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DOI: 10.1055/s-0043-113461
Lepra
LeprosyZusammenfassung
Lepra ist eine chronische bakterielle Infektionskrankheit durch Mycobacaterium leprae, derzeit leiden weltweit ca. 3 Millionen Personen. Lepra ist nicht hoch kontagiös, für die Übertragung steht die Tröpfcheninfektion im Vordergrund. Die vielfältigen klinischen Symptome sind durch den Immunstatus des Betroffenen, die aktuelle Bakterienladung sowie Bestandsdauer der Krankheit vor der Diagnosestellung bestimmt. Zwecks Behandlungsstrategie wird die Krankheit in bakterienarme (tuberkuloid, borderline-tuberkuloid) und bakterienreiche (borderline-borderline, borderline-lepromatöse und lepromatöse) Formen unterteilt. Erregernachweis erfolgt durch mikroskopisches Direktpräparat, Histopathologie bzw. mittels PCR. Die Kombinationstherapie mit Dapson, Rifampicin und Clofazimin gilt als Standard (WHO).
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Abstract
Leprosy is a chronic infectious disease caused by the bacillus Mycobacterium leprae. The skin and peripheral nerves are the most affected organs. Although not highly contagious, leprosy is transmitted via droplets, from the nose and mouth, during close and frequent contacts with untreated cases. Its geographical distribution has differing strongly with time and it is now endemic in tropical and subtropical regions only. The unequal presentations of the disease (Ridley-Jopling and WHO classifications) are correlated with the immune response, bacillary load, and by the delay before diagnosis. The diagnosis of leprosy is mostly made from the clinical picture, however, must ever be confirmed by direct specimen slide and histopathology. Leprosy is treated by default with a multidrug (MTD) combination of rifampicin, clofazimine, and dapsone. Two main regimens are implement conditionend on whether the patient has paucibacillary or multibacillary leprosy.
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Lepra ist eine chronische granulomatöse Infektionskrankheit durch das Bakterium Mycobacterium (M.) leprae, welche bereits vor ca. 2000 Jahren berichtet wurde. Der norwegischen Arzt Gerhard Henrik Armauer Hansen hat 1874 den Erreger M. leprae entdeckt, daher wird Lepra vielerorts auch Morbus Hansen genannt. M. leprae ist ein grampositives, stäbchenförmiges, obligat intrazelluläres Bakterium. Es ist eine der letzten Bakterienspezies, welche sich in vitro bis heute nicht züchten lässt – bedingt durch ihre besondere genomische Evolution.
Als einzige Infektionsquelle gilt bis heute der an Lepra erkrankte Mensch, wobei die genetisch bedingte, individuelle Empfänglichkeit für M. leprae eine wichtige Rolle spielt. Für die Übertragung steht die Tröpfcheninfektion im Vordergrund; Nase-, Rachen- und Kehlkopf-Schleimhaut gelten als wichtige Austritts- und Eintrittspforte [1]. Primär werden die peripheren Nerven und die Haut befallen. Unbehandelt kann Lepra fortschreitende und dauernde Schäden nicht nur an der Haut und den Nerven, sondern auch an den Extremitäten und Augen verursachen.
Lepra kommt immer noch endemisch in verschiedenen Regionen der Welt vor. Im Mittelalter war Lepra in vielen Gebieten Europas auch endemisch, sie verschwand indes lange vor der Existenz einer spezifischen Chemotherapie, wohl eher mit der günstigen sozioökonomischen Entwicklung in Europa. Heute kommt Lepra fast ausschließlich bei der armen Bevölkerung in Südamerika, Afrika und Asien vor.
Ende 2015 wurden 176 176 Personen mit Lepra in 138 Ländern registriert – somit eine Prävalenzrate von 0,18/10 000 Personen. Die neuen Lepra-Fälle hingegen betrugen weltweit 211 973 – somit eine Inzidenzrate von 2,1 pro 100 000 Personen. Derzeit wurden die meisten neuen Fälle (> 96 %) in den 22 risikoreichen Ländern (lepra priority countries) registriert [2].
Die aktuelle WHO-Definition „Lepra-Elimination“ für bloße Reduktion der Prävalenz unter 1:10 000 [2] kann durchaus irreführend sein: Erreichbar ist bislang nur Kontrolle der Krankheit, denn Entdeckung und Behandlung aller Infizierten ist kaum möglich. Mehr Hoffnung gelte der neuen künftigen Strategie der WHO [3], aber insbesondere der Entwicklung von Impfungen.
