Pneumologie 2017; 71(03): 143-145
DOI: 10.1055/s-0043-102550
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A. Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation, Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie, Otto-Wagner-Spital, Wien
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Korrespondenzadresse

PD Dr. Arschang Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation
Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie
Otto-Wagner-Spital
Sanatoriumstraße 2
1140 Wien
Österreich   

Publication History

Publication Date:
20 March 2017 (online)

 

Ein 74-jähriger, 181 cm großer und 95 kg schwerer Patient in gutem Allgemein- und leicht adipösem Ernährungszustand, mit vorbekannter COPD im lungenfunktionellen Stadium II (FEV1 74 % des Sollwertes, FEV1/FVC 57 %) sowie bekannter KHK und chronischem Vorhofflimmern, kommt zur elektiven Abklärung einer paratrachealen Raumforderung rechts. Es besteht ein Z. n. nach moderatem Nikotinabusus (20 packyears), dieser wurde jedoch vor mehr als 30 Jahren beendet. Als weitere Komorbiditäten ist auf eine arterielle Hypertonie und eine chronische Niereninsuffizienz zu verweisen. Es besteht keine Atemnot, gelegentlich Husten ohne Auswurf, kein Gewichtsverlust, kein Nachtschweiß.


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Im Rahmen eines rezenten respiratorischen Infekts wurde ein Thoraxröntgen zum Ausschluss einer Pneumonie durchgeführt, aufgrund eines pathologischen Befundes in weiterer Folge eine Thorax-CT veranlasst. Dabei zeigte sich eine große paratracheale, teils flüssigkeitsisodense Raumforderung ([Abb.1]). Im Rahmen einer bronchoskopischen Abklärung mit transbronchialer Nadelaspiration wurden 300 ml seröse Flüssigkeit aspiriert. Die mikrobiologische Aufarbeitung des Materials inkl. einer Abklärung im Hinblick auf eine Tuberkulose blieb ohne Ergebnis.

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Abb. 1 Thorax-CT September 2014.

Laborchemisch zeigten sich keine relevanten Auffälligkeiten, keine erhöhten Entzündungsparameter, eine leichtgradige Einschränkung der errechneten Kreatininclearance (GFR 65 ml/min).

FRAGEN

Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?

  • Lymphom

  • bronchogene Zyste

  • kleinzelliges Bronchialkarzinom

  • intrathorakale Struma

Auflösung

Beschreibung und Diskussion des Falls

Das zytologische Zellbild sowie die Radiologie waren kompatibel mit der Verdachtsdiagnose einer bronchogenen Zyste. Der Patient entschied sich zunächst gegen eine operative Sanierung und wurde angehalten, bei radiologischer Progredienz wieder vorstellig zu werden. Nach 2 Jahren zeigte sich eine deutliche Größenzunahme der Zyste (siehe [Abb. 2]), schließlich wurde der Patient von der Notwendigkeit einer thoraxchirurgischen Sanierung, mittels Video-Assistierter Thorakoskopie (VATS) zur Zystenresektion, überzeugt. Der pathologische Befund der in toto entfernten Zyste bestätigte den Verdacht einer bronchogenen Zyste mit Fettbindegewebe, einer von einem schmalen bis kubischen Epithel gesäumten Zystenwand mit zartem Flimmerbesatz. Darüber hinaus fanden sich vereinzelt Muskelfasern sowie im Bindegewebsanteil herdförmig mäßig dicht Lymphozyten und Plasmazellen gelagert.

Der postoperative Verlauf war komplikationslos, der Patient wurde in gutem Allgemeinzustand und voll mobilisiert nach Hause entlassen.

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Abb. 2 Thorax-CT August 2016.

Der gesamte Magen-Darm-Trakt wird während der Entwicklung des Embryos in verschiedenen Entwicklungsschritten angelegt. Zunächst entsteht ein „primitives“ Darmrohr, dessen erster Abschnitt „Vorderdarm“ genannt wird. Aus diesem Vorderdarm entstehen der Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre und Magen. Durch Aussprossung aus dem Vorderdarm entstehen aber auch die Atemwege und die Lungen. Nimmt diese Aussprossung einen abnormen Verlauf, kann im ventralen Teil des Vorderdarms eine Zyste entstehen. Dabei handelt es sich um eine bronchogene Zyste.

Bronchogene Zysten sind meist singulär, einkammerig, rechts häufiger als links, und haben eine Größe von 2 – 10 cm. Bronchogene Zysten entstehen in der frühen Embryonalphase und finden sich häufig im Mediastinum, entweder im Karinabereich, paratracheal, hiliär oder paraösophageal, sie kommunizieren nur selten mit dem Tracheobronchialsystem. Intrapulmonale bronchogene Zysten hingegen entstehen entwicklungsgeschichtlich nach den mediastinalen bronchogenen Zysten und liegen innerhalb des Lungenparenchyms, in der Regel im Unterlappenbereich, und kommunizieren häufig mit dem Tracheobronchialsystem.

Bronchogene Zysten werden im Erwachsenenalter am häufigsten in der 2. Lebensdekade detektiert. In vielen Fällen handelt es sich um einen radiologischen Zufallsbefund aufgrund unspezifischer Symptomatik. Bei Größenzunahme kann es auch zu einer Verdrängung benachbarter Strukturen mit Kompressionssymptomatik (Stridor, Dysphagie, Hämoptysen bei intrapulmonaler Lage) kommen, die eine weitere Abklärung veranlassen.

Radiologisch finden sich meist rundliche, scharf begrenzte „Raumforderungen“, entweder paratracheal, karinanahe oder im hinteren Mediastinum mit evtl. Kompression des Ösophagus. Infizierte Zysten zeigen manchmal einen Luft-/Flüssigkeitsspiegel. Wie bei allen mediastinalen oder unklaren intrapulmonalen Raumforderungen ist nach der Entdeckung des suspekten Befundes im Thoraxübersichtsbild eine Computertomografie erforderlich. Dort zeigt sich in bis zu 50 % der Fälle eine wasseräquivalente Dichte. Bei erhöhter Dichte empfiehlt sich ein Kontrastmittelbolus zur Differenzierung von solidem Tumorgewebe. Auch die Magnetresonanztomografie weist eine hohe diagnostische Sicherheit zur Diagnose einer bronchogenen Zyste auf.

Die Therapie der Wahl ist eine Resektion (Verhinderung der Verdrängung und Kompression der Nachbarorgane, Infektionsprophylaxe, Vermeidung einer eventuell malignen Entartung). In asymptomatischen Fällen ist auch eine radiologische Observanz zu verantworten. Histologisch zeigt sich, wie auch in dem gegenwärtigen Fall, häufig zilientragendes Epithel und glatte Muskulatur, aber auch Knorpelgewebe und Bronchialdrüsen, jedoch kein alveoläres Gewebe.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

PD Dr. Arschang Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation
Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie
Otto-Wagner-Spital
Sanatoriumstraße 2
1140 Wien
Österreich   


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Abb. 1 Thorax-CT September 2014.
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Abb. 2 Thorax-CT August 2016.