kma - Klinik Management aktuell 2022; 27(09): 70-72
DOI: 10.1055/s-0042-1756553
Pflege

Akademisierte Pflege am Bett: APN: Das Uniklinikum Regensburg geht neue Wege

Marc Dittrich
,
Alfred Stockinger
 

Der demografische Wandel und die steigende Zahl von Pflegebedürftigen stellt besonders die Pflege vor eine schwierige Aufgabe. Trotz Fachkräftemangel gilt es eine qualitativ hochwertige, effiziente und wirtschaftlich angemessene pflegerische Versorgung sicherzustellen. Ein guter Weg, diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist der Einsatz von Advanced Practice Nurses (APN).


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Da die Komplexität von Krankenhauspatienten zunimmt, sind Pflegekräfte in Vorsorgerollen (Nurse Practitioner, NPs) eine wertvolle Ergänzung zu den vorhandenen Arbeitsressourcen der Ärzte und des Pflegepersonals. Die Pflegeexperten verfügen über mehrjährige Berufserfahrung, ein Masterstudium und eine spezielle Weiterbildung im jeweiligen Einsatzgebiet. Sie agieren interprofessionell direkt mit dem Patienten oder beratend für andere Pflegende und Angehörige.

Die 2021 im „Medical Care“ von Aiken et al. veröffentlichten Studienergebnisse zeigten in den Krankenhäusern, die mehr stationäre Pflegeexperten beschäftigten, verbesserte Patientenergebnisse, eine höhere Zufriedenheit des Pflegepersonals, eine geringere chirurgische Mortalität und niedrigere Pflegekosten. Sowohl Patienten als auch das Pflegepersonal in Krankenhäusern mit einem höheren NP-Bett-Verhältnis berichteten von einer besseren Qualität der Versorgung und mehr Patientensicherheit. Pflegekräfte berichteten zudem von höherer Arbeitszufriedenheit und der vermehrten Absichtserklärung ihrer Kolleginnen und Kollegen, im Beruf zu bleiben.

Mehr Verantwortung für die Profession Pflege

Mit dem Konzept Advanced Nursing Practice (ANP = das Versorgungmodell), welches den Rahmen zum Einsatz von NPs bildet, wird die Patientenversorgung am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) in besonders sensiblen und/oder komplexen Bereichen unterstützt. Das UKR zeigt sich dadurch als innovativer Gesundheitsversorger, welcher die Rollen und Aufgaben der Pflegenden mit dem Ziel einer optimalen Patientenversorgung stetig weiterentwickelt.

ANP bildet den Rahmen zum Einsatz von Nurse Practitioners, also Pflegeexperten. Mit ihrem Einsatz erlangen Kliniken eine bessere Versorgungsqualität und mehr Patientensicherheit.

Pflegende sollen heute nicht nur über fundiertes Basiswissen, sondern auch über kritisch-reflektierende Fähigkeiten, Kompetenzen im Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und zuletzt auch über Leadership-Fähigkeiten verfügen, um innerhalb eines Qualifikationsmixes eine fachführende Rolle verantwortlich auszuüben.

Vor diesem Hintergrund wurde am UKR bereits 2013 begonnen, die Karrierewege akademisch ausgebildeter Pflegekräfte systematisch abzubilden, um einen patientenzentrierten Einsatz mit dem Ziel optimierter Ergebnisse in der Praxis zu ermöglichen. Im Rahmen der Entwicklungen wurde dies über die letzten Jahre hinweg durch den Einsatz von pflegewissenschaftlich ausgebildeten Mitarbeitern mit Masterabschluss ergänzt. Kennzeichen aller Rollen mit pflegewissenschaftlich akademischem Hintergrund ist die primäre und unmittelbare Orientierung an der Patientenversorgung und somit die Integration der Rollen in die direkte Patientenversorgung.

Die Implementierung der Rollen und Tätigkeitsfelder der Pflegeexperten, der sogenannten APNs (Advanced Practice Nurse; APN = die Person), wurde in den letzten Jahren zeitversetzt systematisch entsprechend des PEPPA-Frameworks durchgeführt. PEPPA steht für Participatory, Evidence-based, Patient-centred Process for APN role development, implementation and evaluation und ist ein international anerkannter Rahmen, um APNs in Krankenhäusern zu implementieren.

Zudem war und ist das ANP-Modell nach Hamric, welches die Kompetenzen definiert, wegweisend in der Ausgestaltung der Handlungsfelder. Neben der Zentralkompetenz der fachlichen klinischen Erfahrung und Spezialisierung auf ein Gebiet sowie einem Masterabschluss in Pflegewissenschaften sind Fähigkeiten in den Bereichen Clinical Leadership, Beratung/Coaching, Lehre, Forschung, Ethik und Interprofessionalität zentrale Elemente von ANP. Im Vorfeld wurde für alle ANP-Rollen eine Bedarfsanalyse mit wissenschaftlicher Methodik durchgeführt, um eine optimale Anpassung der Rolle zur Erreichung verbesserter Patientenergebnisse zu gewährleisten.

