Herzkreislaufstillstand bei Schwangeren
Die Inzidenz kardialer Akutereignisse ist zwar abhängig von Lebensalter und Geschlecht, trotzdem sind auch
Frauen im reproduktionsfähigen Alter betroffen.
Einen Kreislaufkollaps erleiden schwangere Frauen mit einer Häufigkeit von 0,3–0,6 %. Meist ist eine
Verminderung des venösen Rückstroms zum Herzen, bedingt durch das reversible Vena-Cava-Kompressionssyndrom
verantwortlich. Dieser vital nicht bedrohliche Zustand ist durch
-
konsequente Linksseitenlagerung,
-
O2-Gabe (100 %),
-
Blutdruck-Monitoring (Hypotension < 100 mmHg → verminderte Plazenta-Perfusion),
-
bedarfsgerechte Infusion zur Vorlasterhöhung (i.v.-Zugang oberhalb des Zwerchfells) und
-
die Identifikation und Beseitigung der Ursachen
ohne Schaden für Mutter und Kind zu beherrschen [[1]].
Ein Herzkreislaufstillstand (Sudden Cardiac Arrest, SCA) ist an den Leitsymptomen Asystolie
– Blutdruckabfall – Bewusstlosigkeit – blasses Hautkolorit erkennbar.
Die Prävalenz ist durch die Zunahme anamnestischer mütterlicher Risikokonstellationen und durch die
Zunahme von Schwangerschaftskomplikationen in den vergangenen Jahren gestiegen. Aktuell liegt die Prävalenz
bei 1/12.000 Schwangeren [[1]].
Tab.
[
1
] zeigt die Ursachen für einen Herzkreislaufstillstand
bei Schwangeren.
Tab. 1
Ätiologische Faktoren eines Herzkreislaufstillstands bei Schwangeren.
Ursachen
|
Kardiovaskuläre Ursachen
|
-
Koronare Herzkrankheit (ca. 80 %)
-
Nicht-ischämische Kardiomyopathie (10–15 %)
-
Strukturelle/funktionelle Herzerkrankungen (< 5 %)
|
Vorübergehende Auslöser
|
-
Elektrolytstörung
-
Hypoxie
-
Azidose
-
Stress, erhöhter Sympathikotonus
-
Vagus-Reizung
-
Antiarrhythmika
-
Pharmakologische Ursachen (Oxytocin, Magnesium, Opiode, Insulin, Anaphylaxie,
Medikamentenverwechslung, Drogen)
|
Arrhythmie-Mechanismen
|
|
Extrakardiale Faktoren
|
-
Anästhesiologische Komplikationen (hohe neuroaxiale Blockade, Hypotension,
Beatmungsproblematik, Aspiration, Hypoventilation, systemische Toxizität von
Lokalanästhetika)
-
Thrombose
-
Embolie
-
Blutung (z. B. Koagulopathie, uterine Atonie, vorzeitige Plazentalösung, Plazenta praevia,
Uterusruptur, Transfusionsreaktion)
-
Infektion, Fieber, Sepsis
-
Trauma, Selbstmord
-
Spannungspneumothorax
-
Psychiatrische Störung
-
Schock
|
Schwangerschafts-spezifische Ursachen
|
-
Schwangerschaftsbedingte hypertensive Erkrankung (Präeklampsie, Eklampsie,
HELLP-Syndrom)
-
Fruchtwasserembolie
-
Peripartale Kardiomyopathie
-
Ektope Schwangerschaft
|
Zur raschen Ursachenklärung kann der 4H-4T-Algorithmus eingesetzt werden (Tab.
[
2
]). Dieser Algorithmus zeigt die reversiblen Ursachen für einen
Herzkreislaufstillstand. Jedes dieser Ereignisse kann zum plötzlichen Herztod führen, der häufigsten
indirekten mütterlichen Todesursache, und bedarf des unmittelbaren, koordinierten und multidisziplinären
Einsatzes des Notfallteams[[2]].
Tab. 2
4H-4T-Algorithmus der reversiblen Ursachensuche eines Herzkreislaufstillstandes.
