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DOI: 10.1055/s-0043-104758
Praxis und Theorie des Ueberdruckverfahrens
Von Prof. Dr. L. BrauerPositive Airway Pressure Ventilation: Theory and PracticeKorrespondenzadresse
Publication History
Publication Date:
02 June 2017 (online)
Vorwort
Im Folgenden stellen wir einen Artikel aus der Feder von Prof. Dr. Ludolf Brauer vor, der im Jahre 1906 in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift veröffentlich worden ist (Dtsch. Med. Wochenschr. 1906; 32: 533 – 537).
Dieser Artikel nahm sich eines damals intensiv diskutierten Themas an. Durch die gestiegenen Möglichkeiten der chirurgischen Intervention bei pulmonalen Erkrankungen stellte sich die Frage, wie die Beatmung während einer Operation der Lunge am günstigsten zu gestalten sei. Hier konkurrierten zwei Verfahren miteinander, nämlich die von Ferdinand Sauerbruch entwickelte Option einer Unterdruckkammer und die von führenden Internisten, an der Spitze vertreten durch Ludolf Brauer, favorisierte Überdruckbeatmung.
Wie wir heute wissen, hat sich die Überdruckbeatmung gegenüber der Unterdruck-OP-Kammer durchgesetzt. Der Artikel beschreibt die Entwicklung aus theoretischer und tier-experimenteller Sicht. In unseren Augen vermittelt er auch heute noch interessante und spannende Informationen.
Wir wünschen Ihnen viel Freude und Gewinn beim Studium dieser Arbeit.
Ihre R. Kropp und T. Schaberg
geb. 01. 07.1865, verst. 25.11.1951 [1]
Habilitation 1897
1902 – 1911 Professor für Innere Medizin in Marburg
1911 – 1919 Direktor des Allgemeinen Krankenhauses Eppendorf in Hamburg
1919 – 1934 Professor für Innere Medizin an der Universität Hamburg
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Praxis und Theorie des Ueberdruckverfahrens
Von Prof. Dr. L. Brauer
Vor etwa ¾ Jahren habe ich in dieser Wochenschrift über die Durchführung des Ueberdruckverfahrens, welches ich mit besonderem Nachdrucke für die Verhütung der Folgen des offenen Pneumothorax empfahl, berichtet. Heute kann ich einige weitere Erfahrungen und Untersuchungsergebnisse mitteilen, auch möchte ich im Hinblick auf mißverständliche Auffassungen, die während der letzten Monate in der Literatur von neuem zum Ausdruck kamen, die Theorie des Verfahrens besprechen.
Dem Chirurgen dürfte ganz besonders die Tatsache wichtig sein, daß das Ueberdruckverfahren sich bei Operationen am Menschen als gefahrlos und überaus einfach bewährt hat, daß es im weitesten Maße den Erwartungen, die ich auf Grund zahlreicher Tierexperimente und theoretischer Ueberlegungen wiederholt aussprach, gerecht wurde. Die Gelegenheit, das Ueberdruckverfahren praktisch am Menschen zu erproben, bot mir im verflossenen Sommer von allem das Ansuchen von T u f f i e r, im Vereine mit ihm die Methode bei einigen seiner Kranken im Hospital Beaujon in Paris anzuwenden.
T u f f i e r resezierte damals bei einem Kranken nach breiter Pleuraeröffnung mit bestem Erfolge ein höher im Thoraxraum sitzendes Oesophaguscarcinom. Bei einem zweiten Kranken wurde ein tiefer sitzendes Oesophaguscarcinom breit freigelegt, aber als inoperabel befunden. Bei einem dritten Kranken wurde der Thorax wegen einer bronchiektatischen Caverne und chronischer interstitieller Pneumonie eröffnet und dann auf den Herd eingegangen. Bei diesen Operationen, die selbstverständlich längere Zeit in Anspruch nahmen, ergab sich auch nicht die geringste Störung am Zirkulationsapparat oder bei der Respiration. Während der Eingriffe wurden von einer Protokollantin alle 2 – 3 Minuten Notizen über Zahl und Form von Puls und Respiration gemacht. Es zeigte sich hierbei keinerlei irgend wie auffällige oder gar bedrohliche Erscheinung. Das Verfahren ließ sich leicht und ohne Schwierigkeiten durchführen. Ueberraschend war eigentlich nur die Einfachheit, ich möchte sagen die Selbstverständlichkeit der ganzen Prozedur. Die Narkose übernahm von Beginn an einer der Assistenten T u f f i e r s und führte sie ohne jede Schwierigkeit durch.
Tuffier hat über diese Operationen selbst berichtet (L’Ouverture da la Plèvre sans Pneumothorax. Presse Médicale No. 8, 27. Januar 1906). Ich verweise auf diese Arbeit, welche in verschiedener Hinsicht beachtenswert ist.
