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DOI: 10.1055/s-0043-116474
Das schwere Trauma im Kindesalter
Korrespondenzadresse
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
13. September 2017 (online)
- Einleitung
- Begriffsklärung
- Präklinik
- Schockraummanagement
- Schädel-Hirn-Trauma
- Thorax
- Abdomen
- Wirbelsäule
- Beckentrauma
- Extremitätentrauma
- Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
- Literatur
Schwere Mehrfachverletzungen beim Kind sind selten; in diesen Fällen ist die Beachtung anatomisch-physiologischer Besonderheiten bei der Diagnostik und Therapie besonders wichtig, um ein möglichst gutes Outcome zu erreichen.
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Abkürzungen
Aufnahme des 12-jährigen Patienten über den Schockraum, nachdem dieser als behelmter Motocrossfahrer bei einem Sprung aus ca. 4 Meter Höhe zu Fall gekommen war.
Nach „Primary Survey“ Durchführung eines Traumascans. Es fanden sich eine linksseitige Lungenkontusion, eine 3.-gradige offene distale Unterarmfraktur rechts, eine Femurschaftfraktur, eine Fraktur der Schädelbasis, sowie eine Fraktur des Unterkiefers.
Nach Abschluss der Diagnostik erfolgte die umgehende Versorgung der Frakturen wie in [Abb. 1] gezeigt.
Der Patient wurde in der Folge 2 Tage auf der Intensivstation überwacht. Bei insgesamt komplikationslosem Verlauf konnte er am 10. posttraumatischen Tag nach Hause entlassen werden.
Einleitung
Im Kindes- und Jugendalter ist das schwere Polytrauma selten, dennoch sind Unfälle in der genannten Altersgruppe die häufigste Todesursache und führen oft zu bleibenden Behinderungen [1]. Selbst überregionale Traumazentren weisen durch das seltene Auftreten nur geringe Fallzahlen (ca. 10 – 15/Jahr) auf, sodass es an Routine in der Behandlung dieses speziellen Patientenkollektivs fehlen kann.
Neben den zahlreichen anatomischen und physiologischen Besonderheiten stellt die Versorgung heranwachsender Patienten, auch aufgrund der notwendigen interdisziplinären Behandlungsstrategie, die versorgenden Teams vor eine große Herausforderung. Eine inadäquate Primärbeurteilung und somit Etablierung eines insuffizienten Behandlungsregimes wurde für bis zu einem Drittel der frühen Todesfälle mit Schädel-Hirn-Verletzung als ursächlich angesehen [2]. Die Wichtigkeit dieser Faktoren spiegelt sich auch im aktuellen Update der S3-Leitlinie Polytrauma wider, in der Bereiche zum kindlichen Trauma eine deutliche Aufwertung erfahren haben (S3-Leitlinie 2016 [3]).
Dennoch haben Anpassungen und Fortschritte in der Therapie im 10-Jahres-Zeitraum von 2001 – 2010 die Zahl von Verletzungen mit Todesfolge bei unter 14-Jährigen um 37% auf zuletzt 3 je 100 000 gesenkt (Unfälle, Gewalt und Suizid bei Jugendlichen, destatis 2014 [27]). Ursächlich sind bei Säuglingen und Kleinkindern vor allem Stürze aus bereits geringer Höhe, ab dem Schulkindalter stellen Verkehrsunfälle die häufigste Verletzungsursache dar. Dabei sind Jungen häufiger beteiligt als Mädchen.
Je jünger die Patienten sind, desto größeren Einfluss auf Verletzungsmuster und Therapie haben die anatomischen Besonderheiten, wie z. B. der im Vergleich zum Körper deutlich größere Schädel.
So gilt insgesamt das Schädel-Hirn-Trauma als häufigste Todesursache und beeinflusst führend das Outcome.
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Begriffsklärung
In der vorliegenden Arbeit wird von einem Polytrauma ausgegangen, wenn die Berlin-Definition zutrifft (s. Infobox) [4]. Da gerade bei Heranwachsenden aber auch oft schwere Monotraumata im Rahmen der Schockraumdiagnostik festgestellt werden, sind die im Folgenden aufgeführten Hinweise für schwerverletzte Patienten (Injury Severity Score mindestens ≥ 16) und auch für Patienten mit relevanten Monotraumata gedacht.
Berlin-Definition des Polytraumas
-
Injury Severity Score (ISS) ≥ 16
-
2 Körperregionen betroffen
-
mindestens 1 physiologisches Problem
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Präklinik
Mit nur 5 – 10% ist die Inzidenz pädiatrischer Notfälle im Rettungsdienst selten. Dementsprechend gering ist somit die Erfahrung der Rettungsdienste mit schwerverletzten pädiatrischen Patienten, auch wenn im Schulkindalter das Trauma noch der häufigste Alarmierungsgrund ist [5]. Zusätzlich verkomplizieren weitere Faktoren die präklinische Versorgung.
