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DOI: 10.1055/s-0043-111513
Vitamin B3 in der kosmetischen Dermatologie
Vitamin B3 in Cosmetic DermatologyZusammenfassung
Niacinamid ist der neue Trend bei den zellprotektiven Substanzen. Oral wird die Einnahme von 2 × 500 mg täglich empfohlen. Topisch wird die Substanz in 2 %-iger oder 5 %-iger Konzentration eingesetzt. Es blockiert die Hemmwirkung der UV-Strahlung auf die ATP-Produktion, fördert die DNA-Reparatur, reduziert aktinische Keratosen und Hyperpigmentierungen und minimiert auch topisch die UV-bedingte Immunsuppression.
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Abstract
Niacin amide is the new block buster among cell protective substances. The recommended dose is 2 × 500 mg per day. Topically 2 % to 5 % preparations are usually available. The substance blocks the downregulation of ATP by UV irradiation, increases DNA-repair, minimizes UV-induced immunosuppression and reduces actinic keratoses and hyperpigmentation.
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Einleitung
Die ästhetische Dermatologie hat die Verbesserung der Hautstruktur, das Gesunderhalten einer reifen Haut und die Verzögerung von Altersprozessen im Fokus. Die Angebote an topischen Maßnahmen zur Reduktion vorzeitiger Hautalterung, für ein ebenmäßiges Pigmentbild und zur Faltenreduktion sind überbordend. Kenntnisse über Wirkprinzipien und Evidenz sind notwendig, um hinsichtlich der Effizienz im Patientengespräch vernünftig beraten zu können.
Anti-Aging in der Dermatologie beschäftigt sich zunächst und an erster Stelle mit der Prävention: mit textilem UV-Schutz und Sonnenschutzpräparaten, Radikalfängern botanischen oder synthetischen Ursprungs und zellschützenden Substanzen wie dem Vitamin B3. Um frühe Zeichen der Hautalterung zu reduzieren, werden dann an zweiter Stelle Vitamin-A-Säure-Derivate, die in dermatologischen Rezepturen am besten überprüft sind, eingesetzt. Topische Rezepturen mit Östrogenen werden additiv eingesetzt, helfen aber nur, wenn die UV-Schädigung nicht führend ist. Chemical-Peeling führt zu einer Zunahme der Kollagen-Bildung. Je tiefer gepeelt wurde, umso stärker ist der Effekt. Inhaltsstoffe wie Polyphenole oder Aminosäurepeptide in Cremezubereitungen können oberflächliche Hautfalten reduzieren [1]. Modulatoren der Pigmentierung für ein ebenmäßiges Hautbild sind bedeutsam geworden für das Anti-Aging.
Vitamin B3 spielt in allen lebenden Zellen eine Rolle und wird in der Leber gespeichert. Der tägliche Bedarf liegt bei 15 – 20 mg. Ein Mangel äußert sich in Reizbarkeit, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen und Pellagra. Der Wortstamm zu Pellagra stammt aus dem Italienischen, pelle agra, raue Haut. Als Merksatz für die klinischen Charakteristika der Pellagra wurden die 4 „Ds“ geprägt ([Tab. 1]). Ursächlich für Pellagra ist der Mangel an Vitamin B3 (Nikotinsäure, auch: Niacin), daher auch die Bezeichnung Pellagra-Schutzfaktor. Zu Zeiten des Gaspar Casàl (geb. 1679 in Gerona) folgte die Pellagra der Ausbreitung des Mais als Grundnahrungsmittel. Traditionell in Mexiko angebaut, wird Mais dort in alkalisches Kalkwasser gelegt und nass vermahlen, sodass Niacin frei wird. Die Kolonialmächte hatten Mais in ihre Kolonien importiert, aber z. B. in Afrika nicht die Technik der Verarbeitung weitergegeben, sodass bei großflächigem Zwangs-Anbau der „moderne“ Mais als Ersatz für bisherige Ernährungsformen eine Mangelernährung auslöste: Niacin fehlte. Ursache der Pellagra ist auch heute und weiterhin eine Mangelernährung in Flüchtlingslagern, in armen ländlichen Regionen, bei angeborener Tryptophan-Malabsorption (Hartnup-Krankheit, Tryptophan wird in Nicotinamid verstoffwechselt). Eine sekundäre Pellagra liegt vor bei entzündlichen Darmerkrankungen, Alkoholismus und Anorexia nervosa [2]. Für das klinische Bild an der Haut wird von einer Triade gesprochen, bestehend aus einem Erythem an UV-exponierten Hautstellen, Hyperpigmentierung und Schuppung [3]. Der Terminus „Halsband des Casàl“ meint eine kragenförmige Hyperpigmentierung am sonnenexponierten oberen Dekolleté im Übergang zur Halspartie (Halskolorett) mit Schuppung und Rhagadenbildung. Es kann sich auch eine Glossitis ausbilden bis hin zu einer Lingua villosa nigra. Die Pellagra ist bei weitem nicht ausgestorben und weiterhin abhängig von der Ernährungslage [4]. In unsere differenzialdiagnostischen Überlegungen sollten wir diese Mangelerkrankung bei schuppenden bis rhagadiformen hyperpigmenierten Dermatosen einschließen ([Tab. 2]).
Dermatitis Diarrhoe Demenz Death (tödlicher Ausgang des Vitamin B3 Mangels) |
In der Ernährung findet sich Vitamin B3 vor allem in Innereien, in Fleisch, aber auch in Fisch, Pilzen, Milchprodukten und Eiern. Es kann bei Vegetariern über Cashew-Kerne, Erdnüsse, Datteln, Aprikosen, Bananen und Hülsenfrüchte ergänzt werden. Die Substitution erfolgt mit 2 × 500 mg täglich bei Mangel. Die Metabolite können im Urin gemessen werden. Niacin ist nie toxisch. Eine Überdosis tritt bei 1,5 bis 3 g pro Tag auf und äußert sich als Flush, Gefäßerweiterung, Blutdruckabfall, Schwindel und in erhöhten Harnsäurewerten. Die Substanz ist ein Bestandteil der Coenzyme NADH und NADPH. Vitamin B3 ist über Pellagra hinaus der „Blockbuster“ unter den Vitaminen und in aller Munde. Es senkt das LDL-Cholesterin und Triglyceride, führt jedoch zu einem Flush über Prostaglandin-Freisetzung. Bei Gicht darf es nicht gegeben werden, da es die Harnsäure-Werte erhöht [4].
In einer randomisierten, klinischen Studie Phase III bei immunkompetenten Patienten, die in den letzten 5 Jahren mindestens zwei epitheliale Hauttumore hatten, zeigte sich bei Einnahme von 2 × 500 mg Nicotinamid über 12 Monate versus Plazebo eine reduzierte Rate epithelialer Hauttumore um 23 %. Neue aktinische Keratosen traten in der Nikotinamid-Gruppe nach 12 Monaten zu 13 % seltener auf. Es zeigte sich, dass in der Verum-Gruppe weniger Sonnenschutz betrieben worden war als in der Kontrollgruppe. Die Adhärenz zur Tabletteneinnahme war in beiden Gruppen hoch. Art und Häufigkeit unerwünschter Nebenwirkungen zeigten keinen Unterschied in beiden Gruppen. In der Nachuntersuchung 6 Monate nach Ende der Nicotinamid-Einnahme fanden sich keine Unterschiede mehr zwischen den beiden Gruppen. Entsprechend wurde zusammenfassend als Fazit dieser Studie die Einnahme des Präparates in Ergänzung zu Sonnenschutzmaßnahmen empfohlen [5]. Als Erklärung für die Wirkung von Vitamin B3 in der Sekundärprävention wird der zelluläre Energiestatus diskutiert, der notwendig ist, um UV-Stress abzufangen, insbesondere die Sirtuine und die poly-ADP-Ribose-Polymerasen. Nicotinamid verbessert die Energieversorgung der Zelle und fördert die Reparatur geschädigter DNA. Hintergrund des klinischen Studienkonzeptes waren experimentelle Ergebnisse, bei denen Niacin-Mangel zu actylierten Proteinen und einer Aufregulation von Sirtuin-2 und -4 und vermehrtem DNA-Schaden geführt hatte, was durch Niacin-Zugabe reversibel war. Kritiker der klinischen Studie weisen auf ein erhöhtes Risiko an Haut- und mukokutanen Infektionen hin, die in dieser Studie ebenfalls aufgetreten waren [6]. Jedoch zeigte sich für mukokutane Infektionen kein statistisch signifikanter Unterschied für einzelne Lokalisationen, statistisch dann aber doch, wenn alle Infektionen zusammen gepoolt wurden (Lippen, Schleimhaut, Nägel, Haut und Wundinfektionen). Für Niacin sprechen aber auch sehr gute Raten in der Reduktion aktinischer Keratosen bei Organtransplantierten mit 44 % kompletter Remission und 88 % teilweisem Ansprechen [7].