Klinik
Die erste Reaktion auf M. leprae beim Menschen kann sich klinisch unspezifisch zeigen: die sog. indeterminierte Lepra. Sie heilt entweder spontan oder entwickelt sich in eine der klassischen Lepraformen. Durch unterschiedliche Immunantwort des Infizierten auf M. leprae, die Bakterienlast sowie den Zeitpunkt der Diagnose ist das klinische Bild der Lepra vielfältig ([Abb. 1] und [Abb. 2]). Die Inkubationszeit beträgt zwischen einigen Monaten und Dekaden. Im Durchschnitt beträgt sie etwa 4 Jahre bei TT-Lepra und 10 Jahre bei LL-Lepra.
Das manifeste Krankheitsspektrum weist zwei polare Typen auf [4]:
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Tuberkuloide Lepra (TT): Die Krankheit ist eher auf wenige, diskrete Haut- und Nervenläsionen begrenzt. In der Regel ist der Erreger nicht nachweisbar. Dieses ist auf die hohe Resistenzlage des Wirtes durch die intakte zelluläre Immunantwort (Th1-T-Zell-Immunreaktion) zurückzuführen.
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Lepromatöse Lepra (LL): Durch die abwesende zelluläre Immunantwort breiten sich die Leprabakterien in den multiplen Haut- und Nervenläsionen aus. Die Leprabakterien sind zahlreich in den Läsionen nachzuweisen. Hier spielt die humorale Immunantwort eine besondere Rolle: ein hoher Antikörpertiter gegen M. leprae-Proteine und Phenolglykolipd I-Antigene. Unbehandelt verläuft die LL-Lepra progredient – mit Befall der inneren Organe.
Zwischen den beiden Polen der TT- und LL-Lepra existieren die interpolaren Typen: die borderline-tuberkuloide (BT), die borderline-borderline (BB), die borderline-lepromatöse (BL) Lepra ([Abb. 3]). Die meisten Leprapatienten weisen eine der interpolaren Lepraformen auf. Die interpolare Lepra kann nach aktuellem Stand der Immunabwehr bzw. nach einer durchgeführten Lepratherapie ihre Form jeweils verändern (shifting).
Leprareaktionen Sie sind die Hauptkomplikation bei der Leprainfektion. Sie stellen das klinische Symptom bei einer aktuellen Immunstatusänderung des Infizierten dar; kommen meist bei lepromatösen und Borderline-Lepra vor. Es gibt zwei unterschiedliche Reaktionstypen:
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Typ-1-Reaktion: Akute Änderung der zellulären Immunität: Plötzliche Vermehrung (durch den Einsatz der Lepratherapie) bzw. Reduzierung (in der Schwangerschaft und Stillperiode sowie bei unbehandelter Borderline-Lepra) der zellulären Immunabwehr.
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Typ-2-Reaktion: Antigen-Antikörper-Reaktion: Systemische Antwort auf Auflagerungen extravaskulärer Immunkomplexe in Form von Erythema nodosum leprosum durch die Chemotherapie der Lepra. Aber auch schwere Infekte, Operationen, Stresssituationen, Schwangerschaft, Stillphase können die Reaktion induzieren.
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Diagnostik
Die Lepra wird in der Regel anhand der klinischen typischen Befunde diagnostiziert. Die drei definierten klinischen Kardinalsymptome der Lepra sind:
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hypopigmentierte, leicht schuppende, sensibilitätsgestörte Hautläsionen,
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verdickte periphere Nerven sowie
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Erregernachweis in Haut, Schleimhaut oder peripheren Nerven.
Der direkte Erregernachweis kann durch eine bakteriologische Untersuchung erfolgen: Gewinnung von Ausstrichen durch Skarifizierung der suspekten Hautveränderungen und zusätzlich eines – auch klinisch unauffälligen – Ohrläppchens (Lymphe), danach direkte Färbung mit Ziehl-Neelsen-Lösung und Fixierung durch Hitze, anschließend lichtmikroskopische Untersuchung der Ausstriche. Dabei kann die Bakterienlast mittels Bakterienindex (Erregerzahl pro Gesichtsfeld) bestimmt werden.
Histologische Untersuchung des Probebiopsates aus der Hautläsion bzw. dem peripheren Nerv (split nerve biopsy) erfolgt mit Spezialfärbung (z. B. nach Fite Faraco). Bei tuberkuloider und Borderline-Lepra ist die Hautbiopsie vom Läsionsrand zu entnehmen, bei lepromatöser Lepra hingegen vom Zentrum der suspekten Hautveränderung.
