen die bei Neugeborenen favorisierte Reimplantation der LCA in die Aorta („coronary button transfer“), das artverwandte Takeuchi-Manöver mit Baffle zwischen pulmonalarteriellem Ostium und aortaler Anastomose im pulmonalarteriellen Gefäßlumen sowie die aortokoronare Bypass-Operation in Kombination mit der Ligatur des anomalen LCA-Abganges aus der PA [1, 8, 17 – 19].
Anomaler Abgang einer Koronararterie vom kontralateralen oder nicht koronaren Sinus ACAOS (engl. anomalous origin of a coronary artery from the opposite sinus) und assoziierte Gefäßverlaufsvarianten – interarteriell, retroaortal, transseptal/subpulmonisch, präpulmonisch
Innerhalb der Gruppe der Abgangsanomalien einer Koronararterie aus dem kontralateralen Koronarsinus (ACAOS) werden vier Varianten unterschieden. Der Abgang der LCA aus dem rechten Koronarsinus (RCS) ([Abb. 3]), der Abgang der rechten Koronararterie (RCA) aus dem linken Koronarsinus (LCS) ([Abb. 3]), die Abgangsanomalie des Ramus circumflexus (LCx) oder des Ramus interventricularis anterior (RIVA) aus dem RCS ([Abb. 4]) und der Abgang entweder der RCA oder der LCA aus dem nicht koronaren Sinus als seltenste Variante ([Abb. 3]). Die jeweilige Koronararterie kann in diesem Zusammenhang am jeweils gegenüberliegenden Koronarsinus aus einem separaten Ostium ([Abb. 3]) oder mit dem originären Koronargefäß aus einem gemeinsamen Koronararterienstamm entspringen ([Abb. 3]) [3]
[4]
[20].
Abb. 3 Varianten koronararterieller Abgangsanomalien auf Ebene der Koronarsinus; a normale Anatomie als Referenz; b anomaler Abgang der LCA aus dem posterioren Sinus; c–h ACAOS; c–e anomaler Abgang der LCA aus dem RCS mit interarterieller Verlaufsform; c 2 Ostien mit getrenntem Abgang von LCA und RCA aus RCS; d ein Ostium und gemeinsamer Hauptstamm; e intramuraler Verlauf in der Aortenwand; f–h anomaler Abgang der RCA aus dem LCS mit interarterieller Verlaufsform; Zusatzvarianten; f–h vergleichbar zu c–e; (ACAOS: anomalous origin of a coronary artery from the opposite sinus; LCS: linker Koronarsinus; RCS: rechter Koronarsinus; weitere Abkürzungen Abb. 1).
Abb. 4 Verlaufsvarianten bei ACAOS (LCA aus RCS); a interarterieller Verlauf; b retroaortaler Verlauf; c transseptaler/subpulmonischer Verlauf; d präpulmonischer Verlauf; (ACAOS: anomalous origin of a coronary artery from the opposite sinus; weitere Abkürzungen Abb. 1 – 3).
Die Inzidenz des ACAOS der zwei großen Koronararterien wird mit 1,07 % bei einer Gesamtinzidenz aller Koronararterienanomalien von ca. 5,64 % angegeben [1]
[2]
[5]
[6]. Die Inzidenz des anomalen Abganges der RCA aus dem LCS beträgt 0,92 %, für den Abgang der LCA aus dem RCS 0,15 % [5]
[6]. Der LCx ist das Gefäß, das mit 0,67 % am häufigsten aus dem RCS entspringt ([Abb. 4]) [4]
[5]
[6].
