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DOI: 10.1055/s-0043-116291
Diabetes im Straßenverkehr: reduzierte Bremsreaktionszeit bei Polyneuropathie?
Dr. Anica Herlyn, Rostock
Publication History
Publication Date:
19 October 2017 (online)
Meyr AJ et al. Diabetic Driving Studies-Part 1: Brake response time in diabetic drivers with lower extremity neuropathy. J Foot Ankle Surg 2017; 56: 568 – 572
Aktueller Umstand wissenschaftlicher, aber auch politischer Diskussionen ist die Fahrtüchtigkeit im Alter. Das reduzierte Vermögen, in Gefahrensituationen schnell zu reagieren, ist nach chirurgischer Intervention der unteren Extremitäten, bspw. nach Knie-Totalendoprothesen, deutlich reduziert. Die vorliegende US-amerikanische Studie weist nun auch ein reduziertes Bremsreaktionsvermögen bei Diabetikern mit Polyneuropathie nach.
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Für die Fallkontrollstudie wurde das Bremsverhalten von 50 regelmäßig im Verkehr teilnehmenden Patienten mittels eines Pkw-Fahrsimulators ermittelt. Verglichen wurde die
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Versuchsgruppe (n = 25, mittleres Alter: 56 J.) aus aktiven Pkw-Fahrern mit Diabetes mellitus Typ 2 und Polyneuropathie der unteren Extremitäten und
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Kontrollgruppe (n = 25, mittleres Alter: 33 J.) aus gesunden aktiven Pkw-Fahrern.
Primärer Endpunkt war die Bremsreaktionszeit (gemittelt aus 8/10 Fahrten). Entsprechend vorheriger Studien und offizieller US-amerikanischer Vorgaben wurde der Grenzwert für unsicheres Reaktionsvermögen mit einer Bremsreaktionszeit von > 0,70 s definiert. Sekundärer Endpunkt war die Anzahl der Versuche mit verlängerter Bremszeit.
Ausschlusskriterien waren Operationen der rechten unteren Extremität binnen der letzten 3 Monate vor dem Versuch, aktuelle orthetische Versorgung und offizielle Fahrtüchtigkeitseinschränkungen. Die Polyneuropathie wurde mittels des Michigan Neuropathy Screening Instrument quantifiziert. (Definition Neuropathie > 2,5 Pkt. bei max. erreichbaren 5 Pkt./Extremität, ges. 10 Pkt.)
Die Bremsreaktionszeit war bei vorliegender Neuropathie im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant um 38% verlangsamt (0,76 vs. 0,55 s). Ebenso war die Anzahl der Versuche mit verlängerter Bremszeit mit 58 vs. 4% beim Polyneuropathiker deutlich erhöht.
Die Subgruppenanalyse der Diabetiker ergab erstaunlicherweise signifikant schnellere Bremsreaktionszeiten bei Diabetikern mit aktuellen Ulzerationen, manifester Charcot-Neuroosteoarthropathie und stattgehabter Amputation. Eine Tendenz zu verlangsamten Bremsreaktionszeiten war bei Diabetikern älter als 60 Jahre und mit HbA1c-Level < 8,0% nachweisbar.
Bei verlängerter Bremsreaktionszeit mit vorliegendem Diabetes und Polyneuropathie folgern die Autoren auf eine mögliche Einschränkung der Fahrsicherheit im Straßenverkehr. Sie weisen jedoch darauf hin, dass das alleinige Kriterium der Bremsreaktionszeit aus der Komplexität der Fahrfunktion nicht zwangsläufig auf ein erhöhtes Unfallrisiko schließen lässt. Eine Diskussion der Subgruppenanalyse erfolgt leider nicht im Detail.
Studienkommentar
Es liegt nahe zu vermuten, dass eine diabetische sensomotorische periphere Neuropathie mit Folgeerscheinungen wie plantaren Ulzerationen, konsekutiv Weichteil- und tiefen Infektionen im Rahmen des reduzierten Berührungsempfindens auch eine reduzierte Bremsreaktionszeit im Straßenverkehr bedingt. Diese ist sicherlich multifaktoriell bedingt durch eine Kombination aus auditiven, visuellen und motorischen Störungen bis hin zur hypoglykämen Stoffwechsellage. Bei alleiniger Betrachtung der unteren Extremitäten ist jedoch Fakt, dass die Polyneuropathie eine muskuläre Schwäche, Muskelatrophien, Verlangsamung der Bewegungen, Gleichgewichtsschwierigkeiten und ein erhöhtes Sturzrisiko mit sich bringt und hierdurch eine ungleich höhere Gewichtung übernehmen mag.
Schwächen der Studie liegen zum einen im kleinen Patientengut und der Definition des aktiven Pkw-Fahrers mit minimal 2 Fahrten/Monat, was eine recht hohe Streubreite vermuten lässt. Zum anderen wurden besagte diabetische Folgeerkrankungen wie z. B. visuelle Störungen bei Notwendigkeit zum Erkennen des Bremssignals im Fahrsimulator nicht erhoben. Leider war zudem die Kontrollgruppe deutlich jünger und männlicher als die Versuchsgruppe. Wie von den Autoren bereits angedeutet und in Folgestudien umgesetzt ist den interessanten Ergebnissen der Subgruppenanalyse nachzugehen, um die Folgen von Fußpathologien, Amputation und Charcot-Neuroosteoarthropathie zu evaluieren.
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Dr. Anica Herlyn, Rostock