Weitere Erfahrungen habe ich dann zusammen mit Herrn B a n n i e r erhoben; wir haben Kranke der Medizinischen Klinik dem Ueberdruckverfahren ausgesetzt. Bei diesen Versuchen kam es uns nicht nur darauf an, die Ueberdruckwirkung im Hinblick auf ihre etwaige chirurgische Bedeutung zu untersuchen, sondern wir wollten auch jenen Fragen näher treten, die sich mir für die Inhalationstherapie aus meinen Untersuchungen über das Ueberdruckverfahren ergeben haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang aus den Versuchen nur hervorheben, daß auch eine länger fortgesetzte Anwendung eines auf die Lungeninnenfläche wirkenden Ueberdruckes von 10 – 15 cm Wasserdruck einen nachteiligen Einfluß auf Herz und Gefäße nicht erkennen läßt. Nur die Atmungszahlen pflegen bei den Patienten etwas zu sinken und sich ein wenig zu vertiefen. Auch die plethysmographische Untersuchung am Arm vermochte den Eintritt einer Stauung nicht nachzuweisen. In der Literatur finden sich über die Wirkung einer Luftdruckänderung auf Atmung und Zirkulation zahlreiche, einander widersprechende Angaben, die nur zu deutlich erkennen lassen, wie groß die begrifflichen Schwierigkeiten sind, die bei der Besprechung physikalisch-physiologischer Fragen zu überwinden sind. Daß die alte Erfahrung, die man am prägnantesten mit einiger dichterischer Freiheit in dem Satze wiedergeben könnte: „Denn eben, wo Begriffe fehlen, stellt ein Versuch zur rechten Zeit sich ein“ auch hier vielfach zum Ausdruck kommt, wird einem Kenner der medizinischen Literatur kaum wundernehmen. Herr B a n n i e r wird auf unsere Versuchsergebnisse sowie auch auf die hier hauptsächlich zu berücksichtigende Literatur demnächst in den Beiträgen zur Klinik der Tuberculose näher eingehen.
Das Ueberdruckverfahren, dessen praktische Ueberlegenheit wohl kaum noch ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann, begegnet aber in theoretischer Hinsicht bei einigen deutschen Autoren einer abweisenden Beurteilung; man hat es als physiologisch minderwertig und für Kranke gefährlich bezeichnet.
Kürzlich warf B o r c h a r d t in einer Diskussionsbemerkung zu dem Vortrag von Seidel [1] die Frage auf, ob sich nicht unter pathologischen Verhältnissen bei kranken Lungen und Herzen Nachteile des Ueberdruckverfahrens bemerkbar machen würden. Vor allem aber gaben Tiegel [2] nd S a u e r b r u c h [3] ähnlichen Ueberlegungen breitesten Raum. Die Bedenken, die früher gegen das Ueberdruckverfahren geäußert wurden, habe ich im 13. Bande der Mitteilungen aus den Grenzgebieten widerlegt und dabei einwandfrei nachgewiesen, daß zwischen beiden Verfahren ein Unterschied nicht besteht, daß beide vielmehr den physiologischen Verhältnissen gegenüber sehr ausgesprochene Abweichungen zeigen, daß beide die gleichen, wenn auch praktisch nicht sehr schwerwiegenden Minderwertigkeiten darbieten.
In der ausländischen Literatur ist dieses auch entsprechend aufgefaßt worden. Ich verweise auf die ausführliche Arbeit von L. Mayer[4]) (Brüssel), die von jedem, der sich mit dem Druckdifferenzverfahren künftighin zu befassen gedenkt, eingehend zu berücksichtigen ist.
Mayer behandelt auf S. 30 – 57 die relative Wertigkeit der verschiedenen Methoden, welche zur Vermeidung der Gefahren des chirurgischen Pneumothorax vorgeschlagen wurden. S. 50 – 55 bringen resümierend einen Vergleich von Unter- und Ueberdruckverfahren. Ueber die Ausführungen von T i e g e l, denen S a u e r b r u c h sich auf das engste anschloß, heißt es auf S. 57:
„Tout récemment encore (nov. 1905) Max Tiegel s’est livre à une critique très approfondie des deux procédés. Nous avons lu son argumentation avec la plus grande attention et une impartialité d’autant plus complète que nous nous étions servi fréquemment et indifféremment des deux méthodes, ce qu’il a, à tort, nous semble t-il, négligé de faire.
Nous avons été étonné de voir qu’à différentes reprises le ton de son exposé devenait bien plus celui d’un réquisitoire assez acerbe contre la technique de B r a u e r que celui d’une discussion courtoise, et peut-être est-ce là le motif qui nous a empêché de trouver le plaidoyer de T i e g e l bien convaincant. Les expériences et le déductions physiques sur lesquelles il se base pur démontrer les dangers de la respiration sous pression diffèrent en général, totalement des fait proposés par B r a u e r. Il signale notamment, que l’élévation de la pression intrapulmonaire de 30 millimètres de Hg fait éclater le poumon et amène rapidement la mort des animaux. On nous accordera que de tells expériences n’offrent absolument aucun intérêt: dans uns de nos operations dans la chambre pneumatique, le vide s’étant abaissé un peu trop sans que nous nous en fussions aperçu, une fissure pulmonaire se produisit; il nous suffit de faire diminuer la dépression et de réséquer après ligature la portion du poumon qui avait éclaté pour mener notre operation à bonne fin; mais nous n’irions pas prétendre que la méthode de Sauerbruch est mauvaise parceque, mal appliquée, elle expose à des dangers faciles à éviter!
