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DOI: 10.1055/s-0043-119172
Handverletzungen
- Einleitung
- Anatomie
- Epidemiologie
- Klassifikationen
- Handtraumazentrum
- Grundlagen
- Präklinische Untersuchung
- Präklinische Therapie
- Schnitt-/Sägeverletzungen
- Quetschverletzungen
- Verbrennungen
- Amputationen
- Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
- Literatur
Die notfallmedizinische Versorgung von Handverletzungen stellt sich sehr vielfältig dar. Die vorgefundenen Verletzungsbilder variieren von einfachen Schnitt- oder Quetschverletzungen über Verbrennungen bis hin zu schweren Amputationsverletzungen. Auch im Falle von mehrfachverletzten oder polytraumatisierten Patienten können Handverletzungen begleitend auftreten. Bereits präklinisch wird die spezialisierte Versorgung in die Wege geleitet, um einen möglichst vollständigen Funktionserhalt zu gewährleisten.
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Abkürzungen
Einleitung
Die menschliche Hand ist in ihrer Funktion weit mehr als ein reines Greiforgan. Durch ihren komplexen Aufbau werden ein Erkunden der Umwelt und eine Teilnahme am alltäglichen Leben erst möglich gemacht [1]. Hieraus erwächst die Notwendigkeit einer spezialisierten Versorgung, um einen möglichst vollständigen Funktionserhalt zu gewährleisten. Eine adäquate präklinische Diagnostik und Versorgung kann hierbei die weitere Versorgung des Patienten maßgeblich beeinflussen. Auch die Wahl der Zielklinik kann entscheidend sein, um Verzögerungen in der chirurgischen Versorgung der Patienten zu vermeiden.
Insgesamt muss festgehalten werden, dass eine Versorgung lebensbedrohlicher Verletzungen nicht verzögert oder hintenangestellt werden darf („Life before Limb“).
Bei instabilen Patienten muss nach dem Grundsatz „Life before Limb“ gehandelt werden.
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Anatomie
Eine Kenntnis der wesentlichen anatomischen Strukturen und deren Verlauf ermöglicht die Abschätzung der Verletzungsschwere, der Dringlichkeit der Versorgung und erleichtert die Auswahl einer adäquaten Zielklinik.
Wesentliche anatomische Strukturen stellen Beuge und Strecksehnen, Nerven und Gefäße dar ([Abb. 1], [Abb. 2]).
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Epidemiologie
Der Anteil von Handverletzungen und schweren Handverletzungen im Rahmen von Arbeitsunfällen wird mit bis zu 42% angegeben [2], [3]. Darüber hinaus sind 9% der unfallbedingten Neuberentungen pro Jahr Folgen einer stattgehabten schweren Handverletzung [3].
Amputationen im Bereich der oberen Extremität sind zu 90% traumatisch bedingt:
-
53% im Rahmen eines Arbeitsunfalls,
-
18% bei Verkehrsunfällen,
-
15% bei landwirtschaftlichen Unfällen,
-
10% durch Sägeverletzungen.
Mikroamputationen sind 14 × häufiger als Makroamputationen, Männer sind 4 × häufiger betroffen als Frauen und der Altersgipfel liegt zwischen 20 und 40 Jahren [4], [5].
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Klassifikationen
Weichteilverletzungen
Zur Einschätzung der Schwere des Weichteilschadens haben sich bei offenen Frakturen die Einteilung nach Gustilo und Anderson ([Tab. 1]), bei geschlossenen Frakturen die Einteilung nach Tscherne und Oestern ([Tab. 2], [Tab. 3]) bewährt [7], [8]. Insbesondere bei Quetschverletzungen ist die Anwendung der genannten Klassifikationen hilfreich, um eine adäquate Einschätzung der Verletzungsschwere zu ermöglichen.
