Schlüsselwörter Umweltbedingte Krankheitslast - Disability-Adjusted Life Year - DALY - Umwelt und Gesundheit - Summenmaß der Bevölkerungsgesundheit
Key words Environmental Burden of Disease - Disability-Adjusted Life Year - DALY - environment and health - summary measure of population health
Einleitung
Umweltbedingte Risikofaktoren haben häufig eine hohe gesundheitliche Relevanz mit einem großen und z. T. noch nicht ausreichend genutzten Präventionspotenzial. Die Kenntnis um die gesundheitliche Bedeutung von umweltbedingten Risikofaktoren ist vielfach vorhanden, das Wissen um die komplexen Wirkungsmechanismen auf den menschlichen Organismus ist jedoch begrenzt. Der Umstand, dass meist mehrere Umweltfaktoren gleichzeitig einwirken und dass bei einzelnen Risikofaktoren zusätzlich Kombinationswirkungen auftreten können, erschwert eine exakte Bewertung der Bedeutung einzelner Umwelteinflüsse auf die Bevölkerungsgesundheit [1 ]. So ist der Mensch bspw. einer Vielzahl an unterschiedlichen Luftschadstoffen ausgesetzt, die z. T. gemeinsam auf den Organismus wirken, z. T. aber auch voneinander unabhängige gesundheitliche Wirkungen haben [2 ].
Die zunehmende Globalisierung und die damit verbundene steigende Komplexität der Herausforderungen des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes sowie die Regulierungsaufgaben, die von der Umwelt- und Gesundheitspolitik bewältigt werden müssen, zeigen deutlich, dass in diesem Themenfeld problemorientiertes und evidenzbasiertes Fachwissen benötigt wird [3 ]
[4 ]. Ein wissenschaftsbasiertes Instrument, das entwickelt wurde, um den Einfluss von Umweltrisikofaktoren auf die menschliche Gesundheit quantitativ zu erfassen, ist das Konzept der umweltbedingten Krankheitslast (Environmental Burden of Disease – EBD). Dieses drückt die Mortalität und Morbidität einer Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe infolge von umweltbedingten Erkrankungen als Summenmaß in der Einheit verlorene gesunde Lebensjahre (Disability-Adjusted Life Years – DALYs) aus [5 ]
[6 ]
[7 ].
Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, das EBD-Konzept vorzustellen und neben seinem Nutzen im umweltbezogenen Gesundheitsschutz auch die wesentlichen Kritikpunkte zu diskutieren.
Hintergrund und Entwicklung des Konzept der Krankheitslast
Hintergrund und Entwicklung des Konzept der Krankheitslast
Das Konzept der Krankheitslast (Burden of Disease - BoD) wurde in den 1990er Jahren von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammen mit der Weltbank und der Harvard School of Public Health im Rahmen der ersten Global Burden of Disease (GBD)-Studie für die vergleichende Erfassung des Gesundheitszustands der Weltbevölkerung entwickelt [8 ]. Das übergreifende Ziel bei der Entwicklung des BoD-Konzeptes war es, auch nicht-tödlich verlaufende Krankheiten in gesundheitspolitische Debatten mit einzubeziehen und so den Einfluss von Krankheit und Tod auf die Bevölkerungen unterschiedlicher Länder oder Regionen der Welt umfassend quantitativ vergleichend darzustellen [9 ]. Denn aufgrund des demografischen und epidemiologischen Wandels reichen Sterbezahlen alleine nicht mehr aus, um den Gesundheitszustand darzustellen. Zusätzlich wurde nun auch die Zeit berücksichtigt, die in Krankheit verbracht wird, um so die gestiegene Bedeutung von chronischen und nicht-tödlichen Krankheiten abzubilden.
Das Konzept der Krankheitslast fasst Informationen zur Morbidität und Mortalität der jeweils betrachteten Bevölkerung in einer Maßzahl (DALY) zusammen [10 ]. Die Krankheitslast wird anhand der Anzahl an gesunden Lebensjahren, die durch vorzeitiges Versterben und das Leben mit einer Gesundheitseinschränkung verloren gehen, dargestellt [11 ]. Diese Informationen können u. a. bei Entscheidungsfindungen über Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit von Bevölkerungen und zur Ressourcenverteilung in der Umwelt- und Gesundheitspolitik unterstützend eingesetzt werden [12 ]. Mithilfe zusammenfassender und standardisierter Analysen ermöglichen DALYs weitreichende Vergleiche in Bezug auf zeitliche Veränderungen von Krankheitslasten, verschiedene Länder und Bevölkerungsgruppen [13 ]
[14 ].
