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DOI: 10.1055/s-0043-106257
Magnetresonanzgeführter fokussierter Ultraschall[*] zur Myombehandlung – Ergebnisse des 3. radiologisch-gynäkologischen Expertentreffens
Article in several languages: English | deutschCorrespondence/Korrespondenzadresse
Publication History
Publication Date:
28 June 2017 (online)
- Präambel
- Ziel des Konsensustreffens
- Strukturelle Voraussetzungen zur Durchführung der MRgFUS-Therapie
- Notwendige Untersuchungen vor einer MRgFUS-Therapie
- Indikationen für eine MRgFUS-Therapie
- Erfolgskriterien für die MRgFUS-Therapie
- Kontraindikationen für eine MRgFUS-Therapie
- MRgFUS-Therapie bei Patientinnen mit Kinderwunsch
- Nebenwirkungen/Komplikationen der MRgFUS-Therapie
- Nachuntersuchung nach MRgFUS-Therapie
- Ausblick
- Anhang
Präambel
Die Myombehandlung mit der Technik des magnetresonanzgeführten fokussierten Ultraschalls (MRgFUS; Syn.: HIFU = hochintensiver fokussierter Ultraschall) ist ein thermoablatives Verfahren, bei dem durch fokussierten Ultraschall unter ständiger MR-tomografischer Kontrolle in einzelnen kleinen Volumenschritten (sogenannte Sonifikationen, Syn.: Sonikationen) das zu behandelnde Gewebe soweit erhitzt wird, bis eine vollständige Denaturierung des geplanten Myomvolumens erreicht ist. Nach erfolgter Thermoablation zeigt sich in der Erfolgskontrolle eine fehlende Kontrastmittelaufnahme des behandelten Gewebes (entspr. NPV = non-perfused volume).
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Das MRgFUS-Verfahren ist organerhaltend, nicht invasiv und kann ambulant durchgeführt werden.
Die Behandlungsmethode wird nur von wenigen spezialisierten Einrichtungen angeboten.
Ziel der MRgFUS-Therapie ist die Verminderung oder Beseitigung myombedingter Beschwerden bei den betroffenen Frauen. Mit der Ultraschallbehandlung kann eine Myomschrumpfung erreicht werden. Eine vollständige Rückbildung des Myoms ist eher nicht zu erwarten und auch nicht Ziel der Behandlung.
Zwischen den Fachdisziplinen Frauenheilkunde und Radiologie besteht Einigkeit darüber, dass die Indikationsstellung zur notwendigen Therapie eines Uterus myomatosus nach fachärztlicher Untersuchung und Beratung durch eine Gynäkologin/einen Gynäkologen erfolgen soll. Eine umfassende und vollständige Beratung über die Behandlungsmöglichkeiten bei symptomatischem Uterus myomatosus schließt neben den medikamentösen und operativen Behandlungsoptionen auch die beiden nicht operativen Therapiemöglichkeiten Uterusarterienembolisation (UAE) und MRgFUS ein. Die Entscheidung für oder gegen eine Therapiealternative sollte unter Berücksichtigung des Patientinnenwunsches und in Kenntnis der Therapiealternativen, ihrer Erfolgschancen und Grenzen sowie typischer Nebenwirkungen und möglicher Komplikationen getroffen werden (informed consent).
Mit der Möglichkeit der MRgFUS-Behandlung ist auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein Therapieverfahren für Patientinnen mit myombedingten Beschwerden vorhanden, das eine weitere Therapieindividualisierung beim Uterus myomatosus ermöglicht.
Ziel des Konsensustreffens
Intention dieses dritten Konsensustreffens war die Bewertung und Einordnung des MRgFUS-Verfahrens in das Therapiespektrum bei der Myombehandlung. Die 12 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des radiologisch-gynäkologischen Expertentreffens haben unter Berücksichtigung der vorhandenen aktuellen Literatur[ 1 ] und eigener Erfahrungen nach ausführlicher Diskussion einen Konsens zwischen den beiden beteiligten Fachrichtungen gefunden.
