Einleitung
Die Endoprothetik am Ellbogengelenk hat in den letzten 10 Jahren zunehmend mehr Beachtung gefunden. Sie kommt inzwischen nicht nur bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen des Gelenks (Arthrose, Arthritis, Gelenkzerstörung bei Hämophilie) und als Rettungsoperation nach fehlgeschlagenen Ersteingriffen (fehlgeschlagenen Frakturrekonstruktionen, chronische Instabilität nach fehlgeschlagenem Bandersatz, dekompensierten Pseudarthrosen und Osteonekrosen nach Frakturversorgung) zum Einsatz, sondern wird auch vermehrt zur primären Frakturversorgung besonders beim älteren Patienten diskutiert. Hier sind in erster Linie die komplexen, nicht stabil rekonstruierbaren, distalen Humerusfrakturen zu nennen, die besonders bei vorliegender Osteoporose eine große Herausforderung in der Behandlung darstellen. Nach anfänglich ernüchternden Ergebnissen in früheren Jahren durch die Verwendung von gekoppelten Endoprothesen mit sehr hohen frühzeitigen Lockerungs- und Komplikationsraten, sind seit der Einführung von modularen Systemen und teilgekoppelten Prothesen deutlich bessere Ergebnisse erzielt worden.
Neben der Totalendoprothese spielt am Ellbogengelenk auch der prothetische Ersatz des Radiuskopfs eine nicht unerhebliche Rolle. Insbesondere nicht stabil rekonstruierbare Trümmerfrakturen, meist in Kombination mit einer komplexen Bandverletzung bzw. Instabilität, sind eine häufige Indikation für eine Radiuskopfprothese. In den letzten Jahren wurde das Spektrum der Endoprothetik am Ellbogengelenk durch den Ersatz des Capitulums am distalen Humerus ergänzt, wodurch ein kompletter Ersatz des radialen Gelenkabschnitts (Radiuskopf und radialer Anteil der Humerusgelenkfläche) möglich wurde.
Frakturprothetik der distalen Humerusfraktur
Distale Humerusfrakturen machen mit einer Inzidenz von 5,7 Fällen auf 100 000 Personen pro Jahr ungefähr 2 % aller Frakturen aus [1]. Besonders beim älteren Patienten mit Osteoporose führen oft schon einfache Stürze zu sehr komplexen, weit distal gelegenen Frakturen. Dies macht eine stabile osteosynthetische Versorgung oft schwierig bis unmöglich. Die Versorgung mit Platten, heute meist winkelstabil und vorgeformt, stellt nach wie vor den „Goldstandard“ in der Versorgung distaler Humerusfrakturen dar [2], [3], [4], ist jedoch besonders beim älteren Patienten mit einer hohen Komplikationsrate (bis zu 30 %) behaftet [5], [6]. Rauchen, Übergewicht, Diabetes mellitus und vorbestehende Arthrose wurden als Risikofaktoren für ein Implantatversagen bzw. eine Pseudarthrosebildung identifiziert [7]. In aktuelleren Studien mit modernen Implantaten und einem parallelen Plattenkonzept konnten jedoch die Ergebnisse deutlich verbessert werden [6]. Eine stabile anatomische Rekonstruktion des Gelenkblocks und eine ausreichende Stabilität für eine frühfunktionelle Nachbehandlung sind ausschlaggebend für den Erfolg der Osteosynthese.
