Aktuelle Dermatologie 2017; 43(03): 74
DOI: 10.1055/s-0043-102540
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Melanom-Patienten im Stadium 3 leben unter Ipilimumab länger

Eggermont AMM. et al.
Prolonged Survival in Stage III Melanoma with Ipilimumab Adjuvant Therapy.

N Engl J Med 2016;
375: 1845-1855
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Publication Date:
31 March 2017 (online)

 

Melanome in fortgeschrittenen Stadien haben keine gute Prognose, und das Spektrum der Therapieoptionen war bislang eher mager: Interferon verbessert die Prognose nur marginal und wird wegen heftiger Nebenwirkungen auch nicht häufig eingesetzt. Hoffnung macht der Antikörper Ipilimumab, der 2011 in der Dosierung 3 mg pro kg Körpergewicht für die Therapie zugelassen wurde. Nun prüfen Studien, ob eine höhere Dosierung von 10 mg/kg mehr bringt.


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Ipilimumab ist ein monoklonaler Antikörper, der das zytotoxische T-Lymphozyten-Antigen 4 (CTLA-4) blockiert und so die Immunantwort gegen den Tumor steigert. 2011 wurde es in den USA und Europa für die adjuvante Therapie fortgeschrittener Melanome zugelassen – in einer Dosis von 3 mg pro kg Körpergewicht. In einer Phase-2-Studie zeigte sich, dass 10 mg/kg effektiver sind als 3 mg/kg – wenn auch auf Kosten ausgeprägterer Nebenwirkungen.

In der Phase-3-Studie EORTC 18071 hatten Patienten mit einem Melanom im Stadium 3 unter Ipilimumab in der 10-mg-Dosierung nach durchschnittlich 2,7 Jahren Follow-up ein längeres rezidivfreies Überleben als Patienten unter Placebo (Hazard Ratio [HR] 0,75) – ohne Einschränkungen in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Angesichts der einzigen Therapiealternative Interferon ist das beachtlich. Nun legen die Autorinnen und Autoren von EORTC (European Organization for Research and Treatment of Cancer) 18071 Daten nach einem mittleren Follow-up von 5,3 Jahren vor.

Bessere Prognose unter Ipilimumab …

Nach der kompletten Resektion des kutanen Melanoms erhielten die Patienten 4-mal alle 3 Wochen randomisiert entweder 10 mg/kg Ipilimumab oder Placebo, danach alle 3 Monate – 3 Jahre lang bzw. bis zum Auftreten eines Tumorrezidivs oder Abbruch der Therapie infolge unakzeptabler toxischer Nebenwirkungen.

Die rezidivfreie 5-Jahre-Überlebensrate betrug in der Ipilimumab-Gruppe 40,8 %, in der Placebo-Gruppe 30,3 % (HR für Rezidiv oder Tod 0,76). Die Gesamtüberlebensrate lag nach 5 Jahren bei 65,4 vs. 54,4 % (HR 0,72). 48,3 % der Ipilimumab-Patienten hatten nach 5 Jahren keine Fernmetastasen, unter Placebo waren es 38,9 % (HR für Tod oder Fernmetastasen 0,76).


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… aber deutlich mehr Nebenwirkungen

Die bessere Prognose gab es allerdings nur zum Preis drastischer Nebenwirkungen: 3.- und 4.-gradige unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) traten bei 54,1 % der Ipilimumab-Patienten auf (Placebo 26,2 %). UAW 3. oder 4. Grades auf das Immunsystem waren besonders häufig – sie traten bei 41,6 % der Ipilimumab-Patienten auf (Placebo 2,7 %). 5 Patienten in der Ipilimumab-Gruppe (1,1 %) starben infolge immunologischer UAW.

Viele Patienten sahen sich wegen der heftigen Nebenwirkungen nicht in der Lage, die Therapie bis zum Ende durchzuführen: 40 % gaben schon nach der dreiwöchigen Aufdosierungsphase auf, nur 13,4 % hielten die vollen 3 Jahre durch. Die Studie kann deshalb keine Aussage darüber machen, ob die Erhaltungstherapie notwendig ist. Sie hat aber beobachtet, dass die Mehrzahl der immunologischen Nebenwirkungen innerhalb von 4 – 8 Wochen unter leitliniengerechter Behandlung zurückging. Endokrinopathien brauchten allerdings im Schnitt 54 Wochen bis zur Genesung und 48,5 % der Betroffenen benötigten noch zum Zeitpunkt des Studienendes eine Hormonersatztherapie.

Unter der adjuvanten Therapie mit Ipilimumab traten außerdem häufig Durchfall, Schlafstörungen und Müdigkeit auf (vor allem während der Aufdosierungsphase). Trotz allem schätzten Ipilimumab-Patienten ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität nicht schlechter ein als jene in der Kontrollgruppe.

Fazit

Adjuvante Therapie mit 10 mg/kg Ipilimumab bei Stadium-3-Melanomen ermöglicht eine klinische Verbesserung und längere Überlebenszeiten. Die hohe Dosierung geht allerdings mit massiven unerwünschten Wirkungen einher – und in der Folge auch mit einzelnen Todesfällen. Ein direkter Vergleich von Ipilimumab mit Interferon wird zurzeit in einer anderen Studie durchgeführt.

Dr. Nina Drexelius, Hamburg


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