Aktuelle Dermatologie 2017; 43(03): 77-78
DOI: 10.1055/s-0043-101461
Derma-Fokus
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Hautkrebs-Früherkennungsprogramm: eindeutiger Nutzen (noch) nicht nachweisbar

Trautmann F. et al.
Effects of the German skin cancer screening programme on melanoma incidence and indicators of disease severity.

Br J Dermatol 2016;
175: 912-919
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Publication Date:
31 March 2017 (online)

 

Mitte 2008 startete das nationale Hautkrebs-Früherkennungsprogramm in Deutschland. Das Ziel: mehr Hauttumore möglichst früh entdecken und so die Prognose verbessern. Achteinhalb Jahre später tut sich die Wissenschaft (noch) schwer mit der Beurteilung, ob dieses Ziel erreicht wird.


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Hautkrebs ist eine der häufigsten Krebsarten in Industrieländern. In Deutschland lag 2009 die Inzidenz für Melanome bei 18 von 100 000 Personen, für andere Hautkrebsarten bei etwa 110 für Männer und 75 für Frauen.

2008 wurde ein nationales Früherkennungsprogramm in Deutschland eingeführt: Alle 2 Jahre können gesetzlich Krankenversicherte ab 35 Jahren ihre Haut vom Hausarzt oder Dermatologen auf Neubildungen untersuchen lassen. Wie viele Versicherte das Angebot in Anspruch nehmen und wie sich das auf die Inzidenz und die Krankheitsstadien bei Diagnosestellung auswirkt, hat nun eine Dresdner Studie anhand der Daten aller AOK-Plus-Versicherten in Sachsen untersucht – mehr als 2 Millionen Menschen, gut die Hälfte der sächsischen Kassenpatienten.

Gut jede(r) Dritte nutzt das Programm

38,0 % der in Frage kommenden Personen nahmen zwischen Juli 2008 und Dezember 2012 mindestens einmal an dem Früherkennungsprogramm teil. Die jährliche Teilnahmerate lag bei 12,4 %. Von den 533 393 untersuchten Personen wurde bei 0,3 % ein Melanom diagnostiziert, bei 2,5 % eine andere Hautkrebsart.

Die 6-Monate-Inzidenz für Melanome sank von 12,8 pro 10 000 Versicherte (Januar – Juni 2008) auf 10,2 nach Einführung des Programms (Juli – Dezember 2008). Andere Hauttumore wurden mit 175,5 pro 100 000 geringfügig häufiger festgestellt als vorher (173,8). Die erwartete deutliche Zunahme der Diagnosen bestätigt sich hier also nicht.


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Sind Tumore bei Screening-Teilnehmern kleiner?

Allerdings scheinen Tumore, die bei Teilnehmern des Programms entdeckt werden, tatsächlich etwas früher entdeckt zu werden als bei Nicht-Teilnehmern – jedenfalls erhielten die Patienten seltener Interferon (8,6 vs. 11,2 %) und hatten seltener befallene Lymphknoten (5,9 vs. 8,5 %) oder Fernmetastasen (1,5 vs. 3,5 %). Diese Unterschiede erreichen keine statistische Signifikanz. Allerdings waren auch die Hauttumore in anderen Studien zu Früherkennungsprogrammen tendenziell dünner und die Patienten hatten seltener Metastasen als jene, die nicht an Früherkennungsprogrammen teilgenommen hatten.

Nicht ausgeschlossen werden können Unterschiede zwischen Menschen, die Früherkennungsprogramme in Anspruch nehmen, und solchen, die das nicht tun. Möglicherweise sind erstere generell gesünder – oder eine Überdiagnostik verzerrt die Statistik. Auch kann das Studiendesign nicht unterscheiden zwischen Tumoren, die im Rahmen des Früherkennungsprogramms entdeckt werden, und jenen, die (bei Screening-Teilnehmern) zwischen den Screening-Untersuchungen festgestellt werden.

Fazit

Wegen verschiedener Einschränkungen kann die Dresdner Studie keine verlässlichen Aussagen zu Effekten des Hautkrebs-Früherkennungsprogramms machen. Ob die Tumore häufiger diagnostiziert werden und ihre Prognose wegen einer früheren Entdeckung besser ist, müssen Langzeituntersuchungen zeigen, die idealerweise mehr klinische Daten berücksichtigen. Die Autoren wünschen sich hierfür die Möglichkeit, sekundäre Daten mit den Angaben aus den Krebsregistern zu verknüpfen.

Dr. Nina Drexelius, Hamburg


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