Assoziiert mit dem ACAOS kreuzt die Koronararterie im weiteren Gefäßverlauf auf die jeweils kontralaterale Herzhälfte, die ihr zu versorgendes Gefäßterritorium vorhält [3]
[4]
[20]. In diesem Zusammenhang sind anatomisch vier kreuzende Verlaufsformen bekannt, die jeweils auf jede der vier vorgenannten Varianten des ACAOS anwendbar sind ([Abb. 4]). Hierzu zählen der interarterielle ([Abb. 4], [5], [6]), der retroaortale ([Abb. 4], [7]), der transseptale bzw. subpulmonische ([Abb. 4]) sowie der präpulmonische Verlauf ([Abb. 4]) ([Tab. 1]) [4]. Dieser anatomischen Klassifikation wird noch eine pathophysiologische Spezifikation angefügt, indem die Verlaufsvarianten in hämodynamisch relevante und nicht relevante Formen unterteilt werden [4]. Zu den hämodynamisch nicht relevanten Verlaufsformen gehören die retroaortale ([Abb. 4], [7]), die transseptale ([Abb. 4]) sowie die präpulmonische Kreuzung ([Abb. 4]) ([Tab. 1]) [4]. Als hämodynamisch relevant einzustufen ist hingegen der interarterielle Verlauf, der mit dem plötzlichen Herztod assoziiert sein kann ([Tab. 1, ]
[Abb. 4], [5], [6]) [1]
[2]
[4]
[20]
[21].
Abb. 5 Anomaler Abgang der LCA aus dem RCS mit interarteriellem Verlauf; a gefäßverlaufsadaptierte/„curved“ Rekonstruktion; b Schema; c CT-VRT-Koronargefäßbaum; d, e CT-VRT des Herzens in variierenden Ansichten; (Ao asc: Aorta ascendens; CT: Computertomografie L: linker Koronarsinus; LCA: linke Koronararterie; LCx: Ramus circumflexus; LV: linker Ventrikel; P: posteriorer Koronarsinus; R, RCS: rechter Koronarsinus; RCA: rechte Koronararterie; R.i. m.: Ramus intermedius; RIVA: Ramus interventricularis anterior; TP: Truncus pulmonalis; VRT: Volumen-Rendering-Technik).
Abb. 6 Anomaler Abgang der RCA aus dem LCS mit interarteriellem Verlauf; a gefäßverlaufsadaptierte/„curved“ Rekonstruktion; b CT-VRT-Koronargefäßbaum; c Schema; d–f CT-VRT in variierenden Ansichten; (LCS: linker Koronarsinus; weitere Abkürzungen Abb. 5).
Abb. 7 Anomaler Abgang des LCx bzw. der LCA aus dem RCS mit retroaortalem Verlauf; a, b gefäßverlaufsadaptierte/„curved“ Rekonstruktion; c Schema; d CT-MPR; e MIP aus gefäßverlaufsadaptierter/„curved“ Rekonstruktion; f CT-VRT-Koronargefäßbaum; (LA: linkes Atrium; MIP: maximum intensity projection MPR: multiplanare Rekonstruktion RA: rechtes Atrium; RV: rechter Ventrikel; VCS: Vena cava superior; weitere Abkürzungen Abb. 5).
Vor dem Hintergrund der kritischen Hämodynamik kann zusätzlich ein bezüglich der Passagelänge variabler intramuraler, d. h. in der Gefäßwand der Aorta ascendens eingebetteter Verlauf, des jeweiligen Koronargefäßes detektiert werden ([Abb. 3]). Dieser potenziell mit dem interarteriellen Kreuzungstyp kombinierte Verlauf kann als pathophysiologisch relevanter Kofaktor für eine resultierende kritische Hämodynamik angesehen werden [20]
[21]. Weitere, zu einer kritischen Hämodynamik beitragende anatomische Kofaktoren sind ein schliztförmig konfiguriertes Koronarostium („slit-like ostium“) und ein Gefäßabgang aus dem Koronarsinus im spitzen Winkel („acute angle take-off“) ([Abb. 6]) [20]
[21].