Des phrases telle que celle-ci: “Wenn höhere Drucke das Tier so schwer schädigen, daß es in kurzer Zeit zugrunde geht, so können wir annehmen, daß auch entsprechend geringere Drucke einen schädlichen Einfluß ausüben müssen” (S. 281.) devraient ètre, à notre avis, absolument écartées d’un débat scientifique. De même nous n’avons pu lire sans sur réel étonnement que la chambre pneumatic de S a u e r b r u c h parcequ’elle est construite presque entièrement en fer et constitue une bâtisse solide et résistante, réalise un appareil plus simple que le dispostif de B r a u e r, auquel T i e g e l reproche d’être: „un élégant et spirituel assemblage de fine et subtile mécanique.“
Ich habe diese Sätze hier wörtlich zum Abdruck gebracht, um zu zeigen, wie auswärts der Ton (l’allure acerbe, que la débat a pris en Allemagne) beurteilt wird, in welchem T i e g e l und S a u e r b r u c h letzthin diskutierten.
Trotzdem sehe ich mich durch die von neuem auftauchenden Zweifel veranlaßt, nochmals auf die Sache einzugehen. In der Münchener medizinischen Wochenschrift (1906, No. 1) sagt S a u e r b r u c h, durch die Ausführungen von T i e g e l habe seine ursprüngliche Ansicht von der physiologischen Minderwertigkeit des Ueberdruckverfahrens eine so vollkommene Bestätigung erfahren, daß die Chirurgen auf die Anwendung des Ueberdruckverfahrens bei größeren Thorakotomien wohl würden verzichten müssen. T i e g e l habe außerdem durch die Konstruktion eines sehr einfachen und instruktiven Phantoms einwandfrei nachgewiesen, daß schon aus rein physikalischen Gründen die von mir mehrfach betonte Gleichwertigkeit beider Verfahren nicht bestehen könne. Auch glaubt S a u e r b r u c h als Beweis für die physiologische Ueberlegenheit des Unterdruckverfahrens nochmals seine Ausführungen und Versuche anführen zu sollen, welche in seiner ausführlichen Arbeit (Mitteilungen aus den Grenzgebieten Bd. 13, S. 462 – 470) enthalten sind. Das Irrige der von S a u e r b r u c h und T i e g e l vertretenen Ansichten geht aus den nachstehenden einfachen Ueberlegungen hervor:
Man denke sich, bitte, durch eine mächtige, senkrechte Scheidewand unseren Luftraum in zwei Teile geteilt. Auf der einen Seite dieser Scheidewand bestehe schönes Wetter mit einem Barometerstande von 760 mm Quecksilberdruck, auf der andern Seite veränderliches Wetter mit einem Barometerstand von 750 mm Hg. Durch diese Wand durchgeführt sei der Körper eines Menschen, der Kopf desselben im schönen Wetter, der übrige Körper dagegen im Raume des niedrigen Barometerstandes, des schlechten Wetters. Auf der einen Körperhälfte sei der Pleuraspalt geöffnet, auf der andern geschlossen. Von welcher Seite aus der Körper durch die Wand durchgeführt sei, ob von der hohen oder niedern Druckseite her, sei unbekannt. Ich bitte nun, mir zu sagen, liegt dieser Mensch unter dem Eindruck eines Ueber- oder Unterdruckverfahrens?
Steht der Beurteiler auf derjenigen Seite, welche dem schönen Wetter entspricht, so wird er sich vielleicht dahin entscheiden, daß es sich um ein Unterdruckverfahren handle. Er stehe ja unter normalem Atmosphärendruck, auf der andern Seite aber befände sich ein „negativer Druck“; dieser übe eine „saugende Wirkung“ auf den Thorax, resp. auf die Lunge aus mit all dem Effekt und all der Harmlosigkeit, wie diese T i e g e l und S a u e r b r u c h für das Unterdruckverfahren behaupten.
Anders wird wahrscheinlich derjenige denken, der auf der Schlechtwetterseite steht, der sich seinerseits gleichfalls der irrigen Meinung hingibt, er befinde sich unter „normalem Atmosphärendruck“, es bestände daher ein Ueberdruckverfahren; die Luft auf der andern Seite stehe ja unter erhöhtem Druck, die Lungen würden dadurch gewaltsam gebläht, die Lungencapillaren komprimiert, kurz und gut all die schweren Schädigungen kämen zur Geltung, welche dem von mir für die praktische Verwendung als besser bezeichneten Ueberdruckverfahren vorgeworfen werden.
In physikalischer und physiologischer Hinsicht wird an dem vorgenannten Beispiel für den Vergleich der beiden Methoden natürlich absolut nichts dadurch geändert, ob der Thorax geöffnet wurde oder geschlossen blieb, ob der Mensch krank oder gesund ist, ob man über den Kopf, resp. über den Körper jenes Menschen einen Kasten stülpt, ob man damit durch dieses letztere Vorgehen die äußeren Merkmale des in praktischer Ausführung begriffenen Ueber-, resp. Unterdruckverfahrens herstellt.