Grad |
Kennzeichen |
|
---|---|---|
I |
Hautläsion ≤ 1 cm nicht verschmutzt Durchspießung von innen minimale Muskelkontusion einfache Quer- oder kurze Schrägfraktur |
|
II |
Hautläsion > 1 cm ausgedehnter Weichteilschaden mit Lappenbildung oder Décollement geringe bis mäßige Muskelquetschung einfache Quer- oder kurze Schrägfraktur mit kleiner Trümmerzone |
|
III |
ausgedehnter Weichteilschaden unter Einbeziehung von Haut, Muskulatur und neurovaskulären Strukturen oft Rasanztrauma mit schwerer Gewebsquetschung |
|
IIIA |
ausgedehnter Weichteilschaden mit noch adäquater Knochendeckung Stückfrakturen Schussverletzungen |
|
IIIB |
ausgedehnter Weichteilschaden mit Deperiostierung und freiliegendem Knochen massive Kontamination |
|
IIIC |
rekonstruktionspflichtige Gefäßverletzung |
Grad |
Kennzeichen |
|
---|---|---|
Weichteilschaden |
Frakturform/Beispiel |
|
0 |
fehlende/unbedeutende Weichteilverletzung indirekter Verletzungsmechanismus |
einfache Frakturformen (z. B. Unterschenkelfraktur durch Torsionsmechanismus) |
I |
oberflächliche Schürfung/Kontusion durch Fragmentdruck von innen |
einfache bis mittelschwere Frakturform (z. B. Luxationsfraktur des oberen Sprunggelenks) |
II |
tiefe kontaminierte Schürfung Haut- oder Muskelkontusion durch direkte Krafteinwirkung drohendes Kompartmentsyndrom |
mittelschwere bis schwere Frakturformen (z. B. Etagenfraktur der Tibia bei Stoßstangenanprall) |
III |
ausgedehnte Hautkontusion, -quetschung oder Zerstörung der Muskulatur subkutanes Décollement manifestes Kompartmentsyndrom Verletzung eines Hauptgefäßes |
schwere Frakturformen (z. B. Trümmerfraktur) |
Fraktur |
Blutverlust |
---|---|
Radius/Ulna |
50 – 400 ml |
Humerus |
100 – 800 ml |
Femur |
300 – 2000 ml |
Becken |
500 – 5000 ml |
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Verbrennungen
Zur Abschätzung der Verletzungsschwere bei Verbrennung muss neben dem Ausmaß der verbrannten Körperoberfläche in % die klinische Einteilung nach Verbrennungsgraden angegeben werden ([Tab. 4]).
Grad |
betroffene Hautschicht |
klinisches Bild |
Prognose/Verlauf |
---|---|---|---|
I |
Epidermis |
Rötung, Schwellung trockene Wunde starker Schmerz, Juckreiz |
narbenfreie Spontanheilung |
IIa |
Epidermis und oberes Drittel der Dermis (Basalschicht und Hautanhangsgebilde erhalten) |
Rötung, Blasenbildung feuchter, hyperämischer Wundgrund starker Schmerz positive Glasspatelprobe (Rötung gut wegdrückbar) |
Spontanheilung unter geringer Narbenbildung innerhalb von 14 Tagen hoher Flüssigkeitsverlust |
IIb |
Epidermis und Dermis (Hautanhangsgebilde partiell erhalten) |
fetzenförmige Ablösung der Haut, feuchter, blasser Wundgrund partielle Nekrosen rot-weiß gesprenkelte Oberfläche weniger Schmerz schwach positive Glasspatelprobe |
sehr langsame Spontanheilung unter ausgeprägter Narbenbildung (daher meist Operation) Infektionsgefahr wegen komplett zerstörter Basalzellschicht |
III |
Epidermis und Dermis, zusätzlich subdermales Fettgewebe |
lederartig, weiß-graue oder gelblich wachsartige Wunde Nekrosen, trockene Hautfetzen, harter Verbrennungsschorf Demarkierung thrombosierter Gefäße kein Schmerz (Nadelstichprobe) negative Glasspatelprobe |
Spontanheilung unter schwerster Narben- und Kontrakturbildung (Operation zwingend) bei zirkulärer Verbrennung Gefahr des Kompartmentsyndroms möglich am Thorax lebensbedrohliche Abnahme der Thoraxwand-Compliance) → Escharotomie notfallmäßig |
IV |
wie Grad III, zusätzlich subdermale Strukturen |
Verkohlung Beteiligung von Knochen, Sehnen, Muskeln |
Defektdeckung mit muskulokutaner Lappenplastik an den Extremitäten meist Amputation |
Bei der Einschätzung des Schweregrades wird hierbei häufig die Oberfläche überschätzt und die Verbrennungsschwere unterschätzt.