Besonders beim alten Patienten gibt es jedoch Frakturformen, die mit offener Rekonstruktion und Plattenosteosynthese nicht sinnvoll versorgbar sind. Daher wurde für ausgewählte Patienten nach alternativen Behandlungsverfahren gesucht. Die Ellbogengelenkprothese stellt für ältere Patienten mit Osteoporose und mit komplexen distalen Humerusfrakturen eine gute Alternative zur Osteosynthese dar. In ersten Serien konnten ermutigende Ergebnisse erzielt werden [8]. Seither hat die Ellbogengelenkprothetik deutlich an Popularität gewonnen, und in einer Vielzahl von Studien konnte ihre hohe Wertigkeit in der Versorgung von Problemfrakturen am distalen Humerus bestätigt werden [9], [10], [11], [12], [13], [14], [15]. In sämtlichen Studien konnte ein gutes oder sehr gutes funktionelles Ergebnis nach einem allgemein akzeptierten validen Scoresystem (MEPS = Mayo Elbow Performance Score) erreicht werden. Neben diesen Fallserien wurde inzwischen auch eine prospektive randomisierte direkte Vergleichsstudie zwischen Plattenosteosynthese und primärer Totalendoprothese durchgeführt und publiziert [16]. In dieser konnte eine Überlegenheit der primären Ellbogengelenktotalendoprothese gegenüber der Plattenosteosynthese bei komplexen intraartikulären Frakturen am distalen Humerus bei Patienten über 65 Jahren dargestellt werden. Retrospektive Vergleichsstudien zeigten unterschiedliche Ergebnisse, wobei bei manchen ein Vorteil für die primäre Frakturprothetik angegeben wurde, während andere wie die von Egol [17] im Gegensatz dazu keinen signifikanten Unterschied bestätigen konnten. Eine frühere Beweglichkeit, Schmerzfreiheit und eine raschere Gebrauchsfähigkeit werden mit einer lebenslang notwendigen eingeschränkten Belastbarkeit des Armes erkauft. Neuere Entwicklungen im Prothesendesign lassen jedoch hoffen, dass die Belastbarkeit der Ellbogengelenktotalendoprothesen zunehmen wird und dadurch die Standzeiten der Prothesen auch bei Patienten mit geringerer Compliance deutlich verbessert werden könnten.
Der Einsatz von modularen, teilgekoppelten Ellbogengelenktotalendoprothesen stellt bei komplexen intraartikulären Frakturen des distalen Humerus eine sehr gute Versorgungsoption dar. Eine rasche Wiederherstellung der Alltagsfunktion steht einer reduzierten Belastbarkeit gegenüber.
Operative Technik
Für die Versorgung der komplexen distalen Humerusfraktur beim alten Patienten wird in erster Linie ein teilverblockter Prothesentyp in zementierter Form verwendet. Unverblockte Prothesentypen sowie Hemiprothesen bleiben bestimmten Frakturformen vorbehalten, bei denen sowohl der radiale als auch der ulnare Pfeiler intakt geblieben oder stabil rekonstruierbar sind, und bei denen auch die ligamentäre Stabilität wiederhergestellt werden kann. Da dies bei den Altersfrakturen meist nicht gegeben ist und diese Prothesentypen auch in der Nachbehandlung wesentlich mehr Mitarbeit des Patienten erfordern, bevorzugen wir beim geriatrischen Patienten i. d. R. einen teilverblockten zementierten Prothesentyp ([Abb. 1]). Hier lässt ein verbesserter Koppelungsmechanismus mit verbesserten Polyethylenteilen eine geringere Empfindlichkeit gegenüber Belastung und ein verbessertes Abriebverhalten erwarten.
Abb. 1 a und b Teilverblockte Ellbogentotalendoprothese: a Implantat, b intraoperativer Situs.
Die Erfahrungen mit der Hemiprothese am Ellbogen des betagten Patienten sind in der Literatur kontrovers. Während einige Studien von positiven Erfahrungen berichten [18], [19], [20], berichten andere Autoren über ein Streckdefizit, Schmerzen bei Alltagsfunktionen und hohen Revisionsraten [21]. Auch Steinmann gibt als relative Kontraindikation für die Implantation einer Hemiprothese den geriatrischen hochbetagten Patienten an [22]. In unserem eigenen Vorgehen kommt die Hemiprothese bei komplexen nicht rekonstruierbaren Abscherfrakturen des distalen Humerus zur Anwendung sowie bei ausgedehnter Nekrose oder ausbleibender Heilung von Abscherfragmenten, wenn es sich um Patienten handelt, die für eine Totalendoprothese zu jung sind und bei denen kein anderes rekonstruktives Verfahren mehr infrage kommt. Damit soll Zeit gewonnen werden, um nötigenfalls die Prothese später auf eine teilverblockte Totalendoprothese umbauen zu können ([Abb. 2]).