Erstmalig wurden DALY-Berechnungen im Weltentwicklungsbericht der Weltbank 1993 vorgestellt [15 ]. Die erste GBD-Studie und die darauf folgenden Aktualisierungen präsentierten Krankheitslasten für die 192 WHO-Mitgliedstaaten [8 ]
[16 ]. Zusätzlich führten einige Länder in der Folge nationale Studien durch, um durch spezifische und angepasste Berechnungen Ergebnisse zu erhalten, die besser für die Beantwortung nationaler Fragestellungen geeignet sind (u. a. [17 ]
[18 ]). Für Deutschland liegen bislang keine nationalen Studien zur Bestimmung der Krankheitslast vor [19 ]
[20 ].
Seit ihrem wegweisenden Einsatz in der ersten GBD-Studie wurde die Methodik aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen heraus kritisiert und entsprechend weiterentwickelt [13 ]
[21 ]
[22 ]. Dies geschah zunächst federführend durch die WHO. Mit der GBD-2010-Studie [6 ], hat das Institute for Health Metrics and Evaluation in Seattle, (IHME, http://www.healthdata.org/gbd ) die Hauptverantwortung bei der Weiterentwicklung der Krankheitslastenmethodik und Quantifizierung der weltweiten Krankheitslast übernommen. Aktuelle Berechnungen liegen für das Jahr 2015 vor [23 ]
[24 ].
Berechnung von Disability-Adjusted Life Years
Berechnung von Disability-Adjusted Life Years
Im Folgenden wird sowohl die in den aktuellen GBD-Studie verwendeten Berechnungsmethode des IHME als auch die zuvor verwendete Methode der WHO (GBD-1990-Studie) vorgestellt [6 ]
[13 ]. Wichtig bei der Interpretation des englischen Begriffs disability ist, dass dieser nicht mit dem deutschsprachigen Begriff der Behinderung gleichzusetzen ist. Disability drückt das Ausmaß an Gesundheitseinbußen aus, das durch eine Krankheit, einen Unfall oder Risikofaktor verursacht wird und somit eine Abweichung vom optimalen Gesundheitszustand darstellt [20 ]. Der Fokus liegt dabei auf funktionalen Einschränkungen [25 ].
Die Maßeinheit DALY nutzt verlorene gesunde Lebensjahre als Maß für die Darstellung von Gesundheitsverlusten ([Abb. 1 ]). Zur Ermittlung der Mortalitätskomponente wird die durchschnittliche statistische Lebenserwartung oder eine standardisierte Lebenserwartung als Referenzwert angenommen, und es wird berechnet, wie viele Lebensjahre in Bezug zu dieser aufgrund von vorzeitigem Versterben verloren gehen (Years of Life Lost due to premature mortality, YLL). Die Berechnung erfolgt durch die Multiplikation der Anzahl von Todesfällen, die je Altersgruppe einer betrachteten Erkrankung zuzuschreiben sind, mit der statistischen Restlebenserwartung zum Zeitpunkt des Todes.
Abb. 1 Komponenten der DALY-Berechnung. Quelle: Tobollik et al. [27 ], Prüss-Üstün et al. [5 ], Mathers et al. [41 ], Vos et al. [22 ]. [rerif]
Zur Ermittlung der Morbiditätskomponente werden die Jahre berechnet, die dadurch verloren gehen, dass Personen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung leben (Years Lived with Disability, YLD) [13 ]
[26 ]. Für die Berechnung gibt es 2 Ansätze: In der ursprünglichen Methode (GBD-1990-Studie) wird die Anzahl der inzidenten Krankheitsfälle mit der durchschnittlichen Dauer der Erkrankung und einem Gewichtungsfaktor für den Schweregrad der gesundheitlichen Einschränkung (Disability Weight) multipliziert [9 ]. Alternativ werden die prävalenten Fälle einer Erkrankung mit dem jeweiligen Disability Weight multipliziert, um die YLDs zu errechnen (GBD-2010-Studie) [22 ]. Disability Weights stellen den Schweregrad von Beeinträchtigungen auf einer Skala zwischen 0 (optimaler Gesundheitszustand) und 1 (Zustand vergleichbar mit dem Tod) dar [12 ]
[27 ]
[28 ] und ermöglichen so die Aufsummierung von Morbidität und Mortalität.