Dem Bestreben, zwischen Ueber- und Unterdruckverfahren einen Unterschied zu konstruieren, dürfte aber wohl als Ultimum refugium nur noch die Behauptung übrig bleiben, der Unterschied werde klar, sobald man nur wisse, von welcher Seite her der Mensch durch die Wand gesteckt sei. Würden daher nun zwei Menschen hier liegen, von denen der eine von der Schönwetterseite her mit den Beinen voraus in die Regenseite geführt, der andere aber von der Regenseite her mit dem Kopfe voraus in die Schönwetterseite geführt sei, so müßte an diesen beiden Menschen, obwohl sie nun doch genau in gleicher Lage sich befinden, ein Unterschied erkennbar sein. Wer somit behaupten will, daß zwischen Unter- und Ueberdruckverfahren eine Differenz bestehe, der muß in der Lage sein, zu entscheiden, ob in dem erstgenannten Beispiele der Mensch unter Ueber- oder Unterdruck liegt, er muß ferner nachweisen können, woran er erkennen will, von welcher Seite her jeder dieser zuletzt genannten Menschen durch die Wand gesteckt wurde. Hierauf muß in allererster Linie ohne alle Umschweife eine ganz präzise Antwort gegeben werden. Erst dann lohnt es sich, irgend wie weiter zu diskutieren.
Ich hoffe, dass dieses drastische Beispiel die Sachlage auch denjenigen Herren verständlich macht, welche durch meine früheren Ausführungen nicht zu überzeugen waren. Sowohl die dauernde Wirkung der Druckdifferenz, auf welche T i e g e l als besonders wichtig hinweist (Seite 11 u. a.), wie auch die Art, wie die Druckdifferenz eingeleitet wird, lassen einen Unterschied zwischen den beiden Methoden nicht erkennen.
Ich bleibe daher auf dem Standpunkte stehen, den ich von Beginn an vertreten habe, daß Plus- und Minusverfahren theoretisch genau die gleichen Vorteile bieten, daß sie beide die gleichen Fehler haben, daß beide gleich „unphysiologisch“ sind. Ich erkenne daher einen Teil der Vorwürfe, welche dem Ueberdruckverfahren gemacht werden, auch ohne weiteres an, nur füge ich hinzu, daß diese Vorwürfe ganz genau ebenso das Unterdruckverfahren treffen. Hieran kann auch das den physiologischen Verhältnissen in keiner Weise gleichende Phantom, wie T i e g e l es beschreibt, nichts ändern. Ich werde auf dasselbe sowie auch auf die Vorgänge, welche sich während der einleitenden Phase bei den beiden Druckdifferenzverfahren abspielen, deswegen näher eingehen, weil mir damit die Möglichkeit gegeben wird, zu zeigen, wo die grundlegenden Denkfehler liegen, welche zu der Unterschätzung des Ueberdruckverfahrens führten.
Das Fehlerhafte des Phantoms liegt hauptsächlich in nachstehendem: Die Brustwand ist durch eine nach allen Seiten hin starre Glasflasche ersetzt, sodaß damit die Faktoren entfallen, die sich aus dem Verhalten der Thoraxelastizität, der Zwerchfellbeeinflussung etc. ergeben. Der Pleuraraum ist nicht durch einen Spalt, sondern durch einen großen Luftraum ersetzt, aus dem z. B. zur Demonstration des „Unterdruckverfahrens“ Luft herausgesaugt wird. Vor allem aber fehlen an dem Phantom der „Körperkreislauf“, ferner das „Herz und die großen intrathorakalen Venen“, sodaß die wichtigen, für die Beurteilung der Sachlage ausschlaggebenden Beziehungen der vorgenannten Teile zu dem Lungencapillarsystem außer acht gelassen sind. Das Phantom wird daher eine ernsthafte Berücksichtigung kaum beanspruchen dürfen.
Die Ansicht, daß zwischen Ueber- und Unterdruckverfahren ein Unterschied bestehe, begründen Sauerbruch und Tiegel mit Ueberlegungen, die sich wohl in folgender Weise zusammenfassen lassen: In der Unterdruckkammer werde gewissermaßen ein Zug auf den Brustkorb, resp. auf die freigelegte Lunge ausgeübt; der negative Druck im Thorax könne dadurch höchstens eine weitere Steigerung erfahren, stärker negativ werden. Bei dem Ueberdruckverfahren aber werde ein Druck auf die Innenfläche der Lungen ausgeführt, der diese gegen die Thoraxwand andrängt, der somit die Zahlenwerte des „negativen Druckes“ vermindern müsse, der gewissermaßen das ganze Gefäßsystem im Thorax, speziell das Lungencapillarsystem zusammenpresse.
Eine derartige Darstellung wirkt zunächst zweifellos frappierend. Es fragt sich, wo liegt hier der Fehler? An der Hand des folgenden Schema seien die physikalischen Vorgänge, die sich während der Einleitung, resp. des Bestandes der beiden Verfahren abspielen, auseinandergesetzt.