4 H
|
4 T
|
Hypovolämie
|
Tabletten
|
Hypoxie
|
Tamponade (kardial)
|
Hyper-/Hypokaliämie, H-Ionen (Azidose)
|
Tension (Spannungspneumothorax)
|
Hypothermie
|
Thromboembolie pulmonal, koronar
|
Entscheidend für das mütterliche und das fetale Outcome ist die Geschwindigkeit und die Qualität, mit der
schwangerschaftsadaptierte Wiederbelebungsmaßnahmen implementiert, kontrolliert eskaliert und
interdisziplinär koordiniert werden. Trotz des potenziell fatalen Ereignisses ist eine mütterliche
Gesamtüberlebensrate von bis zu 59 % zu erreichen, auch weil Schwangere peripartal von Hebammen engmaschig
kontrolliert werden [[1]].
Kardiopulmonale Reanimation der Schwangeren
Fachwissen, Teamarbeit, Wachsamkeit
Die Lebensgefährdung von Mutter und Kind ist bei kritischen Herzkreislauferkrankungen immanent.
Diejenigen Medizinprofessionen, die diese seltenen Notfälle bewerten und beherrschen müssen, benötigen
hierfür spezialisiertes Fachwissen gepaart mit großer Wachsamkeit. Außerdem ist eine multidisziplinäre
und multiprofessionelle Teamarbeit notwendig.
Kardio-respiratorische Funktionen und (Labor-)Parameter passen sich physiologisch den Bedürfnissen der
Schwangerschaft an. Diese Anpassung beeinflussen die Diagnostik und Therapie eines
Herzkreislaufstillstands bei Schwangeren im Vergleich zur Reanimation bei Nicht-Schwangeren [[3]]. Da durch die Schwangerschaft auch die klinische Einschätzung verändert
wird, ist die Kenntnis dieser Veränderungen (Tab.
[
3
]) besonders wichtig, um Fehleinschätzungen und damit den Verlust wertvoller Zeit zu
vermeiden [[4]].
Tab. 3
Physiologische Anpassungsreaktionen des mütterlichen Organismus während der
Schwangerschaft.
Herz-/Kreislaufsystem
|
Atmung
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Blutgerinnung
|
Herzfrequenz
|
↑15 %
|
Atemfrequenz
|
↑15 %
|
Fibrinogen
|
↑50 %
|
Mittlerer arterieller Blutdruck (Vasodilatation: Progesteron, Östrogen, NO)
|
↓4–15 % (Nadir im II. Trimenon)
|
Alveoläre Ventilation
|
↑70 %
|
Renale Ausscheidung
|
Blutvolumen
|
↑25–40 % (Zwillinge ↑50–60 %)
|
Atemzugsvolumen (Progesteron)
|
↑20 % (I. Trimenon)–40 % (am Termin)
|
Nierendurchblutung
|
↑40 % (GFR↑)
|
Plasmavolumen
|
↑40–50 %
|
Atem-Minuten-Volumen
|
↑50 %
|
|
|
Herzzeitvolumen (HZV)
|
↑30–50 %
|
Funktionelle Residualkapazität (verdrängungsbedingt)
|
↓10–25 %
|
|
|
Uteroplazentare Perfusion (50 → 1000 ml)
|
↑200 % (= 20 % HZV am Termin)
|
Compliance Thorax
|
↓10 %
|
|
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|
|
O2-Verbrauch (im III. Trimenon durch Bedarf von Mutter und Fetus)
|
↑20–33 %
|
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|
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paO2
|
↑10 mmHg
|
|
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|
|
paCO2
|
↓10 mmHg
|
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|
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Hypokapnie
|
bis 32 mmHg
|
|
|
|
|
Milde respiratorische Alkalose
|
|
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|
Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve
|
P50 27 → 30 mmHg
|
|
|
Quelle: Strauss A., Sanders L., Ohnesorge H., Gräsner J.T. Geburtshilfliche Notfälle III –
Präklinische Geburtshilfe. Der Notarzt 2013
|
Mit dem Ziel, möglichst rasch die adäquaten mütterlichen Herzkreislaufparameter wiederherzustellen,
entsprechen die Empfehlungen zur kardiopulmonalen Reanimation von Schwangeren den Richtlinien der
Erwachsenenreanimation, abgesehen von wenigen Aspekten.
Richtlinien
Die allgemeingültigen Richtlinien zu Wiederbelebungsmaßnahmen (European Resuscitation Council,
ERC-Guideline) weisen unter anderen Sondersituationen auch Anpassungen an die Situation
Schwangerschaft auf [[1], [5], [6], [7]].
