Die Erstattungspraxis einiger privater Krankenversicherer hat sich unter dem Eindruck
der allgemeinen Kostensteigerungen im Gesundheitswesen für die Radiologen nachteilig
entwickelt. Medizinische Leistungen, die die privaten Krankenversicherungen in der
Vergangenheit anstandslos den Versicherten erstattet haben, führen heute häufiger
zu Nachfragen und der Verweigerung der Kostenerstattung. Den Konflikt der Kostenerstattung
mit ihren Versicherten verlagern einzelne private Krankenversicherungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis.
Unter der ökonomischen Auseinandersetzung zwischen Arzt, Patient und privater Krankenversicherung
leidet weniger das Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherten, sondern das
besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Der Arzt steht dabei schnell
als Abrechnungsoptimierer da, weil einzelne private Krankenversicherungen gegenüber
den Patienten den Eindruck vermitteln, dass der Arzt allein aus monetären Gründen
einzelne Leistungen erbracht hat und nicht aufgrund einer medizinischen Notwendigkeit.
Bei bestimmten Abrechnungsnummern der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gibt es zudem
immer wieder Auseinandersetzungen mit privaten Krankenversicherungen, obwohl eine
Vielzahl von vermeintlichen Zweifelsfällen von der Rechtsprechung in Einzelfällen
zum Vorteil oder auch zum Nachteil des Arztes geklärt ist. Bei den Differenzen geht
es aber nicht nur um die in der GOÄ aufgeführten Abrechnungsnummern, sondern daneben
auch um Analogziffern, die auch ohne Reform der GOÄ Einzug in die ärztlichen Abrechnungen
erhalten. Eine besondere Problematik ergibt sich im Zusammenhang der vom Gesetzgeber
im Rahmen des Patientenrechtegesetzes vom 20.02.2013 (BGBl. I., S. 277) in § 630c
Abs. 3 BGB eingeführten wirtschaftlichen Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten,
deren Tragweite dem Arzt im Allgemeinen und im Besonderen im Zusammenhang mit nicht
eindeutig geklärten Erstattungsansprüchen des Patienten häufig nicht klar ist.
Wirtschaftliche Aufklärung als Informationspflicht
Wirtschaftliche Aufklärung als Informationspflicht
Bereits seit längerem wird verstärkt diskutiert, ob und inwieweit der Arzt verpflichtet
ist, den Patienten auch über die wirtschaftlichen Folgen der Behandlung aufzuklären.
Rechtlich wird die wirtschaftliche Aufklärung als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag
mit dem Patienten abgeleitet. Schutzgut der wirtschaftlichen Aufklärung ist nicht
das Selbstbestimmungsrecht und Integritätsinteresse des Patienten, sondern allein
das Vermögensinteresse des Patienten. Sofern der Arzt gegen die Pflicht zur wirtschaftlichen
Aufklärung verstößt, kann der Patient möglicherweise Schadensersatz verlangen. Die
Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung besteht gegenüber Kassenpatienten und Privatpatienten.
Die wirtschaftliche Aufklärungspflicht wird nunmehr in § 630c Abs. 3 BGB gesetzlich
bestimmt. In der Begründung zum Regierungsentwurf wird diese Verpflichtung des Behandelnden
im Verhältnis zu den Patienten mit dem „überlegenen Wissen des Behandelnden im täglichen
Umgang mit Abrechnungen und dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse“ begründet.
§ 630c Abs. 3 BGB lautet:
„Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch
einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende
Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen
Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus
anderen Vorschriften bleiben unberührt.“
Nach der Begründung zum Gesetzentwurf des Patientenrechtegesetzes fallen unter den
Anwendungsbereich des § 630c Abs. 3 BGB insbesondere die sogenannten „Individuellen
Gesundheitsleistungen“ (IGeL), deren Behandlungskosten nicht von Dritten (z. B. gesetzlichen
oder privaten Krankenversicherungen) übernommen werden und vom Patienten selbst zu
bezahlen sind.
Die im Gesetz angelegte einseitige Informationslastzuschreibung ist als problematisch
anzusehen. Auch die Krankenversicherungen haben ihre Versicherten zu informieren und
aufgrund der größeren Sachnähe genaue Kenntnis darüber, welche Kosten im Einzelfall
zu tragen sind. Darüber hinaus bestehen bereits in anderen untergesetzlichen Vorschriften
(§ 3 Abs. 1 S. 2, § 18 Abs. 8 Nr. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte; § 12 Abs. 4 Muster-Berufsordnung)
Regelungen zu dieser Frage. Das Nebeneinander von Vorschriften im selben Regelungsbereich
trägt jedoch nicht zur Rechtsklarheit bei.
