Z Orthop Unfall 2017; 155(02): 138
DOI: 10.1055/s-0043-100547
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

4-Fragment-Humeruskopffraktur – besser Nagel- oder Plattenosteosynthese?

Gadea F. et al.
Fixation of 4-part fractures of the proximal humerus: Can we identify radiological criteria that support locking plates or IM nailing? Comparative, retrospective study of 107 cases.

Orthop Traumatol Surg Res 2016;
102: 963-970
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Dr. Martin Randow, Rostock


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Publication Date:
25 April 2017 (online)

 

    Gadea F et al. Fixation of 4-part fractures of the proximal humerus: Can we identify radiological criteria that support locking plates or IM nailing? Comparative, retrospective study of 107 cases. Orthop Traumatol Surg Res 2016; 102: 963–970

    Die intramedulläre Nagel- bzw. winkelstabile Plattenosteosynthese ist zur Versorgung der Humeruskopffraktur weitreichend bekannt und anerkannt. Es fehlen jedoch präoperative objektive Parameter zur Beurteilung, welches Verfahren bei der 4-Fragment-Fraktur die besseren Ergebnisse erzielt. Gibt es radiologische Kriterien, aus denen eine bevorzugte Osteosyntheseform abgeleitet werden kann?


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    F. Gadea et al. untersuchten im Rahmen einer Multicenterstudie diesen Sachverhalt und kamen zu dem Ergebnis, dass der mediale „Hinge“ einen prognostischen Parameter darstellt. Für die Studie wurden retrospektiv 107 4-Fragment-Humeruskopffrakturen ausgewertet – alle waren nicht älter als 3 Wochen nach Fraktur und wurden zwischen dem 01.01.2009 und 31.12.2011 operiert. 54 Nagel- und 53 Plattenosteosynthesen wurden hinsichtlich des Constant Scores sowie prä- und postoperativen radiologischen Kriterien (Röntgen a.–p./lateral) mit Einschluss

    • Fragmentdislokation Tubercula sowie Humeruskopf

    • Morphologie der medialen Säule (Kalkarstabilität, medialer „Hinge“) und

    • Vorhandensein einer Humeruskopfnekrose

    erfasst. Ein schlechtes Outcome wurde dabei ab einem Constant Score < 70 % definiert.

    In der Auswertung standen sich nach einem mittleren Beobachtungszeitraum von 42 Monaten eine Nagelosteosynthesegruppe mit gewichtetem Constant Score bzw. schlechtem Outcome von 77/48 % einer Plattenosteosynthesegruppe mit 81 bzw. 38 % gegenüber. Mittels Nagelosteosynthese konnte der Humeruskopf in 57 % anatomisch rekonstruiert werden. In 30 % verblieb eine valgische, in 13 % eine varische Fehlstellung. 58 % anatomische Kopfrekonstruktionen, 29 % valgische bzw. 13 % varische Kopffehlstellungen verblieben nach Plattenosteosynthese. Die Komplikationsraten waren bei beiden Gruppen vergleichbar.

    Sobald sich präoperativ ein medialer „Hinge“ darstellte, gab es signifikante Unterschiede im gewichteten Constant Score der Platten- (97,4 %) gegenüber der Nagelosteosynthesegruppe (81,8 %), welches sich ebenfalls in einem schlechten Outcome (9 vs. 52 %) widerspiegelte. Umgekehrt war das präoperative Fehlen des medialen „Hinge“ kein Prädiktor für einen signifikanten Unterschied im Constant Score im Hinblick auf die osteosynthetische Versorgung. Es konnte jedoch ein Trend zur sekundären Varusinstabilität in der Nagelosteosynthesegruppe nachgewiesen werden.

    Fazit

    Bei erhaltenem präoperativem medialem „Hinge“ empfehlen die Autoren dieser Studie die Versorgung der 4-Fragment-Humeruskopffraktur mit winkelstabiler Plattenosteosynthese. Angeführt wird jedoch auch, dass das funktionelle Ergebnis letztendlich nicht zwingend von der Methodik der Osteosynthese, sondern vielmehr von der korrekten Reposition und Retention unter Beachtung der allgemeinen Regeln der internen Fixierung abhängt (Tubercularekonstruktion, Varuskorrektur, Kalkarstabilisierung).

    Studien-Kommentar

    Die Hoffnung der Autoren dieser retrospektiven Multicenterstudie ist es gewesen, dem Leser einen Leitfaden zu vermitteln, mit welchem osteosynthetischen Versorgungsprinzip eine 4-Fragment-Humeruskopffraktur in Abhhängigkeit von radiologischen Kriterien am besten therapiert werden kann. Bis auf die Empfehlung, eine winkelstabile Plattenosteosynthese bei präoperativ erhaltenem medialen Hinge anzuwenden, konnte die Studie leider keine weiteren objektiven Kriterien zur Eingrenzung der Therapieoptionen darstellen. Schwächen der Studie liegen zum einen im retrospektiven, nicht randomisierten Multicenterdesign. Zum anderen könnten die radiologischen Analysen z. B. mittels CT um eine 3-D-Analyse erweitert werden. Letztendlich stellt die Versorgung einer 4-Fragment-Humeruskopffraktur eine komplexe Situation dar, die, wie von den Autoren bereits angedeutet, unabhängig vom Osteosyntheseverfahren gesicherter chirurgischer Erfahrung bedarf, um eine sichere stabile und anatomische Humeruskopfrekonstruktion zu gewährleisten.

    Dr. Martin Randow
    Universitätsmedizin Rostock
    Chirurgische Klinik
    Abteilung für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
    Schillingallee 35
    18 057 Rostock
    Martin.Randow@med.uni-rostock.de


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    Dr. Martin Randow, Rostock