Präambel
Die Myombehandlung mit der Technik des magnetresonanzgeführten fokussierten Ultraschalls
(MRgFUS; Syn.: HIFU = hochintensiver fokussierter Ultraschall) ist ein thermoablatives
Verfahren, bei dem durch fokussierten Ultraschall unter ständiger MR-tomografischer
Kontrolle in einzelnen kleinen Volumenschritten (sogenannte Sonifikationen, Syn.:
Sonikationen) das zu behandelnde Gewebe soweit erhitzt wird, bis eine vollständige
Denaturierung des geplanten Myomvolumens erreicht ist. Nach erfolgter Thermoablation
zeigt sich in der Erfolgskontrolle eine fehlende Kontrastmittelaufnahme des behandelten
Gewebes (entspr. NPV = non-perfused volume).
Das MRgFUS-Verfahren ist organerhaltend, nicht invasiv und kann ambulant durchgeführt
werden.
Die Behandlungsmethode wird nur von wenigen spezialisierten Einrichtungen angeboten.
Ziel der MRgFUS-Therapie ist die Verminderung oder Beseitigung myombedingter Beschwerden
bei den betroffenen Frauen. Mit der Ultraschallbehandlung kann eine Myomschrumpfung
erreicht werden. Eine vollständige Rückbildung des Myoms ist eher nicht zu erwarten
und auch nicht Ziel der Behandlung.
Zwischen den Fachdisziplinen Frauenheilkunde und Radiologie besteht Einigkeit darüber,
dass die Indikationsstellung zur notwendigen Therapie eines Uterus myomatosus nach
fachärztlicher Untersuchung und Beratung durch eine Gynäkologin/einen Gynäkologen
erfolgen soll. Eine umfassende und vollständige Beratung über die Behandlungsmöglichkeiten
bei symptomatischem Uterus myomatosus schließt neben den medikamentösen und operativen
Behandlungsoptionen auch die beiden nicht operativen Therapiemöglichkeiten Uterusarterienembolisation
(UAE) und MRgFUS ein. Die Entscheidung für oder gegen eine Therapiealternative sollte
unter Berücksichtigung des Patientinnenwunsches und in Kenntnis der Therapiealternativen,
ihrer Erfolgschancen und Grenzen sowie typischer Nebenwirkungen und möglicher Komplikationen
getroffen werden (informed consent).
Mit der Möglichkeit der MRgFUS-Behandlung ist auch in Deutschland, Österreich und
der Schweiz ein Therapieverfahren für Patientinnen mit myombedingten Beschwerden vorhanden,
das eine weitere Therapieindividualisierung beim Uterus myomatosus ermöglicht.
Ziel des Konsensustreffens
Ziel des Konsensustreffens
Intention dieses dritten Konsensustreffens war die Bewertung und Einordnung des MRgFUS-Verfahrens
in das Therapiespektrum bei der Myombehandlung. Die 12 Teilnehmerinnen und Teilnehmer
des radiologisch-gynäkologischen Expertentreffens haben unter Berücksichtigung der
vorhandenen aktuellen Literatur[1] und eigener Erfahrungen nach ausführlicher Diskussion einen Konsens zwischen den
beiden beteiligten Fachrichtungen gefunden.
Die Expertenrunde war sich bewusst, dass hier über die Möglichkeiten und Grenzen eines
radiologischen Therapieverfahrens zusammen mit Fachleuten der Gynäkologie diskutiert
wurde, die das Verfahren selber nicht durchführen, die aber über Expertise und Erfahrung
mit der Diagnostik sowie der medikamentösen und operativen Behandlung von Erkrankungen
des weiblichen Genitales verfügen.
Der aus 4 Radiologen und 8 Gynäkologen/innen zusammengesetzten Expertengruppe, die
sich am 14. Januar 2017 in Berlin zum dritten radiologisch-gynäkologischen Konsensustreffen
zur MRgFUS-Therapie versammelte, gehörten auch Gynäkologen aus der Schweiz.