Verbrennungen im Bereich der Hand stellen trotz der geringen Körperoberfläche immer eine besondere Verletzungsschwere dar [9].
[Abb. 3] und [Tab. 4] zeigen die Details.
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Amputationsverletzungen
Es wird zwischen subtotaler und totaler Amputation unterschieden.
-
Bei einer kompletten Durchtrennung des Körperquerschnittes handelt es sich um eine totale Amputation.
-
Bei Verletzung bzw. Durchtrennung wesentlicher Versorgungsgefäße, welche unbehandelt zur Nekrose des distalen Körperabschnitts führen würde, spricht man von einer subtotalen Amputation. Eine Einteilung besteht hier nach Meyer ([Tab. 5]).
Typ |
Kennzeichen |
---|---|
1 |
intakter Knochen |
2 |
intakte Strecksehne |
3 |
intakte Beugesehnen |
4 |
intakter Hauptnervenstamm |
5 |
intakte Hautbrücke |
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Handtraumazentrum
Seit einigen Jahren erfolgt vermehrt die Akkreditierung von sogenannten Handtraumazentren (Föderation der europäischen Gesellschaften für Handchirurgie, FESSH-Akkreditierung). Aktuell sind 34 Kliniken in Deutschland zertifiziert. Diese Zentren verfügen über eine besondere Expertise im Bereich der Versorgung von komplexen Handverletzungen. So muss ein 24-stündiger Bereitschaftsdienst von mindestens 3 Handchirurgen bestehen, von denen ein Chirurg das Diplom Handchirurgie der FESSH haben sollte [10].
-
mindestens 3 Handchirurgen
-
24-stündige Erreichbarkeit
-
Diplom der FESSH, ggf. äquivalentes Zertifikat
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Grundlagen
Die Erstuntersuchung sollte mit standardisierten prioritätenorientierten Untersuchungsmethoden, z. B. nach PHTLS, durchgeführt werden [11].
Im Rahmen des Primary Survey erfolgt zunächst eine strukturierte Untersuchung des Patienten nach ABCDE-Schema ([Tab. 6]). Punkt für Punkt erfolgt die Untersuchung, und bei vorliegenden Problemen zunächst die Therapie, bevor das jeweilig nächste Item abgearbeitet wird. Hierdurch soll eine rasche, effiziente und zielorientierte Therapie akut lebensbedrohlicher Zustände erzielt werden.
Akronym |
Maßnahme(n) |
|
---|---|---|
A |
Airway and C-Spine Protection |
Atemweg sichern und HWS Stabilisierung |
B |
Breathing |
Beatmung und Ventilation |
C |
Circulation |
Kreislauf |
D |
Disability |
Neurologischer Status |
E |
Exposure/Environment |
Entkleiden und Wärmeerhalt |
Nach Stabilisierung des Patienten erfolgt ein Secondary Survey. Hierbei wird der Unfallverletzte mittels gründlichem Bodycheck untersucht und eine ausführliche Anamnese erhoben. Bei schweren Traumata mit akuter Lebensgefahr darf dieser ergänzende Untersuchungsschritt keine Verzögerungen bezüglich der Logistik des Transports und der Suche der Zielklinik verursachen.