Abb. 2 a bis l 63-jährige Patientin. Sturz auf den linken Arm. Komplexe Gelenkfraktur des distalen Humerus. Versorgt mit einer zementierten Hemiprothese am distalen Humerus. a, b Nativröntgen a.–p. und seitlich; c–f CT-Schnitte; g entfernte Fragmente der Gelenkrolle; h intraoperativer Situs; i–j intraoperative Bildwandlerkontrolle; k–l postoperative Röntgenbilder nach 6 Monaten a.–p. und seitlich.
Die Implantation von Ellbogengelenktotalendoprothesen führen wir in Rückenlage des Patienten durch. Der betroffene Arm wird beweglich steril abgedeckt und auf einem von der Gegenseite über den Patienten geschobenen abgepolsterten Instrumententisch gelagert. In der Regel kommt eine sterile Oberarmblutsperre zur Anwendung. Wir bevorzugen eine gerade dorsale Hautinzision, die etwas seitlich (radial oder ulnar) an der Olecranonspitze vorbeizieht. Wenn immer möglich, wird bei Frakturen ein Zugang unter Belassen des Trizeps bzw. des Streckapparats angewandt. Meist kommt der von Studer et al. 2013 beschriebene laterale „Paraolekranon-Zugang“ zur Anwendung [23]. Der Vorteil liegt in dem Umstand, dass der Streckapparat nicht in der postoperativen Phase geschont werden muss und umgehend mit einer aktiven Bewegungstherapie begonnen werden kann ([Abb. 3]). Eine Alternative, bei welcher der Trizeps ebenfalls erhalten wird, ist der Zugang nach Pierce und Herndon. McKee konnte zeigen, dass eine Resektion der frakturierten Kondylen am Humerus zu keiner Beeinträchtigung des klinischen Ergebnisses bei einer teilverblockten Ellbogentotalendoprothese führt [24].
Abb. 3 a bis c Lagerung und operativer Zugang. a Patientin in Rückenlage, Arm auf gepolstertem Instrumententisch; b steril abgedeckt; dorsale gerade Hautinzision; c Paraolekranon-Zugang. Streckapparat erhalten.
Die zementierte teilverblockte Ellbogentotalendoprothese letzter Generation stellt bei komplexen, nicht sinnvoll rekonstruierbaren Frakturen des geriatrischen Patienten das bevorzugte Implantat dar und wird in der Fraktursituation über einen den Streckapparat erhaltenden Zugang implantiert.
Postoperativ wird der Arm für 24–48 Stunden in einer Schiene in Streckstellung ca. 45° eleviert gelagert. Danach wird mit Bewegungsübungen begonnen, die je nach Weichteilbefund limitiert sind oder frei ohne Beschränkung durchgeführt werden können.
Bei den unverblockten Totalendoprothesen oder bei den Hemiprothesen muss eine Entlastung der Seitenbänder in einer dynamischen Schiene bis zu deren stabiler Heilung mindestens aber für 6 Wochen nach der Operation erfolgen.
Bei den teilverblockten Ellbogentotalendoprothesen wird bei uns nach wie vor eine Belastungsbeschränkung des Ellbogengelenks mit max. 5 kg verordnet, obwohl sich geriatrische Patienten meist nicht streng daran halten können. Wir haben aber dadurch im eigenen Krankengut noch keine frühzeitigen Lockerungen hinnehmen müssen. Die neuen Kopplungsmechanismen scheinen eine stärkere Belastung zuzulassen, obwohl hierzu valide Grenzwerte fehlen.