Die Gruppe verabschiedete nach ausführlicher, teilweise kontroverser Diskussion im
Konsens die nachfolgenden Empfehlungen. Das Konsensuspapier wird von den am Ende der
Arbeit aufgeführten Gynäkologen/innen und Radiologen getragen. Es spiegelt den derzeitigen
Wissensstand wieder.
Strukturelle Voraussetzungen zur Durchführung der MRgFUS-Therapie
Strukturelle Voraussetzungen zur Durchführung der MRgFUS-Therapie
Die MRgFUS-Therapie sollte nur an Kliniken durchgeführt werden, die die nötige Expertise
und Erfahrung zur Durchführung der MRgFUS-Therapie haben. Dies beinhaltet auch das
konservative und operative Management von Nebenwirkungen und Komplikationen. Es sollten
außerdem Möglichkeiten zur Einleitung einer postinterventionellen Schmerztherapie
gegeben sein.
Notwendige Untersuchungen vor einer MRgFUS-Therapie
Notwendige Untersuchungen vor einer MRgFUS-Therapie
Basis der Therapiefestlegung ist die fachärztlich-gynäkologische Untersuchung inkl.
vaginalem und/oder abdominalem Ultraschall (in Abhängigkeit von der Größe des Uterus
myomatosus). Notwendige Voraussetzung ist die Erstellung einer Planungs-MRT mit Kontrastmittel
(KM), möglichst in Bauchlage. Die KM-Darstellung dient auch der Einschätzung, ob und
in welchem Maße das Myom perfundiert ist.
Vor jeder MRgFUS muss die Indikation zur Hysteroskopie und fraktionierten Abrasio
in Abhängigkeit vom Blutungsmuster und der Endometriumdicke und -struktur kritisch
geprüft werden. Es sollte ein nicht länger als 12 Monate zurückliegender, unauffälliger
zytologischer Abstrichbefund von der Cervix uteri vorliegen.
Ebenso sollte im Rahmen des Aufklärungsgespräches mit der Patientin vor MRgFUS auf
das Fehlen einer präinterventionellen histologischen Absicherung, wie bei allen anderen
organerhaltenden Myomtherapieverfahren auch, hingewiesen werden.
Indikationen für eine MRgFUS-Therapie
Indikationen für eine MRgFUS-Therapie
Indikation für eine MRgFUS-Behandlung ist ein symptomatischer Uterus myomatosus.
Voraussetzung ist ein Uterus myomatosus, bei dem die anatomische Lage der Myome einen
sicheren Zugang für den MRgFUS ermöglicht. Eine Anzahl von mehr als fünf Myomen erschwert
die Behandlung. Bei Myomen mit einem Durchmesser von mehr als 10 cm ist die MRgFUS-Therapie
aufgrund des großen Myomvolumens und der damit einhergehenden langen Behandlungszeit
ebenfalls kritisch zu indizieren.
Der MRgFUS stellt eine Alternative zum operativen und medikamentösen Vorgehen sowie
zur UAE dar. Grundlage der Therapieentscheidung sollte die Zielsetzung der Behandlung
und der Therapiewunsch der Patientin sein. Der MRgFUS stellt bei gegebener technischer
Durchführbarkeit eine gute Option für Patientinnen mit Wunsch nach einer möglichst
gering-invasiven Behandlung dar.
Erfolgskriterien für die MRgFUS-Therapie
Erfolgskriterien für die MRgFUS-Therapie
Ziel der Therapie mit fokussiertem Ultraschall sollte die Erreichung eines möglichst
großen NPV (= non-perfused volume) sein.
Als Therapieerfolg nach MRgFUS-Behandlung wird die Besserung oder das Verschwinden
myombedingter Beschwerden angesehen. Eine Volumenreduktion wird angestrebt, gilt aber
als sekundäres Therapieziel.