Je jünger die Kinder, desto schwerer gestaltet sich die verbale Kommunikation, sodass eine gezielte Anamnese bzw. die präzise Äußerung von Beschwerden unter Umständen unmöglich ist. Eine umso größere Bedeutung haben somit eine strukturierte Untersuchung sowie ggf. die Fremdanamnese. Darüber hinaus sind praktisch vor allem invasive Maßnahmen, wie die Anlage von i. v. Zugängen oder die Intubation, allein schon durch die geringe Körpergröße der Patienten erschwert [6].
Sinnvolle Alternativen zur i. v. Applikation von Medikamenten stellen eine intranasale Gabe (MAD) oder die rektale Verabreichung dar.
Im Notfall kann die intraossäre Anlage eine notwendige Maßnahme zur Etablierung eines Zugangs sein.
Gerade beim schweren SHT konnten Vorteile im Outcome nach frühzeitig erfolgter Intubation nachgewiesen werden, sodass die zuvor beschriebenen Besonderheiten nicht die Durchführung medizinisch notwendiger Maßnahmen im Rettungsdienst verhindern sollten.
Bei initialem GCS ≤ 8 besteht die Indikation zur endotrachealen Intubation.
Notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung des Patiententransportes sind in [Tab. 1] aufgeführt. Die Maßnahmen zur Immobilisierung orientieren sich an den Standards der Erwachsenenversorgung.
Maßnahmen |
im Einzelnen |
---|---|
Anamnese und Untersuchung |
|
Überwachung |
|
Lagerungsmaßnahmen |
|
invasive Maßnahmen |
|
medikamentöse Therapie |
|
logistische Maßnahmen |
|
Strukturelle Probleme reichen über die möglichst präzise Schätzung des Körpergewichtes, die gewichtsadaptierte Applikation von Medikation, bis hin zur Einstellung der Beatmungsparameter. Zur Bestimmung der Medikamentendosis hat sich die Anwendung eines Notfalllineals/-bandes als äußerst hilfreich erwiesen ([Abb. 2]).
Auch die Auswahl einer adäquaten Zielklinik ist mitunter erschwert und bedingt unter Umständen eine verlängerte Transportzeit. Die Indikationen zur Schockraumalarmierung sind in [Tab. 2] dargestellt.
Kriterium |
Indikation |
---|---|
Verletzungsmuster |
schweres Schädel-Hirn-Trauma |
schwere abdominelle Verletzung |
|
instabiler Thorax |
|
offene Thoraxverletzung |
|
instabiles Becken |
|
mehr als 1 Fraktur der großen Röhrenknochen |
|
stammnahe Gefäßverletzung |
|
proximale Amputation |
|
Unfallmechanismus |
Fußgänger/Radfahrer angefahren (> 30 km/h) |
Hochrasanztrauma |
|
Ejektion aus dem Fahrzeug |
|
ausgedehnte Verformung der Karosserie (> 50 cm) |
|
Tod eines Beifahrers |
|
Sturz > 3 Meter Höhe |
|
Explosionsverletzung |
Nicht zuletzt führen insbesondere pädiatrische Notfälle zu einer besonderen emotionalen Belastung des Notfallpersonals. Trotz der aufgeführten Schwierigkeiten konnten Laurer et al. nachweisen, dass die präklinische Versorgungsqualität pädiatrischer Patienten zumindest hinsichtlich der präklinisch getroffenen Maßnahmen gleichwertig ist [7].
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Schockraummanagement
Auch für das schwerverletzte Kind orientiert sich die Behandlung und Diagnostik des Patienten im Schockraum maßgeblich an den Prinzipien des Advanced-Trauma-Life-Support (ATLS®) sowie den Empfehlungen der S3-Leitlinie Polytraumaversorgung [3] bzw. des Weißbuchs Schwerverletztenversorgung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU).
Neben der primären Sicherung der Vitalfunktionen ist eine schnelle und vollständige Diagnostik sowie die Einleitung eines den speziellen Bedürfnissen der jungen Patienten angepasstes Therapiekonzeptes entscheidend.
Notwendige Hilfsmittel zur Stabilisierung des Patienten, wie Endotrachealtuben oder Thoraxdrainagen, müssen der Größe des Kindes angepasst werden und sollten vorrätig sein. Für etwaige Reanimationsmaßnahmen müssen die entsprechenden Therapiealgorithmen befolgt werden.
Das Basisteam der Schockraumversorgung sollte, wenn möglich von Beginn an, zur adäquaten Behandlung um Kollegen der pädiatrischen Intensivmedizin und ggf. auch der Kinderchirurgie erweitert werden, sodass der Interdisziplinarität eine nochmals gesteigerte Rolle im Vergleich zur Behandlung Erwachsener zukommt.
In Zusammenarbeit mit der Anästhesie ist der Pädiater für die Sicherung der Vitalfunktionen verantwortlich, während der Unfallchirurg die körperliche Untersuchung und sonografische Beurteilung durchführt (eFAST). Vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt gewonnenen Informationen sollte eine möglichst strahlenarme radiologische Diagnostik durchgeführt werden, welche aber in keinem Fall zulasten der präzisen Diagnosesicherung fallen darf. Falls personell und strukturell durchführbar, kann bei Spezialindikationen, z. B. beim isolierten Schädel-Hirn-Trauma, nach Abschluss der Schockraumdiagnostik und Ausschluss lebensbedrohlicher Verletzungen eine MRT-Diagnostik erfolgen.
