Aktuelle Urol 2017; 48(04): 273-274
DOI: 10.1055/s-0043-105013
Referiert und kommentiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Urethrastriktur: Gefäßschonende Anastomose mit guten Ergebnissen

Lumen N. et al.
Nontransecting Anastomotic Repair in Urethral Reconstruction: Surgical and Functional Outcomes.

J Urol 2016;
196: 1679-1684
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Publication Date:
27 July 2017 (online)

 

    Vor allem bei kurzen bulbären Harnröhrenstrikturen gilt die Exzision der Striktur mit anschließender End-zu-End-Anastomosierung als Methode der Wahl. Allerdings wird bei der Präparation die antegrade Blutversorgung der anterioren Urethra unterbrochen. Um die duale Blutversorgung zu erhalten, haben Jordan et al. 2007 eine Modifikation der Technik vorgeschlagen, bei der das ventrale Corpus spongiosum und die bulbären Arterien geschont werden.


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    Sind die Resultate insgesamt aber denen der Standardtechnik gleichwertig? Das haben Urologen aus Gent untersucht. In ihrer Auswertung stellen sie Ergebnisse von 75 zwischen Januar 2011 und Januar 2016 mit dieser Methode (non-transsecting anastomotic repair; NTAR) operierten Patienten vor.

    Bei 55 von ihnen lag eine kurze (< 2 cm) bulbäre Striktur vor, bei 20 eine posteriore Striktur. Die Wissenschaftler beurteilten die Häufigkeit von Strikturrezidiven, Komplikationen, Veränderungen der erektilen Funktion gemäß dem Sexual Health Inventory for Men (SHIM) und das Auftreten von „Nachtröpfeln“ nach dem Wasserlassen.

    Die Operation dauerte durchschnittlich 95 min, der mediane Klinikaufenthalt 2 Tage, und der transurethrale Blasenkatheter verblieb im Median 10 Tage. Bei 61 Patienten (81,3 %) war der postoperative Verlauf vollkommen komplikationslos. Bei 3 Patienten (4 %) kam es zu einem ausgedehnten, sekundär infizierten Skrotalhämatom, das chirurgisch drainiert werden musste (Grad-3b-Komplikation nach der Clavien-Dindo-Klassifikation). Bei 11 Patienten traten geringfügige Komplikationen auf, die konservativ beherrschbar waren.

    Über eine Nachbeobachtungszeit von im Median 30 Monaten trat bei 6 Patienten ein Rezidiv der Striktur auf, in allen Fällen innerhalb von 7 Monaten nach dem Eingriff. Aus den Kaplan-Meier-Kurven ergab sich danach eine 2-Jahres-Rezidivrate von 8,3 %. Bei jeweils 3 Patienten hatte präoperativ eine bulbäre bzw. eine posteriore Striktur vorgelegen. In der multivariaten Analyse errechnete sich als einziger unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten eines Rezidivs der Nachweis eines Kontrastmittelextravasats auf der ersten postoperativen Zystografie (zwischen Tag 7 und Tag 14 nach dem Eingriff), mit einer Hazard Ratio von 7,91.

    Bei 7 von 32 daraufhin auswertbaren Patienten bestand 3 Monate postoperativ eine neu aufgetretene erektile Dysfunktion, die sich bei 4 von ihnen bis Monat 12 vollständig zurückgebildet hatte. Bei 1 Patienten bestand sie zu diesem Zeitpunkt weiterhin, bei den 2 verbleibenden Patienten steht die 12-Monats-Untersuchung noch aus.

    Harn-Nachtröpfeln schließlich trat bei 2 von 42 Patienten postoperativ neu auf, bei 14 Patienten hatte sich demgegenüber ein präoperativ bestehendes Tröpfeln zurückgebildet.

    Fazit

    Die Erfolgsrate der NTAR bei kurzen Harnröhrenstrikturen entspricht damit etwa der in der Literatur beschriebenen Rate für die konventionelle TAR, so die Autoren. Ebenso scheint sie bei bulbären Strikturen höher zu sein als bei posterioren. Auch wenn die Nachbeobachtungszeit noch kurz ist, so traten doch alle Rezidive bald nach der OP auf, sodass die NTAR auch langfristig erfolgversprechend scheint. Patienten sollten aber über eine mögliche postoperative Erektionsstörung aufgeklärt werden.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

    Kommentar

    Es existieren nur wenig Daten zur erektilen Funktion nach Harnröhrenchirurgie. Bei den posttraumatischen posterioren Strikturen kann der Grund für eine Erektionsstörung bereits durch das Trauma gegeben sein. Die Daten von Barbagli im Jahr 2007 mit einer sexuellen Funktionsstörung bei 22 % der Patienten nach end-zu-end Anastomose bei bulbären Strikturen warfen die Frage auf, ob die komplette Durchtrennung von Harnröhre und Bulbus dafür verantwortlich sein könnte und sexuelle Störungen vermeidbar wären, bliebe der Bulbus intakt. In der Folge griffen Andrich und Mundy 2012 das Prinzip von Heineke-Mikulics „der longitudinalen Eröffnung und querem Verschluss“ und damit keine vollständige Durchtrennung von Bulbus und Harnröhre auf und machten es populär. Für kurzstreckige bulbäre Strikturen scheint es nach bisheriger Datenlage ein ausgezeichnetes Verfahren zu sein. Die komplette Mobilisation der Harnröhre inklusive Bulbus erfordert allerdings Erfahrung.


    Das von Jordan publizierte Verfahren mit Erhalt der Aa. bulbi bei den posttraumatischen posterioren Strikturen ist technisch noch schwieriger. Es macht keinen Sinn bei bereits vorliegender Erektionsstörung oder Strikturen mit ausgeprägter Dislokation der beiden Stümpfe, zu überbrückender sehr langer Distanz und schwerer Narbenbildung. Die Arbeit von Lumen mit nur 25,3 % der Patienten mit Zytstostomie beeinhaltet eine klare Patientenselektion. Trotz Erhalt der Arterien ist durch eine ausgiebige zirkumferente Mobilisation eine zumindest transiente Erektionsstörung zu erwarten, wie sie auch in der Arbeit beschrieben wurde.


    Aufgrund der Patientenselektion sind die funktionellen Ergebnisse gut und im Rahmen der in der Literatur publizierten Daten. Eine Kontrastmittelextravasation zum Zeitpunkt der ersten postoperativen radiologischen Kontrolle war auch in unserem Kollektiv ein unabhängiger Risikofaktor für ein Rezidiv.


    Interessenkonflikt


    Grant AMS, Advisary Board AMS, Advisary Board PMD


    Der Autor

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    Prof. Margit Fisch Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf

    Literatur


    [1] Barbagli G et al.: Long-term follow-up of bulbar end-to-end anastomosis: a retrospective analysis of 153 patients in a single center experience. J Urol 2007: 178; 2470 – 2473


    [2] Andrich DE and Mundy AR: Non-transecting anastomotic bulbar urethroplasty: a preliminary report. BJU Int 2012: 109, 1090 – 1094


    [3] Jordan GH et al: The technique of vessel sparing excision and primary anastomosis for proximal bulbous urethral reconstruction. J Urol 2007: 177, 1799 – 1802


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    Prof. Margit Fisch Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf