Pneumologie 2018; 72(04): 313-314
DOI: 10.1055/s-0043-119234
Fallbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schwerer hämorrhagischer Schock bei einem 93-jährigen Patienten nach diagnostischer Pleurapunktion

Severe Hemorrhagic Shock in a 93-Year Old Patient due to a Diagnostic Thoracocentesis
H. Rupprecht
1   Chirurgische Klinik 1, Klinikum Fürth, Fürth
,
H. Dormann
2   Harald Dormann, Zentrale Notaufnahme, Klinikum Fürth
,
K. Gaab
1   Chirurgische Klinik 1, Klinikum Fürth, Fürth
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Katharina Gaab, MD, PhD
Chirurgische Klinik 1
Klinikum Fürth
Jakob-Henle Str. 1
90766 Fürth

Publication History

eingereicht 01 August 2017

akzeptiert nach Revision 04 September 2017

Publication Date:
18 October 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Eine Verletzung der Interkostalgefäße bei einer Pleurapunktion ist eine seltene iatrogene Komplikation und betrifft vor allem geriatrisches Patientengut. Wir berichten über das Notfallmanagement bei einem 93-jährigen Patienten mit schwerem hämorrhagischen Schock nach einer diagnostischen Pleurapunktion.


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Abstract

An intercostal artery laceration is a rare iatrogenic complication following thoracocentesis and concerns especially elderly patients. We report a case of a severe hemorrhagic shock in a 93-year old patient due to diagnostic thoracocentesis.


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Einleitung

Bei einem 93-Jährigen wurde bei einem „unklaren“ Pleuraerguss eine diagnostische Pleurapunktion durchgeführt. In der Folge kam es zu einem massiven Hämatothorax, der eine Notfallthorakotomie erforderte. Ursache der Blutung war eine rupturierte Interkostalarterie im 7. ICR, die erfolgreich versorgt werden konnte. Nach 10 Tagen wurde der Patient beschwerdefrei nach Hause entlassen.


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Fallbericht

Ein 93-jähriger Patient mit entsprechendem Risikoprofil (COPD, koronare Herzerkrankung) musste wegen des Verdachts auf eine ambulant erworbene Pneumonie (CAP) stationär behandelt werden. Die Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme zeigte streifige Veränderungen im Bereich des linken Unterlappens sowie einen Pleuraerguss in diesem Bereich. Klinisch fiel Husten mit Auswurf sowie ein CRP-Wert von 14,9 mg/dl auf.

Trotz intensiver Atemtherapie und kalkulierter antibiotischer Abdeckung mit Ampicillin/Sulbactam 3 × 3 g/Tag über 3 Tage, entwickelte sich zunehmender persistierender Pleuraerguss. Zur Gewinnung von Material für die Mikrobiologie bzw. Zytologie erfolgte eine nicht sonografisch-gestützte paravertebrale Punktion der linken Pleurahöhle duch die internistischen Kollegen. Die Punktion zeigte ein klares Exsudat. Mikrobiologisch fand sich kein Bakterienwachstum, nur vereinzelte Granulozyten. Histologisch konnte ein Malignom ausgeschlossen werden, es wurde eine chronische Pleuritis nachgewiesen.

Nach einigen Stunden wurde der Patient zunehmend dyspnoisch und tachykard. Eine Röntgenübersichtsaufnahme ([Abb. 1]) bestätigte einen ausgedehnten Hämatothorax, der umgehend mit einer großlumigen Drainage (28 Ch.) versorgt wurde und reichlich Blut förderte. Trotz dieser Maßnahme entwickelte sich ein zunehmender Schock, wobei eine Röntgenkontrolle eine Vergrößerung des Hämatothorax mit Verdrängung des Mediastinums aufzeigte. Der Hämoglobinwert war auf 7,6 g/dl, der Hämatokrit auf 21 % abgefallen, die Gerinnungsparameter lagen dabei im Normbereich. Aufgrund der offensichtlichen schweren Blutung übernahmen wir den Patienten zur notfallmäßigen links-lateralen Thorakotomie.

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Abb. 1 Blutung nach Pleurapunktion (Röntgen Thorax).