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Pflegeexperten nehmen gerade in Bezug auf die interprofessionelle Zusammenarbeit eine wichtige Rolle ein. APNs übernehmen zudem aufgrund ihrer hochschulischen Ausbildung mehr Verantwortung und können auch die Profession Pflege in ihrem Arbeitsalltag entlasten.(© ty / stock.adobe.com – Stock Photo. Posed by models.)

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Master am Pflegebett

Unsere Pflegeexperten, also die APNs am UKR, verfügen über einen Masterabschluss in Pflegewissenschaft. Sie haben regelmäßig Patientenkontakt und verfügen über entsprechende Expertise in ihrem Fachbereich. Die Pflegeexperten fungieren in den Feldern sowohl als Generalisten als auch als Spezialisten und haben jeweils den Fokus auf einer spezifischen Patientengruppe. Aktuell existierten am UKR fünf ANP-Felder, welche nahezu in vollem Umfang implementiert und zum Teil schon evaluiert sind.

APN-Critical Care: Ziel der ANP Versorgungsstruktur ist es, die besonderen Anforderungen im Feld der hochtechnisierten Intensivmedizin zu unterstützen sowie Critical Care-Aspekte in der Folgebehandlung der Patienten auf den Allgemeinstationen zu erkennen und zu begleiten. Wesentlicher Inhalt ist das interprofessionelle Schnittstellenmanagement zwischen den Abteilungen, die emanzipatorische Ausbildung der Pflegenden, die situative Unterstützung von komplexen Akutsituationen sowie die Durchführung systematischer Pflegevisiten bei vulnerablen Patienten.

APN-ECMO: Die Pflegeexpertin APN-ECMO unterstützt durch regelmäßige Pflegevisiten der am UKR behandelten Patienten mit ECMO-Verfahren die Pflegequalität und den hoch präventiven Charakter der Versorgung dieser Patienten. Durch den Einsatz spezieller Risikoassessments sowie die Entwicklung und Implementierung von Standards können potenzielle Komplikationen früh erkannt oder verhindert werden. Zudem stellt die Ausbildung des Personals innerhalb eines spezialisierten Kurses einen wesentlichen Anteil der Tätigkeit dieser APN dar. Die Gründung einer interprofessionellen Forschungsgruppe zu pflegebezogenen Themen im Kontext der ECMO-Verfahren ist ein Kennzeichen für professionelles Handeln auf wissenschaftlichem Niveau.

Die sechs Kernkompe-tenzen der APN
  • Beratung und Coaching

  • Konsultationen/Konsile

  • Wissenschaftskompetenz und evidenzbasierte Praxis

  • Leadership

  • Interprofessionelle Zusammenarbeit

  • Ethische Entscheidungsfindung

Quelle: Hamric

APN-Delir/Demenz: Neben der Entwicklung von Pflegestandards im Kontext kognitiver Einschränkungen agiert die Pflegeexpertin APN-DDC konsiliarisch bei Bedarf. Die patientenzentrierte Kommunikation ist als wichtiger Handlungsansatz auch Teil des Pflegeverständnisses, welches über Multiplikatoren an alle Stationen weitergegeben wird. Abteilungen mit besonders vulnerablen Patienten werden durch Betreuungskräfte unter fachlicher Begleitung der APN unterstützt.

APN-CED: Innerhalb einer ambulanten Versorgungsstruktur ist die Pflegeexpertin Teil des Teams, welches Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen betreut. Wichtige Aspekte der Sprechstunden sind die Lebensrealitäten und die Steigerung der Therapieadhärenz. Das interprofessionelle Handeln auf Augenhöhe mit Medizinern ermöglicht, den Bedürfnissen der Patienten ganzheitlich gerecht zu werden.

APN-PC: Die besonderen Herausforderungen und fachlichen Anforderungen im Kontext palliativer Versorgung von Patienten, Angehörigen und Teams werden von der APN-PC unterstützt. Diese agiert sowohl konsiliarisch innerhalb der Klinik, beispielsweise auf der Palliativstation, aber auch außerklinisch.

Der Nutzen durch ANP kann literaturgebunden sowohl ökonomisch als auch bezogen auf Patientenergebnisse dargestellt werden. Bedingt durch die pflegewissenschaftliche Ausbildung ermöglicht die Integration von ANPs zusätzliche Entwicklungspotentiale für die Organisation.

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Marc Dittrich, Pflegeexperte APN-Critical Care am UKR(© UK Foto / UKR)
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Alfred Stockinger, Pflegedirektor UKR(© UK Foto / UKR)

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Publication History

Article published online:
13 September 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Pflegeexperten nehmen gerade in Bezug auf die interprofessionelle Zusammenarbeit eine wichtige Rolle ein. APNs übernehmen zudem aufgrund ihrer hochschulischen Ausbildung mehr Verantwortung und können auch die Profession Pflege in ihrem Arbeitsalltag entlasten.(© ty / stock.adobe.com – Stock Photo. Posed by models.)
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Marc Dittrich, Pflegeexperte APN-Critical Care am UKR(© UK Foto / UKR)
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Alfred Stockinger, Pflegedirektor UKR(© UK Foto / UKR)