Z Orthop Unfall 2017; 155(05): 519-520
DOI: 10.1055/s-0043-116860
Junges Forum
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Arztassistent und Assistenzarzt“ – Personaloptimierung in der Klinik

Pouria Taheri
,
Lisa Wenzel
,
Jens Möller
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 October 2017 (online)

 

Die Orthopädie und Unfallchirurgie ist ein hervorragendes Weiterbildungsfach. Die große Bandbreite an verschiedenen operativen und konservativen Disziplinen geben den Kollegen in der Weiterbildung alle Möglichkeiten, die vorstellbar sind: Sie können zwischen elektiven, ambulanten operativen Tätigkeiten oder der akuten Notfallversorgung wählen. Alternativ kann ein Schwerpunkt auf den intensivmedizinischen Bereich der Mehrfachverletzten oder die auf der Wahlbehandlung basierende Verschleißerkrankung gelegt werden.

Auch der Weg dorthin zeichnet sich durch viele Entscheidungen aus. Die Ärztekammern überlassen hier dem Einzelnen einen individuellen Werdegang: Nach dem Common Trunk mit Tätigkeit in der Rettungsstelle, der Intensivstation und der stationären Betreuung der Patienten kann ein klinischer Weg mit einem in der Niederlassung kombiniert werden. Durch die zunehmende Spezialisierung in verschiedene Teams, den Gelenken und Körperregionen zugeordnet, kann zudem die operative Spezialisierung auch nach dem Facharzt vorangetrieben werden.

Trotz alledem zeigt sich subjektiv durch die Berufserfahrung im Klinikum und objektiv durch zahlreiche Erhebungen, dass eine zunehmende Unzufriedenheit unter den Assistenzärzten in der Weiterbildung entsteht. Themen, die seit geraumer Zeit bekannt sind, werden durch die Dachverbände teils gut aufgefangen, wie beispielsweise die vor Jahren angeprangerte fehlende Struktur. Durch die Einführung des Logbuches konnten hier maßgebliche Verbesserungen umgesetzt werden.

Was ein großes Problem zu sein scheint, sind jedoch die administrativen Tätigkeiten. Wie in einer aktuellen Umfrage des Marburger Bundes deutlich wird, sehen ca. 70% der befragten Klinikärzte den Abbau der Bürokratie als eines der wichtigsten Themen neben einer ausgeglichenen Work-Life-Balance sowie der Aufstockung des Personals zur Verbesserung des Arbeitsplatzes an [1].

Um einige Beispiele zu nennen: Was vermehrt in den elektiven orthopädischen Häusern durch die Einführung der Endoprothetikzentren Einzug gehalten hat, ist durch die Zertifizierungsprozesse von beispielsweise Traumazentren ebenso nicht an den Häusern der Maximalversorgung in der Unfallchirurgie vorbeigegangen. Als Klinikarzt nimmt die administrative Tätigkeit einen Großteil des Arbeitsumfangs ein [2] und lässt so manchen an ihrer Notwendigkeit zweifeln. Dabei sollte nicht die Notwendigkeit infrage gestellt werden, da diese zweifelsohne durch die Steigerung der Qualität indiskutabel zu sein scheint, sondern vielmehr die Prozessoptimierung im Klinikum.

Ein Durchgang

Der Arbeitstag beginnt meist im Schnitt mit der Durchsicht der Station gegen 07:00 Uhr. Patienten der Nacht werden neu evaluiert, Einträge müssen mit Unterschriften gegengezeichnet werden, wobei die wesentliche Arbeit dabei zu kurz kommt: Die Beurteilung des Verunfallten oder neu Aufgenommenen bzw. die eigentliche Visite.

Nach der unfallchirurgischen Konferenz werden die Anordnungen für zielführende bildgebende Diagnostik und Behandlungspfade angesprochen, die der ärztliche Kollege notiert und in den Computer eingibt. Blutentnahmen und das Legen von i. v. Zugängen stehen nun an. Die Durchsicht der Anordnungen nimmt jedoch soviel Zeit in Anspruch, dass der Vormittag sich nunmehr dem Ende zuneigt. Telefonate und Fragen der Pflegekräfte über Transportwege, Anschlussheilbehandlungen sollten nicht unerwähnt bleiben, da dies den Kollegen bei der Umsetzung der tatsächlichen chirurgischen Fragen nicht behilflich ist: Welchen Zugang sollte ich wählen? Wieso wurde die Tibiakopffraktur ebenfalls von dorsal angegangen? Warum wurde hier ein Kurzschaft in der Therapie der Koxarthrose genutzt? Welche Thromboseprophylaxe macht Sinn?

Trotz der Arbeit am Vormittag stehen weitere administrative Tätigkeiten an: Anträge für Anschlussheilbehandlungen müssen vom Arzt ausgefüllt werden, auch wenn sie sich in der O & U bez. der verschiedenen Krankheitsbilder vom Inhalt her sehr ähneln und sich im Aufbau wiederholen. Schlussendlich folgt die Durchsicht der Röntgenbilder und zu guter Letzt endet der Tag mit dem Schreiben von Entlassungsbriefen und dem Organisieren von Angehörigengesprächen.

Weitere Funktionsstellen neben der Station wie der OP werden in einem Worst-Case-Szenario durch Ober- und Fachärzte ausgefüllt und können dann zwecks notwendiger Assistenz durch den Arzt in Weiterbildung mitbetreut werden. Falls die schriftliche Aufklärung der Patienten nicht aus dem stationären Alltag ausgegliedert ist, so warten Aufklärungsgespräche mit dem Patienten und/oder Angehörigen für operative und nicht operative Therapien. Im Zuge der Einsparungen des wertvollsten Gutes im Krankenhaus, dem Personal, verschärft sich die Versorgung der Patienten durch abnehmende Verteilungsmöglichkeiten [1].

Nun soll der zugegebenermaßen dramatisch dargestellte Alltag der Weiterbildung nicht die Fähigkeiten des Arztes schmälern, sondern vielmehr die Sinnhaftigkeit infrage stellen: Können wir dies nicht optimieren und unseren Berufsalltag besser organisieren?

Eines sollte dabei nicht missverstanden werden:

Von großer Bedeutung sollte weiterhin die Wichtigkeit der stationär administrativen Tätigkeit bleiben: Sie gehört zum essenziellen Bindeglied des Patienten mit der Zufriedenheit seiner Behandlung, jedoch ist keine absolute Notwendigkeit gegeben, diese nicht auch delegieren zu können. Ein Studium der Humanmedizin benötigt ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Organisation und Fleiß, sodass die Zusammenhänge auf einer Station „gemanagt“ werden sollen, d. h. den Assistenzarzt in eine Position zu hieven, in der er oder sie Führung übernimmt, Personal- und Prozessplanung betreibt und die Arbeit in Supervision durchführen lässt. Doch wer soll nun die Arbeit ausführen?

Eine pflegerische Supervision ist sinnlos, ist doch die Berufsgruppe der Pflege mit ihren eigenen Arbeitsfeldern genügend ausgelastet und perfekt organisiert.

Falls die Arbeitsabläufe wie bisher gehandhabt werden, birgt dies ein großes Risiko der Unattraktivität unseres Berufes. Auf der anderen Seite kämpfen wir um die Anwerbung und Haltung von Nachwuchs in unserem Fach.

Blickt man nun in den englischsprachigen Raum, wird man auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wer diese Tätigkeiten übernehmen soll, schnell fündig: die flächendeckende Einführung eines Arztassistenten [3], [4], [5].

Ein Arztassistent oder auch Physician Assistant (PA), den es in Deutschland seit 2005 noch mit einer Gesamtzahl von 300 gibt, kann den ärztlichen Kollegen im Alltagsgeschäft entlasten.

Nach Ausbildung in einem gesundheitlichen Berufszweig ist die Nähe zur Medizin gegeben, sodass eine zusätzliche Qualifikation, wie sie bspw. in Form eines Bachelor of Science (B. Sc.) momentan durchgeführt wird, gewonnen werden kann. Dieser Berufszweig ist als zusätzliche Kraft in den Klinikalltag zu integrieren.

Prämisse sollte dabei sein, dass die ärztlichen Mitarbeiter sich auf das wesentliche Kerngeschäft ärztlichen Handelns konzentrieren können: der Chirurgie, Orthopädie und konservativen Therapie. Der Führung in der Behandlung am Patienten. Dem Ansammeln von Wissen und dem Tatendrang, diese in praktische Arbeit umzusetzen.

