Pneumologie 2017; 71(04): 245-248
DOI: 10.1055/s-0043-105254
Mitteilungen des DZL
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

5 Jahre erfolgreiche translationale Forschung im Kampf gegen Lungenerkrankungen

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DZL e.V. – Geschäftsstelle
Aulweg 130
35392 Gießen

Publication History

Publication Date:
13 April 2017 (online)

 

Als Herzstück des 2010 durch die Bundesregierung beschlossenen Rahmenprogramms „Gesundheitsforschung“ wurde die translationale Forschung in Deutschland im Bereich der sogenannten Volkskrankheiten durch Gründung von sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) weiterentwickelt und zukunftsfähig gemacht. Fünf auf dem Gebiet der Lungen- und Atemwegsforschung führenden Standortverbünde konnten sich in einem kompetitiven Verfahren unter internationaler Begutachtung durchsetzen und werden seit 2011 durch Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) als vernetztes Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL) gefördert. Das DZL verfolgt seither das Ziel, die Prävention, Diagnose und Therapie von Lungenerkrankungen entscheidend zu verbessern. Die weltweite Zunahme von Lungenerkrankten und das im Vergleich zu vielen anderen Krankheiten eher geringe Behandlungsspektrum machen deutlich, wie wichtig es ist, neue Therapieansätze zu finden. Das DZL konnte in den zurückliegenden fünf Jahren wesentliche Forschungserfolge im Kampf gegen Lungenerkrankungen erzielen.

Struktur, Krankheitsbereiche und Forschungsansatz

Mehr als 230 Wissenschaftler und deren Arbeitsgruppen aus 28 Forschungseinrichtungen kooperieren im DZL, um neue Behandlungsansätze für Patienten zu entwickeln. Gemeinsam haben sie das Ziel, die translationale Lungenforschung voranzutreiben. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Klinikern und Grundlagenforschern im DZL erlaubt es, Lungenerkrankungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und translationale Forschung möglich zu machen.

Insgesamt stehen acht Krankheitsbereiche im Fokus des Zentrums: Asthma und Allergien, Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Cystische Fibrose, Pneumonie und Akutes Atemnotsyndrom, Interstitielle Lungenerkrankung, Pulmonale Hypertonie, Lungenkrebs sowie Lungenerkrankungen im Endstadium. Da es zwischen den unterschiedlichen Erkrankungen wesentliche Überschneidungen bezüglich der ihnen zu Grunde liegenden pathogenetischen Mechanismen gibt, besteht der integrative Forschungsansatz des DZL darin, die Erforschung der acht Krankheitsbereiche unter drei übergeordneten Gesichtswinkeln anzugehen:

  • Lungenentwicklung, Lungenreparatur und Lungenregeneration;

  • Inflammationsprozesse der Lunge und ihr Abklingen sowie

  • maligne/benigne Hyperproliferation und dessen Kontrolle.

Derzeit gehören 18 Mitgliedsinstitutionen und weitere zehn assoziierte Partner zum DZL. Die fünf Standortverbünde des Zentrums sind Borstel/Lübeck/Kiel/Großhansdorf (Airway Research Center North, ARCN), Gießen/Marburg/Bad Nauheim (Universities of Giessen and Marburg Lung Center, UGMLC), Hannover (Biomedical Research in Endstage and Obstructive Lung Disease, BREATH), Heidelberg (Translational Lung Research Center, TLRC) und München (Comprehensive Pneumology Center Munich, CPC-M). Sitz des Vereins sowie der Geschäftsstelle ist Gießen.

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Abb. 1 Die 28 Partner im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (rechte Spalte: Standorte und Mitgliedsinstitutionen, unten: assoziierte Partner).

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Positive Begutachtung

Seit ihrer Gründung sind inzwischen alle Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung evaluiert worden. Ende 2015 beurteilte ein internationales Gutachtergremium das DZL und seine Forschungstätigkeiten als „hervorragend“. Die Gutachter lobten die enormen Fortschritte und substantiellen Erfolge des DZL. Es sei gelungen, ein „weltweit führendes Kraftwerk aus Forschern, Werkzeugen, Kohorten und Kollaborationen“ aufzubauen und wesentliche Strukturen für eine vernetzte translationale Forschung zu schaffen. Dazu gehören seine herausragende Grundlagenforschung im Bereich der Pneumologie, gut charakterisierte Patientenregister kombiniert mit einer starken Bio- und Bilddatenbank und der Aufbau eines gemeinsamen Datenmanagements. Auch die Netzwerkbildung sowie der damit verbundene Austausch von Techniken und Methoden wurden explizit von den Gutachtern gelobt.