Bei gleichem Druck I und A, d. h. also unter unbeeinflußten atmosphärischen Druckverhältnissen (dieser gleich 760 mm Hg angenommen) sei der Druck[5]) zwischen den beiden Pleurablättern − 10 mm Hg, d. h. es sei die Thoraxelastizität und die Lungenelastizität mit 10 mm Hg beansprucht.
Wie ändern sich diese Verhältnisse zunächst durch Einleitung des Unterdruckverfahrens? Mit dem Einsetzen einer Druckerniedrigung über dem Thorax wird zunächst die Einwärtsfederung der Thoraxwand, welche normaliter durch den Zug der Lungen bedingt ist, ausgeglichen. Die Brustwand wird daher mehr und mehr in jene Gleichgewichtslage treten, welche sie z. B. annimmt, wenn man an der frischen Leiche einen Pneumothorax setzt. Die Lunge muß dieser, wenn auch nicht sehr ausgiebigen, Thoraxbewegung folgen, sie wird daher etwas stärker gedehnt (in ihrer Elastizität beansprucht) werden, sagen wir einmal um den Druckwert von 2 mm Hg. Gleichgewichtslage der Thoraxwand wird in dem oben gewählten Beispiele daher erst erzielt sein bei A 748 mm Hg (I. 760 mm Hg).
Der „negative Druck nach Donders“ macht nun hierbei folgende Wandlungen durch. Im Vergleich zu dem Lungeninndruck (J) wird er noch weiter absinken, er wird von „− 10“ auf „ −12“ sinken, auch der Druck auf Herz und Venen, der zunächst − 10 war, wird − 12 werden. Im Vergleich zu dem Thoraxaußendruck wird der negative Druck nach Donders aber eine immer geringere Differenz aufweisen; bei „Gleichgewichtslage“ der Thoraxwandung wird außen und innen an der Thoraxwand der gleiche „negative Druck“ herrschen. In jenem Beispiele also innen über den Thoraxorganen und außen über dem Thorax und dem ganzen Körper 748 mm Hg. Nur auf der Lungeninnenfläche und auf den in der Lunge enthaltenen Gebilden (Capillaren etc.) wird noch der normale Atmosphärendruck (760 des Beispiels) lasten. Damit ruht die Lunge auf dem „Polster ihrer Innenluft“. Das Capillarsystem der Lunge steht im Vergleich zu dem außerhalb der Lungen liegenden Zirkulationssystem unter dem Ueberdruck. Man sieht somit schon hieraus, daß die differente Auffassung sich aus dem Standpunkte erklärt, von dem aus die Sachlage beurteilt wird. Macht man jetzt bei „Gleichgewichtslage“ den Thorax auf, so wird die Lage der Lunge und der Thoraxwand unbeeinflußt bleiben.
Übertreiben wir nun das Unterdruckverfahren, d. h. erniedrigen wir über den Thorax den Druck noch weiter, so wird von nun an die Thoraxelastizität mit umgekehrtem Vorzeichen beansprucht. Während vorher der Thorax nach innen gefedert war, wird er jetzt – nach Passieren seiner Gleichgewichtslage – nach außen gefedert.
Da der Thorax viel weniger elastisch und damit schwerer dehnungsfähig ist als die Lunge, so nahmen wir vorhin schon an, daß die tatsächliche räumliche Verschiebung, welche die Thoraxwand auf die Einwirkung von „12“ hin durchmacht, für die Lunge – welche die gleiche Verschiebung mitzumachen hat – nur einen viel geringeren Zuwachs an Elastizitätsbeanspruchung bedeutet; (wir nahmen in unserm Beispiele „− 2“ an, was zu den vorhandenen − 10 hinzuaddiert, − 12 ergab.) Dieses heißt – um es mit anderen Worten auszudrücken –, wenn wir die mit der Kraft „10 mm Hg“ nach innen gefederte Brustwand in die Gleichgewichtslage bringen, so erfährt die Lunge eine entsprechende gleiche räumliche Verschiebung. Da die Lunge aber viel leichter zu dehnen ist, so ist die weitere Beanspruchung ihrer Elastizität dabei auch eine entsprechend geringere. Der gleiche räumliche Effekt, der zum Schluß durch die Kraft „12 mm Hg“ an der Brustwand erzielt wurde, wurde an der Lunge schon erzielt, wenn sie – in unserm Beispiele – um weitere „2 mm Hg“ gedehnt wird.
Fahren wir daher mit der Druckerniedrigung über dem Thorax fort – sagen wir um weitere 10 mm Hg –, so wird wieder nur eine relativ geringe räumliche Thoraxverschiebung erfolgen und demgemäß auch der Lunge wieder nur eine geringe weitere Beanspruchung ihrer Elastizität zugemutet – sagen wir wieder um „2“ –. Im Vergleich zu dem Lungeninnendruck wird der negative Druck im Thoraxraum daher nur um weitere „2“ absinken, d. h. von − 12 auf − 14 sinken, also von 760 − 12 (748) auf 760 − 14 (746). Im Vergleich zu dem Thoraxaußendruck, der jetzt um 12 + 10 erniedrigt wurde, haben wir jetzt also eine Erhöhung, ein „Positivwerden“ des „negativen Drucks nach Donders“. Außen an der Thoraxwand würde somit jetzt ein Druck von 738 mm Hg (760 − 22) herrschen, innen aber nur 746 (760 − 14). Der „Dondersdruck“ ist somit im Vergleich zum Thoraxaußendruck positiv geworden, d. h. es wird die Lunge jetzt durch den „normalen Atmosphärendruck“ gegen die Thoraxwand angedrängt. Oeffnet man jetzt die Thoraxwand, so drängt sich die Lunge zu dem Loche heraus. [6]) Tout comme chez nous.
