Zeitschrift für Komplementärmedizin 2017; 09(03): 24-28
DOI: 10.1055/s-0043-106805
Praxis
Neuraltherapie
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Neuraltherapie bei nicht vertebragenen Schulterbeschwerden

Uwe Günter

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Publication Date:
20 June 2017 (online)

 

Summary

Die Neuraltherapie bildet eine gute Option die Beschwerden einer Omalgie zu lindern. Sie setzt sich aus lokaler bzw. Segmenttherapie, der erweiterten Segmenttherapie der Facettenregionen C¾, C⅘ und kaudaler sowie Injektionen an das Ganglion stellatum, ggf. in Kombination mit nervalen Strukturen und perivaskulärem Sympathikus, zusammen.

Bei anamnestischem Hinweis auf Phrenicusreizung sind der Plexus coeliacus in Verbindung mit Akupunktur und Homöosiniatrie je nach Organdiagnostik sowie die Störfeldtherapie je nach Blockierungsmuster und Nackenreflexpunkten nach Adler und Langer durchzuführen.

Bei Persistenz der o.g. Punkte stehen die stomatologische Diagnostik sowie Sanierungstherapie unter Nutzung von Ozon im Vordergrund.

Als Begleittherapie fungieren Manualtherapie, Antiphlogose, Homöopathie, autologes konditioniertes Plasma extraartikulär, Ozon intraartikulär, Procain-Basen-Infusionen bzw. intravenöse Oxygenierung sowie orthomolekulare Medizin.


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Antiinflammatorische, schmerzlindernde und kortisonfreie Behandlungsoption, die komplementär zu konservativen und operativen Therapien eingesetzt werden kann – Über Vasodilatation und Sympathikolyse wirkt die Neuraltherapie zudem regenerativ

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Abb. 1 © Karl Wesker; Aus: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. Stuttgart: Thieme; 2011

Einleitung

Schulterbeschwerden werden bei Ausstrahlung als Cervico-Omalgie bzw. Omo-Brachialgie bezeichnet. Die als Omalgie zusammengefassten Beschwerden werden je nach Klinik sehr variabel beschrieben. Parallel zu den klinischen Entitäten impingement, frozen shoulder, thoracic outlet und complex regional painsyndrome wird je nach segmentaler Projektion des Schmerzes auch nach den Dermatomen als C 4-Schmerz (oberhalb der Clavicula), C 5-Schmerz (im Bereich des Deltamuskels) usw. dokumentiert.

Aus neurovegetativer Sicht kommt dem perivaskulären Sympathikus eine bedeutende Rolle bei Schmerzen zu. Auch der Nervus phrenicus sowie andere Afferenzen müssen immer beachtet werden. Die Symptomatik zeigt sich mannigfaltig und bedarf einer individuellen manuellen Diagnostik.


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Ursache und Häufigkeiten von Omalgien

Je nach Ursache, Häufigkeit und Differenzialdiagnose unterscheidet man angeborene und erworbene Pathologien. Nichttraumatische Veränderungen sind schwieriger zu unterscheiden.

Neben den angeborenen Pathologien einer Sprengel-Deformität, einer Halsrippe oder eines Akromionsporns stehen Unfälle und Überlastungen („over used“) durch Beruf und Sport in der Traumatologie und Sportmedizin im Vordergrund. Bekannte Präarthrosen wie Knorpelverletzungen treten bei Erstluxationen in mehr als 40 % und bei Rezidiv-Luxationen in bis zu 90 % der Fälle auf [1]. Bei Instabilitäten ist das Akromioklavikulargelenk (ACG) zu ⅓ beteiligt [1].

Liegt eine Degeneration vor, werden bei 5–11 % der 50-Jährigen sowie bei bis zu 50 % der 70-Jährigen Rupturen der Rotatorenmanschette diagnostiziert [2].


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Differenzialdiagnostik der sog. Periarthropathie

Die durch Duplay 1872 erstmals beschriebenen Veränderungen bei einer Periarthropathie lassen sich aktuell in raumfordernde, verkalkende und adhäsive Entzündungen zusammenfassen. Die Daten zu Synovialitiden sind unklar. Eigene Daten ergeben eine Häufigkeit von 22,9 % aller sonographisch untersuchten Synovialitiden der großen Gelenke.

In der Literatur wird bei Rupturen in mehr als 50 % der Fälle eine Tendinitis der langen Bizepssehne angegeben [3]. Verkalkungen der Insertionen treten meist im 30. bis 50. Lebensjahr mit einer Prävalenz von 3–20 % auf [4]. Eine frozen shoulder tritt gehäuft bei Diabetikern (bis zu 30 %) auf [5].