Die Expertenrunde war sich bewusst, dass hier über die Möglichkeiten und Grenzen eines radiologischen Therapieverfahrens zusammen mit Fachleuten der Gynäkologie diskutiert wurde, die das Verfahren selber nicht durchführen, die aber über Expertise und Erfahrung mit der Diagnostik sowie der medikamentösen und operativen Behandlung von Erkrankungen des weiblichen Genitales verfügen.
Der aus 4 Radiologen und 8 Gynäkologen/innen zusammengesetzten Expertengruppe, die sich am 14. Januar 2017 in Berlin zum dritten radiologisch-gynäkologischen Konsensustreffen zur MRgFUS-Therapie versammelte, gehörten auch Gynäkologen aus der Schweiz.
Die Gruppe verabschiedete nach ausführlicher, teilweise kontroverser Diskussion im Konsens die nachfolgenden Empfehlungen. Das Konsensuspapier wird von den am Ende der Arbeit aufgeführten Gynäkologen/innen und Radiologen getragen. Es spiegelt den derzeitigen Wissensstand wider.
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Strukturelle Voraussetzungen zur Durchführung der MRgFUS-Therapie
Die MRgFUS-Therapie sollte nur an Kliniken durchgeführt werden, die die nötige Expertise und Erfahrung zur Durchführung der MRgFUS-Therapie haben. Dies beinhaltet auch das konservative und operative Management von Nebenwirkungen und Komplikationen. Es sollten außerdem Möglichkeiten zur Einleitung einer postinterventionellen Schmerztherapie gegeben sein.
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Notwendige Untersuchungen vor einer MRgFUS-Therapie
Basis der Therapiefestlegung ist die fachärztlich-gynäkologische Untersuchung inkl. vaginalem und/oder abdominalem Ultraschall (in Abhängigkeit von der Größe des Uterus myomatosus). Notwendige Voraussetzung ist die Erstellung einer Planungs-MRT mit Kontrastmittel (KM), möglichst in Bauchlage. Die KM-Darstellung dient auch der Einschätzung, ob und in welchem Maße das Myom perfundiert ist.
Vor jeder MRgFUS muss die Indikation zur Hysteroskopie und fraktionierten Abrasio in Abhängigkeit vom Blutungsmuster und der Endometriumdicke und -struktur kritisch geprüft werden. Es sollte ein nicht länger als 12 Monate zurückliegender, unauffälliger zytologischer Abstrichbefund von der Cervix uteri vorliegen.
Ebenso sollte im Rahmen des Aufklärungsgespräches mit der Patientin vor MRgFUS auf das Fehlen einer präinterventionellen histologischen Absicherung, wie bei allen anderen organerhaltenden Myomtherapieverfahren auch, hingewiesen werden.
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Indikationen für eine MRgFUS-Therapie
Indikation für eine MRgFUS-Behandlung ist ein symptomatischer Uterus myomatosus.
Voraussetzung ist ein Uterus myomatosus, bei dem die anatomische Lage der Myome einen sicheren Zugang für den MRgFUS ermöglicht. Eine Anzahl von mehr als fünf Myomen erschwert die Behandlung. Bei Myomen mit einem Durchmesser von mehr als 10 cm ist die MRgFUS-Therapie aufgrund des großen Myomvolumens und der damit einhergehenden langen Behandlungszeit ebenfalls kritisch zu indizieren.
Der MRgFUS stellt eine Alternative zum operativen und medikamentösen Vorgehen sowie zur UAE dar. Grundlage der Therapieentscheidung sollte die Zielsetzung der Behandlung und der Therapiewunsch der Patientin sein. Der MRgFUS stellt bei gegebener technischer Durchführbarkeit eine gute Option für Patientinnen mit Wunsch nach einer möglichst gering-invasiven Behandlung dar.
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Erfolgskriterien für die MRgFUS-Therapie
Ziel der Therapie mit fokussiertem Ultraschall sollte die Erreichung eines möglichst großen NPV (= non-perfused volume) sein.
Als Therapieerfolg nach MRgFUS-Behandlung wird die Besserung oder das Verschwinden myombedingter Beschwerden angesehen. Eine Volumenreduktion wird angestrebt, gilt aber als sekundäres Therapieziel.