Rasche Erfassung und effektive Ausschaltung reversibler Ursachen
-
Unmittelbare Diagnostik der Ursachen für den Herzkreislaufstillstand (Tab.
[
1
]). Da die häufigsten Ursachen schwangerschaftsbedingt sind, ist
die geburtshilfliche Expertise essentiell.
-
Gezielte, schwangerschaftsadaptierte therapeutische Intervention
-
Bei einem Herzkreislaufstillstand, der im schwangeren Zustand als irreversibel eingeschätzt
wird und einer Schwangerschaftsdauer > 24 SSW → Perimortem Kaiserschnitt ohne weiteren
Zeitverzug
Optimierung des Effekts der Herzdruckmassage
-
Die optimale Position zur Durchführung der bimanuellen Herzdruckmassage entspricht der bei
nicht-schwangeren Personen (Zentrum des Brustkorbs, unabhängig von schwangerschaftsbedingter
Verdrängung/Zwerchfellhochstand)
-
Die Thoraxkompression mit einer Tiefe von 5–6 cm und einer Frequenz von (100–)120 Kompressionen
pro Min. bei fehlender bzw. minimaler Unterbrechung (Lagerung, Diagnostik, Perischock-Pause
< 10 Sek.) erreicht eine vergleichbare Effektivität wie bei nicht-schwangeren Personen [[6], [7]].
Beachtung des Vena-Cava-Kompressionssyndroms
Das Vorkommen des Vena-Cava-Kompressionssyndroms nimmt mit höherem Gestationsalter zu. Es kann das
Herzzeitvolumen um bis zu 2/3 reduzieren.
-
Bei Linksseitenlagerung der Patientin um 27° (Keilkissen) können – verglichen zur Rückenlage – für
die kardiopulmonale Reanimation nur 80 % der Thoraxkompressionskraft erreicht werden [[8]]. Daher ist die Reanimation in Rückenlage (feste Unterlage)
vorzunehmen. Außerdem wird der Winkel der Kippung der Patientin meist überschätzt: < 20° →
keine Verbesserung des venösen Rückflusses, > 30° → Gefahr des Abrutschens/Rollens der
Patientin. Der Einsatz von Keilkissen vermeidet diese Fehleinschätzung.
-
Die ununterbrochene manuelle Linksverlagerung des Uterus (optimal in Zweihand-Technik) in
Rückenlage der Patientin verbessert den venösen Rückstrom zum Herzen aus der unteren Körperhälfte
und übertrifft die Wirkung einer Linksseitenlagerung der Patientin. Außerdem optimiert dieses
Vorgehen die Effektivität der kardiopulmonalen Reanimation während der Herzdruckmassage inkl.
Beatmung in Rückenlage bzw. während einer perimortalen Schnittentbindung (bis zur Kindsentwicklung)
– Beginn ohne Zeitverlust und Druckeinschränkung [[9]].
-
Perimortem Kaiserschnitt: unmittelbare Sectiobereitschaft herstellen und ggf. konsequent zeitnahe
Durchführung (kein Transport der Patientin, um Zeitverlust und Reduktion der Effektivität der
Reanimation zu vermeiden).
Kompliziertes Atemwegsmanagement
Die Progesteron-vermittelte laryngeale/tracheale Ödemneigung in der Schwangerschaft muss berücksichtigt
werden.
-
Anpassung der Tubusgröße bei der Intubation (Innendurchmesser der Trachea um 0,5–1 mm
reduziert)
-
Höhere Komplikationsrate/Gefahr der Fehlintubation durch Hyperämie, Hypersekretion, Schleimhautödem
und schwierigere Arbeitsbedingungen durch die (Links-)Seitenlage (Anatomie der Atemwege stellt sich
anders dar als in Rückenlage)
-
Gesteigertes Aspirationsrisiko (gastrointestinaler Reflux, Kardiainsuffizienz)
-
Entsättigung während Apnoe-Phasen erfolgt rascher als bei Nicht-Schwangeren.
Der fetale Zustand muss in der Akutsituation diagnostisch und therapeutisch außer Acht bleiben
-
Als unzulässig zeitverbrauchend (bis auf Einzelfälle) ist eine geburtshilfliche (Ultraschall-)
Diagnostik von Aspekten wie Geburtsfortschritt, Blutung, Schwangerschaftskomplikationen und die
fetale Zustandsbeurteilung anzusehen und daher zu unterlassen.