Grundsätzlich müssen lebensbedrohliche Verletzungen zuerst und vorrangig behandelt werden. Insbesondere begleitende Amputationsverletzungen im Bereich der Hand können imponieren, dürfen aber die Versorgung nicht verzögern. Es besteht der Grundsatz des „Life before Limb“, also des Überlebens des Patienten vor der Rettung von Gliedmaßen.
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Präklinische Untersuchung
Im Rahmen des Secondary Survey sind eine Inspektion und ein Bodycheck von Kopf bis Fuß unter optimierten Bedingungen (ausreichende Lichtverhältnisse, Möglichkeit der Entkleidung ohne Wärmeverlust) anzustreben. Die Entkleidung muss hierbei schonend und, soweit möglich, schmerzfrei erfolgten.
Bei allen Verletzungen der Hand sollte eine genaue Dokumentation des gefundenen klinischen Bildes erfolgen. Insbesondere die Prüfung der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) stellt einen entscheidenden Untersuchungsschritt dar.
Nach Anlage eines temporären Verbandes erfolgt eine weitere Prüfung der pDMS meist nicht, auch wenn der Patient z. B. zum Transport an ein weiteres notarztbesetztes Rettungsmittel (z. B. RTH) übergeben wird.
Bei fehlender Durchblutung oder vermuteter Verletzung von Sehnen und Nerven sollte schon frühzeitig eine Versorgung des Patienten in einem spezialisierten Zentrum erwogen werden.
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Präklinische Therapie
Neben den üblichen Basismaßnahmen steht eine symptomorientierte Therapie im Vordergrund.
Traumaversorgung
Nach dem erfolgten Primary und Secondary Survey sollte in jedem Fall eine adäquate Ruhigstellung zur Analgesie und Blutungskontrolle erfolgen. Zur Blutungskontrolle empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen, die Anlage eines Tourniquets sollte in der Individualmedizin die Ausnahme darstellen, um unnötige Ischämiezeiten zu vermeiden.
Bei den meisten Blutungen ist die Anlage eines Druckverbandes ausreichend.
Bei vorliegenden Luxationen sollte, nach sorgfältiger Prüfung der pDMS, ggf. eine Reposition erfolgen.
Bei Amputationsverletzungen sollte in jedem Fall eine Asservierung des Amputates/der Amputate erfolgen.
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Volumensubstitution
Die Etablierung eines intravenösen Zugangs ist angeraten. Eine intravenöse Volumengabe ist abhängig von der Kreislaufsituation und möglicherweise gleichzeitig vorliegenden kardialen Risikoerkrankungen.
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Analgosedierung
Des Weiteren ist eine ausreichende Analgesie bei starken Schmerzen durchzuführen.
Eine adäquate Analgesie stellt ein absolutes Muss dar. Die Notwendigkeit einer adäquaten Analgesie scheint insbesondere bei Monoverletzungen einer Hand leicht unterschätzt zu werden.
In der Regel erfolgt die Analgesie durch eine i. v. Analgesie/Analgosedierung. Eine spezifische Empfehlung zur Wahl des Anästhetikums und/oder Sedativums besteht nicht.
Auch eine lokale oder regionale Anästhesie mit Lokalanästhetika wie Scandicain oder Ropivacain ist möglich, sollte jedoch dem erfahrenen Anwender überlassen bleiben, da durch sie eine spätere Prüfung der peripheren Sensibilität in der Klinik erschwert wird bzw. nicht möglich ist. Sollte die Anwendung einer Lokalanästhesie in Ausnahmefällen erforderlich werden, müssen vorher zwingend eine adäquate klinische Prüfung der pDMS und die entsprechende detaillierte Dokumentation erfolgen.
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Schnitt-/Sägeverletzungen
Schnitt und Sägeverletzungen gehören zum rettungsdienstlichen Alltag. Die Verletzungsschwere reicht von Bagatellverletzungen bis hin zu Verletzungen mit Beteiligung aller für die Hand- und Fingerfunktion wesentlichen anatomischen Strukturen.