Der Standard in der Notfallbildgebung bleibt jedoch das konventionelle Röntgen von Thorax und Becken sowie, je nach Traumamechanismus bzw. Verletzungsschwere, die Computertomografie.
Zur Reduktion des „life time cancer risks“ ist die Verwendung dosisangepasster Untersuchungsprotokolle obligat [8], [9].
Essenziell für eine schnelle und sichere Schockraumbehandlung sind interdisziplinär abgestimmte Algorithmen, eine dem speziellen Fall angepasste, aber unbedingt adäquate Bildgebung (Sonografie, Röntgen, CT, ggf. MRT) und eine konsensuelle Entscheidungsfindung der weiteren therapeutischen Maßnahmen.
Im Folgenden soll geordnet nach Körperregionen/Organsystemen auf anatomisch-physiologische Besonderheiten und therapeutische Maßnahmen in der Versorgung schwerverletzter Kinder eingegangen werden.
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Schädel-Hirn-Trauma
Das Schädel-Hirn-Trauma stellt die häufigste Todesursache im Kindesalter dar. Das ungünstige Verhältnis von großem, schwerem Kopf zum verhältnismäßigen kleinen Rumpf, gepaart mit unzureichend ausgebildeten Schutzmechanismen, führt dazu, dass bereits Niedrigenergietraumata in schweren Verletzungen resultieren können.
Grundsätzlich begünstigt die vergleichsweise dünnere Kalotte beim Heranwachsenden durch einen schlechteren Schutz intrazerebrale Verletzungen. Häufig treten spezielle Frakturformen wie z. B. Impressionsfrakturen (Fallbeispiel 2) auf, die auch in der festen Verbindung von Dura mater und Kalotte begründet sind. Des Weiteren ist bis zu einem Alter von 3 Jahren das Auftreten eines epiduralen Hämatoms eine Rarität, da es selten zu Läsionen der A. meningea media durch Frakturfragmente kommt.
Neben den primären, direkten Hirnschädigungen sollte die Gefahr einer sekundären Hirnschädigung im Rahmen einer Hypoxie oder einer Hypotonie Beachtung finden und der raschen Behandlung einer respiratorischen Insuffizienz oder dem hämorrhagischen Schock eine entsprechend hohe Bedeutung beigemessen werden.
Hypoxie kann ein sekundäres Hirnödem bedingen.
Ebenso erfordert eine durch die noch nicht vollständig ausgebildete Blut-Hirn-Schranke bedingte erhöhte Gefahr der Ödembildung mitunter eine aggressive Hirndrucktherapie. Eine großzügige Indikationsstellung zur operativen Versorgung mittels Kraniotomie oder zumindest Anlage einer Hirndrucksonde hat sich in dieser Situation als vorteilhaft erwiesen [10].
Zur altersgerechten Einordnung der neurologischen Symptomatik sollte zur Bestimmung der Glasgow Coma Scale der pädiatrische GCS verwendet werden ([Tab. 3]).
Bei Kindern mit initial normalem GCS15 ([Tab. 3]) und unauffälligem neurologischem Untersuchungsbefund kann auf eine radiologische Diagnostik des Schädels verzichtet werden. Bei stattgehabter Bewusstlosigkeit oder vegetativer Begleitsymptomatik (Erbrechen, Schwindel) sollten zumindest eine 24-stündige stationäre Monitor-Überwachung sowie engmaschige Pupillen- und Vigilanzkontrollen erfolgen. Obligat hingegen ist eine cCT bei intubiert/beatmeten Kindern, insbesondere bei durch den Notarzt beschriebener Vigilanzminderung vor Intubation, genauso wie bei Vigilanzminderung mit einer persistierenden GCS von < 14.
Punkte |
Augen öffnen |
beste verbale Kommunikation |
beste motorische Reaktion |
---|---|---|---|
6 |
– |
– |
spontane Bewegung |
5 |
– |
plappern, brabbeln |
gezielte Abwehr auf Schmerzreiz |
4 |
spontan |
schreien, tröstbar |
normale Beugeabwehr auf Schmerzreiz |
3 |
auf Schreien |
schreien, untröstbar |
abnorme Abwehr auf Schmerzreiz |
2 |
auf Schmerzreiz |
stöhnen, unverständliche Laute |
auf Schmerzreiz, Strecksynergismen |
1 |
keine Reaktion |
keine verbale Reaktion |
keine Reaktion auf Schmerzreiz |
Im Falle einer intrakraniellen Blutung sollte die Indikation zur operativen Entlastung frühzeitig und großzügiger gestellt werden als beim Erwachsenen, da die Kompression von relevanten Arealen ab der dritten posttraumatischen Stunde zu deutlichen Verschlechterungen des Outcomes führt [11].
Anzumerken bleibt, dass ein SHT auch bei Kindern die Entstehung einer Thrombose begünstigen kann, es muss daher auch beim heranwachsenden Patienten mit SHT auf eine adäquate und an das Verletzungsmuster angepasste Antikoagulation geachtet werden.
