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DOI: 10.1055/s-0043-105649
„Dann ist das eben so“
Zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. Lutz KowalzickPublication History
Publication Date:
31 March 2017 (online)
Dieser Satz, „Dann ist das eben so“, ist gewiss jedem Schüler von Herrn Prof. Dr. Lutz Kowalzick in Erinnerung geblieben und wird – jedenfalls von mir – regelmäßig benutzt. Was verbirgt sich hinter diesem Satz? Prof. Kowalzick hat meines Wissens immer mit großer Energie, Diplomatie und Zähigkeit die Interessen der Patienten und der Hautabteilung vertreten, gegenüber den Krankenkassen, gegenüber der Verwaltung, gegenüber allen, die gelegentlich einer medizinisch optimalen Versorgung von Patienten im Wege standen. Aber er wusste auch, wann er anfing gegen Windmühlen zu kämpfen und wann es Zeit war, sich in die Gegebenheiten zu fügen, wann nichts mehr bewirkt werden konnte. Und während die Assistenzärzte und ich vielleicht noch haderten, würde Prof. Kowalzick feststellen „Dann ist das eben so“ und das war das Ende der Debatte. Ich, wir alle, haben diesen Abschluss zu schätzen gelernt. Es war nun einmal nicht alles möglich, was wünschenswert wäre. Oder wir können nicht alle Probleme lösen, können nicht alle Ungerechtigkeiten in dieser Welt beseitigen.
Ich kenne Prof. Kowalzick seit 1996, als ich für ein Vorstellungsgespräch nach Plauen kam. Ich weiß nicht mehr genau, was er mir für Fragen stellte. Nur an zwei Fragen erinnere ich mich deutlich: „Hätten Sie Mühe, unter einem 10 Jahre jüngeren Chef zu arbeiten?“ Dazu habe ich sofort Nein gesagt, und ich habe tatsächlich nie Mühe gehabt, unter Prof. Kowalzick zu arbeiten. Und ich glaube, niemand hat Mühe gehabt, unter ihm zu arbeiten. Seine Kenntnisse waren immer auf dem neuesten Stand, wir konnten viel von ihm lernen, vor allem was die Diagnose von seltenen Hautkrankheiten und ihre Behandlung anging – da hatte er immer noch ein oder zwei Ideen mehr als wir. Man konnte seine manchmal subtil in Nebensätzen geäußerten Vorschläge natürlich auch ignorieren. Eine Brechstange gehörte nie zu Prof. Kowalzicks Ausrüstung.
Aber auch seine väterliche Personalführung ließ meiner Ansicht nach nichts zu wünschen übrig. Wer sich fortbilden wollte, bekam von ihm immer die Genehmigung auf Tagungen zu fahren, Seminare zu besuchen oder eine Zusatzbezeichnung zu erwerben. Ich denke, alle Schüler würden mir zustimmen, wenn ich sage, wir hatten eine gute Zeit unter Prof. Kowalzick.
Von seinen zusätzlichen Einnahmen z. B. durch Privatpatienten gab Prof. Kowalzick allen ab, denn, wie er einmal zu mir sagte, er wollte sich morgens im Spiegel betrachten können, ohne rot zu werden.
Nur der Vollständigkeit halber will ich die zweite Frage erwähnen, die er mir 1996 bei meinem Vorstellungsgespräch gestellt hat: „Werden Sie mindestens fünf Jahre bleiben?“ Dazu sagte ich Ja, um dann erst Ende 2001 wieder nach Afrika zurückzukehren.
Prof. Kowalzick ist vor zwei Tagen 60 Jahre alt geworden. Geboren wurde er in der Stadt Brandenburg. Sein Vater war Zollbeamter im Rat der Stadt. Er, sein Vater, wurde 1929 geboren und entkam nur knapp dem Schicksal, in den letzten Kriegstagen im Volkssturm noch verheizt zu werden. Seine Mutter versteckte ihn, bis der Spuk vorüber war. Die Familie Kowalzick blieb bis 1960 in Brandenburg, bevor sie nach Hamburg übersiedelte. Der Vater von Prof. Kowalzick musste bei der Zwangskollektivierung mithelfen und nachdem ihn Bauern mit Mistgabeln von ihren Höfen gejagt hatten, rannte er gleich weiter bis Hamburg, wo Prof. Kowalzick aufwuchs. Sein Vater starb dann schon mit 49 Jahren.
Es folgten für Prof. Kowalzick Abitur und dann das Studium. Zunächst studierte er Jura – aber das war ihm doch zu trocken und er wechselte zur Medizin. Staatsexamen, Promotion, Wehrdienst als Sanitätsoffizier, Facharzt, Oberarzt. In Hamburg war er ein halbes Jahr lang auch für den Knast in Fuhlsbüttel zuständig, wo er einmal in der Woche hingehen musste. Die Atmosphäre dort war ihm äußerst unangenehm. So musste er einmal zuschauen, wie Krankenpfleger einen Gefangenen verprügelten, weil der vielleicht ein wenig aufmüpfig geworden war. Prof. Kowalzick sah es auch als reine Schikane an, dass die Insassen nur einmal in der Woche duschen durften.