Im Vergleich zu dem Lungeninnendruck haben wir zwischen den Pleuralblättern eine Druckverminderung um die Größe der Beanspruchung der Lungenelastizität, d. h. also z. B. 760 − 14 = 746. Die Lungenelastizität hebt also nun 14 mm Hg des Lungeninnendrucks auf, der gegen außen restierende Lungeninnendruck 8 mm Hg wirkt als positiver Druck nicht nur „schiebend“ auf die Thoraxwand, sondern natürlich auch „drückend“ auf Herz und Gefäße im Thorax.
Das Resultat ist, daß wir die Lungencapillaren unter einem Druck von 760 mm Hg finden, die Thoraxinnenorgane z. T. unter 746, den übrigen Körper aber unter 738. Es besteht somit eine Druckdifferenzskala, ein Druckgefälle, welches im einzelnen von Stelle zu Stelle – gemäß dem Elastizitätskoeffizienten der einzelnen in Frage kommenden Gewebe – sich ändert: ein Druckgefälle, welches ausschließlich durch physikalische Momente bestimmt wird, welches in dem Grade von dem unter physiologischen Verhältnissen herrschenden Druckgefälle abweicht, in welchem die künstlich geschaffene Druckdifferenz unphysiologisch ist.
Genau ebenso gestalten sich die Verhältnisse, wenn ich den Außendruck als gegeben ansehe und die Druckdifferenz durch eine Lungeninnendrucksteigerung erziele. Auch hier werden die ersten 12 mm Hg (wenn wir bei den obigen, willkürlich gewählten Zahlen bleiben) dazu verwandt, um die Thoraxwand zu entspannen, die Lungen um einen kleinen Teil über die bisherige Lage hinaus zu dehnen und damit auch der Lungenelastizität – der bisher der Zug der Thoraxwand entgegengewirkt hatte – das „Lungeninnenluftpolster“ entgegenzustellen, unter Aenderung des bisher negativen interpleuralen Drucks, der nun wiederum im Vergleich zum Außendruck = 0, im Vergleich zum Lungeninnendruck etwas erniedrigt, d. h. aus − 10 zu − 12 wird. Auch hier würde bei einer weiteren (unzweckmäßigen) Steigerung der Druckdifferenz der interpleurale Druck gegen außen ein positiver, gegen innen aber ein zunehmend negativer werden. Auch hier besteht dann zum Schluss genau die gleiche Druckdifferenzskala, genau die gleiche, von den physiologischen Verhältnissen abweichende Aenderung des Gefälles für den Blutstrom.
Für das Lungencapillarsystem ist nicht der absolute Wert des auf ihm lastenden Luftdrucks von Bedeutung, sondern das Verhalten dieses Druckes zu demjenigen Drucke, der auf dem übrigen Körperblutsystem ruht. Wäre der absolute Druck so entscheidend, würde dieser, wie dieses T i e g e l zu denken scheint, auf die Lungencapillaren einen andern Einfluß ausüben als wie auf die durch elastische Cutis geschützten Körpergefäßbezirke, so müßten ja die gewöhnlichen Luftdruckschwankungen, die wir tagtäglich erleben schon von Einfluß auf die Zirkulation in den Lungen sein. S a u e r b r u c h hat anfangs ganz richtig erkannt, daß für die Zirkulationsverhältnisse die Druckdifferenz zwischen den thoracalen. resp. pulmonalen und den peripherischen Gefäßen von Bedeutung ist. Einen Teil der unphysiologischen Verhältnisse, die durch das Unterdruckverfahren geschaffen werden, suchte er daher ganz logisch durch den Sack auszugleichen, in welchen er, soweit es ging, den Körper des Patienten hineinband. Anscheinend unter dem Einfluß von T i e g e l (a. a. O. S. 20) hat S a u e r b r u c h dann leider diese ganz richtige Vorstellung aufgegeben. Daß er sie als praktisch wenig bedeutungsvoll vernachlässigte, darin stimme ich ihm unbedingt zu, wenn aber die Meinung vertreten wird, daß Druckwirkungen, welche auf die Außenfläche des Körpers einwirken, keinen Einfluß auf das Gefälle des Blutstromes haben können, daß vielmehr höchstens die „oberflächlichsten Capillaren der Haut“ davon betroffen würden, die noch dazu durch die „derbe, elastische Cutis“ geschützt würden, so ist dies ein Irrtum.