Die operative Versorgung eines schweren SHT nach Primärstabilisierung sollte Vorrang erhalten, da sie maßgeblich das Outcome beeinflusst.
Kinder, die initial eine GCS < 8 aufweisen, entwickeln in 16% ein apallisches Syndrom; die Letalität in dieser Gruppe liegt bei 30%.
Eine kürzere Dauer des Komas wirkt sich begünstigend auf ein gutes Outcome aus.
Patienten mit einem relevanten SHT sollten möglichst frühzeitig einer ausführlichen neurologischen Rehabilitationsbehandlung zugeführt werden.
Dem 4-jährigen Patienten sei ein Regal auf den Kopf und den Oberkörper gefallen. Bei initialer GCS von 8 und Blutung aus dem linken Ohr erfolgte die Einlieferung in den Schockraum intubiert und beatmet. Neben einer Lungenkontusion zeigte sich eine Impressionsfraktur der Kalotte links temporal mit begleitendem Subduralhämatom ([Abb. 3]).
Es erfolgte die umgehende operative Versorgung mit Hebung der Kalotte und Anlage einer Hirndrucksonde. Noch am Unfalltag konnte der Patient extubiert werden.
Es folgte ein komplikationsloser stationärer Aufenthalt für insgesamt 11 Tage, bei Entlassung zeigte sich ein unauffälliger neurologischer Befund.
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Thorax
Wie auch beim adulten Patient dominieren in Deutschland beim Heranwachsenden stumpfe Traumamechanismen, penetrierende Verletzungen sind eine Rarität ([Abb. 4]).
Grundsätzlich sind beim kindlichen Patient durch eine hohe thorakale Compliance ossäre Verletzungen des Thorax relativ selten. Resultierend werden die Kräfte jedoch nach intrathorakal weitergeleitet, sodass bei entsprechend schwerem Thoraxtrauma gehäuft intrathorakale Verletzungen auftreten. Am häufigsten sind hier Lungenkontusionen sowie Pneumo- oder Hämatothoraces zu verzeichnen, Läsionen zentraler Organe wie Trachea, Bronchien oder dem zentralen Gefäßstamm sind entsprechend rar und deuten auf ein massives Trauma hin.
Behandlung
Hämato- und Pneumothorax
Die Behandlung von Hämato-/Pneumothoraces wird auch beim Kind über die Anlage einer Thoraxdrainage durchgeführt. Die Wahl des Drainagedurchmessers sollte größenadaptiert erfolgen, dennoch verbietet sich auch hier die Anlage tiefer als Mamillenhöhe. Zudem sollte eine Drainage zum Schutz der Organe immer stumpf und unter digitaler Kontrolle eingebracht werden.
Anlage einer Thoraxdrainage unter stumpfer Palpation und nie unter Mamillenhöhe!
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Lungenkontusion
Die häufig auftretende Lungenkontusion kann je nach Ausmaß rasch zu einer respiratorischen Insuffizienz führen, somit stellt ihre Behandlung einen zentralen Pfeiler in der Behandlung dar. Die Therapie kann über frühzeitige Intubation und lungenprotektive Beatmungsmodi erfolgen.
Altersabhängige physiologische Normwerte und empfohlene Tubusgrößen sind in [Tab. 4] zusammengestellt.
Näherungsweise kann der erforderliche Tubusdurchmesser anhand des Kleinfingers des Patienten bestimmt werden.
Alter (Jahre) |
Atemfrequenz (min−1) |
Atemzugvolumen (ml) |
Tubusgröße (mm) |
Länge ab Zahnreihe (cm) |
---|---|---|---|---|
1 |
32 – 38 |
50 – 60 |
3,5 – 4,0 |
13 |
3 |
25 – 30 |
70 – 90 |
4,5 – 5,0 |
14 |
5 |
20 – 25 |
80 – 110 |
5,0 – 5,5 |
16 |
7 |
18 – 22 |
115 – 150 |
5,5 – 6,0 |
18 |
10 |
16 – 20 |
150 – 200 |
6,5 |
20 |
12 |
15 – 17 |
200 – 280 |
7,0 |
21 |
14 |
14 – 16 |
250 – 350 |
7,0 – 7,5 |
22 |
Bei ausgeprägter Lungenkontusion besteht zudem ein deutlich erhöhtes Pneumonierisiko (20 – 30%), für eine großzügige prophylaktische antibiotische Abdeckung fehlt allerdings eine zureichende Evidenz.
Äußerst selten stellt sich beim Kind die Indikation zur operativen Versorgung einer thorakalen Verletzung. Als Indikation gelten hier
-
anhaltende Blutung aus einer Thoraxdrainage
-
Perikardtamponade
-
penetrierende Verletzung mit Fremdkörpereinschluss
-
Verletzungen des Trachealbaums, die nicht mittels Tubus abgedichtet und somit nicht konservativ therapiert werden können.
