Pneumologie 2017; 71(11): 718-721
DOI: 10.1055/s-0043-119597
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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I. Firlinger
1   I. Interne Lungenabteilung, Otto-Wagner-Spital, Wien
,
T. Frischer
2   Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Wilhelminenspital, Wien
,
A. Valipour
1   I. Interne Lungenabteilung, Otto-Wagner-Spital, Wien
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

PD Dr. Arschang Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation
Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie
Otto-Wagner-Spital
Sanatoriumstr. 2, 1140 Wien
Österreich   

Publication History

Publication Date:
13 November 2017 (online)

 

Das Syndrom der einseitig hellen Lunge verleitet zu zahlreichen potenziellen Differenzialdiagnosen. Gerade im Bereich der pädiatrischen Pneumologie sind einige davon zu finden.


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Anamnese

Ein 5 Monate alter Säugling, weiblich, wird von seinen Eltern in die Kinderambulanz gebracht aufgrund eines seit 2 Wochen andauernden fieberhaften respiratorischen Infektes mit bellendem Husten. Die Geburtsanamnese war im Wesentlichen unauffällig, es handelte sich um eine Spontangeburt eines reifen Kindes (SSW 39 + 2 Tage), der Apgar-Score betrug 9 – 10 – 10, das Geburtsgewicht betrug 3280 g bei einer Körperlänge von 50 cm und einem Kopfumfang von 36 cm. Postpartal wurde ein Ikterus dokumentiert, der jedoch spontan regredient war. Der Säugling erhielt alle im Rahmen des Impfplanes vorgesehenen Impfungen. Aktuell befindet sich das Kind in einem reduzierten Allgemeinzustand bei normalem Ernährungszustand. Das Kind hat eine erhöhte Atemfrequenz (42/min) und hypotone Blutdruckwerte (RR 63/29 mmHg), die Sauerstoffsättigung beträgt 98 %.

Im Status auffällig sind ein geröteter Rachen, gerötete Trommelfelle beidseits, eine seröse Rhinitis, am Thorax finden sich atemsynchrone interkostale Einziehungen, das Kind hat eine deutliche erhöhte Atemarbeit mit Nasenflügeln, über der Lunge finden sich beidseits trockene Rasselgeräusche (Giemen, Brummen). Die Herztöne sind rein, rhythmisch, tachykard. Das Labor liefert einen Hinweis auf einen viralen Infekt. Im Rahmen der klinisch gestellten Diagnose einer obstruktiven Bronchitis wird eine forciert antiobstruktive Therapie etabliert mit Prednisolon iv., Salbutamol inhalativ, parenteraler Flüssigkeitszufuhr, abschwellenden Nasentropfen sowie Atemphysiotherapie. Nach einem stationären Aufenthalt von drei Tagen ist eine deutliche klinische Besserung zu verzeichnen, und die Patientin wird nach Vereinbarung einer klinischen Kontrolle beim betreuenden Kinderarzt nach Hause entlassen.

Zwei Monate später erfolgt eine weitere stationäre Aufnahme mit ähnlicher Klinik wie beim ersten Mal, allerdings zeigt sich in der Blutgasanalyse eine respiratorische Azidose mit Hypoxämie und Hyperkapnie. Das Labor zeigt den Befund einer Neutrophilie mit Linksverschiebung. Mit Hilfe eines Schnelltests kann eine Infektion mit RS-Viren ausgeschlossen werden. Im Thoraxröntgen zeigt sich eine deutliche Transparenzerhöhung des rechten Oberlappens, der massiv überbläht ist ([Abb. 1]). Im Rahmen einer weiteren respiratorischen Verschlechterung mit hohem Sauerstoffbedarf und hyperkapnischer Dekompensation erfolgt eine Transferierung auf die Intensivstation, wo eine nicht-invasive Beatmung etabliert wird zusätzlich zu einer forciert antiobstruktiven Therapie und einer iv.-Antibiose mit Amoxicillin-Clavulansäure und Erythromycin. Nach 7 Tagen kann die Patientin wieder auf die Normalstation verlegt werden, und es erfolgt eine weitere diagnostische Abklärung.

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Abb. 1 Thoraxröntgen.