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Zahlreiche Forschungserfolge

Bereits in den ersten fünf Jahren seines Bestehens konnte das DZL zahlreiche translationale Forschungserfolge erzielen. Wissenschaftlern des Zentrums ist es beispielsweise gelungen, mit „SB010“ eine völlig neue Wirkstoffklasse, die DNAzyme, zur Behandlung des Allergischen Asthmas und möglicherweise der COPD zu entwickeln und erfolgreich in einer Phase II-Studie zu testen. SB010 ist ein enzymatisch wirksames DNA-Molekül, das künstlich hergestellt wird und aus einem einzelnen DNA-Strang besteht. Das DNAzym wirkt besonders zielgerichtet, wird inhalativ verabreicht und unterdrückt die Bildung des Transkriptionsfaktors GATA-3. Die typischen Asthmasymptome treten weniger stark auf, da GATA-3 für die Entzündungsreaktion in den Atemwegen eine wesentliche Rolle spielt.

Ein weiterer herausragender Erfolg konnte im Bereich der Pulmonalen Hypertonie erreicht werden: DZL-Wissenschaftler waren federführend daran beteiligt, ein neues Medikament gegen Lungenhochdruck zu entwickeln und zur internationalen Zulassung zu führen. Der neuentwickelte Wirkstoff „Riociguat“ wird zur Behandlung von zwei lebensbedrohlichen Formen des Lungenhochdrucks eingesetzt, der Idiopathischen Pulmonalarteriellen Hypertonie (IPAH) und der Chronisch Thromboembolischen Pulmonalen Hypertonie (CTEPH). Für die CTEPH ist es die erste weltweit verfügbare medikamentöse Therapie überhaupt.

DZL-Forscher leisteten ebenso einen wesentlichen Beitrag zur deutschlandweiten Einführung des Neugeborenen-Screenings auf Mukoviszidose. Mithilfe der Magnetresonanztomografie entwickelten sie außerdem ein sensitives Untersuchungsverfahren zur nicht-invasiven sowie strahlenfreien Diagnostik früher Lungenveränderungen im Anfangsstadium der Erkrankung. Darüber hinaus führen DZL-Wissenschaftler derzeit die weltweit erste Studie zur Wirksamkeit einer präventiven Inhalationstherapie bei Säuglingen mit Mukoviszidose durch.

Große Erfolge erzielten DZL-Forscher auch im Bereich der Lungenerkrankungen im Endstadium. So ist es gelungen, die Funktion und die Anwendung der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) weiter zu optimieren. Mit dieser Technik steht eine neuartige Strategie zur Überbrückung der Zeit bis zu einer Lungentransplantation zur Verfügung. Eine Weiterentwicklung und neue Option könnten implantierbare „Ersatzlungen“ (ICMO = intrakorporale Membranoxygenierung) sein, die apparative Technik und Biotechnik vereinen. Eine große Rolle spielt dabei die Stammzellforschung.


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Klinische Studien

Ein Schwerpunkt des DZL sind Untersuchungen mit großen Patientenkohorten. Mit den assoziierten Krankenhäusern und Ambulanzen, die jährlich über 30 000 Menschen mit Lungenerkrankungen versorgen, bietet das Zentrum dafür optimale Voraussetzungen. DZL-Wissenschaftler waren seit Gründung des Zentrums an mehr als 250 klinischen Studien beteiligt. Darüber hinaus fördert das DZL aus eigenen Mitteln besonders innovative und von Wissenschaftlern und Klinikern initiierte Projektideen (Investigator Initiated Clinical Trials). Die zurzeit geförderten Studien, die in einem kompetitiven Verfahren ausgewählt wurden, umfassen alle acht im DZL untersuchten Krankheitsbereiche. In Kooperation mit dem Lungeninformationsdienst startete das DZL im Herbst 2016 eine Online-Plattform zu aktuellen an den DZL-Standorten betriebenen klinischen Studien. Patienten und weitere Interessenten können sich in dem Verzeichnis über Ziele, Aufnahmekriterien, Dauer und Untersuchungs- bzw. Behandlungsmethoden der jeweiligen Studie informieren.


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Gezielte Nachwuchsförderung und Weiterentwicklung des Zentrums

Ein besonderes Anliegen des DZL ist es, den wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich der Lungenforschung zu fördern. Zu den wesentlichen Instrumenten in diesem Bereich zählen lungenforschungszentrierte Promotionsprogramme an und in Kooperation zwischen den verschiedenen Standorten, die Deutsch-Französische Lungenschule, die DZL-Akademie sowie das DZL-Mentoring-Programm, durch das hochmotivierte Nachwuchskräfte bei der individuellen Karriereentwicklung im Bereich der translationalen Lungenforschung unterstützt werden. Kurse zu Kommunikationstechniken und weitere Qualifikationen (Soft Skills) oder Besuchsstipendien für Nicht-DZL-Nachwuchswissenschaftler an DZL-Standorten in Zusammenarbeit mit der DGP ergänzen die weit gefassten Weiterbildungsmöglichkeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses. Um klinischen Wissenschaftlern die Vereinbarkeit von Forschungstätigkeit und klinischer Ausbildung zu erleichtern, bietet das DZL ein spezielles Karriereprogramm für die Errichtung eigener Nachwuchsforschungsgruppen an. Durch die internationale Sichtbarkeit des DZL konnten in den letzten Jahren führende internationale Wissenschaftler für das Zentrum gewonnen werden. Beispiele für Berufungen von exzellenten DZL-Mitarbeitern aus dem Ausland sind Professor Dr. Georgios Stathopoulos, seit 2015 im Bereich der Lungenkarzinomforschung am Helmholtz Zentrum München tätig, Professor Dr. Rocio Sotillo, seit 2015 Leiterin einer Kooperationseinheit mit der Thoraxklinik in Heidelberg am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), Prof. Didier Stainier, seit 2012 Direktor im Bereich der Genetik der Organentwicklung am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim, sowie Prof. Christos Samakovlis, seit 2014 an der Justus-Liebig Universität Gießen mit Schwerpunkt Molekulare Pneumologie tätig.