Ergebnisse
Die Evidenzlage bez. der Versorgung distaler Humerusfrakturen beim geriatrischen Patienten ist dürftig. Eine einzige prospektiv-randomisierte Studie zeigt signifikante Vorteile für den prothetischen Ersatz im Vergleich zur Plattenosteosynthese [16]. In einer Metaanalyse konnte kein signifikanter Unterschied, jedoch ein deutlicher Trend zugunsten der Ellbogentotalendoprothese festgestellt werden [25]. Neben einem etwas besseren funktionellen Ergebnis ist es besonders die geringere Komplikationsrate, die bei ausgewählten Patienten für den prothetischen Ersatz spricht ([Abb. 4]). Der durchschnittliche Funktionsscore (MEPS) liegt zwischen 73 und 96, was einem guten und sehr guten Ergebnis entspricht [14]. Während die Beugung i. d. R. sehr gut möglich ist, weisen die meisten Patienten doch ein leichtes Streckdefizit (zwischen 10 und 33°) auf. Während in der Literatur eine 5-Jahres-Überlebensrate der Prothese zwischen 72 und 84 % und eine Komplikationsrate von 9,5 % angegeben wird, musste beim eigenen Krankengut bei Verwendung der Coonrad-Morrey-Ellbogentotalendoprothese nur in 2 Fällen, bei Verwendung der Latitude-Ellbogentotalendoprothese nur in einem Fall und bei Verwendung der Nexel-Ellbogentotalendoprothese mit dem verbesserten Prothesendesign in keinem einzigen Fall eine revisionspflichtige Komplikation hingenommen werden. Die primäre Anwendung der Ellbogentotalendoprothese zur Frakturversorgung führt im Vergleich zur Implantation nach fehlgeschlagener Osteosynthese zu einem tendenziell besseren funktionellen Ergebnis. Die Rate der relevanten Komplikationen, Revisionen und des notwendigen Prothesenausbaus ist aber bei den sekundär implantierten Ellbogentotalendoprothesen deutlich höher [14], [26].
Abb. 4 a bis h 77-jährige Patientin. Sturz über den Teppich. Komplexe intraartikuläre Gelenkfraktur distaler Humerus und Abbruch vom Radiuskopf. a, b Nativröntgen a.–p. und seitlich; c–f 3-D-Rekonstruktion der CT-Schnitte; g, h postoperative Röntgenbilder a.–p. und seitlich. Zementierte teilverblockte Ellbogentotalendoprothese.
Die Radiuskopfprothese
Der Radiuskopf ist ein wichtiger Stabilisator des Ellbogengelenks bei Valgusstress, insbesondere bei gleichzeitiger Verletzung des medialen Seitenbands. Bis zu 60 % des Lasttransfers können am Ellbogengelenk über das Gelenk zwischen Radiuskopf und Capitulum radialis humeri übertragen werden. Die Radiuskopffraktur ist die häufigste Fraktur am Ellbogengelenk. Bei schwereren Traumen kommt es häufig neben komplexen dislozierten Frakturformen zu zusätzlichen ligamentären Verletzungen, Frakturen an der Elle und Verletzungen der Membrana interossea. Während einfache, nicht oder wenig dislozierte Frakturen (Verschiebung ≤ 2 mm = Typ Mason I) gut konservativ behandelt werden können, werden stabil rekonstruierbare Frakturen mit einer Dislokation von mehr als 2 mm (Typ Mason II) osteosynthetisch mit Schrauben und ggf. mit einer Platte versorgt. Wichtig ist dabei neben der stufenfreien Reposition eine stabile Fixation, um eine frühfunktionelle Nachbehandlung zu ermöglichen. Frakturen mit erheblichen Trümmerzonen, die nicht stabil rekonstruierbar sind, werden im eigenen Vorgehen mit einer Radiuskopfprothese versorgt. Mit zunehmender Komplexität der Radiuskopffraktur nimmt die Häufigkeit von Begleitverletzungen zu. So konnte bei Mason-II- und -III-Frakturen in 54 % eine Ruptur des medialen Seitenbands festgestellt werden, in 80 % eine Ruptur des lateralen Seitenbands und in 50 % eine Ruptur beider Bandkomplexe [27]. In bis zu 10 % sind Radiuskopffrakturen mit Verrenkungen des Ellbogengelenks kombiniert. Bei zusätzlichem Abbruch der Spitze des Processus coronoideus ulnae und Ruptur des Seitenbandapparats liegt eine sehr instabile Situation vor (= „Terrible Triad“, [Abb. 5]). In diesen Fällen und in Fällen mit begleitender Ruptur der Membrana Interossea (= Essex-Lopresti-Verletzung) ist unbedingt eine Rekonstruktion oder ein mechanisch kompetenter prothetischer Ersatz des Radiuskopfs erforderlich. Obwohl wir bei Radiuskopffrakturen i. d. R. eine CT-Untersuchung zur exakteren Beurteilung durchführen, kann die sinnhafte Rekonstruierbarkeit oft erst intraoperativ endgültig beurteilt werden. So ist bei der Versorgung komplexerer Frakturen eine Radiuskopfprothese stets vorbesprochen, sodass ein Umstieg von der Rekonstruktion auf die Endoprothese jederzeit möglich ist. Eine reine Radiuskopfresektion ohne Ersatz wird nur bei sehr betagten Patienten durchgeführt, bei denen weder eine Luxation oder Subluxation noch eine relevante ligamentäre Begleitverletzung oder Membranverletzung vorliegt.