Wenn wir einen Menschen in toto oder wenn wir ganze Extremitäten desselben einer positiven oder negativen Druckwirkung bestimmten Grades aussetzten, so werden selbstverständlich die betroffenen Teile des Menschen ihrem Elastizitätskoefffizient entsprechend von diesem Drucke affiziert werden; dabei ist es natürlich vollkommen gleichgültig, ob dieser auf den Menschen oder auf einen Teil desselben einwirkende Luftdruck dadurch zustande kommt, daß der Mensch in einer geschlossenen Kammer oder in der freien Atmosphäre der Druckeinwirkung unterworfen ist. Man denke doch nur an die Biersche Stauung, an die Anämisierung der Hände durch eintauchen derselben in Quecksilber, an den Einfluß, den diese Manipulationen auf den Blut- und Lymphstrom haben u. a. m.
Es ist somit ganz gleichgültig, ob die Druckdifferenzen durch Unter- oder Ueberdruck erzeugt werden; immer werden sie in gleicher Weise das Gefälle des Blutstroms beeinflussen.
Die Denkfehler, die zu der irrigen Ueberschätzung des Unterdruckverfahrens führten, sind somit wohl klar. Sie bestehen darin, daß verkannt wurde, daß für die physikalischen und physiologischen Verhältnisse überall nur die Druckdifferenzen, nicht der absolute Druckwert maßgebend ist, daß die Druckdifferenz sich von Gewebe zu Gewebe, entsprechend den Gewebselastizitätsverhältnissen, in ganz bestimmter Weise – abhängig von festen physikalischen Gesetzen – ausgleicht, endlich, daß nicht der normale Atmosphärendruck der Nullpunkt ist, von dem aus die beiden Verfahren zu vergleichen sind. Wünscht man einen ungezwungenen und leicht verständlichen Vergleich beider Verfahren durchzuführen, so sind die Druckwerte, wie sie an gleichen Körperstellen herrschen, in Beziehung zu setzen; man muß als Nullpunkt ein für allemal den Innen- oder den Außendruck nehmen, nicht aber einmal diesen, das andere Mal jenen.
Ich glaube hiermit defnitiv nachgewiesen zu haben, daß diejenigen Einwände, welche mit Recht gegen das Ueberdruckverfahren gemacht werden können, in genau gleicher Weise auch gegen das Unterdruckverfahren gemacht werden müssen. Es entfallen damit alle theoretischen Ueberlegungen, welche zugunsten oder -ungunsten eines der beiden Verfahren angeführt wurden. Es erübrigt sich nur noch, auf einen Versuch einzugehen, welchen Sauerbruch auf S. 466 seiner ersten größeren Arbeit bringt [7]) und gegen das Ueberdruckverfahren verwertet.
Ich bin in meinen früheren Arbeiten auf diesen Versuch, der, auch ohne daß man ihn nachmacht, ohne weiteres als irrig zu erkennen ist, nicht eingegangen, weil ich aus persönlichen Gründen das Bestreben hatte, jede sachlich nicht unbedingt notwendige Kritik an der wichtigen Arbeit S a u e r b r u c h s zu vermeiden. Da mir dieses reservierte Verhalten jetzt zum Vorwurfe gemacht wird, so möchte ich doch hiermit nachweisen, wie sich die Frage, die jener Versuch behandelt, de facto verhält.
Unter freundlichster Unterstützung durch Herrn Dozenten Dr. Lohmann wurde nachstehender Versuch angestellt.
Mittelgroßer, kräftiger Schäferhund. Morphium-Aethernarkose. Ueberdruckapparat. In die linke große Schenkelvene wird eine T-Kanüle zur Messung des Seitendruckes eingebunden. Normaler Venendruck 7 – 7,5 cm Blutsäule. Jetzt Anwendung des Ueberdruckverfahrens ohne Eröffnung der Pleura. Bei 5 cm (Waser) Ueberdruck steigt der Venendruck auf 10 – 10,5 cm.
Nach Aufheben des Ueberdruckes steigt der Venendruck auf 13,5. – Jetzt wieder 5 cm Unterdruck, hierbei Venendruck von 20 bis 22. Es zeigt sich jetzt, daß eine Verstopfung in der Vene eingetreten war. Nach Entfernung des Venen-, resp. Kanülenthrombus und des Ueberdruckes stellt sich der Venendruck wieder auf 8 cm ein. (Die beiden letzten hohen Druckwerte sind somit durch die im Verlaufe des Versuches eintretende Venenthrombosierung beeinflußt. Ob die Vene zentral- und peripherwärts völlig durchgängig ist, wird stets leicht dadurch nachgewiesen, daß bei Druck auf das peripherische Venenstück der Druck in dem Seitenrohr sofort abfällt, bei Druck auf das zentrale Ende rasch ansteigt.) Es wird jetzt ein Ueberdruck von 15 cm im Kasten hergestellt, der Venendruck steigt auf 10 cm. Nach einiger Zeit: Ueberdruck auf 10 cm – hierbei Venendruck 13,5 cm. Nach Aufheben des Ueberdruckes sinkt der Venendruck auf 8,5 cm H₂0.