Umfang der wirtschaftlichen Aufklärung
Umfang der wirtschaftlichen Aufklärung
Es verwundert daher nicht, dass die Regelung des § 630c Abs. 3 BGB in der Praxis bisher
nur eine geringe Berücksichtigung findet. Die Folgen aus einer unvollständigen Aufklärung
trägt nach dem Willen des Gesetzgebers alleine der Arzt. Die Frage, ob der Patient
letztlich selbst, also in dem Fall, in dem eine private Krankenversicherung die Behandlungskosten
nicht erstattet, zur Zahlung verpflichtet ist, verhält sich in bestimmten Situationen
des Praxisalltages jedoch anders, als der Radiologe es erwarten dürfte.
Das Oberlandesgericht Stuttgart (vgl. Urteil vom 08.01.2013, Az. 1 U 87/12) entschied
in dem Fall einer Krankenhausbehandlung vor der Einführung des § 630c Abs. 3 BGB,
dass der Patient, der ein Krankenhaus besucht, in dem – ohne dass er es weiß – unter
einem Dach eine Privatklinik und ein Plankrankenhaus betrieben werden, von der Behandlungsseite
wirtschaftlich aufzuklären ist, wenn diese Anhaltspunkte dafür hat, dass der private
Krankenversicherer die Behandlungskosten in der Privatklinik nur in der Höhe übernimmt,
wie sie im Plankrankenhaus angefallen wären. Die Behandlungsseite hatte nach Überzeugung
des Oberlandesgerichts Stuttgart Anhaltspunkte, weil die privaten Krankenversicherer
bereits seit längerem allgemeine Bedenken gegen den Betrieb einer Privatklinik und
eines Plankrankenhauses unter einem Dach erhoben hätten. In dem konkreten Fall hatte
der PKV-Verband 2 Rechtsgutachten zu der Frage einer Privatklinik unter dem Dach eines
Plankrankenhauses veröffentlicht.
Zwar obliege nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart der Behandlungsseite
weder, den Patienten umfassend wirtschaftlich zu beraten, noch müsse sie sich etwa
Kenntnisse über den Inhalt und Umfang seines privaten Versicherungsschutzes verschaffen.
Jedoch gehöre es zu ihren Pflichten, den Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen
finanziellen Belastungen zu bewahren, soweit sie über bessere Kenntnisse und ein besseres
Wissen verfügt (BGH NJW 2000, S. 3429; OLGR Stuttgart 2003, 91). Das sei etwa dann
der Fall, wenn die Behandlungsseite positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme
durch den Krankenversicherer habe, oder wenn sich aus den Umständen zumindest hinreichende
Anhaltspunkte dafür ergäben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten
nicht gesichert sei. Diese Rechtsauffassung hat der Gesetzgeber in die Regelung des
§ 630c Abs. 3 BGB übernommen (vgl. BT-Drucks. 17/10488 vom 15.08.2012, S. 22). Auch
eine der Behandlungsseite bekannte Nichtanerkennungspraxis der Krankenversicherer
kann – ob berechtigt oder nicht – eine entsprechende Aufklärungspflicht begründen
(Kaiser in: Ratzel / Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, § 12 Rn. 225).
Die wirtschaftliche Aufklärung hat in Textform zu erfolgen und daher nicht lediglich
mündlich, sodass die Übergabe eines Informationsschreibens oder eine E-Mail der Form
genügen. Zwar bedarf es anders als bei der Schriftform keiner eigenhändigen Unterschrift,
aber den Zugang der Information muss der Radiologe dokumentieren. Nach § 630c Abs.
3 S. 2 bleiben weitergehende Formanforderungen aus anderen Gesetzen unberührt. Primär
zielt dieser Satz nach dem Gesetzgeber auf die Schriftformerfordernisse in § 17 Abs.
2 Krankenhausentgeltgesetz und § 18 Abs. 8 S. 3 Nr. 2 und 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte
ab.