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Abdomen
Durch ein tieferstehendes Zwerchfell sowie ein ungünstigeres Größenverhältnis von Milz und Leber sind diese Organe beim Kind schlechter geschützt als beim Erwachsenen. Resultierend finden sich häufig Läsionen dieser Organe. Im Gegensatz zum Erwachsenen ist beim Kind, selbst beim Nachweis größerer Mengen freier intraabdomineller Flüssigkeit, bei stabilem Kreislauf ein konservatives Vorgehen etabliert. So konnte gezeigt werden, dass unter dieser Bedingung selbst höhergradige Leber- und Nierenlazerationen unter konservativer Therapie ohne Residuen ausheilen [12], [13], [14].
Intraabdominale Organlazerationen bei stabilem Kreislauf können bei Kindern unter engmaschiger Überwachung häufig konservativ behandelt werden.
Grundvoraussetzung einer konservativen Behandlung solcher Verletzungen sind
-
eine entsprechende intensivmedizinische Überwachung
-
die Möglichkeit zur umgehenden operativen Revision im Falle einer klinischen Verschlechterung
Kommt es unter Überwachung zu einer Befundverschlechterung, kann auf eine der operativen Therapie vorgeschaltete Bildgebung verzichtet werden.
Besteht die Indikation zur operativen Therapie, haben Organerhalt und eine primäre Ausversorgung ohne geplante Folgeeingriffe die höchste Priorität.
Hohlorganverletzungen, insbesondere des Dünndarms, sind schwierig zu diagnostizieren und können den Verlauf deutlich komplizieren und prolongieren. Lässt sich initial der Verdacht auf eine Hohlorganverletzung nicht sicher ausschließen, sind eine enge klinische Überwachung, wiederholte Ultraschalluntersuchungen und erweiterte diagnostische Maßnahmen, z. B. unter Zuhilfenahme enteraler Kontrastmittelapplikation, unabdingbar.
Nachgewiesene Verletzungen sollten so schnell wie möglich, meist mittels direkter Naht oder Segmentresektion, ausbehandelt werden. In seltenen Fällen kann aber auch die Anlage eines temporären Anus praeter notwendig werden.
OP-Indikationen bei intraabdominellen Verletzungen fasst die Übersicht zusammen.
-
hämodynamische Instabilität trotz Volumensubstitution
-
freie intraabdominelle Luft
-
Ruptur eines Hohlorgans
-
Peritonitiszeichen
Sekundäre Organfunktionsstörungen im Sinne eines Multiorgandysfunktionssyndroms sind selten und am ehesten durch einen initial ausgeprägten Blutverlust bedingt. Die konsekutive Vasokonstriktion hat eine Minderperfusion der Organe zur Folge, welche bei unzureichender Substitutionstherapie dann zum Organversagen führt.
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Wirbelsäule
Verletzungen der kindlichen Wirbelsäule sind mit etwa 1 – 2% aller verletzten Kinder selten, beim schwer verletzten Kind liegt der Anteil an Wirbelsäulenverletzungen jedoch zwischen 8% und 30% [15], [16]. Die Lokalisation von Wirbelsäulenverletzungen ist zudem altersabhängig: So stellen aufgrund des Missverhältnisses zwischen schwerem Kopf und schwacher Hals- und Nackenmuskulatur sowie unausgereiften Bandstrukturen bei flachen Facettengelenken und noch unvollständiger Verknöcherung bei Kindern vor dem 9. Lebensjahr Halswirbelsäulenverletzungen die häufigsten Wirbelsäulenverletzungen dar.
Wirbelsäulenverletzungen beim Kind sind altersabhängig und eng mit den anatomischen Besonderheiten verknüpft.
Rund 70% der Wirbelsäulenverletzungen bei Kindern betreffen die HWS, ein Großteil der Verletzungen findet sich in Höhe C0–C2. Damit sind Halswirbelsäulenverletzungen bei Kindern insgesamt etwa doppelt so häufig wie beim Erwachsenen.
Im Adoleszentenalter und mit anatomisch-biomechanischer Annäherung an das Erwachsenenskelett ist dann schließlich hauptsächlich der thorakolumbale Übergang betroffen. Es überwiegen in 90% der Fälle Kompressionsverletzungen, die häufig konservativ behandelt werden können.
Bei kindlichen Wirbelsäulenverletzungen wird die Mortalität stark vom häufig begleitenden Schädel-Hirn-Traumata beeinflusst, weitere negative prädiktive Faktoren sind
-
ein jüngeres Alter,
-
Verletzungen der oberen HWS sowie
-
der Unfallmechanismus (v. a. Verkehrsunfälle).
Diagnostik
Zur Detektion von Verletzungen der Wirbelsäule sowie der Sicherung von neurologischen Auffälligkeiten kommen der Anamnese und der körperlichen Untersuchung ein hoher Stellenwert zu. Prophylaktisch sollte die HWS im Stiffneck immobilisiert werden sowie ausschließlich eine achsgerechte Lagerung durchgeführt werden. Dorsale Weichteilverletzungen, Schürfungen und Prellmarken ebenso wie Schmerzen bei der Palpation können wichtige Hinweise für eine relevante Wirbelsäulenverletzung geben. Die differenzierte neurologische Untersuchung sollte zudem regelmäßig wiederholt werden.