Vorsicht ist geboten bei vermeintlich einfachen Verletzungen. Eine Sehnen-, Nerven- oder Gefäßbeteiligung kann hier leicht verkannt werden. Eine sorgfältige Prüfung der pDMS ist obligat.
Auch einfache Verletzungen erfordern eine sorgfältige Erhebung der pDMS, um Sehnen-/Nerven-/Gefäßverletzungen sicher zu erkennen.
Nach der erfolgten Diagnostik sind meist die Anlage eines sterilen Verbandes und die Hochlagerung der Extremität ausreichend. Bei stärkeren Blutungen kann auch ein Druckverband angelegt werden. Die Anwendung von Tourniquets ist meist nicht erforderlich und sollte aufgrund der induzierten Ischämie die Ausnahme darstellen.
37-jähriger Patient mit Zustand nach tiefer Schnittverletzung an einer Metallplatte im Rahmen der Arbeitstätigkeit. Versorgung durch den Rettungsdienst und Notarzt. Nach Abnahme des provisorischen Verbandes (Handtuch) stark blutende Wunde. Die Prüfung der pDMS zeigt eine verminderte Rekapillarisierungszeit. Steriler Verband mit leichter Kompression. Analgosedierung mit Ketanest/Dormicum.
In der Klinik bei Verletzung der Arterie 6 mikrochirurgische Naht ([Abb. 4]).
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Quetschverletzungen
Quetschungen der Hand ereignen sich häufig im Rahmen von Arbeitsunfällen. Auch hier reicht die Verletzungsschwere von einfachen Quetschungen der Endglieder bis hin zu schweren Traumata der gesamten Hand.
Häufig finden sich begleitende Riss-Quetsch-Verletzungen und ossäre Begleitverletzungen.
Nach Erhebung der pDMS und Einschätzung der Verletzungsschwere wird bei offenen Quetschverletzungen ein steriler Verband angelegt und die betroffene Extremität hochgelagert.
Eine Schienung ist in der Regel zu empfehlen, da eine Knochenbeteiligung zu vermuten ist.
49-jähriger Patient, der bei Bauarbeiten von einem ca. 300 kg schweren Stein an der linken Hand getroffen worden war. Nach Rettungsdienstalarmierung Versorgung durch eine RTW-Besatzung. Bei intakter pDMS steriler Verband und Ruhigstellung in Samsplint-Schiene. Bei Schmerzniveau entsprechend VAS 1 in Ruhigstellung keine weitere präklinische Anästhesie.
Im Rahmen der klinischen Diagnostik zeigt sich ein schweres Weichteiltrauma mit begleitender mehrfragmentärer Mittelhandknochen-V-Fraktur. Operative Versorgung am Unfalltag mittels Débridement und Plattenosteosynthese ([Abb. 5]).
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Verbrennungen
Brandverletzungen oder Verbrühungen der Hände stellen eine Herausforderung in der klinischen Therapie dar. Daher besteht die Empfehlung, diese in spezialisierten Zentren zu behandeln. Während bei Monoverletzungen der Hände ein Handtraumazentrum ausreichend ist, so sollte bei schweren Verbrennungen (s. u.) mit Beteiligung der Hände ein Schwerbrandverletztenzentrum zur weiteren Therapie gewählt werden.
Nach entsprechender Diagnostik sind die Anlage eines sterilen Verbandes und eine adäquate Analgesie erforderlich. Bei Monoverletzungen der Hände besteht keine Gefahr der Verbrennungskrankheit, sodass hier keine spezifische Therapie empfohlen ist. die Kriterien für die Zuweisung eines verbrannten Patienten in ein Verbrennungszentrum (orientiert an den American Burn Association Burn Unit Referral Criteria [e2]) fasst die Übersicht zusammen.
