Am 16.10.2005 trafen sich in Berlin gynäkologische und radiologische Fachkolleginnen
und -kollegen zu einem Konsensusgespräch zur Myomtherapie mittels Uterusarterienembolisation
(UAE; Myomembolisation) [1]. Ziel dieser Zusammenkunft auf dem Campus der Charité war es, den aktuellen Stand
des Wissens um die damals neue Behandlungsoption der Myomembolisation zusammenzufassen
und aus interdisziplinärer, radiologisch-gynäkologischer Sicht Empfehlungen zu Indikationsstellung,
Durchführung und Nachsorge zu geben. 2010 konnten erstmals auch Vertreter aus Österreich
und der Schweiz für die Diskussion gewonnen werden, sodass seither auch konsentierte
Empfehlungen mit Unterstützung der Fachgesellschaften grenzüberschreitend ausgesprochen
wurden [2]. In 2013 wurden die Konsensusgespräche um einen interdisziplinären Dialog zum Verfahren
des MR gesteuerten fokussierten Ultraschall (MRgFUS [3]) in der Myombehandlung erweitert und seither in zweijährigem Abstand auf dem IROS,
der Dreiländertagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften
für Interventionelle Radiologie abgehalten [4]
[5]
[6]
[7].
In der Ihnen vorliegenden Ausgabe der RöFo [8]
[9] werden nun die Ergebnisse des 3. Konsensustreffens „MRgFUS zur Myomtherapie“ und
6. Konsensustreffens „UAE zur Myomtherapie“ vorgestellt, welches am 14. Januar 2017
stattfand.
Für das 3. Konsensustreffen „MRgFUS zur Myomtherapie“ erfolgte eine selektive Literaturrecherche
zur aktuellen Literatur, welche unter anderem die von den geladenen Teilnehmern als
relevant erachteten Themen aufgriff. Ausgewählte Publikationen wurden in den Anhang
des Konsensuspapiers aufgenommen. Auf der Grundlage der vorliegenden Literatur und
der Erfahrungen der Konsensusteilnehmer mit der Methode wurde über die Auswirkungen
einer medikamentösen Vorbehandlung durch Ulipristalacetat, die zu empfehlende Wartezeit
nach MRgFUS bis zur Umsetzung eines Kinderwunsches, das Vorgehen beim postinterventionellen
Abgang von Myommaterial aus der Scheide im Sinne eines „myoma in statu nascendi“,
die Notwendigkeit von Verlaufskontrollen nach MRgFUS-Therapie und die Bedeutung der
Volumenreduktion für die Symptomkontrolle diskutiert. Besonders großen Raum nahm das
Thema „Therapie eines unerkannten Leiomyosarkoms“ ein. Die Konsensusteilnehmer einigten
sich auf die Formulierung, dass „… im Rahmen des Aufklärungsgespräches mit der Patientin
vor MRgFUS auf das Fehlen einer präinterventionellen histologischen Absicherung, wie
bei allen anderen organerhaltenden Myomtherapieverfahren auch, hingewiesen werden…“.
Bei Verdacht auf ein Malignom des Uterus ist demnach die MRgFUS-Therapie absolut kontraindiziert.
Neu aufgenommen wurde der Hinweis, dass der selektive Progesteronrezeptormodulator
Ulipristalacetat zu einer besseren Durchblutung der Myome führen kann, sodass deshalb
die Einschätzung der MRgFUS-Therapierbarkeit als auch die Behandlung selbst durch
eine Ulipristalacetat-Einnahme ungünstig beeinflusst werden könnte.
Zur Frage „MRgFUS bei Patientinnen mit Kinderwunsch“ einigten sich die Konsensusteilnehmer
aufgrund fehlender prospektiver Studienergebnisse darauf, dass bei bestehendem Kinderwunsch
keine Empfehlung zur Durchführung einer MRgFUS/HIFU-Behandlung vor einer geplanten
Schwangerschaft ausgesprochen werden kann. Sollten Patientinnen dennoch eine Schwangerschaft
nach MRgFUS/HIFU-Behandlung anstreben, wird ein Mindestabstand von ca. sechs Monaten
zwischen der Myomtherapie mit MRgFUS und dem Eintritt einer Schwangerschaft empfohlen.