Zusammenfassung

Die Neuraltherapie bildet eine gute Option die Beschwerden einer Omalgie zu lindern. Sie setzt sich aus lokaler bzw. Segmenttherapie, der erweiterten Segmenttherapie der Facettenregionen C 3/4, C 4/5 und kaudaler sowie Injektionen an das Ganglion stellatum, ggf. in Kombination mit nervalen Strukturen und perivaskulärem Sympathikus, zusammen.

Bei anamnestischem Hinweis auf Phrenicusreizung sind der Plexus coeliacus in Verbindung mit Akupunktur und Homöosiniatrie je nach Organdiagnostik sowie die Störfeldtherapie je nach Blockierungsmuster und Nackenreflexpunkten nach Adler und Langer durchzuführen.

Bei Persistenz der o. g. Punkte stehen die stomatologische Diagnostik sowie Sanierungstherapie unter Nutzung von Ozon im Vordergrund.

Als Begleittherapie fungieren Manualtherapie, Antiphlogose, Homöopathie, autologes konditioniertes Plasma extraartikulär, Ozon intraartikulär, Procain-Basen-Infusionen bzw. intravenöse Oxygenierung sowie orthomolekulare Medizin.


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Pathogenese aus neurovegatativer Sicht

Dem Schmerz geht eine Entzündung voraus. Auch kurz nach einem Trauma treten v. a. in der Synovia vermehrt perivaskuläre Sympathikusfasern, die sensible Afferenzen modulieren, auf. Bei allen Degenerationen kommt es zusätzlich zur Reduzierung der Gefäße mit einer konsekutiven Hypooxygenierung [6].

Innerhalb eines jeden Segments reagieren Gefäße, Muskeln und Gelenkkomplexe. Afferente Reize im Bereich des N. phrenicus projizieren sich in die Dermatome C 4, C 3 und / oder C 5. Andere Reize können bei Beteiligung der Ncll. Intermediolaterales in Höhe Th 3–6 den perivaskulären Sympathikus triggern, welcher die gesamte Schulter-Arm-Region versorgt [7]. Sogenannte neuromodulative Trigger bzw. Störfelder wirken über trigeminozervicale (v. a. dentogene, sinusogene und tonsillogene Entzündungen), aber auch über vagale und lumbosakrale Interneurone (abdominelle, pelvine und retroperitoneale Reizzustände) [8].


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Symptomatik und Klinik

Ein unterschiedlicher Verlauf zeichnet sich aus durch:

  • eine functio läsa mit oder ohne einen painful arc,

  • ein pathologisches Kapselmuster des glenohumeralen Hauptgelenks (GHG) mit eingeschränkter Außenrotation sowie

  • diverse Druck- und Triggerpunkte mit oder ohne einen referred pain.

Bekannte Zeichen an Sehnen und Kapseln nach Dugas, Neer, Hawkins, Speed, O’Brien usw. sowie an Gefäßen nach Adson, Falconer und Wright helfen bei der klinischen Diagnostik.

Der neuralgische Projektionsschmerz nach Head ist eine Ausschlussdiagnose!

Schulmedizinische Optionen sind Indikationen für operative Therapien und symptomatische Maßnahmen ohne klaren Indikationskatalog, welche dann ausgeschöpft werden sollten. Zu oft werden nicht-steroidale Antirheumatika und lokale Injektionen von Kortisonpräparaten mit erheblichem Risiko angewendet. Die physikalische Therapie ist teilweise zu unspezifisch in ihrer Indikation und Dokumentation, obwohl sie adjuvant bei nichtentzündlicher muskulärer Dysbalance notwendig ist.

Eine kortisonfreie antiinflammatorische Therapieoption besteht posttraumatisch, prä- sowie postoperativ immer in der Neuraltherapie.


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Neuraltherapie

Segmenttherapie

Beim anamnestischen bzw. Spontanschmerz hilft eine Quaddel im Segment C 4, welche auch auf die Segmente C 5–Th 2 erweitert werden kann ([ Abb. 2 ]). Hierzu wird neben Procain auch Mepivacain empfohlen. Eine subkutane Injektion mit Procain kann, je nach anamnestischen und klinischen Hinweisen, auch durch Ozon oder Homöopathika ergänzt werden.

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Abb. 2 Quaddeltechnik (intrakutane Infiltration) mit Procain.

Je nach positivem Zeichen nach Dugas erfolgt die Injektion an / in das Acromioclaviculargelenk sowie an das Sternoklavikulargelenk.