1995 kam Prof. Kowalzick als neuer Chefarzt der Hautklinik nach Plauen. Seine Frau kam mit ihm oder kam kurze Zeit später nach. Das war nicht selbstverständlich damals, als es noch eine „Buschzulage“ gab für Beamte, die von den Gebrauchtländern in ein Neues Land versetzt wurden. Jessica Dressel-Kowalzick war damals noch Chemiestudentin und gab ihr Studium ihrem Mann zuliebe auf. Ich weiß nicht, wie sich die beiden kennen gelernt haben, ich weiß nur, dass sie beeindruckt von ihm war, als er bei einem Theaterbesuch freimütig zugab, trotz seines Porsches kein Rennfahrer zu sein und Mühe beim Einparken zu haben. Sein Porsche war dann in Plauen nicht mehr der Hit, bei Schnee musste Prof. Kowalzick mehrmals mit der Straßenbahn zur Arbeit kommen, was natürlich Schmunzeln bei uns hervorrief.
Als Prof. Kowalzick nach Plauen kam, befand sich die Hautklinik am Hradschin, 1998 leitete er den Umzug in die ehemalige orthopädische Klinik am Maximilian-Kolbe-Weg. Mir gefiel es dort, im umgebenden Park konnten die Patienten spazieren gehen, mussten nicht in ihren Zimmern hocken. Das Ambiente passte einfach zu einer Hautklinik, es hatte nur den Nachteil, dass man gelegentlich einen Patienten nicht finden konnte, weil der im Park spazieren gegangen war. Und natürlich mussten die Patienten für viele Untersuchungen ins eigentliche Klinikum gefahren werden.
Bezüglich des Umzuges folgt ein Zitat aus der Aktuellen Dermatologie von 2004: „Durch diesen Umzug konnten die bislang beengten Verhältnisse, insbesondere auch in den Funktionsräumen, entscheidend verbessert werden. Die großzügigeren Räumlichkeiten erleichterten es auch, den Einzugsbereich der Klinik weiter in den oberfränkischen Raum auszudehnen; eine enge Kooperation mit dem städtischen Klinikum in Hof war als Ausgangspunkt hierfür bereits Anfang der 90er-Jahre begonnen worden. … Neben dem Chefarzt sind in der Klinik 4 weitere ärztliche Mitarbeiter und eine Diplom-Biologin tätig. Diese verfassten während der bisherigen Tätigkeit von Prof. Dr. Kowalzick in Plauen über 200 wissenschaftliche Publikationen und Kongressbeiträge, davon über 80 Orginalia und Kasuistiken. Im Jahr 2000 erschien das Lehrbuch ‚Praxis der Lichtdermatosen‛ von Prof. Dr. Kowalzick (unter Mitarbeit von Prof. Dr. med. H. Mensing, Hamburg, und Chefarzt Dr. med G. Wagner, Bremerhaven).“
Die Diplom-Biologin war und ist Heidrun Ziegler, die für das Allergielabor, die Mykologie und die Immunfluoreszenz zuständig ist und ohne die manches nicht funktionieren würde in der Hautklinik.
Die besten dieser und weiterer Kasuistiken fanden ihren Platz in „Dermatologie von Fall zu Fall“, ein Buch, das 2013 im Thieme Verlag veröffentlicht wurde.
Besonders wichtig und wegweisend für Behandlungsverfahren in der Dermatologie waren die Arbeiten von Prof. Kowalzick zur Mitteldosis-Therapie mit UV-A 1 von Patienten mit atopischem Ekzem. Seine erste Arbeit hierzu erschien bereits 1995 in den Acta Dermatologica et Venereologica (Stockholm).
Bis dahin war nur mit Hochdosis-Therapie, also 15 × 130 Joule/cm² gearbeitet worden. Prof. Kowalzick zeigte nun, dass auch mit 15 × 50 J/cm² signifikante Besserungen des atopischen Ekzems erreicht werden können, während eine Behandlung mit nur 10 J/cm² (Low dose-Behandlung) nur zu einer unwesentlichen Besserung führt. Diese Option einer Mitteldosis-Therapie ist aus der Betreuung von Patienten mit atopischem Ekzem nicht mehr wegzudenken. Sie vermeidet natürlich weitgehend die möglichen Nebenwirkungen einer Hochdosis-UV-A1-Behandlung.