Das höchste Risiko für neurologische Komplikationen betrifft bei den kindlichen Wirbelsäulenverletzungen die Halswirbelsäule mit 30% neurologischen Komplikationen bei instabilen Verletzungen. Gelingt bei deutlichen neurologischen Ausfällen im Röntgen bzw. CT kein Nachweis einer strukturellen Verletzung, wurde 1982 von Pang et al. der Begriff SCIWORA (spinal Cord injury without radiographic Abnormality) geprägt. Durch moderne MRT-Diagnostik gelingt heutzutage jedoch häufig trotzdem der Nachweis von Rückenmarkläsionen [17], [18].
Der Verdacht auf das Vorliegen einer Wirbelsäulenverletzung erfordert zumindest die Durchführung einer Röntgendiagnostik in 2 Ebenen, bei ausgeprägter Klinik bzw. bei komplexeren Verletzungen sowie im Falle einer notwendigen operativen Versorgung sollte eine CT-Untersuchung erfolgen.
Falls aufgrund eines Schädel-Hirn-Traumas eine cCT-Untersuchung durchgeführt wird, sollte zum Ausschluss der häufig assoziierten Halswirbelsäulenverletzung die HWS im CT mitabgebildet werden. Die MRT-Diagnostik dient in unklaren Fällen im Anschluss an die Notfalldiagnostik zur Detektion von konventionell-radiografisch okkulten Verletzungen wie Rückenmarkläsionen, Bandscheibenverletzungen sowie Verletzungen der Wachstumsfugen.
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Anatomische Besonderheiten im Kindesalter
Zur sicheren Beurteilung der angefertigten bildgebenden Diagnostik und um Fehlinterpretationen zu vermeiden, ist eine genaue Kenntnis der anatomischen Besonderheiten im Kindesalter unerlässlich.
-
So ist der atlantodentale Abstand beim Kind bis zu ≤ 5 mm normal (Erwachsene: 2 – 3 mm).
-
Außerdem kann in bis zu 20% der Fälle bis zum 8. Lebensjahr ein „Reiten“ des Atlas über der Densspitze bei lateralen HWS-Aufnahmen in Extension beobachtet werden ([Abb. 5]), bedingt durch Knorpelzonen von Atlas und Densspitze.
-
Zudem sind in diesen Aufnahmen bei Kindern bis zum 8. Lebensjahr in bis zu 40% der Fälle Pseudosubluxationen von C2/C3 zu beobachten, ein Versatz von ≤ 4 mm kann akzeptiert werden.
-
Des Weiteren ist die Wirbelkörperkonfiguration der BWS und LWS bis zum 8. Lebensjahr noch keilförmig.
-
Der Knochenkern der Densspitze fusioniert erst um das 12. Lebensjahr mit dem Dens axis.
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Noch offene Synchondrosen des Atlas bzw. Axis können bis zum 6. – 7. Lebensjahr als Fraktur fehlinterpretiert werden.
-
Ein erweiterter prävertebraler Weichteilschatten der HWS im retropharyngealen Raum bis ≤ 7 mm sowie im retrotrachealen Raum bis ≤ 14 mm ist bei Kindern normal.
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Befundung
Zur Beurteilung der nativradiologischen Diagnostik der Wirbelsäule kann der Einsatz von gedachten Hilfslinien zur Beurteilung des Alignments gerade im Bereich der HWS sinnvoll sein ([Abb. 6]).
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Therapie
Verletzungen der Halswirbelsäule lassen sich oftmals konservativ therapieren, z. B. in einem Philadelphia-Kragen. Instabile ligamentäre Verletzungen im Bereich C2/C3 bedürfen ausnahmsweise einer Ruhigstellung im Halofixateur, der beim Kind eher zurückhaltend verwendet werden sollte.
Um Wachstumsstörungen zu vermeiden, kann eine ventrale Fusion wie beim Erwachsenen erst nach Abschluss der Endplattenreifung erfolgen. Kinder unter 8 Jahren können zudem auch Verletzungen der knorpeligen Wirbelsäulenanteile aufweisen.
Bei Kindern ab dem 8. – 10. Lebensjahr können aufgrund der zunehmenden Verknöcherung der Wirbelsäule – welche teilweise erst um das 25. Lebensjahr ihren Abschluss findet – alle Verletzungsformen des Erwachsenen auftreten, die analog der etablierten AO-Klassifikation nach Magerl eingeteilt werden in
-
Kompressionsfrakturen (Typ A)
-
Flexions-Distraktions-Frakturen (Typ B)
-
Rotationsverletzungen (Typ C)
Knapp 90% der Fälle liegen thorakal zwischen BWK 5 und BWK 8 sowie am thorakolumbalen Übergang zwischen BWK 11 und LWK 2 [19].
-
Typ-A-Verletzungen werden in der Regel konservativ behandelt.
-
Instabile Verletzungen der Typen B und C sowie Frakturen mit neurologischem Defizit bedürfen einer operativen Versorgung mittels kurzstreckiger dorsaler Instrumentierung. Bei neurologischen Ausfällen und relevanter Spinalkanaleinengung sollte eine Laminektomie mit dorsaler Stabilisierung erfolgen.
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Beckentrauma
Beckenfrakturen beim Kind sind zumeist die Auswirkung von massiver Gewalteinwirkung.