Unter Berücksichtigung des angesprochenen Tagesablaufes ergeben sich viele Möglichkeiten der Umstrukturierung im Sinne der Zusammenarbeit und Vertiefung von Wissen. Die Visite wird begleitet durch einen schreibenden PA, der Anordnungen direkt umsetzt. Dadurch kann sich der Arzt mehr dem Patienten zuwenden und Gespräche intensivieren und Informationen weitergeben. Für seine Arbeit kann der PA auch Zeitfenster wie beispielsweise die ärztliche Frühbesprechung nutzen und so auch zu einem verbessertem Zeitmanagement beitragen. Wesentlich ist die Besetzung der Funktionsstellen im weiteren Tagesablauf:

Während der Arzt sich um die Begleitung und/oder Durchführung der Operationen oder Betreuung der Rettungsstelle kümmert, kann die oben genannte administrative Arbeit vom Arztassistenten übernommen werden. Ebenfalls anstehende Blutentnahmen und das Legen von i. v. Zugängen, Verbandswechsel und Rücksprachen mit dem hausinternen Sozialdienst können, während der Arzt an der qualitativen Verbesserung seiner chirurgischen und ärztlichen Fähigkeiten arbeitet, abgegeben werden.

Kommunikation steht dabei als ganz große Fähigkeit im Zentrum ärztlichen Handelns: mit dem PA, mit der Pflege, mit den Angehörigen und Vorgesetzten. So kann ein Team effektiv zusammenarbeiten und Prozesse werden optimiert.

Nun ist die Thematik nicht neu. Mehrere Kliniken haben seit 2010 in Zusammenarbeit mit verschiedenen Instituten eine PA-Ausbildung vorangetrieben, die die Arbeit der Ärzte erleichtert und die besprochenen Punkte umsetzt.

Eine bundesweite zentralisierte Umsetzung würde ein Zeichen setzen und den Kliniken die Einführung des PA erleichtern. Hilfreich ist schlussendlich auch die Verständigung auf einheitliche Vorgaben durch die Bundesärztekammern, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants und den Hochschulen.

Bis hin zu der Übernahme von therapeutischen Eingriffen am Patienten ist es noch ein weiter Weg, jedoch können wir den heranwachsenden ärztlichen Kollegen in Weiterbildung ein deutliches Signal geben:

Die Lücke in O & U, welche für viele erst auf den zweiten Blick als hervorragende ärztliche Weiterbildung erscheint, wird durch den Arztassistent geschlossen und steigert die Attraktivität der Weiterbildung und löst langfristig das flächendeckende Problem des Mangels an Fachkräften.


#
#
  • Literatur

  • 1 Osterloh F. Krankenhausärzte: Mehr Personal, weniger Bürokratie. Dtsch Arztebl 2017; 114: A-1365/B-1139/C-1117
  • 2 Merschin D, Munzberg M, Stange R. et al. Daily routine in orthopedics and traumatology – results of a nationwide survey of residents. Z Orthop Unfall 2014; 152: 440-445
  • 3 Korzilius H, Osterloh F. Nichtärztliche Gesundheitsberufe: Ärzte sollen entlastet werden. Dtsch Arztebl 2017; 114: A-1302/B-1082/C-1060
  • 4 Korzilius H. Akademische Gesundheitsberufe: Physician Assistants – die Neuen im Ärzteteam. Dtsch Arztebl 2017; 114: A-1306/B-1086/C-1064
  • 5 Paschoal Vicente J, Paul SP. Meet the new team players: physician associates. Emerg Nurse 2017; 25: 14


  • Literatur

  • 1 Osterloh F. Krankenhausärzte: Mehr Personal, weniger Bürokratie. Dtsch Arztebl 2017; 114: A-1365/B-1139/C-1117
  • 2 Merschin D, Munzberg M, Stange R. et al. Daily routine in orthopedics and traumatology – results of a nationwide survey of residents. Z Orthop Unfall 2014; 152: 440-445
  • 3 Korzilius H, Osterloh F. Nichtärztliche Gesundheitsberufe: Ärzte sollen entlastet werden. Dtsch Arztebl 2017; 114: A-1302/B-1082/C-1060
  • 4 Korzilius H. Akademische Gesundheitsberufe: Physician Assistants – die Neuen im Ärzteteam. Dtsch Arztebl 2017; 114: A-1306/B-1086/C-1064
  • 5 Paschoal Vicente J, Paul SP. Meet the new team players: physician associates. Emerg Nurse 2017; 25: 14