-
tiefe Verbrennungen Grad > II b unabhängig von der betroffenen KOF
-
oberflächliche Verbrennungen (Grad I–IIa) 20% KOF
-
oberflächliche Verbrennungen (Grad I–IIa) 10% KOF bei Patienten > 50 Jahre
-
alle Verbrennungen bei Kindern < 10 Jahre
-
alle Verbrennungen des Gesichts sowie der Hände, Füße, Genitalien/Perineum, Brüste
-
Stromunfälle und chemische Verbrennungen
-
Inhalationstraumata
-
Verbrennungen bei Patienten mit relevanten Nebendiagnosen, die einen verlängerten Therapieverlauf nach sich ziehen können
-
alle polytraumatisierten und Verbrennungspatienten, deren Hauptverletzung in der Verbrennung besteht
(orientiert an den American Burn Association Burn Unit Referral Criteria [e2])
53-jähriger Patient, Zustand nach Griff in kochendes Wasser. Die Erstversorgung erfolgte durch lokalen NAW. Bei stärksten Schmerzen (VAS 9) Analgosedierung mit Fentanyl/Dormicum. Die pDMS zeigt sich intakt. Anlage eines sterilen Verbandes.
Bei vorliegender Handverbrühung und langer Transportstrecke entschloss sich der Notarzt zur RTH-Anforderung und Zuweisung in ein Hand Trauma Zentrum zur weiteren Versorgung ([Abb. 6]).
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Amputationen
Subtotale oder totale Amputationen können isoliert oder begleitend zu den oben genannten Verletzungen vorliegen. Die Entscheidung, ob eine Replantation möglich und medizinisch sinnvoll ist, kann präklinisch noch nicht getroffen werden, jedoch erhöhen eine schnelle notärztliche Versorgung und geringe Transportzeiten durch die verringerte Ischämiezeit des Amputates die Erfolgschancen einer Replantation. Daher sind die frühzeitige Auswahl einer geeigneten Klinik und die Organisation eines schnellen Transports des Patienten notwendig.
Zu den Zielen einer Replantation gehört eine funktionsfähige Gliedmaße. Um für dieses Ziel optimale Voraussetzungen zu schaffen, sollte eine zügige Versorgung und den schnellstmöglichen Transport erfolgen.
Die 3 Säulen der Versorgung von Amputationsverletzungen bestehen aus
-
der Stumpfversorgung und Blutungskontrolle,
-
der Amputatversorgung,
-
der Ischämiekontrolle.
Stumpfversorgung und Blutungskontrolle
Zur Stumpfversorgung sind meist die Anlage eines sterilen Verbandes und die Hochlagerung der Extremität ausreichend. Bei stärkeren Blutungen kann die Anlage eines Druckverbandes notwendig sein. Auch bei Amputationsverletzungen sollte eine Blutsperre, z. B. durch Anlage eines Tourniquets, die Ausnahme bleiben.
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Amputatversorgung
Eine Asservierung des Amputates sollte in jedem Fall erfolgen. Die Versorgung erfolgt nach dem „Prinzip der trockenen Kühlung“. Hierbei wird das Amputat mit sterilen Kompressen eingewickelt und in einem Plastikbeutel verpackt. Dieser wird danach in einen weiteren mit Eis gefüllten Beutel verpackt.
In keinem Fall sollte das Amputat direktem Eiskontakt oder direktem Kontakt mit Flüssigkeiten (z. B. NaCl-Lösung) ausgesetzt sein. Die dadurch provozierte Mazeration und ödematöse Schwellung des Amputates kann eine Replantation unmöglich machen.
Auch ein Einfrieren des Amputates sollte unbedingt vermieden werden.
Ein Mischverhältnis Wasser/Eis von eins zu eins ist deswegen empfehlenswert.