Dies erklärt auch die schon bei simplen Frakturformen auftretenden, teils massiven Begleitverletzungen, z. B. des Urogenitaltraktes sowie des Rektums. Die klinische Untersuchung auf Stabilität und Hämatome sowie Prellmarken ist daher essenziell [20] ([Tab. 5]).
Kennzeichen |
|
---|---|
Destot-Zeichen |
ausgeprägtes inguinales sowie skrotales Hämatom |
Earle-Zeichen |
Hämatom bzw. palpable Frakturenden in der digital-rektalen Untersuchung |
Roux-Zeichen |
verringerter Abstand zwischen Trochanter major und Mons pubis im Seitenvergleich (laterale Kompressionsfraktur) |
In über 60% der Fälle liegt bei beckenverletzten Kindern ebenfalls ein Schädel-Hirn-Trauma vor, eine Polytraumatisierung ist ebenfalls häufig [18]. Je nach Ausprägung des Verletzungsmusters ist ein hoher Blutverlust bei intra- oder retroperitonealen Begleitverletzungen möglich. Bei Verletzungen des Beckenbodens sowie des Rektums und des Anus besteht die Gefahr der Entwicklung einer Peritonitis. Wachstumsfugenverletzungen können in ausgeprägten Fehlbildungen bis hin zur Hypoplasie einer Beckenhälfte resultieren.
Frakturen des Beckenrandes treten beim Kind häufiger auf als Beckenringverletzungen – sie sind zu über 90% stabil und können dann konservativ therapiert werden.
Analog zur Klassifikation von Beckenverletzungen beim Erwachsenen können Frakturen des Beckens beim Kind nach der AO-Klassifikation eingeteilt werden in
-
stabile A-Verletzungen
-
partiell (rotations-) instabile B-Verletzungen
-
(vertikal) instabile C-Verletzungen
Diagnostik
Die Diagnostik erfolgt beim schwerverletzten Kind im Rahmen des „Primary Survey“ mittels Beckenübersichtsaufnahme. Bei entsprechendem Unfallmechanismus sollte ohne Verzögerung eine Multi-Slice-CT durchgeführt werden.
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Therapie
Bei vorderer, geschlossener Beckenringfraktur können Dislokationen bis 5 mm sowie bei Symphysensprengungen von unter 1 cm akzeptiert werden, bis zum 3. Lebensjahr kann die Symphysenweite bis zu 12 mm betragen. Offene Frakturen sowie Organverletzungen stellen eine Indikation zur operativen Revision dar.
Die Anlage einer Beckenzwinge ist bei Kindern im Regelfall nicht indiziert, konventionelle Maßnahmen wie die Anlage eines Beckengurtes bzw. straffes Wickeln der Beine in Innenrotation haben sich als ausreichend herausgestellt [21].
Dislozierte und instabile Typ-B- und -C-Verletzungen werden beim Kind in den allermeisten Fällen mit einem supraazetabulären Beckenfixateur ausreichend stabilisiert. In Einzelfällen müssen ISG-Schrauben oder Plattenosteosynthesen eingesetzt werden.
Begleitverletzungen müssen prä- bzw. intraoperativ detektiert werden und können im Rahmen des operativen Vorgehens dann ebenfalls adressiert werden. Perianale Läsionen können Second-Look-Operationen notwendig machen [22].
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Azetabulumfraktur
Azetabulumfrakturen des Kindes sind mit einem Anteil von 0,8 – 15% selten und meist Folge von indirekter Gewalteinwirkung oder Folge einer Hüftgelenksluxation; sie führen jedoch bei Verletzung der Wachstumsfugen teils zu ausgeprägten Deformitäten [23], [24]. Zur osteosynthetischen Versorgung von Azetabulumverletzungen eignen sich am ehesten Schrauben, welche zur Vermeidung von Wachstumsstörungen jedoch frühzeitig entfernt werden sollten, oder auch Platten zur anatomischen Rekonstruktion [25], [26].
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Extremitätentrauma
Akutphase
-
Während der Akutphase werden bei Verletzungen an kindlichen Extremitäten vital bedrohliche Blutungen gestillt.
-
Es findet eine Schienung bzw. Immobilisation von Frakturen, z. B. mittels Notfallschienen/Splints statt.
-
Weichteilverletzungen müssen steril abgedeckt werden.
Wichtig ist für eine spätere operative Versorgung die Klassifikation und genaue Dokumentation des Ausmaßes der Verletzung. Hierbei ist insbesondere achten auf DSM:
-
Durchblutung,
-
Sensibilität und
-
Motorik.
Im Zweifel stehen die Doppler-Sonografie sowie CT-Angiografie zum Ausschluss von Gefäßverletzungen zur Verfügung.
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Frakturklassifikation
Für die Klassifikation von Frakturen der kindlichen Extremitäten existieren 2 spezielle Klassifikationssysteme, beide orientieren sich an der beim Erwachsenen etablierten AO-Klassifikation nach Müller sowie an den für Epiphysenfugenverletzungen etablierten Klassifikationssystemen nach Aitken bzw. Salter-Harris. Dies sind einerseits
-
LiLa-Klassifikation für Frakturen der langen Röhrenknochen im Wachstumsalter sowie
-
AO-Klassifikation für Frakturen im Wachstumsalter (AO Pediatric Comprehensive Classification of Long Bone Fractures, PCCF).