Niacinamid ist ein Kandidat für die kosmetische Dermatologie, da die Substanz als Radikalfänger, zur DNA-Reparatur, zur Förderung der Lipidbiosynthese und zur Verringerung des Transfers von Liposomen ausgelobt ist. Neben den vielen Behandlungsmöglichkeiten bei Hyperpigmentierung der Haut ist Niacinamid ein gut dokumentierter Kandidat für Bleichcremes. Es inhibiert den Melanosomentransfer vom Melanozyt zum Keratinozyt und reduziert darüber die Pigmentierung [8]. Niacinamid, Vitamin B3, wird in drei Formen in der ästhetischen Dermatologie eingesetzt, als Niacinamid, Nicotinic Acid und Nikotinatester. Die Substanz ist ein Radikalfänger und ein essentielles Vitamin in der Nahrung. Vitamin B3 ist Bestandteil des Nikotinamid-Adenin-Dinukleotids (NAD) und des Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid-Phosphates (NADP), die als Koenzyme bei einer Vielzahl biologischer Prozesse eine Rolle spielen, so in der Synthese von Fettsäuren und Kollagen. Altershaut weist gegenüber junger Haut einen verminderten Gehalt an NADP/NADPH auf. Die Substanz in 2 %-iger bis 5 %-iger Zubereitung stimuliert die Durchblutung, die Biosynthese von Ceramiden, Sterinen und Fettsäuren und die Kollagenbildung in vivo [9].
Sirtuinaktivierung erhöht die Empfindlichkeit für UV-Schädigung. Sirtuin-1 ist eines von 7 Sirtuinen des Menschen, ein Enzym, das die Einleitung des Zelltodes hemmen kann. Nicotinamid und übrigens auch Resveratrol reduzieren die Sirtuin-1-Aktivierung. Im UV-Schutz waren 5 % aber auch niedrigere Konzentrationen von Nicotinamid effektiv in der Unterdrückung der UV-induzierten Immunsuppression. Das galt für beide Geschlechter [10] [11].
Als weitere Eigenschaften von Niacinamid werden Schutz und Regeneration der Hautbarriere aufgeführt. In einer Studie mit Myristyl-Nicotinat, die Plazebo-kontrolliert in vivo angelegt war, zeigte sich eine 70 %-ige Zunahme der Stratum-corneum-Dicke, eine 20 %-ige Zunahme der Epidermisdicke, eine 6 % Zunahme der Reparatur, eine 10 % Reduktion der minimalen Erythemdosis und eine Abnahme des transepidermalen Wasserverlustes [12]. Dies spricht für eine Verbesserung der epidermalen Differenzierung und Barriere. Eine Erhöhung der Synthese von Ceramiden unter Nicotinamid wurde auch in Zellkultur gezeigt mit 7,4-facher Erhöhung von Glucosylceramiden, sowohl für die mRNA als auch für De-novo-Ceramide. Das wäre eine Erklärung für die Stabilisierung der Barriere [13].