Dem plötzlichen Herztod liegt ätiologisch bei zeitlich enger Assoziation mit gesteigerter physischer Aktivität die Gruppe der Koronararterienabgangsanomalien in bis zu 15 % zugrunde [1]
[5]
[6]
[7]. Bei jungen Athleten mit plötzlichem Herztod und gleichzeitig nachgewiesener Koronararterienabgangsanomalie wird die interarterielle Verlaufsform in 80 % als ursächlich detektiert [1]. Weitere klinische Manifestationen können Brustschmerzen, Arrhythmien, LV-Dysfunktionen oder belastungsinduzierte Synkopen sein [1]. Patienten mit überlebtem plötzlichen Herztod oder mit der Präsentation der angeführten Klinik sollten hinsichtlich koronararterieller Abgangs- und Verlaufsanomalien abgeklärt werden [1].
Die diagnostische Modalität der Wahl stellt hierbei entweder die MSCT-Koronarangiografie oder die MRT des Herzens mit einer MRA der Herzkranzgefäße dar, wobei mittels erstgenannter Methode auch distale Abschnitte der Koronararterien und Gefäßverlaufsanomalien detektiert werden können [1]
[2]. Angaben zu den Prävalenzen der Koronararterienanomalien und insbesondere des ACAOS stützen sich auf die Ergebnisse aus Koronarangiografieserien. Die kathetergestützte Koronarangiografie stellte vor den technischen Weiterentwicklungen der MSCT die diagnostische Modalität der Wahl für die Detektion der Koronararterienanomalien dar. Zahlreiche Studien haben jedoch ergeben, dass die MSCT-Koronarangiografie der konventionellen Angiografie in der Detektion der Koronararterienanomalien überlegen ist; nur ca. 53 – 55 % der durch MSCT-Koronarangiografie detektierten Anomalien konnten durch die kathetergestützte Angiografie detektiert werden [3]
[22]. Die funktionelle Beurteilung ist vergleichbar zum ALCAPA-Syndrom die Domäne der MRT. Eine die operative Therapieentscheidung beeinflussende Myokardischämie kann mit einer MR-Perfusion des Myokards im Rahmen einer pharmakologisch induzierten Stress-MRT nachgewiesen werden [1]
[2]. Zur Vervollständigung der Übersicht über die verfügbaren nicht invasiven Bildgebungsmodalitäten zur Detektion myokardialer Ischämien sind aber neben der Stress-MRT des Herzens ergänzend die Dobutamin-Stress-Echokardiografie und nuklearmedizinische Verfahren, z. B. in Form der Myokardszintigrafie, anzuführen [23].
Therapeutisch stehen für die hämodynamisch relevanten Abgangs- und Verlaufsanomalien grundsätzlich chirurgische Revaskularisationsverfahren sowie kathetergestützte perkutane koronararterielle Interventionen (PCI, engl. percutaneous coronary interventions) zur Verfügung [1]
[20]
[24]
[25]. Unter den chirurgischen Therapieoptionen sind die koronaren Bypass-Operationen, die aufgrund potenzieller Komplikationen zunehmend weniger favorisiert werden, anzuführen – hier u. a. Stenosen und Okklusionen des Bypasses infolge konkurrierenden Flusses aus der anomal verlaufenden, bei nicht durchgeführter Ligatur durchgängigen Koronararterie [24]. Weitere chirurgische Verfahren stellen die koronare Reimplantation anomaler Koronararterienabgänge, die anteriore oder laterale pulmonalarterielle Translokation oder die operative Freilegung eines intramural in der Aortenwand verlaufenden Koronararteriensegmentes („unroofing“) [1]
[20] dar.
Die Indikation zur chirurgischen Therapie besteht nach den Empfehlungen des American College of Cardiology/der American Heart Association von 2008 bei ACAOS mit interarterieller Verlaufsform; zusätzlich zum interarteriellen Verlauf bei anomalem Abgang der LCA aus dem RCS ([Abb. 5]) wird bei anomalem Abgang der RCA aus dem LCS ([Abb. 6]) der Nachweis einer assoziierten Ischämie im entsprechenden Gefäßterritorium gefordert [1]
[2].