Darüber hinaus wurden in der ersten GBD-Studie verlorene Lebensjahre in unterschiedlichen Lebensphasen in Abhängigkeit vom Alter gewichtet: das arbeitsfähige Alter wurde am höchsten, jüngere und ältere Altersgruppen wurden geringer bewertet. Ebenso wurde eine Diskontierung zukünftiger Gesundheitsverluste (Krankheitslasten, die in der Zukunft auftreten, wurden niedriger gewichtet als aktuelle Krankheitslasten) vorgenommen [11 ]. Beide Parameter wurden kritisch diskutiert [21 ]
[29 ]
[30 ] und werden in aktuellen Studien nicht mehr angewendet [6 ]
[19 ]
[31 ].
Erweiterung der Methodik zur Schätzung der umweltbedingten Krankheitslast
Erweiterung der Methodik zur Schätzung der umweltbedingten Krankheitslast
Aufgrund des zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Interesses an den Ursachen für die Krankheitslast wurde das Konzept der vergleichenden Risikoabschätzung entwickelt und eingesetzt. Mit diesem können die negativen Auswirkungen von umwelt- und lebensstilassoziierten Risikofaktoren auf die menschliche Gesundheit quantifiziert werden [32 ]. Für umweltbedingte Risikofaktoren entstand ein eigenständiges methodisches Konstrukt – die Environmental Burden of Disease (EBD)-Methodik [7 ]
[14 ]
[33 ]. Das EBD-Konzept der WHO verbindet umweltassoziierte Risikofaktoren mit Krankheitslasten und nutzt hierbei ebenfalls DALYs als die zentrale Maßeinheit [5 ]
[34 ]. Die Methode erweitert dabei den BoD-Ansatz, indem der Anteil an der Krankheitslast quantifiziert wird, der auf einen bestimmten (Umwelt-)Risikofaktor zurückgeführt werden kann (attributabler Anteil).
Ein Ziel des EBD-Konzeptes ist es, das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Umwelteinflüssen und den damit verbundenen gesundheitlichen Wirkungen zu vergrößern, indem das Ausmaß der umweltbedingten Risiken in einer einfach verständlichen Maßzahl quantifiziert wird. Anhand der Nutzung eines standardisierten und dadurch vergleichbaren Indikators für die umweltbedingte Krankheitslast können darüber hinaus umweltbedingte Risikofaktoren untereinander, aber auch z. B. mit lebensstilbezogenen Risikofaktoren verglichen und Prioritätensetzungen in Hinblick auf notwendige Interventionen und Regulierungen abgeleitet werden [5 ]. EBD-Informationen können zudem die Planung, Überprüfung und Bewertung früherer wie zukünftiger politischer Maßnahmen sowohl im Gesundheits- als auch im Umweltsektor unterstützen [5 ]
[33 ]
[34 ].
Die Identifikation gesundheitlicher Auswirkungen von Umweltfaktoren ist der erste Schritt von EBD-Berechnungen. Im Weiteren wird abgeschätzt, wie hoch der attributable Anteil an der Krankheit ist, der durch einen Umweltrisikofaktor verursacht wird [35 ]. Für die Quantifizierung des attributablen Anteils wird ein Vergleichswert (counterfactual value) benötigt, der den Zustand der Exposition beschreibt, bei dem z. B. kein gesundheitliches Risiko besteht. Das kann der geringste Wert (theoretical minimum) (z. B. keine Luftverschmutzung), ein erreichbarer Wert (feasible minimum) (z. B. Verminderung der Luftverschmutzung) oder ein politisch gesetzter Grenzwert sein (limit value) [36 ]
[37 ].
Zur Berechnung der EBD werden die folgenden Daten benötigt [5 ]:
(a) Daten zur Verteilung des Risikofaktors in der betrachteten Bevölkerung (Exposition),
(b) die Expositions-Wirkungsfunktion für den Zusammenhang zwischen Risikofaktor und den jeweils zuzuordnenden Erkrankungen,
(c) DALYs, die insgesamt – also risikofaktorunabhängig – aufgrund der betrachteten Erkrankung verursacht werden.
Die Daten zur Exposition (a) können in verschiedenen Formaten erhoben werden: z. B. aus Messungen der Schadstoffbelastung im Umweltmedium, in Humanproben oder aus Bevölkerungsbefragungen. Wenn diese Daten nicht vorhanden sind, unsicher sind oder nicht erhoben werden können, können sogenannte Szenarien entwickelt werden, in denen Annahmen über die Verteilung des Risikofaktors gemacht werden. Dabei wird die betrachtete Bevölkerung nach dem Grad der Exposition in Gruppen eingeteilt, z. B. Nichtraucher/in, ehemalige Raucher/in und Raucher/in. Hierbei ist es möglich, verschiedene Szenarien zu berechnen und so verschiedene Belastungsniveaus und deren gesundheitliche Auswirkungen darzustellen. Mithilfe solcher Szenarienberechnungen kann auch die potenzielle Reduktion der Krankheitslast infolge von gezielten Maßnahmen prognostiziert werden.