Jetzt Beginn der Operation am Thorax. Rechts breite Lappenbildung, starker Blutverlust. Das Tier erwacht aus der Narkose, es fängt an zu pressen, der Venendruck zeigt starke Schwankungen zwischen 16 und 22 cm. Diese Schwankungen bleiben bestehen, trotzdem das Ueberdruckverfahren aufgehoben wird. Erst als das Tier wieder frisch narkotisiert ist, sinkt der Venendruck wieder auf 8,5 (ohne Ueberdruck). Als Ueberdruck von 10 cm gemacht wird, steigt der Venendruck auf 11,5, weiterhin auf 12,0, deutliche Atemschwankungen von 0,5 cm.
Es wird weiter operiert und rechts der Thorax eröffnet. Breiter Pneumothorax. Bei Ueberdruck von 10 cm bleibt der Venendruck 11,5 cm. Nach einigen Minuten steigt der Druck im Venenmanometer relativ rasch auf 24 cm, es fehlt aber die oben erwähnte Beweglichkeit der Manometersäule (Thrombose). Nachdem die Passage wieder frei gemacht ist, stellt sich der Druck mit gut beweglichem Spiegel auf 13,5 cm.
Es wird Lungenkollaps durch Aufgeben des Ueberdruckverfahrens herbeigeführt. Der Venendruck ändert sich zunächst nicht, steigt dann aber bis auf 15 cm. Nach einiger Zeit wird wieder 10 cm Ueberdruck erzeugt, der Venendruck steht auf 17 cm; das Herz ist durch die starken Blutverluste und den lang anhaltenden Lungenkollaps geschwächt, Irregularität. Der Venendruck geht unter Bestand des Ueberdruckverfahrens auf 14,5 cm zurück. Der Hund erholt sich weiter von dem Lungenkollaps. Venendruck 13 cm (bei ständig 10 cm Ueberdruck) Manometerspiegel gut beweglich. Das Herz hat sich wieder erholt. Jetzt wird doppelseitiger Pneumothorax gemacht. Venendruck bei 10 cm Ueberdruck 13,5, resp. 12,5 cm. Der Versuch wird nach etwa ½ stündiger Dauer abgebrochen.
Dieser Versuch zeigt das selbstverständliche Resultat, daß nicht die Eröffnung der Brustseite, sondern die Anwendung des Ueberdruckes den Venendruck entsprechend ansteigen läßt. Ob bei Bestand der Druckdifferenz zugleich auch einseitig oder doppelseitig die Brustwand eröffnet wird, ist für die Statik und Mechanik im Zirkulationsapparat völlig belanglos. Es zeigt sich ferner die bekannte Tatsache, daß Pressen, Schmerzreize etc. einen viel größeren Einfluß auf den Druck in der Vene ausüben, als wie die zur Verhütung des Lungenkollapses notwendige Druckdifferenz beträgt.
Es finden sich dementsprechend auch kleine Druckschwankungen, die von Zufälligkeiten abhängen und nur in relativer Parallele zu dem angewandten Ueberdruck stehen. Ein konstant anhaltender, unbeweglicher Manometerstand zeigt an, daß es sich um Venenthrombosen handelt, die selbst durch Anwendung von Blutegelextrakt und den sonstigen bekannten gerinnunghemmenden Mittel, wie es im vorstehenden Versuche geschah, nicht immer vermeidbar sind.
Daß im übrigen diese Venendrucksteigerung, die selbstverständlich eintreten muß, nicht etwa nun einseitig gegen das Ueberdruckverfahren in das Feld geführt werden kann, bedarf nach den obigen Auseinandersetzungen wohl keiner besonderen Hervorhebung.
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1 Diese Wochenschrift No. 13, S 525.
2 Berliner Klinik 17. Jahrgang, November 1905.
3 Münchener medizinische Wochenschrift 1906, No. 1.
4 Dr. L. Mayer, Les Bases physiologiques de la Chirurgie pleuro-pulmonaire. Bruxelles bei Hayez, rue de Louvain 1906.
5 Um die Besprechung der Verhältnisse nicht unnötig zu komplizieren, bleibe ich ausdrücklich bei der alten Auffassungsweise. De facto ist der Druck zwischen den beiden Pleurablättern infolge der Molekularattraktion der beiden Pleuralblätter etc. modifiziert, und nur auf den Thoraxorganen (speziell also Herz und größeren Gefäßen) lastet ein niederer Druck.
6 Sie kann sogar einreißen, wie der von Mayer mitgeteilte Fall zeigt.
7 Versuch: Hund, 7,4 kg, Kopf kommt in den Operationskasten, der Körper bleibt draußen. Im Kasten wird ein Ueberdruck von etwa 10 mm erzeugt. Ein Manometer ist vorher in die Vene des Oberschenkels eingebunden. In dem Augenblick, in dem das Tier komprimiert Luft atmet, kommt es ab und zu in der Exspiration zu ganz geringen Schwankungen. Jetzt wird die rechte Brustseite eröffnet; es entsteht sofort ein positiver Ausschlag von etwa 6 mm, der anhält.
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Literatur
- 1 von Wichert P. Ludolph Brauer – ein moderner Internist und Pneumologe. Pneumologie 2009; 63: 492 496
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 von Wichert P. Ludolph Brauer – ein moderner Internist und Pneumologe. Pneumologie 2009; 63: 492 496