Abb. 5 a bis k 45-jährige Patientin. Sturz von einem Baum. Luxation des rechten Ellbogengelenks mit Radiuskopffraktur und Abbruch des Processus coronoideus der Elle (= „Terrible Triad“). a, b Nativröntgen a.–p. und seitlich; c–e CT-Schnitte; f–k Nativröntgen a.–p./seitlich und Funktion nach 5 Jahren.
Der prothetische Ersatz des Radiuskopfs ist bei komplexen, nicht stabil rekonstruierbaren Radiuskopffrakturen indiziert, bei denen eine zusätzliche ligamentäre Verletzung, knöcherne Verletzung oder eine Verletzung der Membrana interossea vorliegt.
Bevorzugt werden heute modulare Prothesensysteme, die ein Anpassen an die anatomischen Gegebenheiten erlauben (Abb [6]). Die Prothesen sind i. d. R. aus Metall oder poliertem Carbon oder hochwertigem Polyethylen. Silikonprothesen werden aufgrund der mangelnden mechanischen Kompetenz nicht mehr verwendet. Grundsätzlich werden Kurzschaft- von Langschaftprothesen unterschieden sowie Prothesen mit einem starren Kopf von solchen mit einem flexiblen Kopf (bipolare Prothesen).
Abb. 6 a bis c Modulare Radiuskopfprothese. a verschiedene Schaftgrößen, Halslängen und Kopfdurchmesser; b zusammengestellte Probeprothese; c Prothese in situ (intraoperatives Bildwandlerbild).
Operative Technik
Die Radiuskopfprothesen werden entweder zementiert oder zementfrei implantiert oder weisen einen polierten Schaft auf. Sie werden entweder über einen Kocher-Zugang, einen Kaplan-Zugang oder einen Extensor-digitorum-communis-Splitting-Zugang eingebracht ([Abb. 7]). In der Fraktursituation sind manchmal Langschaftprothesen zur Überbrückung der Frakturzone erforderlich, wobei auf eine korrekte Rekonstruktion des Schaft-Hals-Winkels geachtet werden muss. Die Krümmung des proximalen Radius weist i. d. R. von der Tuberositas radii (Ansatz der distalen Bizepssehne) weg und zeigt in Richtung des Speichengriffels (des abgespreizten Daumens). Eine Fehlrotation der Prothese muss unbedingt vermieden werden, da es sonst bei Unterarmrotation zu einer Luxation der Prothese oder zu asymmetrischer Belastung des Gelenkknorpels am Capitulum kommt. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass ein Ausmaß der primären Resektion oder eines Knochenverlusts von mehr als 15 mm am proximalen Radius zu einer erheblichen Zunahme der Mikrobewegungen zwischen Schaft und Knochen und damit zu einer potenziellen frühzeitigen Auslockerung führt [28].
Abb. 7 a und b Operativer radialer Zugang: a Kocher-Intervall – zwischen M. anconeus* und M. extensor carpi ulnaris**; b intraoperativer Situs mit Probeprothese.
