Pneumologie 2017; 71(04): 196-197
DOI: 10.1055/s-0043-101883
Pneumo-Fokus
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HIV und respiratorische Begleitkomplikationen: Schnelle Behandlung – bessere Prognose?

Kunisaki KM. et al.
Pulmonary effects of immediate versus deferred antiretroviral therapy in HIV-positive individuals: a nested substudy within the multicentre, international, randomised, controlled Strategic Timing of Antiretroviral Treatment (START) trial.

Lancet Respir Med 2016;
4: 980-989
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Publication History

Publication Date:
13 April 2017 (online)

 

Die frühzeitige antiretrovirale Therapie (ART) bei einer HIV-Infektion hat keinen reproduzierbaren Einfluss auf die pulmonale Funktion der Patienten. Das belegt der Langzeitverlauf der spirometrisch erhobenen Parameter.


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Entsprechend der WHO-Empfehlung sollte bei der HIV-Infektion die antiretrovirale Therapie möglichst frühzeitig einsetzen. Dies trägt, so die Vorstellung, zur Verminderung der allgemeinen Symptomlast bei und verbessert die prognostische Situation. Unklar ist, ob diese Strategie auch die pulmonale Prognose bei HIV-Patienten beeinflusst.

Die Autoren führten ihre Subanalyse im Rahmen der START-Studie durch. Einbezogen wurden nur neu diagnostizierte HIV-Fälle, bei denen keine chronisch-respiratorische Erkrankung und keine akute bronchiale Infektion bekannt waren. Eine gezielte Untersuchung auf COPD-Symptome fand nicht statt. Alle waren AVT-nativ. Die Gruppenzuordnung erfolgte randomisiert. Entweder erhielten die Patienten die AVT unmittelbar nach Diagnosestellung, unabhängig von der CD-4-T-Zellzahl oder die Therapie wurde erst nach Unterschreiten einer Schwelle von 350 T-Zellen pro µl bzw. bei AIDS-Symptomen initiiert. Primär erfassten die Forscher den Langzeitverlauf der FEV1. Zusätzlich registrierten sie typische respiratorische Beschwerden und klassifizierten diese nach dem St. George’s Respiratory Questionnaire-Score. Die Nachbeobachtungsphase betrug maximal vier Jahre. Eine Verblindung war aus methodischen Gründen nur bei der Auswertung, nicht aber für die Patienten und die behandelnden Ärzte möglich.

Ergebnisse

Das Alter der Betroffenen lag im Mittel bei 36 Jahren. 61 % hatten eine leere Nikotinanamnese. Die durchschnittliche FEV1 betrug zu Studienbeginn 96 % des Erwartungswerts. Im Median konnten die Patienten für 2 Jahre nachbeobachtet werden. Der spirometrische Verlauf (FEV1) zeigte keinen Therapieeffekt. Die FEV1 reduzierte sich in beiden Gruppen altersadäquat (sofortige ART: – 29 ml/Jahr; verzögerte ART: – 25 ml/Jahr). Beim klinischen SGRQ-Score ergab sich ebenfalls kein relevanter Befund. Lediglich beim Parameter „Symptome“ wies die Gruppe mit sofortiger Therapie nach einem Jahr eine gering, abgeschwächte Symptomlast (SGRQ: 18 vs. 23 Punkte) auf. Auffallend war auch die, nur im vierten Jahr nach Therapiebeginn, erhöhte Bronchitisinzidenz in der Frühtherapiegruppe (33 % vs. 9 %). Die Relevanz dieser Nebenbefunde wird von den Verfassern als marginal bewertet.

Fazit

Die von der WHO vermutete günstige Auswirkung einer frühzeitigen antiretroviralen Therapie bei HIV auf die respiratorische Prognose ließ sich nicht validieren. Ob sich hieraus therapeutische Konsequenzen ergeben, muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt, so die Autoren, offenbleiben.

Dr. med. Horst Gross, Berlin


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