Weitere Abgangsanomalien ohne hämodynamische Relevanz
Hierzu zählen der Nachweis multipler Koronarostien innerhalb der Koronarsinus, exemplarisch resultierend in einem separaten Abgang des RIVA und des LCx aus dem LCS und der sogenannte hohe Koronararterienabgang („high takeoff“, „high origin“) ([Tab. 1]) [3]
[4]. Letztere Abgangsanomalie ist definiert als Ursprung des linken oder rechten Koronarostiums > 1 cm oberhalb des sinotubulären Überganges, häufiger bei der RCA zu beobachten und mit dem potenziellen Nachweis einer bikuspiden Aortenklappe vergesellschaftet [3]. Die Abgangsanomalie hat keine hämodynamische Relevanz, ihr akzidenteller Nachweis spielt jedoch im Rahmen einer CT-koronarangiografischen Evaluation vor geplantem Aortenklappen- oder Aorta ascendens-Ersatz eine wichtige Rolle [3].
Verlaufsanomalien der Koronararterien
Verlaufsanomalien der Koronararterien
Unter den Verlaufsanomalien unterscheidet man den intramuralen (syn. intramyokardialen, engl. „myocardial bridging“) Verlauf ([Tab. 1, ]
[Abb. 8]), die Kreuzung zweier Koronargefäßsegmente aus unterschiedlichen Koronararterien und die Duplikatur einer Koronararterie [4]
[6]. Letztere Verlaufsanomalie ist am häufigsten entlang des RIVA zu detektieren. Sie ist charakterisiert durch einen kurzen, im Sulcus interventricularis anterior (SIVA) vor dem Erreichen des Apex endenden LCA-Gefäßast und einen längeren akzessorisch aus der LCA oder RCA abgehenden Gefäßast, der den Apex versorgt. Diese Verlaufsanomalie hat keine hämodynamische Relevanz, spielt aber im Rahmen der CT-koronarangiografischen Evaluation vor geplanter aortokoronarer Bypass-Operation als akzidenteller Befund eine bedeutende Rolle [4]. In Abgrenzung zur interarteriellen Kreuzung wurden die hämodynamisch nicht relevanten koronararteriellen kreuzenden Varianten in Form der retroaortalen ([Abb. 4], [7]), transseptalen ([Abb. 4]) und präpulmonischen ([Abb. 4]) Variante als weitere Verlaufsanomalien bereits in Kombination mit dem ACAOS angeführt.
Abb. 8 Myokardbrücke des Ramus circumflexus (LCx); a gefäßverlaufsadaptierte/„curved“ Rekonstruktion; b CT-VRT; (Abkürzungen Abb. 5).
Myocardial bridging
Physiologisch verlaufen die Koronararterien subepikardial. Die Myokardbrücke ist definiert durch ein Koronararteriensegment, das intramyokardial zirkulär von Herzmuskelgewebe umgeben wird ([Tab. 1, ]
[Abb. 8]) und unter der systolischen Kontraktion komprimiert werden kann [4]
[26]
[27]
[28]
[29]
[30]. Die häufigste Lokalisation ist der mittlere Abschnitt des RIVA [4]
[26]
[27]
[28]
[29]
[30]. Es besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen den Daten zur Prävalenz von Myokardbrücken aus kathetergestützten Angiografieserien (0,5 – 2,5 %) und aus Autopsien (15 – 85 %) [4]
[26]
[28].
In den meisten Fällen stellt die Myokardbrücke eine benigne Anlagevariante ohne klinische Symptome dar [26]
[27]
[28]
[29]
[30]. Es kann jedoch infolge einer verminderten Blutflussrate im Koronargefäß, die durch die Gefäßkompression während der systolischen Myokardkontraktion und durch die verzögerte Gefäßrelaxation in der Diastole ausgelöst wird, zu myokardialer Ischämie, Myokardinfarkten, ventrikulären Arrhythmien und zum plötzlichen Herztod kommen [26]
[30]. Das Ausmaß dieser Koronargefäßkompression wird durch anatomische Begleitfaktoren wie Länge und Lokalisation der Myokardbrücke, Dicke bzw. Tiefe des brückenbildenden myokardialen Bündels und das simultane Vorliegen einer myokardialen Hypertrophie beeinflusst. In Studien zu quantitativer Koronarangiografie und intrakoronarer Dopplersonografie wurden für hämodynamisch relevante Myokardbrücken Referenzwerte erstellt. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um erniedrigte systolische und mittdiastolische mittlere Lumendurchmesser, erhöhte mittlere systolische und diastolische Spitzenflüsse und eine reduzierte distale koronare Flussreserve. Das prozentuale Ausmaß der Koronargefäßlumenreduktion in der Systole wird in 3 Grade eingeteilt: Grad 1 < 49 %, Grad 2 50 – 74 %, Grad 3 > 75 % Lumenreduktion [31]
[32].