Mittels PCR kann M. leprae heutzutage hochspezifisch nachgewiesen werden; die Sensitivitätsrate beträgt bei pauzibazillären Formen 40 – 80 %, bei multibazillären Lepraformen über 90 %. Ferner können durch RT-PCR resistente Stämme (z. B. gegen Rifampicin bzw. Dapson) anhand typischer Genmutationen identifiziert werden.
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Therapie
Die Therapie der Wahl bei Lepra stellt gemäß der WHO-Empfehlung die orale Kombinationstherapie mit Rifampicin, Clofazimin und Dapson (multidrug therapy/MDT) dar. Seit 1995 stellt die WHO die Medikamente in endemischen Gebieten kostenlos zur Verfügung, welche ursprünglich von Nippon Foundation, Japan, gespendet worden sind; ab 2000 (bis vorab 2020) vom Pharmaunternehmen Novartis, Schweiz [2].
Je nach der Lepraform erhält der Patient jeweils eine unterschiedliche Kombination, Dosierung und Dauer der Medikation ([Tab. 1]). Dabei ist Rifampicin das wirksamste Medikament, weshalb es bei jedem Leprapatienten initial indiziert ist. Allerdings ist von einer etwaigen Monotherapie mit nur einem der Arzneien – aufgrund der Gefahr einer Resistenzentwicklung – stets abzusehen.
Die Behandlung einer Typ-1-Leprareaktion erfolgt durch orale Gabe von Glukokortikoid über 4 – 6 Wochen. Bei Typ-2-Reaktion ist auch eine Kortikosteroid-Gabe über 12 Wochen indiziert, falls sich keine Rückbildung zeigt, wird Clofazimin für maximal 3 Monate empfohlen. In allen Fällen ist eine bereits begonnene Lepratherapie dabei fortzusetzen.
Moderne molekulare Genom-Untersuchungen haben in den letzten Jahren wichtige Informationen über genetische Risikofaktoren für spezifische Infektionskrankheiten ergeben, wie z. B. HIV, Malaria, Hepatitis B, jetzt auch für Lepra [5] [6]. Durch Vergleich des menschlichen Erbguts mit anderen Lebewesen erhoffen sich die Forschergruppen weitere Erkenntnisse über den Ursprung bestimmter Krankheiten und neue Therapiemöglichkeiten [7]. Durch Intensivierung solcher Grundlagenforschung kann in Zukunft durchaus eine „individualisierte“, mehr suffiziente Therapie der Lepra gefunden bzw. entwickelt werden – nicht zuletzt mithilfe pharmazeutischer Unternehmen.
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Interessenkonflikt
Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Reibel F, Cambau E, Aubry A. Update on the epidemiology, diagnosis, and treatment of leprosy. Med Mal Infect 2015; 9: 383-393
- 2 Leprosy. WHO Fact Sheets. Updated February 2017. www.who.int/fact sheets/lepra
- 3 WHO-Global Leprosy Strategy 2016 – 2020. Accelerating towards a leprosy-free world. www.who.int/lepra
- 4 Ridley DS, Jopling WH. Classification of leprosy according to immunity. A five-group system. Int J Lepr Other Mycobact Dis 1966; 3: 255-273
- 5 Singh P, Cole ST. Mycobacterium leprae: genes, pseudogenes and genetic diversity. Future Microbiol 2011; 1: 57-71
- 6 Misch EA, Berrington WR, Vary Jr JC. et al. Leprosy and the human genome. Microbiol Mol Biol Rev 2010; 4: 589-620
- 7 Schuenemann VJ, Singh P, Mendum TA. et al. Genome-wide comparison of medieval and modern Mycobacterium leprae. Science 2013; 6142: 179-183
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 Reibel F, Cambau E, Aubry A. Update on the epidemiology, diagnosis, and treatment of leprosy. Med Mal Infect 2015; 9: 383-393
- 2 Leprosy. WHO Fact Sheets. Updated February 2017. www.who.int/fact sheets/lepra
- 3 WHO-Global Leprosy Strategy 2016 – 2020. Accelerating towards a leprosy-free world. www.who.int/lepra
- 4 Ridley DS, Jopling WH. Classification of leprosy according to immunity. A five-group system. Int J Lepr Other Mycobact Dis 1966; 3: 255-273
- 5 Singh P, Cole ST. Mycobacterium leprae: genes, pseudogenes and genetic diversity. Future Microbiol 2011; 1: 57-71
- 6 Misch EA, Berrington WR, Vary Jr JC. et al. Leprosy and the human genome. Microbiol Mol Biol Rev 2010; 4: 589-620
- 7 Schuenemann VJ, Singh P, Mendum TA. et al. Genome-wide comparison of medieval and modern Mycobacterium leprae. Science 2013; 6142: 179-183