Ein weiterer sehr entscheidender Faktor für das Langzeit-Outcome einer Radiuskopfprothese ist die optimale Größe und Länge der Prothese, was insbesondere bei gleichzeitiger Instabilität des Ellbogengelenks schwierig sein kann. Der Durchmesser der Radiuskopfprothese wird i. d. R. ca. 2 mm geringer genommen als es dem gemessenen Durchmesser des entfernten nativen Radiuskopfs entspricht. Die korrekte Länge der Radiuskopfprothese wird intraoperativ durch die Incisura radialis der Elle definiert, wobei bei gleichzeitigem Vorliegen einer Membranverletzung zuerst auf eine seitengleiche korrekte Stellung im distalen Radioulnargelenk geachtet werden muss. Dann darf der Prothesenkopf der Radiuskopfprothese die Inzisur nach proximal nicht überragen. Intraoperativ dient die laterale Gelenkkante des Processus coronoideus als Landmarke. Der Prothesenkopf darf diesen nach proximal nicht überragen oder sollte sogar bis zu 2 mm weiter distal positioniert sein. Da die individuellen anatomischen Unterschiede in diesem Bereich groß sind, sollte präoperativ ein Röntgen des Handgelenks und des Ellbogengelenks der gesunden Seite als Referenz durchgeführt werden [29], [30]. Weiterhin sollte intraoperativ immer nach Setzen der Probeprothese eine Bildwandleruntersuchung vorgenommen werden und exakt auf die richtige Länge der Prothese in Relation zur lateralen Gelenkkante der Elle geachtet werden. Weiterhin muss der humeroulnare Gelenkspalt symmetrisch sein und parallele Gelenkflächen aufweisen. Nach Implantation der definitiven Radiuskopfprothese sollte am Rückweg der laterale Bandapparat stabil rekonstruiert werden. Ist auch der mediale Bandapparat defekt, sind wir bei implantierter Radiuskopfprothese dazu übergegangen, den medialen Seitenbandapparat ebenfalls immer zu rekonstruieren, um die Kraftspitzen am radialen Gelenkabschnitt zu reduzieren.
Wichtig für ein gutes Langzeitergebnis nach Implantation einer Radiuskopfprothese ist die Vermeidung einer Überlänge der Prothese, eines zu großen Prothesenkopfs sowie bei Langschaftprothesen die korrekte Ausrichtung der Prothese unter Berücksichtigung der natürlichen Schaft-Hals-Krümmung am proximalen Radius.
Ergebnisse
Die mittelfristigen Ergebnisse der modernen modularen Radiuskopfprothesen sind vielversprechend. Unter Berücksichtigung der wichtigen operationstechnischen Details, wie korrekte Größe und Länge und stabile Rekonstruktion der Bänder, lassen sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sehr gute und gute Ergebnisse erzielen ([Abb. 8]). Obwohl auch nach sekundär fehlgeschlagener Osteosynthese bei noch gut erhaltenem Gelenkknorpel am Capitulum radialis humeri noch gute Ergebnisse erzielt werden können, zeigt die Erfahrung, dass die primäre Radiuskopfprothese bei richtiger Indikation bessere Ergebnisse bringt [31].
Abb. 8 a bis k 48-jähriger Patient. Sturz beim Tennisspielen. Luxationsfraktur des linken Ellbogengelenks. a–c Nativröntgen – luxierter Zustand, Zustand nach Reposition (Radiuskopffraktur, Abbruch des Processus coronoideus ulnae); d, e intraoperative Bildwandleraufnahme (Radiuskopfprothese, Bandrekonstruktion lateral und medial, Bewegungs-Fixateur externe); f–k Nativröntgen und funktionelles Ergebnis nach 3 Jahren.
Knorpelschäden am Capitulum radialis humeri können vom initalen Trauma herrühren oder im Verlauf durch die Radiuskopfprothese ausgelöst sein. Schmerzen und Knorpelveränderungen sind umso rascher progredient, je unanatomischer die Implantation der Prothese erfolgte. Hier kann in Zukunft evtl. die Implantation einer zusätzlichen Teilprothese des Capitulums am distalen Humerus eine Lösungsmöglichkeit darstellen. Erste Erfahrungen damit sind vielversprechend [32]. Die Datenlage ist aber für eine aussagekräftige Beurteilung noch nicht ausreichend. Ansonsten kommt in weiterer Folge, wenn keine Instabilität mehr besteht, die Radiuskopfresektion und beim Fortschreiten der Beschwerden die Ellbogengelenktotalendoprothese infrage.
Schlussfolgerung
Die Endoprothetik spielt heute in der Versorgung von komplexen Frakturen am Ellbogengelenk eine immer bedeutendere Rolle. Ob in Form der Radiuskopfprothese, als Hemiprothese oder als Totalendoprothese des Ellbogengelenks stellt sie sowohl in der primären Frakturversorgung wie auch sekundär bei Zustand nach Traumen mit fehlverheilten Frakturen, Pseudarthrosen, Instabilitäten und posttraumatischer Arthrose eine sehr vielversprechende Versorgungsoption dar.