Die Detektion einer Myokardbrücke spielt neben hämodynamischen Abwägungen auch eine Rolle im Rahmen einer Evaluation vor geplanter aortokoronarer Bypass-Operation, da der operative Zugang zum myokardial eingebetteten Koronarsegment erschwert ist [30]. Am häufigsten wird in der Literatur die Myokardbrücke akzidentell mittels kathetergestützter Koronarangiografie, in der der charakteristische „milking effect“ – variierende Weite des Koronarlumens in Abhängigkeit vom Herzzyklus – zu beobachten ist, oder durch die MSCT des Herzens nachgewiesen [30]. Ein Vorteil der MSCT mit der Möglichkeit der gefäßverlaufsadaptierten „curved“ und multiplanaren Rekonstruktionen liegt in der simultanen Visualisierung des Gefäßlumens, der Gefäßwand, der Beziehung des Koronargefäßes zum umgebenden Myokard und zu den Herzhöhlen [4]
[26]
[28]
[30].
Die variierende Lumenweite eines Koronarsegmentes während des Herzzyklus kann auch mit der MSCT nachgewiesen werden, indem zusätzlich zum etablierten Rekonstruktionsfenster in der Enddiastole eine weitere Rekonstruktion in der Endsystole angefertigt wird [4].
Therapie der Wahl bei symptomatischen Myokardbrücken ist die pharmakologische Applikation negativ ino- und chronotrop wirkender Betablocker zur Reduktion der Gefäßlumenkonstriktion. Zusätzlich zu den pharmakologischen Effekten in der Systole wird der frühdiastolische Blutfluss reduziert und das systolisch/diastolische Flussverhältnis verbessert. Bei zugrunde liegenden Kontraindikationen für die Applikation von Betablockern und bei simultan zur Myokardbrücke vorliegenden Vasospasmen ist die Applikation von Kalziumrezeptorantagonisten indiziert [31].
Eine operative Therapie ist wegen der meist benignen Anlagevariante ohne klinische Symptome in den meisten Fällen nicht erforderlich [26]
[27]
[28]
[29]
[30]. Eine operative Freilegung des intramyokardialen Gefäßsegmentes durch Myotomie oder Bypass-Operationen sind den wenigen, klinisch symptomatischen und hämodynamisch relevanten oder pharmakologisch refraktären Myokardbrücken vorbehalten [30].
Terminationsanomalien der Koronararterien
Terminationsanomalien der Koronararterien
Zu den Terminationsanomalien zählen neben der hämodynamisch relevanten koronararteriellen Fistel (CAF) ([Abb. 9]), auf die im Folgenden detailliert eingegangen wird, auch die koronare Arkade, definiert als ein angiografisch nachweisbares kommunizierendes Gefäßnetzwerk zwischen LCA und RCA, und die extrakardiale systemische Termination von Koronararterien ohne dilatierten und elongierten Gefäßverlauf, die von einer CAF abzugrenzen ist ([Tab. 1]) [4]
[6].
Abb. 9 Koronararterielle Fistel (CAF) zwischen Ramus circumflexus (LCx) und linkem Vorhofohr (ACS); a gefäßverlaufsadaptierte/„curved“ Rekonstruktion; b CT-MPR; c CT-VRT-Koronargefäßbaum; (CAF: koronararterielle Fistel; ACS: auricula cordis sinistra/linkes Vorhofohr; weitere Abbkürzungen Abb. 5).