Entsprechend dem Format der verfügbaren Expositionsdaten muss eine geeignete Expositions-Wirkungsfunktion (b) ausgewählt werden. Diese Funktion beschreibt den mathematischen Zusammenhang zwischen der Exposition und den damit assoziierten Gesundheitseffekten. Solche Informationen werden mithilfe von epidemiologischen Studien erhoben, in denen das Auftreten von Erkrankungen sowohl bei Exponierten als auch bei nicht oder niedrig exponierten Personen beobachtet wird.
Mithilfe der Daten zur Exposition (a) und der Expositions-Wirkungsfunktion (b) wird der attributable Anteil anhand der in [Abb. 2 ] dargestellten Formel berechnet. Mit diesem werden die DALYs, die aufgrund der betrachteten Erkrankung insgesamt verloren wurden (c), multipliziert. Das Ergebnis sind die DALYs, die von dem Risikofaktor verursacht werden [5 ]
[34 ].
Abb. 2 Methode der EBD-Berechnung [[5 ]].
Bspw. beträgt der attributable Anteil von Feinstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser von bis zu 2,5 µm an Lungenkrebs für das Jahr 2009 19% [19 ]. Wenn dieser Prozentsatz mit den durch vorzeitiges Versterben verlorenen Lebensjahren (649300) und den Lebensjahren, die mit Lungenkrebs verbracht wurden (8900), multipliziert wird, ergeben sich rund 125100 DALYs, die in Deutschland aufgrund der Belastung der Außenluft durch Feinstaub verloren gingen. Weitere Ausführungen zu dem Beispiel sind in diesem Erklärvideo zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=vEe5jCGYrpI .
Umgang mit Unsicherheiten
Umgang mit Unsicherheiten
Von zentraler Bedeutung bei Krankheitslast-Berechnungen ist die Datenqualität und Datenverfügbarkeit im Hinblick auf die benötigten Eingabeparameter, denn diese Faktoren bestimmen letztlich die Genauigkeit und Validität der Berechnung. Da jedoch die meisten Eingangsdaten Unsicherheiten beinhalten, sollte eine Unsicherheitsanalyse Teil jeder Berechnung sein [30 ]. Zusätzlich ist eine lückenlose Dokumentation jeden Schritts, angefangen bei der Definition der Zielsetzung bis hin zur Bewertung der Aussagekraft der Ergebnisse, notwendig. Ebenfalls sollten Eingangsdaten, die nicht explizit für den bestimmten Bezugs(zeit)raum erhoben wurden (wie bspw. Gewichtungsfaktoren oder Expositions-Wirkungsfunktionen), hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die betrachtete Bevölkerung und auf Unsicherheiten bei der Erhebung geprüft werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Fehler in diesen ersten Arbeitsschritten zu Unsicherheiten im Gesamtergebnis führen [1 ]. Ebenfalls sollten Datenlücken und Einschränkungen verwendeter Eingangsdaten benannt werden. Neben dieser transparenten Dokumentation sollen zudem alle getroffenen Annahmen (z. B. verwendete Disability Weights, Diskontierung) explizit genannt werden.
Kritik am Konzept der (umweltbedingten) Krankheitslast
Kritik am Konzept der (umweltbedingten) Krankheitslast
Ein grundsätzlicher Einwand gegen das Krankheitslastenkonzept ist, dass in diesem das eigentlich aus vielen unterschiedlichen Dimensionen und Facetten bestehende Konstrukt Gesundheit bzw. Einschränkungen dieser auf eine eindimensionale Maßzahl reduziert wird. Die Zusammenfassung von komplexen Informationen über den Verlust von Lebenszeit und Lebensqualität in eine Maßzahl stellt eine Vereinfachung der Wirklichkeit dar, bei der wichtige Informationen, wie bspw. soziale Präferenzen, verloren gehen können [38 ]
[39 ]. Insbesondere die Disability Weights werden kritisch gesehen, denn mit diesen würden Menschen aufgrund ihrer funktionalen Leistung bewertet [38 ]. Wichtig ist hierbei festzuhalten, dass die Disability Weights sich nicht auf ein konkretes erkranktes Individuum beziehen, sondern lediglich den durchschnittlichen Schweregrad eines Gesundheitszustands darstellen sollen. Für eine ausführliche Diskussion zu den Disability Weights siehe Nord [40 ] und Tobollik et al. [27 ].