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Kontraindikationen für eine MRgFUS-Therapie
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V. a. Malignom (absolut)
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Schwangerschaft (absolut)
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akuter entzündlicher Prozess (absolut)
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subserös-gestielte Myome (absolut)
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submuköse Myome Typ 0 und I (relativ; absolut bei Kinderwunsch)
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kein ausreichendes Schallfenster zur Behandlung erreichbar (z. B. Darmüberlagerungen) (absolut)
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Uterus myomatosus mit mehr als 5 Myomen (relativ, Einzelfallentscheidung)
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Uterusmyome mit einem Durchmesser über 10 cm (relativ, Einzelfallentscheidung)
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große Narben im Schallfenster (relativ)
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Myomlage nahe am Os sacrum (relativ)
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allgemeine Kontraindikationen gegenüber MR-Kontrastmitteln (relativ)
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relative und absolute MRT-Kontraindikationen
Ulipristalacetat kann zu einer besseren Durchblutung der Myome führen; dadurch kann die Einschätzung der MRgFUS-Therapierbarkeit als auch die Behandlung selbst unter Ulipristalacetat-Einnahme ungünstig beeinflusst werden.
Bei Verdacht auf ein Malignom des Uterus ist die MRgFUS absolut kontraindiziert.
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MRgFUS-Therapie bei Patientinnen mit Kinderwunsch
Es liegen keine publizierten prospektiven Daten von Frauen vor, die bei bestehendem Kinderwunsch mittels MRgFUS/HIFU behandelt wurden. Daher kann keine Empfehlung zur Durchführung einer MRgFUS/HIFU-Behandlung vor einer geplanten Schwangerschaft bei Frauen mit Kinderwunsch ausgesprochen werden. Sollte die Patientin dennoch eine Schwangerschaft nach MRgFUS/HIFU-Behandlung anstreben, sollte wahrscheinlich ein Mindestabstand von ca. 6 Monaten zwischen der Myomtherapie mit MRgFUS und dem Eintritt einer Schwangerschaft eingehalten werden.
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Nebenwirkungen/Komplikationen der MRgFUS-Therapie
Relevante Nebenwirkungen und Komplikationen während und nach Durchführung einer MRgFUS-Behandlung sind selten:
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Schmerzen
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Verbrennung der Haut
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Entzündung des Unterhautfettgewebes und der Muskulatur der Bauchdecke
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Parästhesie des Beines aufgrund von Nervenreizung oder -schädigungen
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tiefe Beinvenenthrombose (sehr selten)
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Darmperforation (extrem selten)
Neben verstärkten und/oder unregelmäßigen Blutungen innerhalb von drei Monaten nach der Therapie kann es nach einer Myombehandlung mittels MRgFUS auch zu einer für die Patientin unangenehmen und schmerzhaften Ausstoßung von (nekrotischem) Myommaterial im Sinne eines „Myoma in statu nascendi“ kommen. Hier ist auch eine von vaginal vorgenommene, uteruserhaltende Abtragung möglich, ggf. auch in Kombination mit einer operativen Hysteroskopie. Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe wird in diesen Fällen empfohlen.
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Nachuntersuchung nach MRgFUS-Therapie
Eine fachärztliche Nachuntersuchung nach MRgFUS wird empfohlen. Bildgebende Verfahren sind hilfreich (z. B. Sonografie in Verbindung mit Doppler-Sonografie, MRT). Bei fehlendem Therapieerfolg (keine Symptombesserung und/oder Größenprogredienz der Myome) oder Auffälligkeiten in der Bildgebung (Größenzunahme von Myom/en oder Uterus) ist eine weitere Abklärung notwendig.
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Ausblick
Es ist geplant, in etwa zwei Jahren unter Berücksichtigung der dann vorliegenden Daten und Erfahrungen die Empfehlung zur MRgFUS-Therapie von Myomen zu überarbeiten.
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Anhang
Teilnehmer/innen des Konsensustreffens 2017
Prof. Dr. med. Michael Bohlmann/Mannheim
Dr. med. Alexander Burges/München
Prof. Dr. med. Matthias David/Berlin
Prof. Dr. med. Markus Düx/Frankfurt a. M.
Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. h. c. mult. Andreas D. Ebert/Berlin
Prof. Dr. med. Peyman Hadji/Frankfurt a. M.
Dr. med. Thomas Hess/Winterthur (CH)
PD Dr. med. Peter Hunold/Lübeck
Dr. med. Hans-Christian Kolberg/Bottrop
Dr. med. Matthias Matzko/Dachau
PD Dr. med. Vera Schreiter/Berlin
Prof. Dr. med. Uwe Ulrich/Berlin
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Beteiligte Fachgesellschaften und Arbeitsgemeinschaften
AGE, Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endoskopie der DGGG
AG URZ, Arbeitsgemeinschaft Universitärer Reproduktionsmedizinischer Zentren der DGGG
Berufsverband der Frauenärzte (BVF)
DeGIR, Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive Therapie
DGGEF, Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin e. V.
DGGG, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
DRG, Deutsche Röntgengesellschaft
SGGG, Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
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Literaturhinweise auf einige relevante Publikationen
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Bohlmann MK, Hoellen F, Hunold P et al. High-intensity focused ultrasound ablation of uterine fibroids – potential impact on fertility and pregnancy outcome. Geburtsh Frauenheilk 2014; 74: 139 – 145
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Clark NA et al. Reproductive impact of MRI-guided focused ultrasound surgery for fibroids: a systematic review of the evidence. Curr Opin Obstet Gynecol 2014; 26: 151 – 161
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Denschlag D, Thiel FC, Ackermann S et al. Uterine Sarkome. Leitlinie der DGGG (S2k-Level, AWMF-Registernummer 015/074, August 2015). Geburtsh Frauenheilk 2015; DOI:10.1055/s-0035-1558288
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DGGG-Statement. Stellungnahme für die Einschätzung zur Erprobung der Magnetresonanztomografie-gesteuerten hochfokussierten Ultraschalltherapie zur Behandlung des Uterusmyoms (MRgFUS-TUF). Online: http://www.dggg.de/fileadmin/documents/stellungnahmen/aktuell/2016/225_Stellungnahme_zur_MRT_US-Therapie_zur_Behandl_des_Uterusmyoms.pdf; Stand: Januar 2016
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Focused Ultrasound Fondation. “State of the field” (Statusbericht). 2016. Online: http://www.fusfoundation.org/newsletter-archive/1738-focus-feature-2016-state-of-the-field-report
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G-BA-Beschluss (Dezember 2016) betreffend „Erprobungs-Richtlinie zur Behandlung von Uterusmyomen mittels MRgFUS“. Online: https://www.g-ba.de/institution/presse/pressemitteilungen/657/
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Jacoby VL et al. PROMISe trial: a pilot, randomized, placebo-controlled trial of magnetic resonance guided focused ultrasound for uterine fibroids. Fertil Steril 2016; 105: 773 – 780
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Pron G. Magnetic resonance–guided high-intensity focused ultrasound (MRgHIFU) treatment of symptomatic uterine fibroids: an evidence-based analysis. Ontario Health Technology Assessment Series; Vol. 15: No. 4, pp. 1 – 86, March 2015. Online: http://www.hqontario.ca/evidence/publications-and-ohtac-recommendations/ontario-health-technology-assessment-series/mr-guided-hifu
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She WH, TT Cheung, Caroline R Jenkins, Michael G Irwin. Clinical applications of high-intensity focused ultrasound. Hong Kong Med J 2016; DOI:10.12809/hkmj154755
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Cheung VYT, Lam TPW, Jenkins CR et al. Ovarian reserve after ultrasound-guided high-intensity focused ultrasound for uterine fibroids: preliminary experience. J Obstet Gynaecol Can 2016; 38: 357 – 361
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DOI:10.1055/s-0043-108994
Fortschr Röntgenstr 2017; 189: 515 – 518
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 1438 – 9029
Diese Stellungnahme wird als 212. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) geführt.
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* Abzugrenzen davon sind nicht MR-gesteuerte Verfahren zur Verwendung des fokussierten Ultraschalls.
1 Im Anhang finden sich Literaturhinweise auf einige relevante Publikationen.
Correspondence/Korrespondenzadresse