Bei positivem Kapselmuster kann eine Injektion in das glenohumerale Hauptgelenk von dorsal ([ Abb. 3 ]) mit einer Injektion in die Bursa sowie Nutzung von Ozon und / oder Homöopathika kombiniert werden ([ Abb. 4 ]). Gezielte Injektion an dolente bzw. entzündete Muskeln und Sehnen können ebenfalls mit anderen Präparaten und einer Eigennosode aus dem Patientenserum ergänzt werden.

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Abb. 3 Intraartikuläre Injektion in das glenohumerale Hauptgelenk links von dorsal.
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Abb. 4 Injektion von Ozon in die Bursa links von kranial.

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Regionale Neuraltherapie

Bei mono- oder oligosegmentaler Projektion, Persistenz bzw. Rezidiv der Beschwerden ist die Injektion an den N. accessorius indiziert ([ Abb. 5 ]). Hier kann auch die Injektion an den N. supra-scapularis [9], an den Pl. brachialis [10] und / oder N. auricularis magnus helfen. Die Injektion an die Facettengelenke bzw. Rami articularis nach Mink sollte nach entsprechender Ausbildung, Aufklärung, Vor- und Nachbereitung an bis zu 3 Etagen zwischen C 4 und Th 6 ([ Abb. 6 ]) erfolgen. Sie hat wie die Injektion an das Ggl. stellatum ([ Abb. 7 ]) die größte klinische Wirksamkeit und muss selten bzw. bei komplexen regionalen Schmerzsyndromen durch die Injektion an / in die A. axillaris sowie periphere Gefäße ergänzt werden.

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Abb. 5 Injektion an den N. accessorius links.
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Abb. 6 Injektion an die Facettenregion nach Mink C 4–5 links.
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Abb. 7 Injektion an das Ganglion stellatum rechts.

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Neuraltherapie der neuromodulativen Trigger

Die submuköse Injektion in das Velum palatinum (an die oberen und unteren Tonsillenpole) zeigen eine Wirkung u. a. auf die nuchale und die vom N. accessorius versorgte Muskulatur [11]. Sie können je nach Dolenz der Nackenreflexpunkte nach Adler und Langer [12], [13] durch die Injektion an die Endäste der Nn. trigemini 1 und 2 (Nn. supra- et infraorbitalis) sowie je nach Orthopantomogramm an die Odontone [14] ergänzt werden. Hier offenbaren sich häufig serologisch oder röntgenologisch erkennbare Entzündungen, die saniert werden müssen.


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Weitere adjuvante Verfahren

Neben den o. g. Injektionen von Ozon [15] sind die Mesotherapie (z. B. bei der Tendinosis calcarea mit EDTA [16]), die Homöosiniatrie (z. B. mit Traumeel® [17]), die Injektion von Eigenserum (z. B. mit Orthokin® [18]), aber auch die Akupunktur, das sog. Dry-needling [19], [20] und das Kinesio-Taping [21] in verschiedenen Studien erfolgreich bewertet worden und in der täglichen Praxis empfehlenswert.


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Fazit für die Praxis

Die Neuraltherapie kann komplementär zu konservativen und operativen Therapien eingesetzt werden. Sie wirkt antientzündlich und damit nicht nur schmerzlindernd, sondern über die Vasodilatation und Sympathikolyse regenerativ. Zudem ist sie zeit- und kostensparend. Sie kann jederzeit mit anderen adjuvanten Verfahren der Naturheilkunde wie Akupunktur, Kinesio-Taping, Ozon-Therapie, Homöosiniatrie und Injektion von konditioniertem autologem Plasma kombiniert werden. Sie wird aktuell als eine der am häufigsten ambulant angewendeten Therapien angesehen und hat eine sehr niedrige Morbiditätsrate.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.

Online zu finden unter
http://dx.doi.org/10.1055/s-0043-106805


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Dr. med. Uwe Günter

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Siegfriedstr. 204c
10365 Berlin

info@dr-guenter.de
www.biologische-orthopädie-berlin.de


Uwe Günter ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit den Zusatzbezeichnungen Chirotherapie, Akupunktur, Sportmedizin und Physikalische Therapie. Niederlassung in eigener Praxis mit Schwerpunkt Neuraltherapie in Berlin. Dozent der Deutschen Gesellschaft für Akupunktur und Neuraltherapie.

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Abb. 3 Intraartikuläre Injektion in das glenohumerale Hauptgelenk links von dorsal.
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Abb. 4 Injektion von Ozon in die Bursa links von kranial.
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Abb. 5 Injektion an den N. accessorius links.
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Abb. 6 Injektion an die Facettenregion nach Mink C 4–5 links.
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Abb. 7 Injektion an das Ganglion stellatum rechts.