Nach acht Jahren am Maximilian-Kolbe-Weg folgte 2006 ein weiterer Umzug, diesmal in die Hauptgebäude des Vogtlandklinikums an der Röntgenstraße. Seitdem, seit 2006, wird Prof. Kowalzick kompetent und fürsorglich von seiner Sekretärin Sylvie Glöß betreut, ohne die vieles nicht so recht liefe in seinem Vorzimmer. Sie ist so, wie er sie sich gestrickt hätte, denke ich.
Ansonsten gilt, wie Prof. Kowalzick mehrmals bemerkte: „Ich kann mir meine Mitarbeiter ja nicht selbst stricken sondern muss mit denen leben, die da kommen oder die ich mir selbst geholt habe; das ist dann eben so.“
Prof. Kowalzick ist Vorsitzender der Südostdeutschen Dermatologischen Gesellschaft, außerdem war und ist er in Plauen sehr in der Lokalpolitik engagiert.
Zurzeit ist er Stadtrat, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Stadtrat, Kreisrat, Vorsitzender des Erich Ohser – e.o.plauen-Stiftungsrates sowie Beiratsvorsitzender der Vogtland Kultur GmbH und Aufsichtsratsmitglied der Theater Plauen-Zwickau GmbH – um nur die wichtigsten Tätigkeiten zu nennen. Ursprünglich war Prof. Kowalzick Mitglied der FDP, dies schon in Hamburg, aber bei der Frage des Verkaufs des Klinikums teilten sich die Wege. Prof. Kowalzick war strikt gegen den Verkauf, seine Partei, also die FDP, dafür. Dass seine Partei seinen Rat in den Wind schlug und ihr eigenes Wahlversprechen über Bord warf, konnte er nicht verstehen und verließ sie.
Aber trotz dieser zeitraubenden Aktivitäten findet Prof. Kowalzick im Sommer immer Zeit, mit seiner Frau Aufführungen in Bayreuth zu besuchen. Er ist ein Wagner-Fan. Entspannung geben Prof. Kowalzick auch seine Katzen, ich erinnere mich, wie er tagelang traurig war, als eine gestorben war.
Von 2006 bis 2013 war Prof. Kowalzick zudem Ärztlicher Direktor des Helios Vogtland-Klinikums Plauen. Es sei Zeit für einen Generationswechsel, begründete Prof. Kowalzick die Entscheidung 2013, das Amt des Ärztlichen Direktors abzugeben. Und: Wenn der Fahrstuhl oben ist, soll man aussteigen. Welches nun der Hauptgrund war, sei dahin gestellt, viele kleine Gründe ergeben auch einen guten Grund. Viele Quellen speisen einen Fluss. Aber wie dem auch sei, Prof. Kowalzick hat ganz sicher einiges bewegt oder bewegen helfen während seiner Amtszeit.
Denn in diese fielen die Etablierung neuer Fachabteilungen und die Erfüllung wichtiger medizinischer Parameter. Vor allem auch die Realisierung des zweiten und dritten Bauabschnittes des Klinikums. Andererseits konnte er nicht verhindern, dass die Pathologie geschlossen wurde und dass die Orthopädie und die Unfallchirurgie zusammengelegt wurden. Das war dann eben so. Nicht immer wurde auf seinen Rat gehört …
Es fällt auf, dass Prof. Kowalzick trotz dieses lokalen Engagements nie ein Häuschen baute sondern immer zur Miete wohnte. Die Freiheit jederzeit weiterziehen zu können, wollte er sich bewahren und auch die Möglichkeit nach Ende der beruflichen Zeit nach Norden, nach Hamburg, irgendwo an die Nordsee zurückkehren zu können.
Aber so sehr sein Weg auch vom Schicksal gefördert wurde, will ich doch nicht verschweigen, dass das Schicksal auch einen bitteren Kelch für ihn bereithielt. Sein Kinderwunsch wurde nie erfüllt, auch wenn er ganz sicher ein guter Vater geworden wäre. Was immer ein „guter Vater“ so genau ist.
Und jetzt? Prof. Kowalzick musste einige gesundheitliche Rückschläge verkraften in den letzten Jahren, eine größere Operation, die nicht reibungslos verlief, eine Hüftoperation, die auch nicht alle Beschwerden beseitigte. Und wir alle wissen, was wir mit 60 Jahren noch nicht erreicht haben, werden wir – im normalen Verlauf der Dinge – auch nicht mehr erreichen. Zeit also, ein wenig nachdenklich zu werden? Zeit also, ein wenig darüber nachzudenken, wohin der Lauf in unseren Hamsterrädern uns geführt hat. Mögen ihm die Götter aber nicht alle Wünsche erfüllen, denn den strafen die Götter, dem sie alle Wünsche erfüllen.
Priv.-Doz. Dr. Jörg Pönnighaus, SyrauJ.poennighaus@gmx.de
Leicht gekürzte Fassung, vorgetragen bei der 21. Südwestsächsischen Vierklinikstagung am 4. März 2017 in Plauen
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