Bei der Exploration fand sich eine blutgefüllte Thoraxhöhle (circa 3 Liter!), wobei das zum Teil koagulierte Blut zunächst mit einem „Cellsaver“ abgesaugt und retransfundiert wurde. Zusätzlich mussten zur Kreislaufstabilisierung sieben Erythrozytenkonzentrate sowie vier Fresh Frozen Plasma verabreicht werden. Auslöser der Blutung war eine Ruptur der 7. Interkostalarterie, die mit mehreren Umstechungen gestillt werden konnte. Nach Lavage und Einlage von zwei großlumigen Drainagen wurde der Patient auf die Intensivstation verlegt und am nächsten Tag extubiert. Die postoperative Röntgenkontrolle zeigte eine ausgedehnte Lunge, ein Erguss oder ein Pneumothorax waren nicht zu eruieren. Nach weiteren 10 Tagen erfolgte die Entlassung nach Hause im beschwerdefreien Zustand.


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Diskussion

Verletzungen der Interkostalgefäße werden meistens durch ein Thoraxtrauma verursacht [1] [2] [3]. Iatrogene Komplikationen durch eine Punktion sind relativ selten und führen am häufigsten zu einem Pneumothorax [4] [5] [6] [7]. Nur in Ausnahmefällen kommt es zur Ruptur einer Interkostalarterie, überwiegend bei geriatrischem Krankengut [4] [6] [7]. Erklärbar ist dieses Phänomen durch die altersbedingte „Schlängelung“ der Interkostalarterien, die daher trotz korrekter Punktionstechnik lädiert werden können [4] [6] [7]. Mit einer sonografisch gestützten Punktion lässt sich dieses Risiko reduzieren, aber nicht gänzlich verhindern [5] [6] [8]. Trotz des geringen Verletzungsrisikos sollte stets eine Thorax-Übersichtsaufnahme sowie eine Laborkontrolle „post punctionem“ erfolgen, um frühzeitig eine Nachblutung zu erfassen [6] [9]. Bei Nachweis eines Hämatothorax ist eine großlumige Thoraxdrainage (≥ 28 Ch.) sowohl aus diagnostischen als auch therapeutischen Gründen indiziert. Durch die drainagenbedingte Ausdehnung der Lunge bei einem Hämatopneumothorax kann eine „Selbsttamponade“ der Blutung durch Kompression der Thoraxwand herbeigeführt werden. Andererseits signalisiert ein spontaner Blutabgang von 1000 bis 1500 ml bei Drainageanlage bzw. eine persistierende Blutung von 200 bis 300 ml über mehrere Stunden die Notwendigkeit einer invasiven Maßnahme [1] [10] [11] [12]. Bei noch vorhandener Kreislaufstabilität können die rupturierten Interkostalgefäße embolisiert werden, um eine Thorakotomie zu umgehen [13].

Im Schockzustand, wie bei unserem Patienten, bleibt dazu keine Zeit mehr, deshalb muss der Brustkorb umgehend eröffnet werden [1] [3] [10] [11] [12], um den letalen Ausgang zu verhindern, im Speziellen bei hochbetagten Patienten mit ihren reduzierten „physiologischen Reserven“ [14]. In einer solch dramatischen Situation hat sich die Verwendung eines sogenannten „Cellsaver“ zur Autotransfusion sehr bewährt, um den Kreislauf, vor allem bei Blutkonservenmangel, zu stabilisieren [15].


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

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  • 8 Feller-Kopman D. Ultrasound-guided thoracentesis. Chest 2006; 129: 1709-1714
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  • 11 Narvestad JK, Meskinfamfard M, Soreide K. Emergency resuscitative thoracotomy performed in European civilian trauma patients with blunt or penetrating injuries: a systemic review. Eur J Trauma Emerg Surg 2016; 42: 677-685
  • 12 Rupprecht H. Thoraxtraumatologie. In: Müller MR, Watzka SB. Hrsg. Expertise Thoraxchirurgie. Stuttgart: Thieme Verlag; 2015: 447-462
  • 13 Kessel B, Alfici R, Ashkenazi I. et al. Massive hemothorax caused by intercostal artery bleeding: selective embolisation may be an alternative to thoracotomy in selected patients. Thorac Cardiovasc Surg 2004; 52: 234-236
  • 14 Rupprecht H, Heppner HJ, Wohlfart C. et al. The geriatric polytrauma: Risk profile and prognostic factors. Ulus Trava Acil Cerrahi Derg 2017; 23: 156-162
  • 15 Kamiyoshihara M, Ibe T, Takeyoshi I. The utility of an autologous blood salvage system in emergency thoracotomy for a hemothorax after chest trauma. Gen Thorac Cardiovasc Surg 2008; 56: 222-225

Korrespondenzadresse

Katharina Gaab, MD, PhD
Chirurgische Klinik 1
Klinikum Fürth
Jakob-Henle Str. 1
90766 Fürth

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Abb. 1 Blutung nach Pleurapunktion (Röntgen Thorax).