Koronararterielle Fistel (CAF)
Die CAF ist definiert durch eine anomale Termination einer Koronararterie. Entgegen ihrer physiologischen Termination im myokardialen Kapillargefäßbett besteht eine direkte Kommunikation mit einer Herzhöhle, mit Venen des Systemkreislaufes, der Lungen oder des Herzens oder mit den Lungenarterien [1]
[3]
[4]
[33]
[34]
[35]
[36]
[37]
[38]
[39]
[40]. Die koronarangiografische Inzidenz der CAF beträgt ca. 0,1 – 0,2 % [1]
[4] und repräsentiert ca. 0,13 % der Gruppe der kongenitalen Herzfehler [33]. Die RCA ist das häufiger betroffene Gefäß (60 versus LCA 40 %) und eine CAF drainiert vorwiegend in den RV (45 %), gefolgt von einer Kommunikation mit dem RA (25 %) oder einer PA (15 %) [4]
[33].
Pathophysiologisch hat die Lokalisation der Gefäßtermination die führende Relevanz vor dem Ursprung der CAF. Bei einer Kommunikation mit einer vaskulären Struktur der rechten Herzhälfte liegt ein extrakardialer Links-Rechts-Shunt vor, im Falle einer Drainage zur linken Herzhälfte entsteht ein Links-Links-Shunt, vergleichbar einer Aorteninsuffizienz [4]
[33]. Die Kommunikation mit einem kardialen Cavum oder vaskulären Strukturen des Niederdrucksystems führt zu Koronargefäßdilatationen und -elongationen, die ein diagnostisches Charakteristikum in der Bildgebung darstellen ([Abb. 9]). Hierdurch entsteht ein Steal-Phänomen bzw. ein Shunt mit Umgehung des physiologisch durch die betroffene Koronararterie zu versorgenden Kapillargefäßbettes mit der potenziellen Folge einer myokardialen Ischämie [2]
[3]
[4]. Weitere assoziierte Komplikationen können eine Endarteriitis, LV-Dysfunktion und ventrikuläre Arrhythmien oder eine Koronargefäßdissektion oder -ruptur sein [1].
Eine CAF kann mittels Echokardiografie, MSCT, MRT und kathetergestützter Angiografie nachgewiesen werden [1]
[2]. Die Domäne der MSCT besteht bei hoher Ortsauflösung im Nachweis kleiner CAF und in der simultanen dreidimensionalen Darstellung der oben angeführten potenziell kommunizierenden anatomischen Strukturen mittels multiplanarer Rekonstruktionen. Eine Empfehlung zum echokardiografiebasierten Follow-up alle 3 – 5 Jahre besteht bei kleinen, klinisch asymptomatischen CAF [1]
[2].
Die Indikation zur Therapie mittels operativer Korrektur oder kathetergestützter Embolisationsverfahren besteht an spezialisierten Zentren bei großen CAF bzw. bei kleinen und mittelgroßen CAF in Kombination mit den genannten Symptomen oder Komplikationen [1]
[2].
Zusammenfassend lassen sich die Koronararterienanomalien anatomisch in Abgangs-, Verlaufs- und Terminationsanomalien unterteilen und umfassen ein klinisch variables und anatomisch variantenreiches Spektrum, das sich erstreckt von Anlagevarianten bis hin zu pathophysiologisch und hämodynamisch relevanten Anomalien.
Die große Bedeutung der bildgebenden Diagnostik besteht in der sensitiven Detektion der selteneren, hämodynamisch relevanten Koronararterienanomalien, zu denen das ALCAPA-/Bland-White-Garland-Syndrom, der interarterielle koronararterielle Verlauf bei ACAOS, die koronararterielle Fistel und selten auch die Myokardbrücken gehören.
Bildgebende Modalität der Wahl zur anatomischen Diagnostik ist die MSCT des Herzens, während die Bedeutung der MRT neben der strukturellen insbesondere in der funktionellen Beurteilung des Herzens liegt.