Beispiele für wirtschaftliche Aufklärungspflichten im Bereich der GOÄ
Beispiele für wirtschaftliche Aufklärungspflichten im Bereich der GOÄ
Gebührennummer 1 GOÄ
Während bei der Nr. 1 GOÄ die Erstattungsfragen zugunsten der Radiologen erledigt
erscheinen, bestehen bei der Nr. 75 GOÄ unverändert Differenzen. Der Ausschuss „Gebührenordnung“
der Bundesärztekammer hatte bereits im Deutschen Ärzteblatt, Jg. 103, Heft 1–2 vom
09.01.2006 Abrechnungsempfehlungen veröffentlicht. Danach erfüllt die in jedem Fall
vor einer diagnostischen Auftragsleistung erforderliche Überprüfung der Indikation
und des Untersuchungsumfangs im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit und die
Anpassung der im Einzelfall erforderlichen Messbindungen und -parameter nicht den
Leistungsinhalt der Nr. 1 GOÄ. Abrechenbar ist die Nr. 1 GOÄ aber dann, wenn der Patient
den Radiologen direkt aufsucht, sodass dieser selbst eine vollständige Anamneseerhebung
und Beratung des Patienten vornehmen muss. Nach den Beispielen der Empfehlungen löst
z. B. eine über die Befundmitteilung hinausgehende Erörterung des MRT-Befunds einschließlich
einer ersten Bewertung von Therapieoptionen oder des weiteren Verhaltens des Patienten
die Abrechenbarkeit der Nr. 1 GOÄ aus. Trotz dieser klaren Abrechnungslage gibt es
private Krankenversicherungen, die die Erstattung der Nr. 1 GOÄ rechtsgrundlos verweigern.
Obwohl die Rechtslage eindeutig ist, müsste der Radiologe seinen Patienten daher über
die voraussichtliche Nichterstattung der Nr. 1 GOÄ seitens seiner privaten Krankenversicherung
und der voraussichtlichen Höhe der Nr. 1 GOÄ unterrichten, wenn dieser bei einer privaten
Krankenversicherung versichert ist, die die Erstattung voraussichtlich in diesem Fall
ablehnt. Diese Aufklärung kann aber der Radiologe nur dann leisten, wenn er vor der
Behandlung über die Erstattungspraxis der privaten Krankenversicherung des Patienten
Kenntnis haben würde. Dies ist jedoch regelmäßig nicht der Fall und es bestehen keine
gesetzlichen Vorschriften, wonach der Radiologe aktiv dieser Frage nachgehen muss.
Lediglich aufgrund einer früheren Kommunikation mit einem privaten Krankenversicherer
des Patienten könnte die Erstattungspraxis bekannt sein.
Gebührennummer 75 GOÄ
Im Fall der Nr. 75 GOÄ ist die Rechtslage zwar nicht generell schwieriger zu beurteilen,
als bei der Nr. 1 GOÄ, aber die Leistungsanforderung ist umfangreicher, sodass mehr
Interpretationsspielraum für die privaten Krankenversicherer und die Radiologen besteht.
Ein ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht ist nach den vorstehenden
Abrechnungsempfehlungen des Ausschusses „Gebührenordnung“ der Bundesärztekammer bei
MRT-Leistungen regelhaft nicht gerechtfertigt, weil die Nr. 75 GOÄ zwingend eine epikritische
Bewertung des Befunds oder einen epikritischen Vergleich mit Vorbefunden und anderen
Informationen voraussetzt. Erfolgt aber ein epikritischer Vergleich mit Vorbefunden
und ggf. Therapie- oder Verhaltenshinweisen, dann kann die Nr. 75 GOÄ, sofern die
weiteren Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind, in Ansatz gebracht werden. Dennoch
stellen verschiedene private Krankenversicherer den Gebührenansatz infrage. Es zeichnet
sich daher für den Radiologen, ähnlich wie in dem Fall, der dem Oberlandesgericht
Stuttgart im Krankenhausbereich vorlag, ab, dass eine Kostenerstattung seitens des
Krankenversicherers zugunsten des Patienten unterbleiben könnte. Entsprechend ist
der Patient über die Erstattungslücke aufzuklären und diesem die voraussichtliche
Höhe der Kosten der Nr. 75 GOÄ mitzuteilen, die er in diesem Fall selbst zu tragen
hat.