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Ischämiezeit
Unter dem Begriff Ischämiezeit wird die Zeitspanne zwischen Amputation bis zum Wiederanschluss der Gefäße definiert. Hierbei wird zwischen kalter (4 °C) und warmer (Körpertemperatur) Ischämiezeit unterschieden. Die maximale Ischämiezeit ist bei kalter Ischämiezeit verlängert (Mikroamputationen bis 24 Stunden, Makroamputationen bis 5 Stunden).
45-jähriger Patient. Im Rahmen der Arbeitstätigkeit Quetschtrauma an der rechten Hand mit subtotaler Amputation des Daumens. Die pDMS des rechten Daumens zeigt sich vollständig aufgehoben. Steriler Verband und Schienung in Samsplint, Analgosedierung mit Dipidolor durch den Notarzt.
Es konnte eine mikrochirurgische Replantation und Osteosynthese durchgeführt werden ([Abb. 7]).
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Bei instabilen Patienten gilt „Life before Limb“.
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Die Erhebung der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität ist obligat.
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Bei größerer Verletzungsschwere oder Verletzungen mit Sehnen-/Nerven-/Gefäßbeteiligung sollte der Transport in ein Handtraumazentrum erwogen werden.
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Verbrennungen/Verbrühungen der Hand sollten spezialisierten Zentren zugeführt werden.
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Die Entscheidung über eine mögliche Replantation nach Amputationstrauma kann erst in der Klinik gefällt werden, optimale Voraussetzungen werden durch eine zügige Versorgung und den schnellstmöglichen Transport ermöglicht.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Stefan Barzen, Frankfurt am Main.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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Literatur
- 1 Schmidt H-M, Lanz U. Chirurgische Anatomie der Hand. Stuttgart: Thieme; 2003
- 2 Leixnering M, Quadlbauer S, Szolarcz C. et al. Prävention von Handverletzungen–Aktueller Stand in Europa. Handchir Mikrochir Plast Chir 2013; 45: 339-343
- 3 Haas E, Volkmer E, Holzbach T. et al. Über Versorgungsstrukturen und Möglichkeiten der Optimierung durch Vernetzung bei schweren Handverletzungen und Replantationen. Handchir Mikrochir Plast Chir 2013; 45: 318-322
- 4 Hierner R, Berger A. Amputationsverletzungen im Bereich der oberen Extremität. Plastische Chirurgie. Berlin, Heidelberg: Springer; 2009: 395-474
- 5 Kim Y-J, Sauerbier M, Hoffmann R. et al. Amputationsverletzungen und schwere Weichteilquetschung. Notfallmed up2date 2015; 10: 133-147
- 6 Gustilo RB, Anderson JP. Prevention of infection in the treatment of one thousand and twenty five open fractures of long bones. J Bone Joint Surg Am 1976; 58: 453-458
- 7 Tscherne H, Oestern HJ. Die Klassifizierung des Weichteilschadens bei offenen und geschlossenen Frakturen. Unfallheilkunde 1982; 85: 111-115
- 8 Oestern HJ, Tscherne H. Klassifizierung der Verletzungsschwere. Unfallchirurg 1985; 88: 465-472
- 9 Spanholtz TA, Theodorou P, Amini P. et al. Versorgung von Schwerstverbrannten. Dtsch Ärztebl Int 2009; 106: 607-13
- 10 Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie, Hand Trauma Allianz. Pilotprojekt Hand Trauma Allianz (2017).. Im Internet: http://www.hand-trauma-alliance.de/das-handtraumazentrum/ Stand: 10.06.2018
- 11 Bernhardt M. Präklinisches Traumamanagement: Prehospital Trauma Life Support (PHTLS). Deutsche Bearbeitung durch PHTLS Deutschland und Schweiz. Berlin: Elsevier, Urban & Fischer Verlag; 2012
- 12 Meyer VE. Major Limb Replantation and Revascularisation. In: Meyer VE. ed. Upper Extremity Replantation. New York: Churchill Livingstone; 1985: 36-68
Korrespondenzadresse
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