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Weichteilverletzungen
Die Einteilung von begleitenden Weichteilschäden erfolgt analog zum Erwachsenen nach Tscherne/Oestern bei geschlossenen bzw. nach Anderson/Gustilo bei offenen Frakturen. Ein Kompartmentsyndrom muss wie beim Erwachsenen ausgeschlossen bzw. zeitnah operativ mittels Kompartmentspaltung und temporärer Weichteildeckung versorgt werden.
Ein Kompartmentsyndrom muss umgehend operativ gespalten werden.
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Therapie
Die operative Versorgung von Frakturen erfolgt in der Primärphase (Stufenversorgung des polytraumatisierten Patienten s. [Tab. 6]), eine Ausversorgung ist, falls möglich, anzustreben, um Folgeeingriffe zu vermeiden.
Phase |
Zeitrahmen |
OP-Indikationen |
mögliche OPs |
---|---|---|---|
akut |
0 – 90 Minuten |
Notfall-OPs mit vitaler Indikation |
Blutungskontrolle Kraniotomie |
primär |
Tag 1 |
dringliche Eingriffe |
Stabilisierung der Wirbelsäule Frakturversorgung Weichteilmanagement Versorgung von Hohlorganverletzungen |
intermediär |
2. – 5. Tag |
Second Look |
Débridement zur Vermeidung sekundärer Schäden |
sekundär |
ab dem 5. Tag |
komplexe Eingriffe |
Ausversorgung von Frakturen Gelenk- und plastische Rekonstruktionen |
Offene Frakturen bzw. Frakturen mit Gelenkeröffnung erfordern eine ausgiebige Spülung mit Weichteil-Débridement und eine der Situation angepasste, stabile Osteosynthese. Bei ausgedehnten Gewebeläsionen kann zusätzlich wie beim Erwachsenen ein mehrzeitiges Vorgehen mit Vakuumversiegelung sowie Fixateur-externe-Anlage notwendig werden ([Abb. 7]).
Bei der Planung von aufwendigen Rekonstruktionen bzw. Folgeeingriffen sollten Eingriffe in der inflammatorischen Phase zwischen dem 2. – 4. posttraumatischen Tag vermieden werden.
Osteosyntheseverfahren
Zur Frakturversorgung stehen je nach Lokalisation unterschiedliche Osteosyntheseverfahren zur Verfügung. So können Schaftfrakturen von langen Röhrenknochen bei Kindern häufig minimalinvasiv mittels elastisch-stabiler intramedullärer Nagelung (ESIN) versorgt werden. Die Versorgung mittels Fixateur externe stellt ebenfalls ein adäquates Verfahren dar. Bei epi- bzw. metaphysären Verletzungen dominiert die K-Draht-Osteosynthese, es gibt jedoch auch Indikationen zur Schraubenosteosynthese. Bei älteren Kindern bzw. bei speziellen Indikationen kann auch eine Plattenosteosynthese erforderlich werden. Starre Marknägel oder Platten finden zumeist erst nach Schluss der Wachstumsfugen ihren Einsatz.
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Häufig besteht bei kindlichen Frakturen eine deutliche Korrekturpotenz, sodass der konservativen Frakturbehandlung ebenfalls ein wichtiger Stellenwert zukommt.
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Verletzungen der Wachstumsfugen bergen je nach Schweregrad ein Risiko für Wachstumsstörungen, sodass auch längerfristige Wachstumskontrollen notwendig werden können.
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Definition Polytrauma (Berlin-Definition):
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Injury Severity Score (ISS) ≥ 16
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2 Körperregionen betroffen
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mindestens 1 physiologisches Problem
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Die Ausführungen dieses Beitrags beziehen sich neben dem Polytrauma auf schwere Monoverletzungen sowie schwerverletzte Patienten (Injury Severity Score mindestens ≥ 16).
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Polytraumata und schwerste Verletzungen bei Kindern sind selten.
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Präklinische Maßnahmen umfassen Anamnese und Untersuchung, Überwachung, Lagerungsmaßnahmen, invasive Maßnahmen, medikamentöse Therapie sowie logistische Maßnahmen.
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Im Schockraum sind entscheidend:
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die primäre Sicherung der Vitalfunktionen,
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eine schnelle und vollständige Diagnostik,
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die Einleitung eines den speziellen Bedürfnissen der jungen Patienten angepasstes Therapiekonzeptes.
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Der Beitrag behandelt anatomisch-physiologische Besonderheiten und therapeutische Maßnahmen in der Versorgung schwerverletzter Kinder geordnet nach Körperregionen bzw. Organsystemen:
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Schädel-Hirn-Trauma
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Thoraxtrauma
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Abdominaltrauma
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Wirbelsäulentrauma
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Beckentrauma
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Extremitätentrauma
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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Philipp Störmann, Frankfurt.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
* S. Meier und P. Störmann haben zu gleichen Teilen bei der Manuskripterstellung mitgewirkt.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
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