Für den Radiologen ist es juristisch schwierig seine Honorarforderung durchzusetzen,
wenn die private Krankenversicherung die Zahlung verweigert. Im Rahmen der wirtschaftlichen
Aufklärung wäre der Patient darüber aufzuklären gewesen, dass bestimmte private Krankenversicherungen
das Erfordernis eines ausführlichen Befundberichtes infrage stellen. Fehlt es aber
an der konkreten wirtschaftlichen Aufklärung auf der Grundlage des § 630c Abs. 3 BGB,
dann entfällt die Leistungspflicht des Patienten und in der Folge sein Anspruch auf
Erstattung der Kosten für eine Leistung, die aus Rechtsgründen nicht abzurechnen war.
Schüren daher private Krankenversicherungen in Zukunft genügend Streit um einzelne
Gebührenziffern, führt dies zu einem steigenden Umfang der wirtschaftlichen Aufklärung
seitens des Radiologen und häufigeren Honorarausfällen.
Eine zunehmende Transparenz besteht bei den privaten Krankenversicherungen über die
Häufigkeit des Ansatzes bestimmter Abrechnungsziffern in bestimmten radiologischen
Praxen. Diese Transparenz nimmt zu, umso mehr Versicherte die Versicherung hat und
desto größer die radiologische Praxis ist. Weiß der Radiologe aus anderen Erstattungsverfahren
oder allgemein, dass eine einzelne private Krankenversicherung die Erstattung einer
oder mehrerer Abrechnungsnummern regelmäßig ablehnt, weil sie die medizinische Notwendigkeit
der Leistungserbringung oder den Leistungsumfang infrage stellt, dann hat der Radiologe
Kenntnis davon, jedenfalls aber hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Erstattungslücke
bei einer privaten Krankenversicherung besteht. Hierüber ist der Versicherte entsprechend
aufzuklären. Die Gerichte „schützen“ in diesen Fällen letztlich die rechtswidrige
Erstattungspraxis der privaten Krankenversicherungen und verhelfen dem Patienten nicht
zur Durchsetzung seiner berechtigten Leistungsansprüche gegenüber seinem Versicherer.
Fazit
Der Gesetzgeber hat den Radiologen wie auch anderen Ärzten das Risiko einer korrekten
wirtschaftlichen Aufklärung allein übertragen. Ziel der Gesetzgebung ist der Schutz
des Patienten. Dieser soll durch den behandelnden Arzt in die Lage versetzt werden,
finanziell selbstbestimmt an seiner ärztlichen Therapie und Untersuchung mitzuwirken
und darüber zu entscheiden. Mittelbar folgt daraus jedoch zugleich ein unberechtigter
Schutz der privaten Krankenversicherungen, die ihrerseits von Informations- und in
der Folge auch von Leistungspflichten befreit werden. Der Radiologe sollte sich bewusst
machen, dass er dieses Risiko durch geeignete Aufklärungsmaßnahmen beherrschen kann
und, dass er aufgrund der Rechtslage bei gerichtlichen Verfahren gegen einen Patienten
vor erheblichen Hindernissen stehen kann, wenn es um die Geltendmachung von Honoraren
geht, deren Erstattung die privaten Krankenversicherungen häufiger ablehnen.
Eine wirtschaftliche Aufklärung, die vor der Behandlung in Textform zu erfolgen hat,
bietet andererseits dem Radiologen einen wertvollen Vorteil. Der Patient weiß, welche
Kostenfolge für ihn persönlich entstehen kann. Er hat, wenn er später die Kostenerstattung
bei der privaten Krankenversicherung geltend macht, eine andere Erwartungshaltung
gegenüber seiner Versicherung. Aber selbst dann, wenn die private Krankenversicherung
am Ende unverändert an ihrer zweifelhaften Erstattungspraxis festhalten sollte, besteht
eine gesteigerte Chance, das ärztliche Honorar von dem Patienten zu erhalten. Dieser
Anspruch besteht bei Erstattungslücken seitens des Radiologen nicht nur aus Rechtsgründen,
weil ein zivilrechtlicher Anspruch aus dem Behandlungsvertrag nach § 630a Abs. 1 BGB
besteht, sondern zugleich, weil der Radiologe von Anfang an auf ein mögliche Weigerung
der Kostenerstattung durch die private Krankenversicherung hingewiesen und der Patient
sich dennoch für die Leistung entschieden hat.