Männer mit Seborrhoe suchen nach einem Präparat, das den Glanz nimmt. Niacinamid wurde in einer interkulturellen Studie bei 100 Japanern und 30 Kaukasiern untersucht. Ein 2 %-iges Niacinamidpräparat zeigte im Zweiseitenversuch randomisiert gegen Grundlage bei Japanern eine Reduktion der Sebumexkretionsrate und bei Kaukasiern eine Reduktion des durchschnittlichen Sebumgehaltes [14].
Mithilfe fotografischer Atlanten konnte gezeigt werden, dass die Alterseinschätzung von der Regelmäßigkeit der Pigmentierung mitabhängt. Ein gleichmäßig pigmentiertes Gesicht wurde jung geschätzt, ein unregelmäßig, fleckig pimentiertes älter, unabhängig vom Faltenbild der Haut. In der Altershaut finden sich selten Melasma, häufiger eine postinflammatorische Hyperpigmentierung und solare Lentigines bei über 90 % der 70-Jährigen. Eine Übersichtsarbeit hat sich mit den Therapieoptionen beschäftigt [15]. Niacinamid bewirkt als Proteaseinhibitor eine Reduktion des Melanosomentransfers.
Ehemals war Bierhefe zur Supplentierung eingesetzt worden. Die orale Supplementierung von Vitamin B3 erfolgt heute in Tablettenform mit 2 × 500 mg pro Tag [11]. Sie sollte aber vorsichtig gestartet werden, da Flush und Juckreiz auftreten können. Nach der Diskussion um Fleischgenuss und das Risiko der Kanzerogenese im Magendarmtrakt gibt es nun erfreulicherweise wieder ein Argument für den Verzehr eines guten Steaks. Niacin ist neben Fleisch vor allem in Innereien (Leber) zu finden. Aber auch in Pilzen und in verschiedenen Gemüsen findet sich das wasserlösliche Vitamin und damit auch im Kochwasser, was der clevere Koch wissen sollte.
Anti-Aging in der Dermatologie umfasst an erster Stelle die Prävention. Für die Prävention stehen zur Verfügung: Lichtschutz, Radikalfänger und Vitamin B3 als zytoprotektive Substanz. Erst an zweiter Stelle steht die Korrektur und Verlangsamung von Alterserscheinungen der Haut.
Pigmentregulierende Agenzien wie Vitamin B3 gehören in das Therapiearsenal gegen vorzeitige Hautalterung, denn Pigment ist die neue Falte!
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Interessenkonflikt
Die Autorin hat Forschungsprojekte, Klinische Studien und Projektberatung durchgeführt u. a. für Galderma, L’Oreal, Vichy, Roche Posay, Johnson & Johnson, Procter & Gamble, Beiersdorf, Sandoz, Wella, Henkel, Sebapharma, Allergan.
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Literatur
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- 2 Sonntag A. Das Pellagra gestern und heute – Auf den Spuren eines Jarhhunderträtsels. Akt Dermatol 2016; 42: 131-138
- 3 Prachi GA, Khopkar US, Mahagan SA. et al. Triads in Dermatology. 2013; 58: 346-351
- 4 Savvidou S. Pellagra: a non-eradicated old disease. Clinics and Practice 2014; 4: 637
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- 7 Hakozaki T, Minwalla L, Zhuang J. et al. The effect of niacinamide on reducing cutaneous pigmentation and suppression of melanosome transfer. Br J Dermatol 2002; 147: 20-31
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- 11 Kim B, Halliday GM, Damian DL. Oral Nicotinamide and actinic keratosis: a supplement success story. Curr Probl Dermatol 2015; 46: 143-149
- 12 Jacobsen EL, Kim H, Mim M. et al. A topical lipophilic niacin derivative increases NAD, epidermal differentiation and barrier function in photodamaged skin. Exp Dermatol 2007; 16: 490-499
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Korrespondenzadresse
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