Dem 6. Konsensustreffen „UAE zur Myomtherapie“ wurde ebenfalls eine selektive Literaturrecherche
vorangestellt. Zwei wichtige Publikationen wurden in den Anhang des Konsensuspapiers
übernommen: Die systematische Übersichtsarbeit mit Metaanalyse zum Vergleich der UAE
zu operativen Verfahren von van den Kooij et al. (2011) und das „Cochrane Database
Review“ von Gupta et al. (2014), das sieben randomisiert kontrollierten Studien mit
793 Patientinnen einschloss [10]
[11]. Außerdem wurden die 2016 publizierten 10-Jahres-Daten des EMMY-Studie [12] referiert. Auf der Grundlage vor allem dieser Publikationen und der breiten und
langjährigen Erfahrungen der Konsensusteilnehmer mit der Myomembolisation wurden folgende
Themen diskutiert: UAE bei liegender Intrauterinspirale, medikamentöse Vorbehandlung
mit Ulipristalacetat, UAE und Kinderwunsch sowie das Vorgehen bei einer „vaginalen
Myomgeburt“ als UAE-Folge. Breiten Raum nahm das Thema „Embolisation eines nicht erkannten
Uterussarkoms“ ein. Die Konsensusteilnehmer einigten sich auf folgende neue Empfehlung:
„Das Gesamtrisiko eines nicht erkannten uterinen Malignoms (darunter auch Uterussarkome)
wird in der aktuellen Literatur zwischen 0,09 % und 0,18 % bei vermeintlich wegen
eines Myoms operierten Patientinnen angegeben. Klinik oder Bildgebung erlauben keinen
Ausschluss insbesondere eines uterinen Sarkoms. Die Entscheidung für eine organerhaltende
medikamentöse, operative oder interventionell-radiologische Behandlungsoption schließt
daher die Aufklärung über die Risiken der verspäteten Diagnosestellung eines Sarkoms
mit ein. Nach UAE ist eine Verschleppung von Tumoranteilen nicht bekannt. Im Falle
eines fehlenden Therapieansprechens oder fehlender Größenregredienz des/der Leiomyom(e)
ist differenzialdiagnostisch sowohl an ein insuffizientes Embolisationsergebnis als
auch an das Vorliegen eines uterinen Sarkoms zu denken…“ Kontrovers wurde auch die
Frage „UAE und Kinderwunsch“ diskutiert. In einem mehrstufigen Abstimmungsprozess
einigte sich die Mehrheit der Teilnehmer auf die Formulierung „Schwangerschaften nach
UAE sind möglich. Das Abortrisiko ist möglicherweise erhöht…“ Einige wenige Konsensusteilnehmer
votierten für eine Ergänzung, sodass als Minderheitenmeinung die Ergänzung „Möglicherweise
sind nach einer Myomembolisation neben Aborten auch Plazentationsstörungen und peripartale
Blutungen häufiger (unsichere Datenlage)“ aufgenommen wurde.
Wie in der Vergangenheit war auch bei den diesjährigen Konsensustreffen den Teilnehmern
der Expertenrunde bewusst, dass über die Möglichkeiten und Grenzen eines radiologischen
Therapieverfahrens zusammen mit Fachleuten der Gynäkologie diskutiert wurde, die das
Verfahren selber nicht durchführen. Dieses Vorgehen jenseits eines strukturierten
Leitliniendialogs hat sich retrospektiv bewährt. Die Konsensusgespräche dienen der
Formulierung praktischer, patientenzentrierter Empfehlungen zur Durchführung von UAE
und MRgFUS und folgen damit einem „best practice“ Ansatz im weiteren Sinne. Kritisch
anzumerken ist, dass in Deutschland der Schweiz und Österreich im Gegensatz zu anderen
europäischen Ländern bis dato beide radiologische Therapieverfahren nur unzureichend
in relevanten Leitlinien abgebildet sind. Bereits 2012 hat das Collège National des
Gynécologues et Obstétriciens Français in einer Überarbeitung der nationalen Leitlinie
zur Therapie von Uterusmyomen die UAE als Behandlungsoption einbezogen [13]. In den Niederlanden ist 2013 eine interdisziplinäre Leitlinie zur Behandlung von
starken menstruellen Blutungen, die zu einem relevanten Anteil auch myombedingt sind,
gemeinsam durch die Nederlandse Vereniging voor Radiologie und Nederlandse Vereniging
voor Obstetrie en Gynaecologie verabschiedet worden [14]. Beiden evidenzbasierten Leitlinien ist gemeinsam, dass sie erkrankungsbezogen,
interdisziplinär und unter Beteiligung von Fachvertretern der Radiologie verfasst
worden sind. Diese Chance wurde bei der 2015 durch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie
und Geburtshilfe (DGGG [15]) publizierten, methodenbasierten S3-Leitlinie zur Hysterektomie bei benignen Erkrankungen
vertan. Gleichwohl hier eine Leitlinie zu Indikation und Methodik eines operativen
Verfahren der Gynäkologie im Vordergrund stand, ist anzumerken, dass die Indikation
zu Hysterektomie bei benignen Erkrankungen in 60 % der Fälle wegen eines Uterus myomatosus
durchgeführt wird und minimalinvasiven Alternativverfahren gerade hier eine besondere
Rolle zukommt. Es ist daher bedauerlich, dass weder die Deutsche Röntgengesellschaft
(DRG) noch die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) in den
Leitlinienprozess einbezogen wurden.
Die aktuellen Konsensuspapiere zu Uterusarterienembolisation und fokussiertem Ultraschall
in der Myombehandlung werden sowohl in der Fortschritt Röntgenstrahlung als auch der
„Zeitschrift für Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ (GebFra) veröffentlicht. Die DRG
und DeGIR als auch die DGGG haben beide Konsensustreffen logistisch und finanziell
unterstützt. Dieser Umstand ist als Ausdruck des Interesses der Fachgesellschaften
an einer Fortführung und Verbesserung des interdisziplinären Dialogs zwischen Radiologie
und Gynäkologie in der Myomtherapie zu verstehen.
Prof. Dr. Thomas Kröncke
Prof. Dr. Matthias David
Dr. Matthias Matzko