Kontraindikationen für eine MRgFUS-Therapie
Kontraindikationen für eine MRgFUS-Therapie
-
V. a. Malignom (absolut)
-
Schwangerschaft (absolut)
-
akuter entzündlicher Prozess (absolut)
-
subserös-gestielte Myome (absolut)
-
submuköse Myome Typ 0 und I (relativ; absolut bei Kinderwunsch)
-
kein ausreichendes Schallfenster zur Behandlung erreichbar (z. B. Darmüberlagerungen)
(absolut)
-
Uterus myomatosus mit mehr als 5 Myomen (relativ, Einzelfallentscheidung)
-
Uterusmyome mit einem Durchmesser über 10 cm (relativ, Einzelfallentscheidung)
-
große Narben im Schallfenster (relativ)
-
Myomlage nahe am Os sacrum (relativ)
-
allgemeine Kontraindikationen gegenüber MR-Kontrastmitteln (relativ)
-
relative und absolute MRT-Kontraindikationen
Ulipristalacetat kann zu einer besseren Durchblutung der Myome führen; dadurch kann
die Einschätzung der MRgFUS-Therapierbarkeit als auch die Behandlung selbst unter
Ulipristalacetat-Einnahme ungünstig beeinflusst werden.
Bei Verdacht auf ein Malignom des Uterus ist die MRgFUS absolut kontraindiziert.
MRgFUS-Therapie bei Patientinnen mit Kinderwunsch
MRgFUS-Therapie bei Patientinnen mit Kinderwunsch
Es liegen keine publizierten prospektiven Daten von Frauen vor, die bei bestehendem
Kinderwunsch mittels MRgFUS/HIFU behandelt wurden. Daher kann keine Empfehlung zur
Durchführung einer MRgFUS/HIFU-Behandlung vor einer geplanten Schwangerschaft bei
Frauen mit Kinderwunsch ausgesprochen werden. Sollte die Patientin dennoch eine Schwangerschaft
nach MRgFUS/HIFU-Behandlung anstreben, sollte wahrscheinlich ein Mindestabstand von
ca. 6 Monaten zwischen der Myomtherapie mit MRgFUS und dem Eintritt einer Schwangerschaft
eingehalten werden.
Nebenwirkungen/Komplikationen der MRgFUS-Therapie
Nebenwirkungen/Komplikationen der MRgFUS-Therapie
Relevante Nebenwirkungen und Komplikationen während und nach Durchführung einer MRgFUS-Behandlung
sind selten:
-
Schmerzen
-
Verbrennung der Haut
-
Entzündung des Unterhautfettgewebes und der Muskulatur der Bauchdecke
-
Parästhesie des Beines aufgrund von Nervenreizung oder -schädigungen
-
tiefe Beinvenenthrombose (sehr selten)
-
Darmperforation (extrem selten)
Neben verstärkten und/oder unregelmäßigen Blutungen innerhalb von drei Monaten nach
der Therapie kann es nach einer Myombehandlung mittels MRgFUS auch zu einer für die
Patientin unangenehmen und schmerzhaften Ausstoßung von (nekrotischem) Myommaterial
im Sinne eines „Myoma in statu nascendi“ kommen. Hier ist auch eine von vaginal vorgenommene,
uteruserhaltende Abtragung möglich, ggf. auch in Kombination mit einer operativen
Hysteroskopie. Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe wird in diesen Fällen empfohlen.
Nachuntersuchung nach MRgFUS-Therapie
Nachuntersuchung nach MRgFUS-Therapie
Eine fachärztliche Nachuntersuchung nach MRgFUS wird empfohlen. Bildgebende Verfahren
sind hilfreich (z. B. Sonografie in Verbindung mit Doppler-Sonografie, MRT). Bei fehlendem
Therapieerfolg (keine Symptombesserung und/oder Größenprogredienz der Myome) oder
Auffälligkeiten in der Bildgebung (Größenzunahme von Myom/en oder Uterus) ist eine
weitere Abklärung notwendig.
Ausblick
Es ist geplant, in etwa zwei Jahren unter Berücksichtigung der dann vorliegenden Daten
und Erfahrungen die Empfehlung zur MRgFUS-Therapie von Myomen zu überarbeiten.
Anhang
Teilnehmer/innen des Konsensustreffens 2017
Prof. Dr. med. Michael Bohlmann/Mannheim
Dr. med. Alexander Burges/München
Prof. Dr. med. Matthias David/Berlin
Prof. Dr. med. Markus Düx/Frankfurt a.M.
Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. h. c. mult. Andreas D. Ebert/Berlin
Prof. Dr. med. Peyman Hadji/Frankfurt a.M.
Dr. med. Thomas Hess/Winterthur (CH)
PD Dr. med. Peter Hunold/Lübeck
Dr. med. Hans-Christian Kolberg/Bottrop
Dr. med. Matthias Matzko/Dachau
PD Dr. med. Vera Schreiter/Berlin
Prof. Dr. med. Uwe Ulrich/Berlin
Beteiligte Fachgesellschaften und Arbeitsgemeinschaften
AGE, Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endoskopie der DGGG
AG URZ, Arbeitsgemeinschaft Universitärer Reproduktionsmedizinischer Zentren der DGGG
Berufsverband der Frauenärzte (BVF)
DeGIR, Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive Therapie
DGGEF, Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin
e. V.
DGGG, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
DRG, Deutsche Röntgengesellschaft
SGGG, Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
Literaturhinweise auf einige relevante Publikationen
-
Bohlmann MK, Hoellen F, Hunold P, David M. High-Intensity Focused Ultrasound Ablation
of Uterine Fibroids – Potential Impact on Fertility and Pregnancy Outcome. Geburtshilfe
Frauenheilkd 2014; 74: 139 – 145
-
Clark NA et al. Reproductive impact of MRI-guided focused ultrasound surgery for fibroids:
a systematic review of the evidence. Curr Opin Obstet Gynecol 2014; 26: 151 – 161;
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4137489/pdf/nihms-618873.pdf
-
Denschlag D, Thiel FC, Ackermann S, Harter P, Juhasz-Boess I, Mallmann P, et al. Uterine
Sarkome. Leitlinie der DGGG (S2k-Level, AWMF-Registernummer 015/074, August 2015)
Geburtsh Frauenheilk 2015; 75; e3 DOI: 10.1055/s-0035 – 1558 288
-
DGGG-Statement. Stellungnahme für die Einschätzung zur Erprobung der Magnetresonanztomografie-gesteuerten
hochfokussierten Ultraschalltherapie zur Behandlung des Uterusmyoms (MRgFUS-TUF)“
http://www.dggg.de/fileadmin/documents/stellungnahmen/aktuell/2016/225_Stellungnahme_zur_MRT_US-Therapie_zur_Behandl_des_Uterusmyoms.pdf (Januar 2016)
-
Focused Ultrasound Fondation 2016 (Statusbericht)„State of the field“: http://www.fusfoundation.org/newsletter-archive/1738-focus-feature-2016-state-of-the-field-report
-
G-BA-Beschluss (Dezember 2016) betreffend „Erprobungs-Richtlinie zur Behandlung von
Uterusmyomen mittels MRgFUS“: https://www.g-ba.de/institution/presse/pressemitteilungen/657/
-
Jacoby VL et al. PROMISe trial: a pilot, randomized, placebo-controlled trial of magnetic
resonance guided focused ultrasound for uterine fibroids. Fertil Steril 2016;105:773 – 780
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0015028215020907
-
Pron G. Magnetic Resonance–Guided High-Intensity Focused Ultrasound (MRgHIFU) Treatment
of Symptomatic Uterine Fibroids: An Evidence-Based Analysis. Ontario Health Technology
Assessment Series; Vol. 15: No. 4, pp. 1 – 86, March 2015 http://www.hqontario.ca/evidence/publications-and-ohtac-recommendations/ontario-health-technology-assessment-series/mr-guided-hifu.
-
She WH, TT Cheung, Caroline R Jenkins, Michael G Irwin. Clinical applications of high-intensity
focused ultrasound. Hong Kong Med J 2016;22:Epub.DOI: 10.12 809/hkmj154 755
-
Cheung VYT, Lam TPW, Jenkins CR, Cheung GKI, Chan SSY, Choi WK. Ovarian Reserve After
Ultrasound-Guided High-Intensity Focused Ultrasound for Uterine Fibroids: Preliminary
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