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Befunde

BGA venös (Raumluft):

pH 7,287

pO2 33 mmHg

pCO2 49 mmHg

BE – 3,9 mmol/l

Na 143 mmol/l

K 4,7 mmol/l

Labor:

Leukozyten 12,21 G/L, Neutrophilie, Lymphopenie

Hb 13,6 g/dl

CRP 0,2 mg/dl (< 0,5 mg/dl)

Kreatinin 0,27 mg/dl (< 0,40 mg/dl)

GPT 25 U/L (< 65 U/L)

Schweißtest 48 mmol/kg ( < 180 mmol/kg)

Sonografie des Abdomens:

regelrechte Darstellung der parenchymatösen Oberbauchorgane, dystelektatische Infiltrationen in den basalen Lungenabschnitten, kein Nachweis eines kranial des Truncus coeliacus abgehenden Gefäßes.

Echokardiografie:

nur von subkostal schallbar, ASD II, nicht hämodynamisch wirksam, gute Kontraktilität, sonst unauffälliger Befund.

Bronchoskopie:

Bronchialsystem: normale anatomische Verhältnisse, bis auf schlitzförmig verengtes Segment B6 (rechte Unterlappenspitze), dies jedoch einsehbar, wenig Sekret, kein Keimwachstum.

FRAGEN

Wie lautet Ihre Diagnose?

  • kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation

  • Swyer-James-McLeod-Syndrom

  • kongenitales lobäres Emphysem des rechten Oberlappens

  • Fremdkörperaspiration


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Beschreibung und Diskussion des Falls

Im oben beschriebenen Fall folgen im gleichen Jahr vier weitere stationäre Aufenthalte mit klinischer und respiratorischer Verschlechterung mit intermittierendem Sauerstoffbedarf, jedoch ohne weitere Intensivaufenthalte. In Zusammenschau der Radiologie und der Klinik wird der Verdacht auf ein kongenitales lobäres Emphysem des rechten Oberlappens gestellt, das konsekutiv zu einer Verdrängung benachbarter Organe und Lungenlappen führt und somit auch zu einer schlitzförmigen Kompression der rechten Unterlappenspitze sowie des Mittellappenabganges.

Bei einem kongenitalen lobären Emphysem handelt es sich um eine massive Überblähung eines oder auch selten mehrerer Lungenlappen. Die Erkrankung ist sehr selten, die Prävalenz beträgt 1:25 000. Männliche Patienten sind häufiger betroffen.

In Hinblick auf die Pathogenese unterscheidet man das obstruktive lobäre Emphysem vom lobulären Emphysem. Das obstruktive lobäre Emphysem entsteht als Folge einer zentralen Obstruktion durch Knorpeldysplasien, weiters durch intraluminale Obstruktionen wie Schleimhautfalten oder Schleimpropfe und Stenosierungen von außen (z. B. durch bronchogene Zysten), durch pathologisch vergrößerte Lymphknoten, Teratome oder Gefäßanomalien. Das lobuläre Emphysem entsteht als Folge von alveolären Strukturanomalien und manifestiert sich meist bereits in der Neugeborenenperiode mit postpartaler Progredienz. Ein kongenitales Emphysem kommt am häufigsten im linken Oberlappen vor, mit absteigender Häufigkeit im Mittellappen und auch im rechten Oberlappen. Oft besteht eine Assoziation mit anderen kongenitalen Fehlbildungen wie Herzfehler (14 %), Nierenfehlbildungen, gastrointenstinale und muskuloskelettale Anomalien. In unserem Fall findet sich kein Hinweis auf weitere Fehlbildungen.

Die Klinik ist gekennzeichnet durch rezidivierende respiratorische Verschlechterungen im Sinne von obstruktiven Bronchitiden und rezidivierenden Pneumonien. 25 bis 33 % der Patienten sind bereits in der Neugeborenenperiode symptomatisch, 50 % der Patienten haben etwa im Alter von 1 Monat erste Symptome, beinahe alle Patienten sind jedoch mit 6 Monaten symptomatisch. Asymptomatische Verläufe werden in der Literatur beschrieben, sind jedoch eher selten.

Die Diagnose eines kongenitalen lobären Emphysems wird in erster Linie radiologisch mittels Thoraxröntgen und Computertomografie gestellt, eine bronchoskopische Exploration des Bronchialbaumes kann hilfreich sein, um eine eventuell vorhandene Ursache für eine zentrale Obstruktion zu identifizieren. In unserem Fall ist im Segmentbronchus der rechten Unterlappenspitze eine schlitzförmige extraluminale Kompression zu sehen, als Folge der massiven Überblähung des rechten Oberlappens, gut korrelierend mit der bildgebenden Diagnostik ([Abb. 2], [Abb. 3]).

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Abb. 2 CT Thorax.
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Abb. 3 CT Thorax.