-
Die kardiopulmonale Reanimation bzw. die perimortale Sectio darf nicht verzögert/behindert
werden.
Defibrillation bei Schwangeren
-
Die gleiche Impedanz bei schwangeren wie bei nicht-schwangeren Frauen (biphasische
Defibrillationsenergie: 120–200 Joule, eskalierend)
-
Die fetale Exposition der elektrischen Energie ist minimal = keine Gefahr für das Kind
(Stromfluss durch den Uterus/Fruchtwasser, maßgeblich sind Stromstärke und Kontaktdauer)
-
Die veränderte Anatomie in der Schwangerschaft erschwert den Paddeleinsatz → Klebeelektroden
verwenden
-
Eine Lichtbogenbildung zu externen oder internen fetalen Überwachungseinheiten ist unwahrscheinlich
(Einzelfallberichte), deshalb müssen sie während des Stromeinsatzes nicht entfernt werden.
Somit wird eine Verzögerung der Defibrillation vermieden.
Pharmakologische Intervention
Arbeit im erweiterten Team
-
Notfallmediziner/Anästhesist/Internist/Chirurg und
Intensivpflegepersonal/Anästhesiepflegepersonal/Pflegepersonal
-
Geburtshilflicher Anästhesist und Anästhesiepflegepersonal
-
Geburtshilflicher Teambestandteil: Hebamme und Geburtshelfer/ggf. Pflegepersonal
-
Neonatologischer Teambestandteil: Neonatologe und neonatologisches (Intensiv)Pflegepersonal
Implementierung von institutionsspezifischen Checklisten für seltene kritische Notfallsituationen
Die Empfehlungen zur Reanimation von Schwangeren sind nur zum Teil ausreichend wissenschaftlich fundiert.
Die praktischen Regeln zur Durchführung einer Herzdruckmassage (manuelle Tätigkeiten, Lagerung in
Rückenlage und manuelle (Links-)Lateralisierung des Uterus), die Kenntnisse zur Defibrillation und der
Nutzen einer perimortem durchgeführten Sectio sind durch Studiendaten abgesichert [[6], [7], [8]]. Da
Situationen, in den Schwangere reanimiert werden müssen, selten vorkommen, fehlen zu allen übrigen
Empfehlungen der kardiopulmonalen Reanimation belastbare Studiendaten. Die publizierten Leitlinien
basieren hier entweder auf Daten von nicht-schwangeren Frauen, auf Daten aus Simulationsstudien oder
geben Expertenmeinungen wieder [[8]]. Dies betrifft z. B. die Empfehlung
zur Anwendung (Indikation wie Dosis) von Adrenalin (1 mg alle 3–5 Min.) oder Amiodaron (300
mg) nach 3-malig erfolgloser ventrikulärer Defibrillation (tachykarde Rhythmusstörung, Kammerflimmern)
und zur Fibrinolyse bei lebensbedrohlicher massiver Lungenembolie. Eine Lysebehandlung darf bei
Schwangeren zwar nicht ohne Bedenken angewendet werden (Gefahr von Blutungen, fetaler Hypoxie), muss
jedoch im indizierten Fall – trotz eines mütterlichen Mortalitätsrisikos von 1 % – als potenziell
lebensrettend zum Einsatz kommen [[6], [7]].
Qualitätsmanagement
Die Bewältigung eines Herzkreislaufstillstands einer Schwangeren ist auch im Krankenhaus trotz des
Einsatzes multiprofessioneller Interventionsteams mit einer Fehlerquote von 29 % behaftet. Diese
Irrtümer wirken sich auch auf die Überlebensraten aus [[2]]. Im Einzelnen
tragen infrastrukturellen Faktoren zu 75 % der mütterlich fatalen Ausgänge bei. Kommunikationsdefizite im
Team sind dagegen in 70 % bezogen auf neonatale Morbidität und Mortalität als (mit)verantwortlich
anzusehen [[1]].