Weitere Kritikpunkte beziehen sich auf die Annahmen zur gesellschaftlichen Bewertung des Wertes eines Lebensjahres (Diskontierung zukünftiger Gesundheitsgewinne und Altersgewichtung) und wer diese festlegen soll.
Die Wahl der Lebenserwartung (standardisierte oder berechnete Lebenserwartung basierend auf beobachteten Daten, geschlechterunterschiedliche Lebenserwartungen) beeinflusst ebenfalls die Ergebnisse, da diese als Referenz für die Berechnung der YLLs dient [26 ]. Je höher die gewählte Lebenserwartung, desto höher ist auch die Anzahl an YLLs.
Eine weitere Einschränkung ist die begrenzte Verfügbarkeit von Eingangsdaten. Aufgrund von lückenhaften, mangelhaften oder fehlenden Daten kann es sowohl zu einer Unterschätzung als auch zu einer Überschätzung der tatsächlichen Krankheitslast kommen. Der Mangel an qualitativ hochwertigen, repräsentativen Daten führt meist zu einer Reduktion der Komplexität von EBD-Modellen. Oftmals können Kombinationswirkungen, Komorbiditäten und Krankheitsabfolgen nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt werden [19 ]
[39 ]. Fehlen notwendige Eingangsdaten, ist es zudem oft nur möglich, einen Teil der gesamten Krankheitslast quantitativ darzustellen, was wiederum die Vergleichbarkeit von EBD-Berechnungen für verschiedene Umweltrisikofaktoren und die Ableitung von Prioritäten einschränkt. Denn eine Priorisierung alleine auf der Grundlage von DALY-Angaben, aufbauend auf dem derzeitigen Wissenstand, würde gut untersuchten umweltbedingten Risikofaktoren eine wesentlich höhere Krankheitslast zuweisen als weniger gut untersuchten – schon aus dem Grund, dass gut untersuchten Risikofaktoren zumeist viele Gesundheitsendpunkte zugeschrieben werden können. Dies lässt aber nicht unbedingt direkte Rückschlüsse auf die gesundheitliche Relevanz des umweltbedingten Risikofaktors zu [19 ]. Daher sollte neben der Darstellung in DALYs immer auch eine ausführliche qualitative Beschreibung des umweltbedingten Risikofaktors, seiner gesundheitlichen Wirkungen und des aktuellen Forschungsstandes erfolgen.
Fazit
Zur Berechnung der umweltbedingten Krankheitslast werden viele verschiedene Daten benötigt, die in Deutschland derzeit nur begrenzt verfügbar sind. Die Zusammenführung von Daten mithilfe der EBD-Methode kann aufzeigen, welche Datenlücken bestehen, um den Gesundheitszustand einer Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe umfassend darstellen zu können. Wenn ausreichende Daten vorhanden sind, kann mithilfe der DALYs aufgezeigt werden, welche Risikofaktoren die größte Krankheitslast verursachen und welche Bevölkerungsgruppen am stärksten betroffen sind. Mithilfe der DALYs können in begrenztem Maße u. a. Vergleiche zwischen verschiedenen Risikofaktoren und Rangfolgen erstellt werden. Diese Informationen können auch in Deutschland die Planung, Überprüfung und Bewertung von politischen Maßnahmen sowohl im Gesundheits- als auch im Umweltsektor unterstützen. Um EBD-Daten für diese Zwecke nutzen zu können, muss neben der Datenverfügbarkeit auch die Akzeptanz des Konzepts und der darin enthaltenen Konventionen verbessert werden. Es bedarf somit eines fachwissenschaftlichen Diskurses über das Konzept und dessen Anwendung in Deutschland. Hierzu ist auch die Einbeziehung der Bereiche Forschungsförderung sowie der Wissenschafts-, Umwelt- und Gesundheitspolitik erforderlich, da die Erhebung fehlender Daten bspw. durch repräsentative epidemiologische Studien mit hohen Kosten verbunden ist. Nur durch eine verbesserte Datenlage können die Ergebnisse von EBD-Berechnungen qualitativ aufgewertet, vervollständigt und damit belastbarer werden – nicht zuletzt für politische Entscheidungen im Themenfeld Umwelt und Gesundheit. Dieses gerade auch angesichts dringender Zukunftsprobleme wie Klimawandel und Schadstoffemissionen bedeutsame Themenfeld könnte mithilfe von EBD-Quantifizierungen gestärkt werden, indem die Bedeutung von Umweltfaktoren für die Gesundheit klar verständlich aufgezeigt und quantitativ dargestellt wird.