Zu den Differenzialdiagnosen eines kongenitalen lobären Emphysems zählen bronchogene Zysten, kongenitale zystisch-adenomatoide Malformationen, Sequester, Lungenaplasie, Pneumothorax, Fremdkörperaspirationen, kongenitale Zwerchfellhernien sowie das Swyer-James-McLeod-Syndrom.

Bei symptomatischen Patienten ist die Therapie erster Wahl eine thoraxchirurgische Resektion des betroffenen überblähten Lungenlappens. Ein konservatives Vorgehen wird bei asymptomatischen Patienten empfohlen. In unserem Fall wird schließlich eine Lobektomie des rechten Oberlappens durchgeführt. Intraoperativ zeigt sich eine ausgeprägte Hypoplasie des Mittellappens und der rechten Unterlappenspitze, weshalb man sich dazu entscheidet, sowohl den rechten Oberlappen als auch den Mittellappen und den apikalen rechten Unterlappen zu entfernen. Postoperativ wird die Patientin zunächst noch am OP-Tag extubiert, muss jedoch 2 Tage später im Rahmen einer Pneumonie der linken Lunge reintubiert werden bei hohem Beatmungsaufwand und erschwertem Weaning, zusätzlich wird eine breite Antibiose mit Meropenem etabliert. In Folge kann die Patientin schließlich wieder extubiert werden und wird 19 Tage nach der Operation wieder auf die Normalstation transferiert. Die Histologie des resezierten Gewebes bestätigt die klinisch-radiologische Diagnose des kongenitalen lobären Emphysems mit herdförmigem Mangel an Knorpel in mittelkalibrigen Bronchien, weiters finden sich Zeichen einer strukturellen Lungenhypoplasie und Pulmonalarterien mit teils breiter Adventitia wie bei pulmonaler Hypertension. Die Echokardiografie zeigt eine geringe pulmonale Druckerhöhung.

Die Prognose nach Resektion des überblähten Lappens bei symptomatischen Patienten ist in der Regel gut.


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Interessenkonflikt

Die Autorin gibt an, gelegentlich im Rahmen wissenschaftlicher Recherchen für die Fa. Chiesi Pharmaceuticals GmbH tätig zu sein.

  • Literatur

  • 1 Stanton M, Davenport M. Management of congenital lung lesions. Early Hum Dev 2006; 82: 289
  • 2 Schwartz MZ, Ramachandran P. Congenital malformations of the lung and mediastinum – a quarter century of experience from a single institution. J Pediatr Surg 1997; 32: 44
  • 3 Tander B, Yalcin M, Ylmaz B. et al. Congenital lobar emphysema: a clinicopathologic evaluation of 14 cases. Eur J Pediatr Surg 2003; 13: 108
  • 4 Stigers KB, Woodring JH, Kanga JF. The clinical and imaging spectrum of findings in patients with congenital lobar emphysema. Pediatr Pulmonol 1992; 14: 160
  • 5 Eber E. Antenatal diagnosis of congenital thoracic malformations: early surgery, late surgery, or no surgery?. Semin Respir Crit Care Med 2007; 28: 355
  • 6 Choudhury SR, Chadha R, Mishra A. et al. Lung resections in children for congenital and acquired lesions. Pediatr Surg Int 2007; 23: 851

Korrespondenzadresse

PD Dr. Arschang Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation
Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie
Otto-Wagner-Spital
Sanatoriumstr. 2, 1140 Wien
Österreich   

  • Literatur

  • 1 Stanton M, Davenport M. Management of congenital lung lesions. Early Hum Dev 2006; 82: 289
  • 2 Schwartz MZ, Ramachandran P. Congenital malformations of the lung and mediastinum – a quarter century of experience from a single institution. J Pediatr Surg 1997; 32: 44
  • 3 Tander B, Yalcin M, Ylmaz B. et al. Congenital lobar emphysema: a clinicopathologic evaluation of 14 cases. Eur J Pediatr Surg 2003; 13: 108
  • 4 Stigers KB, Woodring JH, Kanga JF. The clinical and imaging spectrum of findings in patients with congenital lobar emphysema. Pediatr Pulmonol 1992; 14: 160
  • 5 Eber E. Antenatal diagnosis of congenital thoracic malformations: early surgery, late surgery, or no surgery?. Semin Respir Crit Care Med 2007; 28: 355
  • 6 Choudhury SR, Chadha R, Mishra A. et al. Lung resections in children for congenital and acquired lesions. Pediatr Surg Int 2007; 23: 851

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Abb. 1 Thoraxröntgen.
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Abb. 2 CT Thorax.
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Abb. 3 CT Thorax.