Aufgrund der Seltenheit und der prognostischen Tragweite dieser Ereignisse fordert der European
Resuscitation Council die Herstellung einer „institutionellen Bereitschaft“ der Klinik im
Umgang mit Herzkreislaufstillstand und kardiopulmonaler Reanimation bei Schwangeren. Er empfiehlt
regelmäßige interdisziplinäre Teamtrainingsmaßnahmen zu Diagnose, Monitoring und koordinierendem
Management von (geburtshilflichen) SCA-Patientinnen. Uniprofessionelles Training führte mitunter sogar
zur Verschlechterung der Leistung des Gesamtteams [[2]].
Antrainierte Erfahrungen bei der Ersterkennung wie auch Fähigkeiten zur unmittelbaren Initiierung
einer fachgerechten Reanimation sind, aufgrund ihres Verantwortungsbereiches in der Geburtshilfe in
besonderem Maße von Hebammen gefordert.
Spezifische Aufgabengebiete
In der Reanimation von Schwangeren treten charakteristische Probleme auf:
-
Zeitverlust bei der Wahrnehmung des Herzkreislaufstillstandes, bedingt durch die
Schwangerschaft
-
Zeitverzögerung bis zum Beginn der kardiopulmonalen Reanimation, bedingt durch die
Schwangerschaft
-
Erhöhte Raten ineffektiver Herzdruckmassagen (no-flow), bedingt durch die
Schwangerschaft
-
Häufige Vernachlässigung von Maßnahmen zur venösen Rückstromverbesserung
-
Kommunikationsdefizite im Team aufgrund der ungewohnten Zusammensetzung
-
Unfähigkeit des Teams zur kontinuierlichen Fokussierung auf die kritisch erforderlichen
Aufgaben
-
Deutliche Unterschiede zwischen den Ergebnissen individueller Wissensüberprüfungen und den
praktischen Fähigkeiten von Reanimationsteammitgliedern (nicht nur bei den geburtshilflich
Beteiligten) [[10]]
Folgende Faktoren sind entscheidend für den Erfolg der Reanimation in außergewöhnlichen Situationen (wie
die Reanimation einer Schwangeren): Inhaltsqualität und Struktur der Team(aus)bildung: Evidenzbasierung,
Wirklichkeitsnähe, Multiprofessionaltität, kontinuierliches Monitoring
Die Qualität der Teamleistung zeigt sich an diesen Zielgrößen:
-
Effektivität der kardiopulmonalen Reanimation
-
Nachhaltigkeit der Teamarbeit, maßgeblich für den Erfolg ist hierbei das fachlich optimale
Zusammenwirken aller Teilnehmer
-
Stärkung von Team- und Führungskompetenzen (frühzeitige Diagnosestellung, koordinierende
Aufgabenverteilung).
Zwei Leben
Perimortem Sectio caesarea bei mütterlichem Herzkreislaufstillstand
Der European Resuscitation Council (ERC) wie auch die American Heart Association (AHA) geben
in ihren Empfehlungen neben den Vorgaben zum Basic life support (BLS) während der Schwangerschaft
auch Instruktion zur Durchführung von Maßnahmen des Advanced life support (ACLS) vor [[1], [6]]:
Bei nicht erfolgreichen Reanimationsbemühungen über eine Dauer von 4 Min. soll die Indikationsstellung
zur Perimortem Sectio erfolgen (gemäß European Resuscitation Council) [[6],
[7]].
Die operative Entwicklung des Kindes per Schnittentbindung nach einer weiteren Minute soll dabei den venösen
Rückstrom zum mütterlichen Herzen begünstigen und Dank der mechanischen Entlastung der Vena cava inferior
die Erfolgsaussichten der Wiederherstellung normaler mütterlicher Kreislaufparameter verbessern [[6], [7]].
Bedingung ist ein Setting (Ort, Logistik), in dem eine unmittelbare Notfallentbindung möglich ist. Primäre
Zielgröße ist eine rasche Erhöhung der mütterlichen Herzauswurfleistung (10 % bei Kompression der
Vena cava inferior vs. 30 % ohne Beeinträchtigung des zentralvenösen Rückflusses zum Herzen).
Durch die Eröffnung der Bauchhöhle besteht außerdem die Möglichkeit, die Aorta zu komprimieren und eine
offene Herzdruckmassage durchzuführen.