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Abb. 2 Rund 470 renommierte Lungenforscher und Nachwuchswissenschaftler kamen beim größten jährlichen Treffen des DZL Ende Januar 2017 in München zusammen (Foto: Michael Haggenmüller/DZL).

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Forschung für den Patienten

Seit seiner Gründung informiert das DZL zum aktuellen Stand der Forschung und zu neuartigen Behandlungsmöglichkeiten. So bietet der Forschungsverbund Patienten regelmäßig die Möglichkeit zum direkten Austausch im Rahmen von Patientenveranstaltungen an den DZL-Standorten an. Um Patienten und deren Anliegen noch stärker zu involvieren, lädt das DZL Vertreter von Patientenorganisationen lungenerkrankter Patienten regelmäßig zu einem Runden Tisch ein. Ebenso konnte das Zentrum mit der Berufung von Dr. Pippa Powell (European Lung Foundation) in den Wissenschaftlichen Beirat seinen Blick auf Patienteninteressen und -anliegen schärfen. Als Vermittler zwischen Wissenschaft und der breiten Öffentlichkeit ist der Lungeninformationsdienst (LID) mit Sitz am Helmholtz Zentrum München ein wichtiger Bestandteil des DZL. Der LID bietet auf seinem Online-Portal www.lungeninformationsdienst.de neue Forschungsergebnisse und Patienteninformationen allgemeinverständlich aufbereitet an. Gemeinsam mit den DZL-Standorten organisiert er außerdem die regelmäßige Veranstaltungsreihe „Patientenforum Lunge“.


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Kollaborationen, Kooperationen und Ausbau der Netzwerke

Nationale und internationale Netzwerkbildung ist ein wesentliches Anliegen des DZL. Davon zeugen sowohl die Beteiligungen an mehreren Konsortien zur Erforschung der verschiedenen Lungenerkrankungen sowie weitere Assoziationen mit Organisationen, die zur Realisierung der Forschungsvorhaben beitragen. So konnte kürzlich beispielsweise die Assoziation mit der Nationalen Kohorte (NAKO) besiegelt und somit der Grundstein für ein gemeinsames Projekt zur Untersuchung der Prävalenz von Lungengesundheit und -erkrankungen gelegt werden. Ein weiteres Beispiel ist der erst kürzlich erfolgte kooperative Zusammenschluss mit dem Robert Koch-Institut zur Einrichtung partnerschaftlicher Projekte im Bereich der klinischen und bevölkerungsbezogenen Epidemiologie sowie der Public Health Surveillance infektiöser und chronischer Lungenerkrankungen. Darüber hinaus bestehen zahlreiche internationale Kooperationen, wie beispielsweise mit der European Respiratory Society (ERS).


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Ein Blick in die Zukunft

Um die translationale Lungen- und Atemwegsforschung des DZL weiterzuentwickeln, werden die Schwerpunkte der nächsten Jahre auf dem Ausbau der Vernetzung liegen – zwischen den beteiligten Forschungsinstitutionen durch Daten- und Biomaterialaustausch zu wissenschaftlichen Zwecken, zwischen Forschern und Patienten durch regelmäßigen Austausch und Fokussierung der Forschung auf Patientenbelange und zwischen etablierten Forschern und dem Nachwuchs durch Mentoring-, Fortbildungs- und Förderprogramme. Zudem soll die Assoziation mit weiteren starken Partnern der Lungenforschung in Deutschland ausgebaut werden. Ziel ist es, die internationale Sichtbarkeit der Marke „Lungenforschung in Deutschland“ weiter zu erhöhen und die Forschungskompetenz dieses Netzwerkes zu nutzen, um wirklich neuartige Therapieansätze aus der Grundlagenforschung in die Klinik zu überführen.

Dr. Christian Kalberlah, Sabine Baumgarten, Gießen

DZL e.V. – Geschäftsstelle

Dr. Christian Kalberlah (Geschäftsführer)
Sabine Baumgarten, M.A. (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
Aulweg 130, 35392 Gießen
contact@dzl.de
www.dzl.de


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DZL e.V. – Geschäftsstelle
Aulweg 130
35392 Gießen

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Abb. 1 Die 28 Partner im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (rechte Spalte: Standorte und Mitgliedsinstitutionen, unten: assoziierte Partner).
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Abb. 2 Rund 470 renommierte Lungenforscher und Nachwuchswissenschaftler kamen beim größten jährlichen Treffen des DZL Ende Januar 2017 in München zusammen (Foto: Michael Haggenmüller/DZL).