Da ein längerfristiges intrauterines Überleben des Feten nur durch die Wiederherstellung einer mütterlichen
Herzkreislaufstabilität gewährleistet werden kann, ist der, aus maternaler Sicht absolut indizierte
Perimortem Kaiserschnitt unter Postponierung all seiner Effekte auf das kindliche Befinden/Prognose
vorzunehmen. Als sekundäre mütterliche Interventionsziele der PMCD kommen durch die Eröffnung der Bauchhöhle
mögliche werdende Kompressions-/Klemmmöglichkeiten der Aorta und die Option der offenen Herzdruckmassage zum
Tragen.
Die Diagnostik der fetalen Situation (Lebenszeichen, Versorgung) ist verzichtbar und darf, wenn in dieser
Situation überhaupt vorgenommen, dabei die Reanimation der Mutter keinesfalls verzögern [[2]].
Nichtsdestotrotz nimmt das Schicksal des Kindes, und dies vorwiegend in Abhängigkeit seines
Gestationsalters, Einfluss auf die Eingriffseinschätzung (Indikationsimpakt)/-logistik (Lokalisationsimpakt)
eines Perimortem Kaiserschnitts [[1]]:
-
< 20. SSW: Keine perimortale Sectio caesarea, da der Uterus zu klein ist, um den venösen Rückstrom
klinisch wesentlich zu behindern. Keine Berücksichtigung der fetalen Prognose.
-
20.–24. SSW: Die Indikation zur perimortalen Sectio basiert ausschließlich auf dem Ziel der
Verbesserung des mütterlichen Reanimationsergebnisses. Keine Berücksichtigung der fetalen
Prognose.
-
> 24. SSW: Bestimmend für die Indikation bleibt der mütterliche Herzkreislaufstillstand. Ein
potenzielles Überleben des Kindes und damit die Erfordernis einer akuten neonatologischen
Betreuung/Reanimation ist als Option zu berücksichtigen.
Bestimmend für die fetale Morbidität und Mortalität ist neben dem Schwangerschaftsalter die potenzielle
Dauer der intrauterinen Hypoxie (mütterlicher Asystolie). Eine zeitnahe Entbindung eröffnet auch bei
nicht-reanimierbarer Mutter die einzige Möglichkeit für das Kind zu überleben und trägt in diesen Fällen u.
U. auch zur Vermeidung neurologischer Spätfolgen bei.
Der Reanimationserfolg bei der Mutter ist maßgeblich vom Zeitintervall zwischen Herzkreislaufstillstand
und Perimortalem Kaiserschnitt abhängig. Die höchste Überlebenswahrscheinlichkeit der Mutter und ggf.
auch des Kindes wird bei einer Entbindung innerhalb von 5 Minuten nach Herzkreislaufstillstand
beschrieben. Tatsächlich findet die Entwicklung des Kindes in der Praxis allerdings meist deutlich später
statt [[5], [8], [9]].
Behandlungspfade für den Notfall praktisch umsetzen
Diese Aspekte müssen in der Praxis verwirklicht sein:
-
System für die Erstentscheidung bzw. für die Triage
-
Strukturen für die bedarfsgerechte Alarmierung
-
Aufbau spezifischer Notfallteams unter Würdigung der zentralen Rolle der Hebamme
-
Festlegung und Koordination der internen und externen Patientinnentransportziele
-
Nachhaltigkeit von internen Trainingsmaßnahmen
-
Etablierung von institutionsspezifischen Handlungsalgorithmen (elektronisch, schriftlich,
geschult)
-
Regelmäßige Durchführung extern geleiteter multiprofessioneller/interdisziplinärer
Simulationstrainings zur Koordinierung diagnostisch/therapeutischer Managementautomatismen, der
Schaffung und des Ausbaus von internen und auswärtigen Kommunikationsstrukturen (geburtshilfliche
Notfallhotline) (Tab.
[
4
]).
Tab. 4
Externes multiprofessionelles/interdisziplinäres Simulationstrainingskonzept.
Notärztliches/rettungsdienstliches – Notfallmanagement bei Schwangeren
|
Herzkreislaufstillstand – Management während der Schwangerschaft
|
-
Erstentscheidung – Triagierung
-
Transportziel (nächstgelegene Geburtsklinik oder Perinatalzentrum?)
-
Wohin innerklinisch mit der geburtshilflichen Notfallpatientin? (Notaufnahme –
Schockraum – Kreißsaal – Operationssaal?)
|
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